Disclaimer: Wie bereits erwähnt, liegen sämtliche Urheberrechte bei Tolkien oder seinen Erben.
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"Ich wünsche mir...ich wünsche mir...
eine LegolasMarySue...
einzige Bedingungen: ein leidender Thranduil, und ein musikalischer Boromir sollen darin vorkommen
und das ganze hätte ich von zita gerne arrangiert " (Amélie)
Ich habe das Glück, eine wirklich tolle Betaleserin zu haben - besagte Amélie - und wenn diese einen Wunsch äußert, dann mach ich mich eben ans Werk. Auch wenn ich bei DIESEM Wunsch hier den Eindruck hatte, er wäre die Rache für alle meine Fehler, die sie je korrigieren musste.
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Zähne zusammen und durch
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Kapitel: Und es kam schlimmer…
Oder: Kommt dein OFC von der Erde? Auf mysteriöse Weise nach Mittelerde gebracht?
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Kennt ihr das Gefühl? Man durchlebt so ziemlich die schwärzesten Stunden seines Lebens und denkt sich, schlimmer kann es jetzt wohl nicht mehr kommen. Ah, ihr kennt dieses Gefühl. Dann brauche ich auch nicht ganz so ausführlich zu berichten, was an diesem Morgen in mir vorging.
Welcher Morgen? Nun, das war der Morgen, an dem ich die Praxis betrat und mein Chef, der ehrenwerte Zahnarzt Horace Willbur tot an seinem Schreibtisch saß. An und für sich schon schlimm genug, aber es war Montag und wie mir die netten Polizisten sagten, nachdem ich endlich aufgehört hatte, mich in die Toilette zu übergeben, muss er wohl am Freitagnachmittag gestorben sein. Horace hatte das ganze schöne Sommerwochenende hier tot in seiner netten Zahnarztpraxis gelegen, die zufällig meine Existenzgrundlage ist. Es war warm, die Klimaanlage hatte ich nämlich beim Gehen am Freitag ausgestellt, und Horace hatte nicht mehr wirklich viel Ähnlichkeit mit sich. Um genau zu sein, er befand sich in einem Stadium der Auflösung und stank wie die Pest.
Ja, der Gestank hätte mir wirklich zu denken geben sollen. Andererseits ist man als Zahnarzthelferin die übelsten Gerüche gewöhnt, wenn der ein oder andere Patient den Mund öffnet. Außerdem bin ich nicht die Frischeste am Morgen. Es dauert immer, bis mein Gehirn Umweltreize entsprechend verarbeitet. Und wer rechnet schon damit, dass es den eigenen Chef dahingerafft hat. Herzinfarkt, meinte der Leichenbeschauer, der starke Ähnlichkeit mit Rumpelstilzchen hatte. Ich weiß zwar nicht, woran er es erkennen wollte, aber zumindest steckte in Horaces Rücken kein Skalpell oder ein irrer Serienkiller hatte ihm mit dem Bohrer ein Auge rausgepult.
Jedenfalls schickten sie mich nach Hause und meinten, ich solle mir keine Sorgen über irgendein Verbrechen machen und mich erst einmal erholen. Und wie? hätte ich sie am liebsten angeschrieen. Dies hier ist Long Island, die Mieten sind hoch und die Jobs auch nicht so zahlreich.
Ich verbrachte also lange Stunden an diesem Tag in meinem winzigen Apartment, starrte die Wand an und grübelte darüber nach, was aus mir werden sollte. Irgendwann stand ich vor dem Spiegel in meinem Badezimmer und starrte die so plötzlich ihrer angenehmen, ruhigen Zukunft beraubte Gestalt an, die mir aus undefinierbar braun und irgendwas farbenen Augen entgegensah.
„Hallo, Lucy", begrüßte ich sie und lächelte humorlos. Nebenbei stellte ich fest, dass das Schönste an mir meine Zähne sind. Sehr gleichmäßig, sehr weiß – na ja, man sollte es von einer Zahnarzthelferin ja auch erwarten können. Der Rest ist keiner Erwähnung wert. Ich bin vierundzwanzig Jahre alt, normal groß, normal schwer und mit normalen, schulterlangen Haaren von genauso undefinierbar brauner Farbe wie meine Augen. „Dein Geld reicht für zwei Monate. Such dir einen neuen Job."
Bei aller Trauer um Horace würde ich genau das als erstes machen. Aber erst morgen, heute war es ohnehin zu spät. Draußen war es bereits ungewöhnlich dunkel, aber das hielt mich nicht davon ab, mich in meine Joggingshorts zu werfen, das graue Trägerhemd überzuziehen und mit den schon etwas betagten Joggingschuhen, die bereits bessere und saubere Zeiten gesehen hatten, auf den Weg zu machen, meine Sorgen wegzulaufen.
Genau, weglaufen und zwar nicht vor ihnen, auch wenn bösmeinende Zungen das behaupten könnten, sondern sie einfach vergessen. So geht es mir nämlich, wenn ich laut hechelnd durch diese sündhaft teure Gegend trabe, in der man als gewöhnlicher Sterblicher nicht wirklich im Paradies lebt.
Da ging es den Bewohnern der teuren Villen schon besser, die jetzt gemütlich vor ihren Designer-Kaminen hockten, in ihren Designer-Hausanzügen und nett gekühlt von ihren Designer-Klimaanlagen. Ich bin nicht neidisch, aber ich war an diesem Tag doch nicht gerade in der besten Stimmung.
Vielleicht lag es auch daran, dass sich über meinem Kopf ein Gewitter zusammenbraute. Eines, von dem ich hoffte, dass ich noch vor seinem Beginn wieder von meiner üblichen Runde zurück sein würde. Hatte ich schon erwähnt, dass es nicht mein Glückstag war? Es fing an zu regnen, nein, zu schütten, als ich gerade in den kleinen Weg einbog, der zu einer hübschen Holzbrücke führte, die wiederum einen kleinen Fluss überquerte.
Das Gewitter entschloss sich, in die Vollen zu gehen, als ich noch gut 50 Meter von der Brücke entfernt war. Ein wirklich beeindruckender Blitz erleuchtete den ansonsten tintenschwarzen Himmel und mir blieb fast das Herz stehen, als ich eine schmale Gestalt erblickte, die sich gerade über das Geländer der Brücke schwang.
„Nein!" schrie ich, denn es war eindeutig, was dieses Geschöpf da vorne plante. Niemand machte einen Schwimmausflug bei diesem Wetter, bei dem der Fluss über sich hinauswuchs und reichlich gefährlich wurde.
Den Atem hätte ich mir sparen können. Der oder die Selbstmörder/in hopste natürlich prompt vom Geländer und ich rannte noch etwas schneller. Ein Toter am Tag reichte mir. Zwei Tote waren einfach nicht mehr zu ertragen und außerdem konnten sie die Leute zu der Annahme verführen, man würde Unglück bringen.
Ich war ja wirklich bereit, mich in die Fluten zu stürzen, um den armen Selbstmörder zu retten, aber als ich an der Brücke ankam und einen Blick über das Geländer auf die Wassermassen unter mir warf, die mit der Geschwindigkeit eines Rennwagens Richtung Atlantik zogen, war mir mein Ruf plötzlich doch wieder egal. Ich bin keine Heldin, ich bin Zahnarzthelferin. Wir retten Zähne, keine Menschenleben.
Also stand ich da am Geländer, starrte hinunter und fragte mich, ob ich in einem früheren Leben irgendjemand sehr Wichtigem vielleicht mal auf die Füße getreten bin. Vielleicht habe ich auch unheilanziehende Gene. Ich weiß es nicht, meine Eltern jedenfalls haben es vorgezogen, mich vor einem Krankenhaus abzulegen und ganz schnell zu verschwinden. So schnell, dass nicht einmal die Überwachungskameras mehr als einen dunklen Schatten von ihnen wahrnehmen konnten. Oh ja, ich wurde von der Stunde meiner Geburt an wirklich geliebt!
Ich stand eine ganze Weile da, über mir das wütende Gewitter, unter mir der wütende Fluss und auf mir mehrere Liter Regen, die mich in ein durchnässtes Stück Mensch verwandelten. Vielleicht sollte ich auch springen und alle meine Probleme hätten ein Ende…ich verwarf diese Lösung schnell wieder. Schlechte Zähne gab es immer, Zahnärzte auch, irgendwo würde ich schon einen Job finden. Vorausgesetzt, ich starb nicht vorher an einer Lungenentzündung.
Naja, an einer Lungenentzündung starb ich dann wirklich nicht. Es ging schneller, viel schneller und hatte auch hauptsächlich mit dem kräftigen Blitz zu tun, der ungefähr einen Meter neben mir in die Brücke einschlug. Daran erinnere ich mich noch und auch noch daran, wie ich durch das Geländer geschleudert wurde.
Das war es dann, war mein letzter Gedanke. Verabschiede dich von der Welt, Lucy, sie wird dich nicht vermissen.
Ich fiel.
Nicht sehr lange, aber doch lange genug, um mir ein paar Gedanken über dieses Fallen zu machen. Eigentlich hatte ich ja diesen Tunnel erwartet, an dessen Ende ein Licht auf mich wartete. Natürlich konnte es sein, dass ich in die Hölle kam und der Weg dahin, der ja irgendwie nach unten führte, auf den Tunnel und das Licht verzichtete. In den Details konnten sich die beiden Richtungen durchaus unterscheiden.
Jedenfalls fiel ich so vor mich hin, es rauschte – wofür auch der Fluss verantwortlich sein konnte – und ich fragte mich, ob ich den Typen einholen würde, der sich kurz vor mir von der Brücke gestürzt hatte. Bevor ich zu einem Ergebnis kommen konnte, war der Fall zu Ende.
Der Aufprall, der eindeutig nicht von einer Wasserfläche kam, war so heftig, dass ich erstmal völlig benommen liegen blieb. Die Augen fest zusammengekniffen versuchte ich, den unausweichlichen Erstkontakt mit Luzifers Empfangsdame hinauszuzögern. Warm war es jedenfalls nicht, stellte ich nach einer Weile fest. Eher etwas schattig, aber zumindest trocken. Dafür schwankte mein Untergrund etwas und er fühlte sich irgendwie weich an.
Und er roch!
Ich meine damit nicht, dass es stank. Es roch einfach komisch. Sehr ungewohnt. Die Augen immer noch geschlossen, tastete ich ein wenig in der Gegend herum. Das Weiche kam von einer Art Matratze, auf der ich gelandet war. Und der Geruch…hm, sie schien aus Leder oder ähnlichem zu sein. Aber nicht nur, direkt unter mir war etwas Hartes…Jaja, schon verstanden, DAS meinte ich nicht.
Ich entschloss mich, nun doch endlich die Augen zu öffnen.
Man trifft immer wieder Fehlentscheidungen, aber das weiß man eben erst später.
Die Augen zu öffnen, war so eine Fehlentscheidung. Ich sah und zwar klar und deutlich in das Gesicht eines Mannes.
Eines TOTEN Mannes!
Er lag unter mir oder ich auf ihm, egal wie man es bezeichnete, da war eine Leiche und ich in Tuchfühlung. Der dritte Tote an einem Tag, man möge meinen Nerven verzeihen. Das war zuviel.
Mit einem schrillen Kreischen krabbelte ich von ihm runter, stellte dabei fest, dass ich mich auf einem Boot befand, wurde vollends hysterisch, sprang auf und …na ja, wir kenterten.
Kopfüber landete ich in den ziemlich kalten Fluten, dicht gefolgt von der Leiche, die mich noch zusätzlich unter Wasser drückte. Ich strampelte und trat, beförderte sie weiter, kam wieder richtig an die Oberfläche und schrie wieder. Das Boot war inzwischen einen ganzen Happen davon getrieben, direkt auf die Wasserfälle zu…
Zeit, in Ohnmacht zu fallen, dachte ich noch immer kreischend, als ich die Sache mit diesen wirklich großen, lauten Wasserfällen realisierte. Ich wollte gerade diese Möglichkeit umsetzen, als neben mir eine lange Klinge aus den Fluten auftauchte.
Schon mal die Filme über die Artus-Sage gesehen? Da gibt es fast immer eine Szene, in der Excalibur aus den Fluten erscheint. So ähnlich muss man sich das vorstellen, denkt euch die schreiende Frau im Wasser natürlich weg. Das bin nämlich ich und das Schwert war nicht Excalibur, sondern der Tote hing daran.
Mit aufgerissenen Augen und nach Luft schnappend erschien sein Kopf über der Wasseroberfläche. Er schien ein wenig verwirrt, nicht besonders kräftig und mein Anblick machte ihm auch nicht gerade Freude, wenn ich den puren Schrecken in seinen bemerkenswert schönen grauen Augen richtig deutete. Der Zombie mochte weder mich noch den Fluss und nach einem kurzen Schrei, der irgendwie schmerzlich klang, versank er langsam wieder.
Ich zögerte wirklich nur einen kurzen Moment, dann aber ergriff ich schon die Chance, den dritten Toten an einem Tag von meiner Rechnung zu streichen. Beherzt packte ich ins Wasser, wo lustige kleine Wellen und ein paar Luftblasen anzeigten, dass er gerade wieder abgesackt war. Ich bekam lange Haare zu packen und zerrte rücksichtslos daran, bis dicht vor mir mein Ex-Toter wieder auftauchte.
Viel Zeit, mir über seine nach hinten gerollten Augäpfel Sorgen zu machen, hatte ich nun wirklich nicht. Es wurde langsam dringend, von diesem Wasserfall wegzukommen. Ein kurzer Rundblick ergab, dass wir schnellstmöglich Richtung Ufer paddeln sollten. Irgendwann in grauer Jugend hatte ich einen Kurs in Lebensrettung gemacht. Allerdings war es sehr viel einfacher, in einem Schwimmbecken eine gleichaltrige Schulfreundin zu packen und an den Beckenrand zu ziehen, als einen recht großen Mann in schwerer Kleidung durch die Strömung eines Flusses zu manövrieren.
Ich glaube nicht, dass ich ihn besonders sanft anfasste und er hat sicher auch das ein oder andere Mal Wasser geschluckt, während ich uns beide höchst unelegant auf das Ufer zu meiner Linken zupaddelte. Ich wunderte mich eigentlich nur, dass es mir überhaupt gelang, der Strömung wirklich zu entkommen. Meine Arme wurden zwar immer schwerer, meine Beine im Übrigen auch, aber mit der Verbissenheit einer Überlebenden steuerte ich die Flussseite an, die uns am nächsten lag.
Keiner kann sich vorstellen, wie erleichtert ich war, als ich endlich wieder den Flussboden unter den Füßen spürte und statt zu schwimmen nun durch das Wasser watete, bis es mir nur noch bis zur Hüfte reichte. Meinen bedenklich leblosen Begleiter stützte ich so ab, dass er gerade auf dem Rücken an der Oberfläche trieb und sich gar nicht mehr so schwer neben mir her durch das Wasser ziehen ließ. Ich hätte gerne endgültig das Trockene aufgesucht, aber das Ufer an dieser Stelle war einfach nur steil, Büsche und Bäume reichten bis an die Wasserlinie und ich hätte den Mann auf keinen Fall dort hinausbekommen.
Also watete ich eben weiter, die Augen hoffnungsvoll auf einen Punkt ungefähr hundert Meter vor mir gerichtet, an dem sich das Ufer flacher in den Fluss erstreckte. Außerdem ragte dort ein großer Poller aus dem Wasser. Zeichen von Leben, von Zivilisation! Hurra, die Rettung war nah!
Die besorgte, hilfreiche Menschenmenge ließ allerdings auf sich warten. Ich musste mein Anhängsel ganz alleine auf den steinigen Strand ziehen. Keine leichte Aufgabe, wenn man sowieso völlig erledigt ist und der Gerettete aber auch so gar keine Anstalten macht, mal ein wenig mitzuhelfen. Ich zerrte ihn an den Schultern über den harten Boden, hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen, als sein Schädel mit einem etwas größeren Stein kollidierte und sackte dann mit einem Schnaufer neben ihm auf den Hosenboden.
Gerettet!
Noch immer außer Atem hockte ich auf den Steinen und betrachtete abwesend meine Umgebung. Der Blitz musste irgendein naturwissenschaftliches Phänomen ausgelöst haben, das mich von der kleinen Holzbrücke an einen anderen Ort geschleudert hatte. Einen unbekannten Ort, eindeutig. Der Fluss vor mir war sehr breit, eigentlich schon eher ein See und verschwand gute fünfhundert Meter zu meiner Rechten in einer Nebelwolke, in der mittig ein ziemlich mächtiger Felsen zu erkennen war. Dem Rauschen nach zu urteilen, das Gott sei Dank nicht mehr so laut war, endete er in einem nicht gerade kleinen Wasserfall. Von dem Boot, auf dem ich gelandet war, war schon nichts mehr zu sehen. Ich schätzte, es trieb in seine Einzelteile zersplittert irgendwo weiter unten.
Was auch immer ich vom Ufer erkennen konnte, war nicht gerade beruhigend für einen Stadtmenschen, mochte die Stadt auch noch so klein sein. Hier war Natur pur, wirklich. Bäume, Büsche, nur diese kleine Uferfläche, auf der ich gerade saß und außerdem hatte die Luft einen so seltsamen Geruch, der nur daher kommen konnte, dass kein Smog drin hing.
Ich war in einer gottverdammten Wildnis gelandet!
Misstrauisch drehte ich mich um und musterte die Uferböschung in meinem Rücken. In einer Wildnis gab es auch wilde Tiere. Bei meinem Glück stolperte gleich ein hungriger Bär aus dem Wald.
Zu meiner Erleichterung blieb aber alles still und mit einem Seufzer wandte ich mich dem Problem zu, das neben mir auf dem Boden lag. Im Wasser war er mir ja schon groß vorgekommen, aber lang ausgestreckt an Land wirkte er noch größer und unfreundlicher, um mal ehrlich zu sein. Außerdem hatte er eindeutig einen Dachschaden, wenn ich mir die Kleidung so ansah und das Schwert, das er immer noch mit der Rechten umklammert hielt.
Ich rückte ein wenig von ihm ab. Ein Spinner mit einer Rittermacke! Und ich war mit ihm hier gestrandet. Wahrscheinlich sollte ich froh sein, dass er bewusstlos war. Solche Typen kannte ich zur Genüge. Mein letzter Freund, der gute Kevin, litt an der gleichen psychischen Störung. In den sechs Monaten, die wir zusammen gewesen waren, hatte ich ihn zu zwei Mittelalter-Festivals und einem Herr-der-Ringe-Treffen begleitet. Da waren mir genug Kerle begegnet, die in solchen Klamotten durch die Gegend streiften und mit ihren Plastikschwertern herumfuchtelten.
Wobei ich mit leichter Panik erkannte, dass mein spezieller Freund hier ein richtiges Schwert umklammerte und außerdem hatte er die aufwändigste Verkleidung, die mir je untergekommen war. Allein die lange Lederweste mit den verzierten Nieten und seine Stiefel mussten ein Vermögen gekostet haben. Kevin wäre vor Neid erblasst!
Ich erblasste mehr vor Angst. Der Mann war wirklich authentisch, alles an ihm, sogar die Schnittwunden.
Man möge mir verzeihen, dass mir leicht schwindelig wurde. Er hatte wirklich Schnitte und Löcher in seiner Kleidung. Das Ganze wurde immer unheimlicher. Womöglich hatten sich hier ein paar von den Freaks getroffen, schön abgeschieden, ihre Schwertkämpfe aufgeführt und er war auf der Strecke geblieben.
Erneut sah ich mich hektisch um. Es konnte schließlich sein, dass statt eines Bären jetzt ein Trupp dieser Irren aufkreuzte und es mir wirklich übel nahm, dass ich das vermeintliche Mordopfer noch gerettet hatte. Ich hatte schon wieder Glück, sie mussten sich wohl schon davon gemacht haben. Hatten sich sicher in ihre Geländewagen geschmissen und waren davongebraust, um zurück zu ihren Familien zu fahren, die nicht ahnten, dass die Mittelalter-Fans gerade einen ihrer Kumpel massakriert hatten.
Unsicher nagte ich an meiner Unterlippe. Was sollte ich jetzt mit ihm anfangen? Gut ging es ihm nicht und es sah ja nicht so aus, als würde hier bald ein Rettungshubschrauber auftauchen. Wenn er mir unter den Händen wegstarb, dachten die Parkaufseher nachher noch, ICH hätte ihn abgestochen. Außerdem würde es mich ablenken.
Ich krabbelte näher an ihn heran und machte mich daran, meinen Ritter aus seiner teuren Verkleidung zu schälen. Gutaussehende Männer auszuziehen sollte ja eigentlich ein Vergnügen sein. Ist es wahrscheinlich auch, wenn sie so richtig lebendig sind und die Kleidung nicht gerade platschnass. So war es recht schwierig. Nach meiner Zeit mit Kevin hatte ich wenigstens ein bisschen Erfahrung mit diesen antiken Kleidungsstücken und die ganzen Schnallen und Schnüre stellten mich nicht ganz so lange vor Probleme. Trotzdem ist es nicht die wahre Wonne, einen bewegungslosen Mehlsack aus nassem Leder zu pellen. Ab und an stöhnte er. Ich gebe zu, mir gehen die routinierten Handgriffe einer Krankenschwester ab und ich zerrte gelegentlich doch etwas ruppiger an seinen Armen herum.
Ich hätte ihn bekleidet lassen sollen, ehrlich!
Er war zwar ein richtig stattliches Mannsbild, Muskeln ohne Ende, aber unterhalb seiner linken Schulter war ein wirklich hässliches Loch in seinem Fleisch. Von einem Schwert war das jedenfalls nicht, eher von einer Lanze oder so. Mir war es eigentlich egal, es war da und machte Probleme.
Habe ich schon erwähnt, dass ich beim Joggen einen Gürtel mit einer wasserdichten Tasche mitschleppe? Immer auf alles gefasst, ist mein Motto. Da gibt es dann ein paar Pflaster, eine kleine Flasche Sprühverband, einen Klebeverband für verstauchte Gelenke, Heilsalbe für Begegnungen mit Brombeeren, einige Papiertaschentücher für überraschende Verdauungsstörungen und einen Kamm für die unerwartete Begegnung mit dem Mann meines Lebens.
Den Kamm brauchte ich jetzt nicht. Ein Pflaster tat es schon eher. Man musste eben Optimist sein und eine Stichwunde mit Pflaster und Heilsalbe behandeln. Wer wusste schon, ob es nicht Wunder wirkte? Immerhin hatte er bislang auch einfach so überlebt. Das Pflaster war fast Hightech-Medizin.
Trotzdem stimmte was nicht mit meinem Ritter. Er wirkte einfach zu geschafft für einen einzigen Stich, der nicht einmal mehr blutete. Ich zögerte noch einen Moment und setzte mich dann hinter ihn. Der Kerl war schwer, aber ich schaffte es, seine Schulter hochzustemmen und ihn in eine aufrechte Position zu hieven.
„Jesus!" stöhnte ich auf, als ich die eklige Stichwunde in seinem Rücken erblickte. Abgesehen von dem leichten Schwindel, der mich schon wieder erfasste, war mir durchaus klar, dass ich mit dem Pflaster jetzt wohl nicht weiter kommen würde.
Handlang! Die Wunde war handlang und ziemlich fies anzusehen, außerdem stand sie auch noch auseinander. Der Kerl würde schneller sterben, als mir lieb sein würde. Es war grauenhaft. Mein Magen revoltierte.
„Denk dir was aus, Lucy!" murmelte ich und schluckte herunter, was die morgendliche Aktion über der Kloschüssel in der Praxis übrig gelassen und jetzt wieder meine Kehle heraufgetrieben hatte. „Näh ihn wieder zusammen."
Das wäre eine tolle Idee gewesen, wenn ich Nähzeug gehabt hätte. Mit leichter Verzweiflung überflog ich meine Optionen und kam zu dem Schluss, dass das Pflaster doch reichen müsste. Ich musste nur die Wundränder zusammendrücken und dann mit dem Pflaster zusammenhalten.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich überwinden konnte, mit Daumen und Zeigefinger zuzupacken und das Ganze in die Tat umzusetzen. Beinahe sofort zuckte ich wieder zurück. Das kribbelte in den Fingerspitzen. Keine Ahnung, was der Kerl an sich hatte, aber es war wie ein Kontakt mit einem Weidedraht.
Ich runzelte die Stirn. Hing das noch mit dem Blitzschlag zusammen? Was es auch war, es ließ jedenfalls nicht nach, als ich mit neuer Entschlossenheit die Wundränder zusammenpresste und dann mit der freien Hand die Pflasterstreifen platzierte, nachdem ich die Schutzfolie mit den Zähnen entfernt hatte. Sonderlich steril war das zwar nicht, aber der Bursche sollte sich mal beschweren!
Danach verließ mich meine Energie. Mein Ritter lag mit nacktem Oberkörper in der Sonne am Ufer und trocknete langsam vor sich hin. Ich saß daneben, starrte auf die Wasserfläche und trocknete auch langsam.
Was tat ich hier?
Wo war ich eigentlich?
Und wie war ich hierhin gekommen?
Eine Antwort fand ich nicht, auf keine der Fragen. Andererseits beschäftigten Fragen wie diese schon die Menschheit seit der Steinzeit, es war also unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ich sie nun beantworten würde.
Um mich herum dämmerte es, meine Kleidung war inzwischen trocken, bis auf die Schuhe natürlich, die ich ausgezogen und auf einen flachen Stein gestellt hatte und ich war keinen Schritt weiter. Vom Rettungshubschrauber war auch noch nichts zu hören. Die einzigen Geräusche kamen aus dem Wald und die gefielen mir nicht wirklich. Natur ist eine recht laute Angelegenheit, stellte ich fest, und es half auch nicht, dass mein Ritter gelegentlich rumstöhnte. So ein schmerzliches, gequältes Geräusch aus den Tiefen seiner Kehle, das mir einen Schauer über den Rücken trieb.
„Lass das!" fauchte ich ihn irgendwann an. „Du bist selbst Schuld, Mister! Man spielt nicht mit spitzen, scharfen Klingen herum. Was soll ich denn sagen? Ich stand eben noch auf einer Brücke und wurde vom Blitz erschlagen! Heul ich etwa?"
Ich tat es, einige Zeit später. Einsam und verlassen, mitten im Nichts, nur mit einem Baumwollhemd und Shorts am Leib, einen Halbtoten neben sich und ohne Job! Da darf man heulen.
Wenigstens eine Weile. Bevor es zu dunkel wurde, raffte ich mich auf, um die nächsten Meter Umgebung in Augenschein zu nehmen. Es konnte ja sein, dass hinter dem nächsten Busch ein Parkplatz war und Ritters Auto dort stand.
Nein, es stand dort nicht!
Überrascht?
Nein, dachte ich mir.
Aber ich fand etwas anderes. Ein Boot oder Kanu oder wie auch immer. Die Hobbyritter hatten wohl auch Seeschlachten geschlagen. Das Bötchen war richtig hübsch. Ganz aus Holz, nett verziert und wahrscheinlich schweineteuer. Vielleicht gehörte es meinem Ritter. Und wenn dem so wäre, dann gehörte ihm auch der unter einer Plane verborgene Haufen Gepäck, den ich erstmal genauer untersuchte.
Toll, ich war in Schweden!
Zumindest war das in Blätter verpackte Stück Knäckebrot doch schon ein deutlicher Hinweis. Verhungern würde ich also nicht bis morgen früh. Und auch nicht erfrieren, denn es gab zumindest eine Decke, die zwar ein wenig dünn wirkte, aber schön trocken war. Und eine Wasserflasche, ich meine, so ein Trinkteil aus Leder oder was auch immer für mittelalterliche Helden. Es war sogar noch was drin.
Ich klaubte Knäckebrot und Decke aus dem Boot und betrachtete dann nachdenklich den Bogen und den Köcher mit Pfeilen, die da noch herumlagen. Vielleicht konnte ich mit dem Köcher ein altersschwaches Kaninchen erschlagen und die Knäckebrot-Mahlzeit aufpeppen. Oder ich spießte mit einem der Pfeile einen Fisch auf. Sushi ist gesund und belastet den Magen nicht so sehr. Auf Bratfisch setzte ich meine Hoffnungen nämlich nicht. Hier gab es kein Feuerzeug und den Versuch, zwei Stöckchen aneinanderzureiben in der Hoffnung, irgendwann würden sie aufgeben und in Flammen aufgehen, unternahm ich gar nicht erst.
Mit dem Gepäck tastete ich mich auf nackten Füßen an das steinige Ufer zurück, wo der halbnackte Ritter den Schlaf des Genesenden schlief. Seine Brust hob und senkte sich zumindest noch, tot war er also nicht.
Eigentlich hatte ich mir ja die Decke verdient, aber seine Haut war kalt und es ist einfach kein schöner Anblick, wenn ein Mannsbild wie er vor Kälte zittert. Überwältigt von meinem Edelmut deckte ich ihn also zu und schob sein zusammengeknülltes, wieder trockenes Hemd unter seinen Kopf. So hatte ich zumindest Gelegenheit, ihn mir genauer anzusehen.
Eigentlich sah er ganz gut aus. Das Gesicht war schmal und ebenmäßig, wenn auch von einem Dreitage-Bart verunziert, der wohl zum Rittertum dazugehörte. Dunkelblonde Haare, die ihm bis zu den Schultern reichen mussten, umrahmten seine Züge, die wohl eine gesunde Sonnenbräune hatten, wenn nicht gerade Blutverlust und Ertrinken für mangelnde Durchblutung sorgten. Und seine Augen waren grau, daran erinnerte ich mich noch.
Im normalen Leben war er wahrscheinlich Banker oder Architekt oder irgendetwas, das eine Menge Geld jeden Monat brachte. Genug zumindest, dieses seltsame Hobby zu pflegen und sich von Gleichgesinnten abstechen zu lassen.
Und er hatte ein sehr schönes Schwert. Ich hab da Ahnung, dank Kevin. Der Gute hatte mein Apartment in eine halbe Waffenkammer verwandelt. Nur war keines seiner Stichwerkzeuge mit dem zu messen, was ein Stück neben meinem Ritter lag. Wenn seine Kumpel ähnliche Waffen gehabt hatten, wunderte es mich nicht, dass es ihm jetzt so schlecht ging.
Ich konnte ja nicht widerstehen. Vorsichtig griff ich über ihn drüber und angelte mir das Schwert. Es lag ganz gut in der Hand, auch wenn es nicht gerade für mich maßgefertigt war. Etwas kritisch bewegte ich es hin und her. Das Schwert war schwer und ich musste beide Hände nehmen, um es wirklich halten zu können.
Aber es war scharf und spitz. Also stand ich kurz darauf bis zu den Oberschenkeln im glasklaren Wasser, hielt das Schwert mit der Spitze nach unten und wartete darauf, dass eine Packung Fischburger vorbeischwimmen würde. Man hat ja sonst keine Hobbies…
Die Zeit verging und so ein Winzling schwamm zu meinen Füßen, der nicht einmal als Vorspeise getaugt hätte. Ich rührte ein bisschen mit dem Schwert im Wasser herum, um ihn zu vertreiben und Platz für die großen Burschen zu schaffen, als hinter mir ein Geräusch erklang. Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Das hatte sich angehört wie ein missmutiger Bär oder ein aufgebrachter Auerochse oder wie ein Monster. Keine Ahnung, ich war keiner dieser drei Spezies schon mal begegnet.
Das Geräusch wiederholte sich und ich erinnerte mich, dass der Ritter da ganz hilflos am Ufer lag. Mit dem Mut der Hysterikerin packte ich das Schwert etwas fester und wirbelte herum, um dem unbekannten Angreifer mal zu zeigen, dass man hier nicht einfach rumgrunzte.
„Wah!" schrie ich überrascht und ließ das Schwert fallen.
Mein Ritter lag nicht mehr, sondern saß aufrecht da und starrte mich höchst irritiert an.
„Nicht bewegen!" warnte ich ihn als nächstes und fingerte dann bis zu den Schultern im Wasser herum, um das Schwert wiederzufinden. „Ich bin bewaffnet."
Er hob eine Augenbraue und sah zu, wie ich sein Schwert wieder aus den Fluten zog, um es in seine Richtung zu schwenken.
„Da! Mit einem Schwert!" triumphierte ich.
„Das ist mein Schwert", sagte er nach einer kurzen Pause mit etwas heiserer Stimme und legte den Kopf schief.
„Na und?" fauchte ich nervös.
„Haltet es ruhig, Herrin, sonst verletzt Ihr Euch noch", seufzte er nach einer weiteren Gesprächspause.
Himmel, war das ein ausgemachter Spinner. Einer mit einer schönen Stimme, aber eindeutig reif für eine lange Therapie. Herrin! Der fand noch nicht einmal in die Wirklichkeit zurück, wenn man ihm die Eingeweide aufschlitzte.
Er fingerte an seiner Schulter herum, drückte dann eine Hand in seinen Rücken und zog ein etwas komisches Gesicht. Dann erhob er sich langsam, wobei er eindeutig Schmerzen hatte.
„Ich würde ja liegen bleiben", riet ich mit bester Florence-Nightingale-Stimme. „Die Stiche waren nicht von schlechten Eltern."
„Sie waren von Uruk'hai", belehrte er mich kopfschüttelnd und sah sich leicht beunruhigt um. „Seid Ihr alleine? Wo ist Aragorn?"
Wenn man ein halbes Jahr mit Kevin zusammen war, blieb es einfach nicht aus, dass diese Wörter gewisse Alarmsignale auslösten. Außerdem hatte ich die Filme gesehen, die Bücher vor ein paar Jahren ohne besonderes Interesse aber mit viel Pflichtgefühl für vollständige Bildung gelesen und ganze Abende mit Kevin und Kevins bescheuerten Freunden verbracht, die jede Einzelheit des Films auseinander nahmen. Jaja, mein Ritter war ein Herr-der-Ringe-Fan, einer von der Hardcore-Sorte, die die Szenen nachstellten.
„Aragorn ist weg", half ich ihm auf die Sprünge. „Und die ganze Bande auch. Sie haben ein bisschen übertrieben, mein Freund, und dich beinahe hier sterben lassen."
„Ich war tot", sagte er mehr zu sich selbst. „Und ich erinnere mich, dass ich auf dem Weg zu den Vätern war. Dann wurde ich zurückgezogen und ich sah Euer Gesicht."
Freundlich nickte ich. Wenn es so weiter ging, erinnerte er sich morgen früh, wo er sein Auto abgestellt hatte. Und wo die Schlüssel dazu waren…
Er stakste ein wenig am Ufer auf und ab. Für einen fast Toten hatte er sich schnell wieder erholt. Vielleicht waren die Verletzungen auch gar nicht so schlimm, wie ich angenommen hatte. Beides war gut, es ersparte mir einen Toten.
Plötzlich blieb er auf meiner Höhe stehen und starrte mich durchdringend an. „Schickt Euch die Herrin des Goldenen Waldes?"
„Häh?" machte ich ein wenig einsilbig.
„Nennt Euren Namen", verlangte er, noch immer recht tief in seiner Rolle.
„Lucy", stotterte ich beunruhigt.
„Lucy", wiederholte er langsam. „Das ist ein ungewöhnlicher Name für eine Elbin."
Soso, eine Elbin. Mein Boromir-Double – was anderes passte nämlich nicht – musste im wahren Leben extrem kurzsichtig sein. Wahrscheinlich hatte der Ausflug ins Flusswasser seine Kontaktlinsen rausgespült. Ich geh für vieles durch, am ehesten wohl für einen übergroßen Hobbit, aber bestimmt nicht für eine Elbin. Obwohl…
Ich schwöre, ich wollte es nicht tun. Ehrlich! Aber irgendein Zwang überkam mich und meine linke Hand fuhr hoch zu meinen Ohren. Boromir machte einen richtigen Satz, als ich aufheulte, kaum hatten meine Finger die spitzen Enden meiner ehedem so normal gerundeten Ohren berührt. Als nächstes starrte ich auf die Wasserfläche unter mir und achtete diesmal nicht auf die Fische am Grund, sondern nur auf mein Spiegelbild.
Wellen hin oder her, es reichte, um mir den Rest zu geben. Das war ich und doch wieder nicht. Mir starrte eine Elbin entgegen, mit weit aufgerissenen, veilchenblauen Augen, langen dunklen Wimpern und wirklich traumhaft schönen Gesichtszügen. Meine dunklen Haare schimmerten und waren an den Schläfen in dünne Zöpfe geflochten, die hinter den spitzen Ohren am Hinterkopf verschwanden.
Plötzlich war meine Kehle trocken. Davon hatte ich gehört! Sowas hatte ich sogar gelesen! Eine von Kevins Bekannten – das Weibsbild, mit dem er mich nach dem halben Jahr Beziehung betrogen hatte – stand auf so was und erzählt dauernd davon.
Ich war eine gottverdammte Mary Sue, gefangen in Mittelerde!
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tbc
