Liebe und Angst
Zusammenfassung: Sequel zu „Das Foto". Phoebe und Paige erfahren, dass Chris ihr Neffe ist. Barbas kommt jedoch zurück, um Chris mit seinen größten Ängsten zu konfrontieren. Können sie ihn retten, bevor es zu spät ist?
Kapitel 1: Tanten
Chris warf sich unruhig auf der Couch im Wohnzimmer umher. Er hatte einen Alptraum von dem Tag, an dem seine Mutter gestorben war. Er konnte ihr wunderschönes Gesicht genau vor sich sehen, während sie versuchte stark zu bleiben und ihm sagte, dass sie ihn liebte. Und die ganze Zeit über lag sie in seinen Armen und verblutete langsam. Als sie ihren letzten Atemzug tat schrie er laut auf und setzte sich kerzengerade auf.
Er brauchte ein paar Sekunden, um sich klar zu werden wo er war und um seinen Atem zu beruhigen. Warmes Sonnenlicht schien durch die Fenster hinein und Chris versuchte die Bilder von dem schlimmsten Tag seines Lebens aus seinem Kopf zu verbannen. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er sich daran erinnerte, wieso er hier auf der Couch lag. Piper wusste endlich wer er war und sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebt. Es war zwar nicht alles einfach gewesen in den letzten Tagen, doch er war froh, dass sie es endlich wusste.
Gestern, nachdem sie ein nettes Abendessen mit Leo gehabt hatten, hatte sie ihn gefragt, ob er nicht hier bleiben wollte. Schließlich hatte er nachgegeben und offensichtlich war er während des Filmes, den sie noch geschaut haben, eingeschlafen, denn er konnte sich nicht an das Ende erinnern. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als jemand laut kreischte. Alarmiert blickte Chris auf und sah Phoebe auf sich zu rennen, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das sogar heller war, als das Sonnelicht.
„Da ist ja mein Lieblingsneffe!", rief sie aus und bevor Chris reagieren konnte, saß sie schon neben ihm und umarmte ihn stürmisch. Eine Sekunde später ließ sie ihn los und sagte: „Ich kann es noch immer nicht fassen! Das ist so aufregend!" Danach umarmte sie ihn wieder. „Wieso hast du es uns nie gesagt? Du bist Wyatts kleiner Bruder! Das ist so süß!" Sie ging wieder etwas auf Abstand und kniff ihm in die Wangen. „Du wirst so süß sein! Oh Gott, wann wirst geboren? Woher hast du deinen Namen? Bin ich eine coole Tante? Ich wette, ich bin es…"
Chris starrte sie die ganze Zeit einfach erstaunt an. Als er schließlich seinen Blick über ihre Schulter warf, konnte er Leo dastehen sehen, der die Szene amüsiert beobachtete. Chris formte mit seinen Lippen ein ‚Hilfe', als Phoebe ihn erneut umarmte.
Leo sah den beiden noch eine Weile zu, bevor ihm klar wurde, dass sein Sohn wirklich Hilfe zu brauchen schien. Phoebe sah so aus, als wollte sie ihn nie wieder loslassen, wenn sie niemand davon abhielt. Grinsend ging er hinüber zu den beiden und sagte zu ihr: „Phoebe, ich denke dein Lieblingsneffe braucht etwas Luft."
„Ja ja, aber ich muss doch einiges nachholen", erwiderte Phoebe, ohne Chris loszulassen. „Ich meine, er hat seine Identität die ganze Zeit geheim gehalten und ich konnte meinen Neffen vier Monate lang nicht umarmen! Jetzt muss er mit den Konsequenzen leben."
„Tja, wo sie Recht hat, hat sie Recht", sagte Leo zu seinem Sohn und setzte sich auf den Tisch, der vor der Couch stand.
„Sehr witzig", sagte Chris sarkastisch. „Phoebe, bitte… Ich brauch Luft!"
Widerwillig ließ ihn Phoebe endlich los. Dann drehte sie sich zu Leo um und fragte: „Kann ich es Paige erzählen? Oh, sie wird so überrascht sein! Kann ich es ihr sagen?"
„Oh Mann, du klingst wie ein kleines Kind zu Weihnachten", witzelte Piper, als sie ins Zimmer kam.
„Ich kann nicht anders, ich bin so aufgeregt!", rief Phoebe fröhlich und warf ihre Arme wieder um Chris.
„Mom! Ein bisschen Hilfe wäre hier angebracht", seufzte Chris etwas frustriert. „Sie ist total verrückt."
Piper lächelte, bevor sie zu ihnen ging und Phoebe von ihrem Sohn wegzog. „Okay, das reicht jetzt wirklich. Du wirst meinen Sohn noch ersticken, bevor ich die Chance gehabt habe ihn kennen zu lernen."
„Oh okay, okay. Aber ich kann es Paige erzählen, richtig?", fragte Phoebe und stand endlich von der Couch auf.
Piper nickte. „Ja, kannst du."
„Ich ruf sie sofort an!", sagte Phoebe aufgeregt und machte sich auf den Weg zum Telefon. „Ich hoffe nur, dass ich mich zurückhalten kann und es ihr nicht schon am Telefon sag, denn ich möchte ihr Gesicht sehen, wenn sie es erfährt." Mit diesen Worten war sie verschwunden.
Chris seufzte erleichtert auf. „Ich dachte schon, sie würde all die Luft aus meinen Lungen drücken."
Piper und Leo lachten. „Frühstück ist fertig. Bist du hungrig?", fragte Piper ihren Sohn.
„Ähm… hör mal, vielleicht sollte ich jetzt lieber wieder gehen. Ich denke ich hab eine Spur wer…"
„Wer Wyatt böse machen wird? Ja, ich weiß", beendete Piper seinen Satz. „Du kannst dieser Spur nachgehen nachdem du gegessen hast und ich werde dir dabei helfen, klar?"
Chris nickte nur.
„Gut, dann komm mit", sagte sie und ging zurück in die Küche.
Chris wollte ihr schon folgen, als er bemerkte, dass Leo ihn anstarrte. „Was ist?", fragte er und runzelte verwirrt die Stirn.
„Nichts", antwortete Leo schnell. Etwas zu schnell.
„Ja, das kann ich sehen", erwiderte Chris sarkastisch. „Was stimmt nicht?"
„Nichts stimmt nicht. Es ist nur…" Leo unterbrach sich und suchte nach den richtigen Worten. „Überwältigend."
Chris blickte auf den Boden, bevor er fragte: „Meinst du das positiv oder negativ?"
„Es ist absolut positiv", antwortete Leo sofort. Er lächelte seinen Sohn an, der ihn nach diesem Satz wieder ansah. Chris erwiderte etwas zögerlich sein Lächeln, bevor sie zu Piper in die Küche gingen.
Zehn Minuten später saßen sie im Esszimmer und aßen Pipers Pfannkuchen. Chris hatte es glücklicherweise geschaffte sich nicht neben Phoebe zu setzen, die noch immer im „Umarm-Chris-bis-er-nicht-mehr-atmen-kann–Modus" war. Piper hatte sie jedoch etwas abgelenkt und unterhielt sich mit ihr darüber wie und wann sie Jason sagen würde, dass sie eine Hexe ist. Leo tat so, als würde er ihnen zuhören, doch in Wahrheit bekam er kein Wort von dem Gesagten mit. Alles an das er denken konnte war, dass der junge Mann neben ihm sein Sohn war. Sein Sohn. Oh Gott, er musste sich wirklich erst daran gewöhnen.
Plötzlich beamte sich Paige in den Raum. „Guten Morgen! Also, was gibt's denn so Wichtiges?", fragte sie Phoebe sofort.
Jason war sofort vergessen und Phoebe stand auf und rannte hinüber zu ihr. Chris wünschte sich er könnte einfach so verschwinden, während Phoebe vor ihrer kleinen Schwester auf und ab hüpfte. „Du wirst es nicht glauben!", rief sie aufgeregt. „Das ist so überraschend! Ich war total geschockt, als Piper es mir erzählte!"
Paige starrte sie ein paar Sekunden lang an, bevor sie sich Piper und Leo zuwandte. „Hat sie Drogen genommen, oder was?", fragte sie und bemerkte endlich, dass Chris auch da war. „Was machst du denn hier?", fügte sie kalt hinzu.
Piper und Leo zuckten zusammen, als sie Paiges Ton hörten. Besorgt sahen sie hinüber zu ihrem Sohn, der starr auf seinen Teller blickte. „Paige! Er ist unser…"
„Hey! Du hast gesagt, dass ich es ihr sagen kann!", unterbrach sie Phoebe.
„Dann mach es endlich", erwiderte Piper ungeduldig.
„Mir was erzählen?", fragte Paige, während sie Chris noch immer nicht gerade freundlich anschaute.
Phoebe grinste sie an und rief: „Chris ist unser Neffe! Er ist Wyatts kleiner Bruder! Ist das nicht toll? Wir werden zwei wunderbare Neffen haben! Oh, ich bin so aufgeregt!"
„Das haben wir schon mitgekriegt", sagte Piper genervt.
Paige sah so aus, als hätte sie gerade einen elektrischen Schlag bekommen. „Unser – unser was?"
„Neffe! Du weißt schon, genau wie Wyatt", sagte Phoebe langsam, so als würde sie mit einem kleinen Kind reden. „Pipers und Leos Sohn. Wyatts kleiner Bruder. Na ja, jetzt ist er zwar größer als Wyatt, aber trotzdem…"
„Ich geh jetzt. Ich muss was im Buch nachsehen", sagte Chris plötzlich, da ihm die Situation sehr unangenehm war und beamte weg, bevor ihn jemand aufhalten konnte.
Paige bewegte sich endlich und setzte sich auf einen Stuhl. „Ist das ein Scherz?", fragte sie, noch immer nicht in der Lage es zu glauben.
„Nein, ist es nicht", antwortete Piper, während sie aufstand. „Und ich rate dir netter zu ihm zu sein. Er hat schon genug durchgemacht", fügte sie hinzu und ging nach oben zum Dachboden.
„Chris ist mein Neffe?", fragte Paige noch mal nach.
Leo nickte. „Ja, wir haben es auch erst gestern herausgefunden. Glaub mir, für mich war's auch ein Schock, aber Piper hat Recht. Wir müssen eine Menge wiedergutmachen, nach allem was wir ihm zugemutet haben. Manchmal waren wir einfach grausam zu ihm."
„Oh mein Gott, ich kann's einfach nicht glauben", seufzte Paige, während sie versucht alles zu verarbeiten. „Der Orden… Piper hat ihn rausgeworfen ohne dass einer von uns sie gestoppt hat. Heilige Scheiße, das ist schlecht…"
Phoebe war nun auch etwas ernster. Von dieser Seite hatte sie es noch nicht betrachtet. Aber sie hatten Recht. Chris war von der Zukunft gekommen, um sie alle zu retten und alles was er von ihnen bekam war Misstrauen und Abscheu – von seiner eigenen Familie. Phoebe schluckte hart. „Ja, das ist wirklich schlecht", stimmte sie schließlich zu.
„Ihr solltet nicht so denken", unterbrach Leo ihren Schuldtrip. „Chris hat bereits gesagt, dass er uns vergibt. Natürlich heißt das nicht, dass wir nicht versuchen sollten es wieder gutzumachen, aber ihr solltet trotzdem nicht zu hart zu euch selbst sein. Wir wussten schließlich nicht, wer er ist."
Phoebe und Paige nickten langsam. „Okay, ich will jetzt die ganze Geschichte hören", sagte Paige schließlich. „Wie habt ihr es herausgefunden?"
Leo seufzte. Er würde den gestrigen Tag und das was Piper mit Chris getan hat am liebsten vergessen. Und die Unterhaltung, die sie auf der Golden Gate Bridge gehabt hatten war auch nicht etwas an das er sich gerne erinnerte, doch dann holte er tief Luft und erzählte Paige alles.
„Hey, bist du okay?", fragte Piper sanft mit Besorgnis in der Stimme, während sie in den Dachboden ging.
Chris sah vom Buch der Schatten auf und lächelte sie leicht an. „Ja, mir geht's gut." Er zögerte einen Moment, bevor er fragte: „Wie geht's Paige?"
„Sie ist etwas geschockt", antwortete Piper und ging zu ihm hinüber. „Gib ihr etwas Zeit sich daran zu gewöhnen."
Chris nickte. „Sicher. Mag sie…" Er unterbrach sich, da er den Satz nicht wirklich beenden wollte.
„Mag sie was?", fragte Piper neugierig.
„Ähm… nichts, vergiss es", erwiderte Chris und begann wieder die Seiten des Buches umzublättern.
Piper lächelte und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Weißt du, das hätte vielleicht vor zwei Tagen noch funktioniert, aber ich sehe doch, dass dich etwas beschäftigt und ich will wissen was es ist."
Ein paar Sekunden verstrichen ehe Chris wieder sprach, mit seinen Augen noch immer auf das Buch gerichtet. „Mag sie mich überhaupt? Ich meine, als ihren Neffen…"
Piper sah ihn voller Kummer an, als ihr nochmals klar wurde wie mies sie ihn in den letzten Monaten behandelt hatten. Er fragte sich sogar, ob sie ihn mochten, geschweige denn liebten. Was sagte das über ihre Fertigkeiten als Mutter aus? Sie wollte gerade etwas sagen, als sie Paiges Stimme von der Tür hörte: „Natürlich mag ich dich als meinen Neffen."
Chris sah überrascht und etwas verlegen auf. Er wusste, dass er gerade wie ein kleines Kind geklungen hatte, das fragte, ob seine Tante ihn mochte oder nicht. Er hatte nicht gewollt, dass sie es hörte. Aber es war zu spät, um das jetzt noch zu ändern. Er sah unsicher zu wie Paige zu ihnen kam.
„Chris, es tut mir wirklich Leid", sagte sie sofort. „Ich kann mir nicht mal vorstellen wie schrecklich…"
„Es ist okay", unterbrach sie Chris, da er wusste was sie sagen wollte.
„Nein, es ist nicht okay", widersprach Paige streng. „Du hast was Besseres verdient und…"
„Paige, ihr habt doch nicht gewusst wer ich bin", unterbrach sie Chris erneut. „Und manchmal hab ich mich wirklich nicht sehr vertrauenswürdig benommen, also vergiss es einfach, okay?"
Paige zögerte einen Moment und blickte zu Piper hinüber, die ihren Sohn stolz ansah. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie sagte: „Ich werde es ganz bestimmt nicht einfach so vergessen. Ich werde es wieder gutmachen. Wie wär's, wenn wir shoppen gehen? Ich meine, du könntest ein paar neue Klamotten gebrauchen und ich bin doch deine Tante."
„Das ist wirklich nicht nötig", sagte Chris. Nach einer Sekunde jedoch fügte er hinzu: „Aber du könntest mir helfen und Phoebe von mir fern halten. Sie ist etwas durchgeknallt heute…"
Paige lachte leicht auf. „Deal."
Barbas sah von einer Ecke aus zu, wie Piper, Paige und Chris den Raum verließen. Er hatte jedes Wort gehört, dass die drei gesprochen hatten und es war leicht gewesen, die größte Angst des Wächters des Lichts herauszufinden. Er grinste böse. Eigentlich hatte er ja geplant wieder die Schwestern anzugreifen, doch dies war viel besser. Chris war Pipers Sohn und ihre größte Angst war es ihn zu verlieren. Er konnte sie beide kriegen, wenn er vorsichtig war. Und dann würde er endlich seine Rache bekommen.
Fortsetzung folgt…
