Liebe Leute!

Ich weiß, es ist ewig her und einige von Euch hatten die Hoffnung schon komplett aufgegeben, jemals wieder etwas von mir zu lesen... aber hier bin ich.

Aktuell weiß ich noch nicht, wie, wann und ob ich die „alten" Stories zu Ende bringen werde – die Geschichten sind (wie Menschen auch) recht störrisch und sträuben sich sehr dagegen, von mir in eine Form gedrückt zu werden.

Aber da ich einen relativ kräftigen Tritt von der Muse bekommen habe, ist hier der Start einer neuen Geschichte... Ich hoffe, es gefällt und Ihr zerreißt mich nicht in der Luft.

XOXO, Eure Delta

JANUAR

"Es funktioniert nicht mehr."

Da waren sie, die wohl furchtbarsten Worte, die man in einer Beziehung sagen kann, und klatschen vor dir auf den Boden wir ein Haufen Kuhdung.

Es ist Neujahr. Ihr habt gestern zusammen ins neue Jahr gefeiert, habt um Mitternacht Fotos von euch mit Wunderkerzen verschickt. Habt getanzt, gelacht, gefeiert. Euch geküsst.

"Was?" Das Wort fällt spröde von deinen Lippen, und die Stimme, die es sagt, kommt dir nicht bekannt vor. Als würde ein Fremder plötzlich in deinem Körper sitzen. Als würde all dies gar nicht dir passieren.

"Ich... ich liebe dich nicht mehr. Nicht genug."

Und noch ein Schlag, vollkommen unerwartet, der dich mitten ins Gesicht trifft und dir kurz den Atem raubt. Dein Magen macht komische Sachen, dreht und windet sich, und irgendwie kriegst du keine Luft mehr. Alles ist verrauscht, wattig, seltsam, kalt.

"Was?" fragst du erneut, und dieses Mal klingt deine Stimme etwas normaler. Ein kleines Fünkchen ist aufgelodert, und du begrüßt es mit einer zerstörerischen Freude: Wut.

"Es tut mir leid... ich hätte mir das so sehr gewünscht."

Du blinzelst ungläubig und versuchst, mehr oder minder normal zu atmen. Nicht weinen, flüsterst du dir immer wieder ein, auf gar keinen Fall. Nicht jetzt. Nicht vor ihm.

"Es tut dir leid?! Du hast gestern noch mit mir geschlafen! Wir sind seit 5 Jahren zusammen, leben seit 4 Jahren hier zusammen! Und jetzt tut es dir leid?!"

"Ich... Ich weiß auch nicht." Er stockt. „Vielleicht mache ich gerade den größten Fehler meines Lebens."

"Vermutlich", sagst du kalt, und diese Kälte ist fast noch besser als die Wut, sie hilft dir, sie stärkt dich, sie macht dich größer als du dich fühlst.

"Du bedeutest mir immer noch unendlich viel", redet er weiter, "alles, weswegen ich mich in dich verliebt habe, ist auch noch da."

Du schnaubst und drehst deinen Kopf zur Seite. So fühlt sich das also an, denkst du in einem Moment von seltsamer Klarheit, wenn einem das Herz gebrochen wird

"Wieso jetzt?" fragst du irgendwann, als er nicht weiterspricht sondern dich weiter einfach nur ansieht.

Er holt tief Luft, ringt kurz mit den Händen und macht dann eine weitschweifige Geste. Bewegungen, die du kennst und nach der ganzen Zeit auch gut zu deuten weißt: Er ist unsicher, fühlt sich unwohl. "Dieses Jahr... da steht so ein Ausrufezeichen hinter. Und ich kann das nicht." Er schluckt und sagt dann, leiser, "es ist doch besser, das jetzt zu tun. Als in ein paar Jahren. Es ist nur fair."

Fair! Das Wort reisst eine blutende Wunde in deinen Leib, und du verziehst dein Gesicht zu etwas, was irgendwo zwischen Wut und Verzweiflung liegt. "Du kannst jetzt gehen", erwiderst du, und seine Augen weiten sich verblüfft.

"Jetzt?"

Ein kleiner, dämonischer, fauchender und kreischender Teil von dir fletscht wütend die Zähne. Du ignorierst ihn und die gifttriefende Antwort, die er auf diese - zugegebener Maßen reichlich dämliche - Frage parat hat und sagst schlicht: "Ja."

Er bleibt stumm sitzen und starrt dich an, während du den Kopf wegdrehst und die Zähne zusammenbeißt. Der Schmerz prickelt dicht unter deiner mühsam aufrecht erhaltenen Fassade, du kannst ihn spüren. Er zerrt an dir, kratzt über deine Lungen, drückt dich zusammen. Das Atmen erscheint dir ungewöhnlich schwer.

"Ich habe mir das so sehr gewünscht", wiederholt er schließlich, und du wendest ihm wieder den Blick zu. Zu deinem Erstaunen weint er, und du kneifst die Augen zusammen. Was soll das jetzt? Will er Mitleid, weil er sich solange mit mir rumplagen musste?!

"Geh", sagst du erneut, und endlich steht er auf. Du bleibst wie angeleimt sitzen und lauschst den Geräuschen die er macht, während er seine Tasche packt. Als er schließlich wieder vor dir steht, bist du kurz davor ihn anzuflehen, nicht zu gehen. Irgendetwas in dir zerbricht, etwas, dessen du dir vollkommen sicher warst, und du weißt nicht, wie du ohne das leben sollst.

Dein Stolz hält dich davon ab. Du zwingst dich, ihn genau anzusehen und dir jede Bewegung genau einzuprägen. Er stutzt und sieht dich an.

"Wieso guckst du so?"

"Ich will das hier nicht vergessen", erwiderst du mit einer für die Situation erstaunlichen Ruhe, "wie du gehst."

Er seufzt und lässt den Kopf hängen. Dann geht er.

Als sich die Tür schließt, geht deine Welt in Flammen auf.

XXX

Irgendwie scheint seitdem alles etwas dunkler. Immer wenn du lachst, liegt eine gewisse Schwere darin, in jeder noch so simplen Begegnung erkennst du ihn wieder. Er scheint omnipräsent, lässt dich nicht in Ruhe, lässt dich nicht vergessen - und dabei siehst du ihn nicht einmal, er ist längst ausgezogen, wohnt aktuell bei seiner Mutter. Aber es reichen kleine Sachen, um dich aus der Fassung zu bringen und dich erinnern zu lassen. Bittersüße Erinnerungen, auf die du inzwischen gerne verzichtet hättest.

Du gehst dir selber auf die Nerven. Du bist nicht du selbst, seufzt viel, bist nachdenklich und längst nicht so gelöst und selbstsicher, wie man es von dir gewohnt ist.

Auf der Arbeit fällt es eher positiv ins Gewicht, weil du hier alles vergessen kannst und das tust, worin du gut bist. Die Kollegen merken es trotzdem und bieten dir ihre Hilfe an, was sowohl unfassbar süß als auch furchtbar schmerzhaft ist.

Deine Freunde und deine Familie sind immer da, ob du willst oder nicht, und allmählich wird es besser. Du kannst etwas leichter atmen. Du schläfst wieder besser. Ganz allmählich, nach und nach, werden deine Tränen weniger und du fühlst, wie sich deine Welt langsam wieder gerade richtet.

Und dann schreibt er dir, dass er dich gerne sehen möchte, weil er dir noch nicht alles sagen konnte.

Du sitzt lange vor dieser Nachricht, wiegst die Worte ab und denkst vermutlich viel mehr hinein, als auch nur ansatzweise sinnvoll ist. Du weißt nicht, was du tun sollst, ob es schlau ist sich jetzt mit ihm zu treffen wo es doch gerade etwas besser wird... Während in dir eine wilde, unbändige und vollkommen hirnrissige Hoffnung entbrennt, dass er dich zurück will. Dass ihm aufgefallen ist, dass sein Leben ohne dich nicht funktioniert. Dass er dich will, braucht, liebt.

Dein Mund wird trocken, als du zurückschreibst. Du hasst dich selbst für deine Verletzlichkeit, als du nur zwei Worte schreibst: "Ok. Wann?"

xxx

2 Tage später sitzt ihr euch gegenüber. Er wirkt nervös. Du musst unwillkürlich an euer erstes Date denken, und der Gedanke lässt einen harten Zug um deinen Mund entstehen. Bedächtig und langsam lässt du die Kälte in dein Herz kriechen und wappnest dich gegen den möglichen Kampf, der dir bevorsteht.

"Ich bin in einen Anderen verliebt", platzt er dann heraus, und wieder fühlt es sich an, als hätte dir jemand einen Schwinger verpasst.

Dein Mund klappt auf und du blinzelst blöde, während die Worte sich tausendfach in deinem Kopf wiederholen. Bitterkeit durchflutet dich, und du ballst deine Fäuste, sodass deine Nägel sich schmerzhaft in das weiche Fleisch deines Handballens bohren. Du fühlst dich betrogen. Und dumm.

Oh Gott, so unendlich dumm.

"Was?"

"Ich... ich konnte es dir nicht sagen." Er schluckt und starrt auf seine Hände. "Du hast doch immer gesagt, dass man sich trennen muss wenn man sich in wen anderes verliebt."

Erneut musst du blinzeln, und ein grausamer Zug bildet sich um deine Mundwinkel. "Ach", machst du leise, und seine Kiefer mahlen lautlos.

"Es ist nie was gelaufen, wir haben nie miteinander geschlafen", sagt er und holt tief Luft, "das musst du mir glauben. Er weiß es nicht einmal."

Du lächelst dünn und siehst in unverwandt an. Etwas in dir zerbricht und formiert sich neu, wird hässlicher und böser. "Du hast ja auch immer noch mit mir geschlafen, dein Bedarf war ja gedeckt", erwiderst du bedächtig, woraufhin er kurz den Blick hebt. Seine Augen funkeln angriffslustig, deine blicken starr und emotionslos zurück. Er sieht wieder zur Seite.

"Ich habe das alles nicht gewollt", murmelt er, und du unterdrückst nur mit Mühe ein Schnauben. "Du glaubst gar nicht, wie schlimm diese letzten Tage mit dir für mich waren."

Jetzt musst du beinahe lachen, und der kleine gehässige Kobold in dir fletscht wütend die Zähne und trommelt mit den Fäusten auf den Boden. Nur mit äußerster Anstrengung schaffst du es, ihm nicht dein Getränk ins Gesicht zu schütten.

"Ich will deswegen auch kein Mitleid", fährt er fort, vollkommen ausblendend, dass du kurz vor einer wilden Raserei stehst, "ich will nur, dass du mich verstehst."

Du schnappst dein Glas und trinkst es auf einen Zug aus. Deswegen bist du gekommen, deswegen sitzt du jetzt hier - damit er dir sagen kann, dass für ihn auch alles ganz schön schlimm war, weil er ja bei dir geblieben ist obwohl er in jemand anderes verliebt ist?

Deine Gedanken wirbeln wild durcheinander, alles fühlt sich schief an. Ist das der gleiche Mann, der die letzten 5 Jahre mit dir geteilt hat? Es fühlt sich an, als säße dort ein vollkommen Fremder. Der Mann, den du kennst und liebst, würde solch einen riesengroßen Quatsch nicht erzählen.

"Toll", sagst du dann, und er hebt wieder kurz den Blick, nur um dann wieder angestrengt auf die Tischplatte zu starren. Du siehst ihn an wie ein seltenes Insekt und fragst dich, wann er sich in diesen schwachen, unehrlichen Menschen verwandelt hat - und wie du das übersehen konntest.

"Sieh mich an", forderst du, und er hebt zögerlich die Lider. Du blickst ihm unverwandt in die Augen, während du dich leicht nach vorne beugst.

"Ich war sehr glücklich mit dir", sagt er dann unvermittelt, und du verengst kurz die Augen, von dem unerwarteten Stich überrascht, der wie ein Messer durch dein Herz zieht. "Ich glaubte anfangs auch, dass diese... Verliebtheit wieder weggehen würde. Das hatte ich in meiner letzten Beziehung ja auch..." Er stoppt, schluckt, und knetet seine Hände, eher er weiter spricht, fast vorwurfsvoll: "Aber... aber ich konnte ja mit niemandem reden!" Er holt tief Luft. "Diese ganzen Tabus, die du aufgestellt hast... ich kam damit nicht mehr zurecht."

Du lässt dich wieder zurück in die Lehne fallen und schüttelst leicht den Kopf. "Tabus." Du schnaubst und lässt den wütenden Kobold für eine Sekunde das Ruder übernehmen. Dein Blick könnte Lava gefrieren lassen. "

"Du hättest mit mir reden können. Reden müssen." Deine Zähne beißen aufeinander in der verlorenen Hoffnung, nichts unbedachtes zu sagen. "Das ist nicht normal. Ganz sicher nicht sogar. Und wenn du glaubst, dass das normal ist, dann wirst du niemals eine langfristige Beziehung führen können."

Du stehst auf und ziehst mit einer flüssigen Beziehung deine Jacke an. Er starrt dich mit großen Augen an, fast so als hättest du ihm eine Ohrfeige verpasst, und der Kobold freut sich. "Ich gehe jetzt", sagst du überflüssiger Weise, und dann bist du weg, ohne dich noch einmal umzudrehen.

xxx

Irritierender Weise macht diese neue Erkenntnis das Ganze einfacher. Er hat schon recht: Du hättest dich getrennt, wenn du gewusst hättest, dass er jemand anderes liebt. Der zweite Platz wäre für dich nicht genug gewesen, und niemals in einer Partnerschaft.

Und es macht ihn selbst so schwach, so klein, so lächerlich - es ist fast so, als hätte er selber einen Schleier über sich weggezogen und endlich seine hässliche Fratze gezeigt. Dein Leben geht weiter, auch wenn du immer noch verwundet bist, und du hörst langsam auf, ihn zu vermissen. Der Schmerz wird allmählich weniger, die Wut verraucht und hinterlässt einen kalten grauen Dunst, der sich über alles legt was dich mit ihm verbunden hat. Du verschenkst seine Geschenke und beginnst, dein Leben ohne ihn zu beginnen.

FEBRUAR

Die erste Anschaffung ist ein neues Bett. Es ist riesig und viel zu teuer, aber es ist wunderbar weich und lässt dich schlafen wie auf einer Wolke. Und, was noch besser ist: Er hat nie darin geschlafen. Er hat darin nie mit dir geschlafen.

Du besichtigst eine Wohnung, und mit dem Glück der jüngst Verlassenen mag dich der Vermieter und du bekommst sie auf Anhieb. Langsam, ganz allmählich, beginnst du dich auf dein neues Leben vorzubereiten und dich von dem alten zu verabschieden.

Es gibt Momente, die dich aus der Bahn werfen.

Es trifft dich unvermittelt und hart, als er verkündet, dass er ebenfalls eine neue Wohnung hat und vor dir ausziehen will. Du bist schockiert und fast gelähmt bei dem Gedanken, dass du der Letzte in der Wohnung sein sollst, derjenige, der noch einmal alleine durch die leeren Räume gehen soll, die ihr gemeinsam bezogen und mit Leben gefüllt habt. Damals, es scheint eine Ewigkeit, ja, ein Leben her zu sein, als ihr glücklich und hoffnungsvoll eingezogen seid.

Du sagst ihm, dass das nicht geht, und er akzeptiert es. Es tut dir kein bißchen leid, du bist fast ein wenig stolz, dass du dich in diesem Punkt nicht hast überstimmen lassen.

Dein Umzug rückt näher, und du fängst an, deine Sachen zu packen. Stück um Stück wandert in diverse Kartons, und die Wohnung, dein Zuhause der letzten Jahre, leert sich allmählich, bis nur noch eine dünne Schale zurück bleibt, die wacklig von seinen Habseligkeiten aufrecht gehalten wird. Du lässt vieles zurück, was ihr gemeinsam angeschafft habt: Lampen, Bilder, Decken... und Fotos, die euch gemeinsam zeigen, lachend in die Kamera winkend, oder wie er dich liebevoll ansieht, während du aufs Meer schaust.

Du kämpfst das bittere Gefühl herunter, dass du beim Anblick dieser Bilder bekommst, und versuchst (mit mäßigem Erfolg) ihn nicht zu verachten. Dafür, dass er dir das Gefühl gegeben hat, dass du Alles wärst, wobei du anscheinend nicht mal die Hälfte warst.

Dein altes Leben löst sich vor deinen Augen auf, und du übertünchst den Schmerz darüber, in dem du dich mit Haut und Haar auf die Arbeit stürzt. Du packst Kisten, organisierst Helfer, fährst zwischen den Wohnungen hin und fällst abends totmüde ins Bett, körperlich so erschöpft, dass du tief und glücklicherweise traumlos schläfst.

MÄRZ

Dein Umzug rückt näher, und es ist beeindruckend und macht dich glücklich, wieviele Leute bereit sind, dir dabei zu helfen. Kollegen, Freunde, Familie – sie alle werden da sein, um dich an diesem Tag zu unterstützen.

Du weißt nicht, ob du dich darauf freuen oder den Tag fürchten sollst, an dem du die Wohnung endgültig verlässt, in der du die letzten Jahre deines Lebens verbracht hast. Glückliche Jahre, schöne Momente, Stunden, von denen du angenommen hattest, dass sie immer wieder kommen würden.

Du versuchst, das Vergangene zu vergessen und dich auf deine Zukunft zu konzentrieren, was dir häufig genug gelingt.

Manchmal aber, wenn du alleine in der Wohnung sitzt und die letzten Sachen in Kisten verstaust, durchfährt es dich wie ein spät wirkendes Gift: Die Erkenntnis, dass es wirklich passiert ist und nicht nur ein böser Traum war. Dass er dich wirklich verlassen hat.

Es tut nicht mehr so weh wie noch vor einigen Wochen, aber du bist immer noch wie angeschossen, und dir selber auch noch nicht sicher, ob du bereits auf dem Weg der Heilung bist oder ob die Kugel noch immer zerstörerisch durch deinen Körper wütet.

Dann kommt der Umzug.

Es geht unfassbar schnell, die Helfer sind großartig und du kannst kaum fassen, wie schnell sie dein altes Leben ab- und dein neues wieder aufbauen. Innerhalb weniger Stunden ist die neue Wohnung eingerichtet und du sitzt mit deinen Freunden bei Nudelsalat und Bier auf dem Boden.

Sie lassen nicht zu, dass du trauerst. Sie gratulieren dir zu deiner neuen Wohnung, fangen an, Kisten auszupacken und sorgen dafür, dass du dich wohl fühlst. Du bist ihnen unendlich dankbar, und als du abends auf dein neues Bett fällst, schläfst du glücklich und betrunken ein.

Es ist ein paar Wochen später, dass sie dich zu einem Date überreden können. Du hast keine Lust auf neue Männer, keine Lust darauf, dich wieder „auf den Markt" zu begeben und ganz bestimmt hast du auch keine Lust auf krampfhaften Smalltalk. Aber sie sind unerbittlich und du gibst schließlich nach, nicht zuletzt, weil du denkst, dass es so schlimm ja auch nicht werden kann.

Und es ist tatsächlich ganz nett. Der Mann ist höflich, gut angezogen, gebildet und witzig – aber es fehlt der Funke, das Knistern, dieses gewisse Etwas. Ihr verbringt einen netten Abend miteinander, und als er sich am Ende von dir mit einer Umarmung verabschiedet, sagst du ihm ehrlich, dass dir das Treffen gefallen hat. Er lächelt, du atmest seinen Duft ein – und gehst. Er war es nicht.

Vielleicht wird es keiner mehr sein, sagst du später deinen Freunden, und sie schnauben und schütteln bloß den Kopf. Du verschweigst ihnen, dass du das Gefühl hast, dass auf deiner Stirn ein riesengroßer Sticker mit der Aufschrift „DAMAGED GOODS" zu kleben scheint, den jeder Mann auf 1000 m Entfernung schon sehen kann.

Du stehst an der Bar im Leaky und wartest auf dein Feierabendbier, als du dann ihm begegnest.

Ihr habt euch ewig nicht gesehen – das letzte Mal vor 5 Jahren auf dem Ehemaligen-Treffen, und damals warst du noch in der jüngst beendeten Beziehung – und du hast ihn auch kein bißchen vermisst. Ihr ward keine Freunde, nicht mal annähernd, und du hast wirklich keine Lust, dich in deiner aktuell verletzlichen Situation mit seiner spitzen Zunge anzulegen.

Sein Blick gleitet durch den Raum und huscht über dich, kehrt dann aber zu dir zurück. Seine Augen weiten sich kurz, das Silber in ihnen leuchtet für einen Moment attraktiv auf, und ein winziges Lächeln erscheint in seinem rechten Mundwinkel. Du seufzt mental und drehst den Kopf weg, was ihn kein bißchen zu stören scheint: Er steuert quer durch den Raum auf dich zu und lässt sich neben dich fallen.

„Potter", sagt er, und schon der Klang seiner Stimme reicht, um dich nervös zu machen. Du kannst das nicht. Nicht jetzt.

„Malfoy", erwiderst du, um Nonchalance bemüht, und trinkst so hastig einen Schluck von deinem Bier, dass ein Rinnsal an deinen Lippen vorbeischießt und feucht in deinen Kragen läuft.

„Ganz allein?"

Du schnaubst und wischt dir das Bier aus dem Gesicht. „Ich bin nicht in Stimmung."

„Ich weiß", sagt er trocken und bestellt sich, ungeachtet deiner augenscheinlichen Unlust auf seine Gegenwart ebenfalls ein Bier, „ich hab es schon gehört." Er sieht kurz auf die Theke. „Was für ein Idiot."

Du lachst kurz und humorlos auf. „Ach ja?"

„Ja", eriwdert er kurz, und du blickst das erste Mal, seit er sich neben dich gesetzt hat, in sein Gesicht. Er hat sich verändert, und nicht unbedingt zum Schlechten. Er sieht erwachsen aus, reifer, weniger kalt. Du hast gehört, dass sein Vater vor einigen Jahren gestorben ist und dass er seitdem das Familienimperium leiten soll. Er hat viel gespendet, angeblich hat er in Frankreich außerdem ein Heiler-Studium absolviert und soll inzwischen eine hohe Beratungsfunktion im Mungo's haben. Du hast nie richtig zugehört, er hat dich nicht interessiert. Kurz fragst du dich, wie er von der Trennung erfahren hat, die du irgendwie aus der Presse rausgehalten hast.

„Was willst du hier?" fragst du dann, und er lehnt sich etwas mehr an die Bar.

„Bier", antwortet er dann kurz, und du verziehst bei der Antwort unwillig das Gesicht.

„Du schienst nie der große Biertrinker zu sein", gibst du zurück, und er lächelt leicht. Irgendetwas macht dieses Lächeln mit dir, es kribbelt leicht in deinem Bauch und stupst Ecken in dir an, die sich lange nicht mehr gerührt hatten. Du weißt nicht, ob dir dieses Gefühl gefällt.

„Du weißt nicht viel von mir." Er nimmt einen Schluck – und natürlich verschüttet er dabei kein Bier in den Kragen seines schwarzen Hemdes – und blickt dich dann wieder an. Sein Blick ist unaufgeregt und nüchtern, trotzdem kannst du dich nur mit äußerster Mühe dazu bringen, nicht wegzusehen. Irgendwie ist er zu nah. Und zuviel. Das war er schon immer, Malfoy war schon immer irgendwie „mehr" als für dich gut war. Er geht dir unter die Haut, wie ein Virus, und du würdest ihn gerne los werden. Dummerweise ist sowohl sein als auch dein Bier noch fast voll. Du nimmst einen großen Schluck und verschluckst dich prompt.

Er klopft dir hilfreich auf den Rücken, und die Wärme seiner Hand scheinst sich durch den Stoff deines Hemdes zu bohren. „Sachte, Potter", murmelt er leise, und der Klang seiner Stimme ist falsch, zu leise, zu intim, „so hab ich mir das nicht gedacht."

Du siehst, immernoch hustend, auf und wiederum ist er viel zu nah. Du kannst erkennen, dass seine Wimpern golden sind und die Spitzen dunkler als der Ansatz, und fragst dich dümmlich, ob solch schöne Augen überhaupt menschlich sind.

Er richtet sich abrupt auf und nimmt sein Bier, und der Zauber des Augenblicks ist gebrochen. Du schluckst und starrst ihn an. „Bis bald", sagt er kurz, und ignoriert das Stirnrunzeln, das bei dieser Verabschiedung auf deinen Zügen erscheint.

Bis bald? Bis bald?! Ihr habt euch jahrelang nicht gesehen. Es ist unwahrscheinlich, dass ihr euch wieder seht.

Und, so sagst du dir, du hast auch keine Lust darauf.