Schon von weitem hätte er sie sehen müssen, doch er war mit den Gedanken zu vertieft gewesen in dem neuen Fall, der ihm einiges abverlangte. Urplötzlich stand sie dann vor ihm. Überrascht wich er im letzten Moment zurück um einen Zusammenprall zu vermeiden, doch schnell hatte sich der berüchtigte Superdedektiv wieder gefangen."Oh, Verzeihung M´am", brachte Sherlock nur noch hervor bis ihm zwei bekannte Augen begegneten, die ihn zutiefst schockierten. „M´am ? Okay wir haben uns seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen, aber ich dachte wir wären eigentlich schon beim duzen angekommen". Die Frau vor ihm schmunzelte verschmitzt und lies eine Reihe perfekt weißer Zähne vorblitzen. „Hey, Sher! Wow, es ist so lange her, dass wir uns nicht mehr gesehen haben. Wir steckten da noch mitten drin in unserer Pubertät, jaja keine schönen Erinnerungen, was?" Die Frau lachte laut auf und warf ihr blondes Haar zurück. Doch Sherlock verzog keine Miene, zu verwirrt war er von dem plötzlichen Auftreten dieser Person. Gerade dieser. Was um alles in der Welt machte sie hier ? Gerade hier ? Seine Gedanken drehten sich im Kreis, es war unmöglich für ihn einen klaren Gedanken zu fassen. Sherlock spürte Erinnerungen aufkeimen. Erinnerungen die er erfolgreich hatte verdrängen wollen. John hätte ihn jetzt sehen sollen, er hörte schon sein neckendes Kommentar: „Was, Sherlock sprachlos? Dafür müsste ihm sein Mund zu operiert werden." Doch es ging anscheinend auch ohne Operation. Die Frau ihm gegenüber bemerkte lächelnd seine Starre, was nicht allzu schwer war, da er sie nun schon einige Sekunden mit entgeistertem Blick anstarrte. „Ähm, wie wäre es wenn du mich zu einem Tee einladen würdest…es ist doch ziemlich arschkalt hier draußen." Erst jetzt bemerkte er, dass es wohl angefangen hat zu regnen. Kalte Tropfen liefen ihm den Rücken runter und seine dunkelbraunen Locken sogen sich voll mit der Nässe. Gott, wie muss er denn aussehen. Bestimmt wie ein begossener Pudel. Wütend versuchte Sherlock den Gedanken beiseite zu schieben. Seit wann kümmerte es ihn denn wie er aussah vor allem wieso jetzt. Sie sah ihn fragend an, eine Antwort geduldig abwartend. Der absurden Situation bewusst, sammelte sich Sherlock wieder krampfhaft um nicht als Idiot da zustehen. Diese ganze Situation war eindeutig zu viel für ihn. „Bitte, geh doch rein. Dort ist es wenigstens 6Grad wärmer," stolpernd folgte er ihr rauf bis sie im kleinem Wohnzimmer standen. „John wird in etwa 3 Minuten von der Arbeit kommen" – „John?", ihr Blick glitt über die gemütliche, wenn auch chaotische Einrichtung. „Ähm, ja mein Mitbewohner und … Freund". Sherlock zögerte bei dem Wort Freund, sich der kommenden Bemerkung bewusst. „ Ein Freund von dir?", lachend trat sie näher an ihn ran. „Naja, ich war immer von dir überzeugt, ganz im Gegenteil zu deinem Bruder. Wie geht es ihm eigentlich? Ist er immer noch soo…du weißt schon?" Sherlock brauchte immer noch etwas Zeit um sich zu beruhigen von dem…ja von was eigentlich. Im stieg das alles langsam zu Kopf und um wenigsten ein wenig Alltag in dieses Gespräch zu bringen macht er Tee in der Küche. Er hörte wie sie sich auf das Sofa setzte, die rechte Seite genauer gesagt, dem Knatschen nach zu urteilen. John hatte es schon längst reparieren wollen, doch sie kamen einfach nicht dazu. Sherlock ließ seinen Blick über die selten benutzte Küche streifen. Naja, das heißt selten benutzt um Essen zu machen. Vielmehr türmten sich kleine, große, giftige und harmlose Reagenzgläser auf den Tischen, Stühlen und Regalen, die es unmöglich machten ein anständiges Essen zuzubereiten. John nervte es oft an und sie konnten Tage lang nicht miteinander reden wenn sie sich wieder mal über seine Experimente stritten. Schon hörte er das vertraute schwere Stolpern von John wie er die Treppe hoch stampfte. Streit mit seiner momentanen Freundin ? Oder die Arbeit ? Nein, ein Streit allein kann ihn nicht mehr so wütend machen, so oft wie sie sich schon gestritten haben mussten. Es muss beides sein. Die Tür wurde kraftvoll aufgestoßen und schon erschien das runde Gesicht seines Mitbewohners. Rot, seine Ader pulsierte an seiner rechten Stirnhhälfte und die Hände zu Fäusten geballt. „Tag Sherlock!" Er wollte schon anfangen mit seinen Schimpftiraden, als er die fremde Person auf der Coach sah. „Oh, Entschuldigung." Verwirrt stammelte er einige Wortfetzen zurecht, lief dann aber doch prompt rot an als er die Schönheit der Frau bemerkte. Sie war währenddessen schon aufgesprungen, mit einem wohlbemerkt erheblichen Quietschen des Sofas, um John freundlich ihre Hand hinzuhalten. „Guten Tag John. Ich bin Marie. Eine alte ähm Freundin, naja also ich war noch das was man am nahsten als Freundin bezeichnen konnte." John war immer noch zu überrumpelt und sein Zorn verpuffte schlagartig. „Echt ? Das wusste ich nicht, er hat dich nie erwähnt." Sein Gesicht nahm wieder eine leicht rötliche Färbung an, als er bemerkte was er da gesagt hatte. „ Also, das muss nix heißen. Er redet nie von seiner Vergangenheit," stammelnd versuchte er sich aus der missligen Lage zu bringen und eilte in die Küche. „Ich wusste nicht, dass wir Besuch erwarteten, Sherlock". „Haben wir auch nicht John, ich hab keine Ahnung was sie hier macht". Der Tee war fertig und Sherlock fiel keine andere Ausrede mehr ein nicht ins Wohnzimmer zu gehen wo Marie schon auf ihn wartete. Seine Stimme war kalt, er hatte sich wieder gesammelt und für weitere Konversationen gewappnet. Er war bereit. John sah ihn aus den Augenwinkeln musternd an. Irgendwas war da… er konnte es nur noch nicht genau sagen, aber Sherlock verhielt sich anders. Er sah es in seinem kalten Blick, in seiner Haltung und in den nervösen Bewegungen. Wer war diese Marie?
