Prolog

Unerfreuliche Entscheidung

„Dublin?" ich schaute erneut auf die Tafel und überprüfte noch einmal die

Flugnummer auf meinem Ticket. Es stimmte. Dublin. Flug LHZ285. Von Seattle nach

Dublin.

„Jetzt schau doch nicht so geschockt." Versucht mich meine Mutter

aufzumuntern.

„Aber Mama. Es ist Dublin. In Irland."

„Irland ist doch schön. Es ist immer grün. Genau wie in Forks. Du wirst den

Unterschied gar nicht merken." Meldete sich mein Vater zu Wort. Allein schon,

dass er sich diese blöde Stadt ausgesucht hatte, machte mich wütend auf ihn.

Wie kam er eigentlich auf so eine Schnapsidee? Ich ließ meinen feindlichen

Gedanken freien Lauf. In den Jahren, als ich wohlbehütet bei dem Rest unserer

Familie aufgewachsen war, hatte ich gelernt meine Gedanken so gut wie möglich

vor ihm abzuschirmen. Doch jetzt gerade ließ ich jede kleine Barrikade in

meinem Kopf fallen. Er sollte ruhig merken, wie stocksauer ich war. Und er tat

es auch.

„Beruhig dich." Forderte er mich auf und hob demonstrativ eine Hand. „Es

war nicht nur meine Entscheidung. Wenn du dich erinnerst. Wir haben alle

zusammen beschlossen umzuziehen. Du warst genauso damit einverstanden wie ich

oder deine Mutter."

„Damals dachte ich aber auch noch, dass wir irgendwohin ziehen, wo es auch was

zu erleben gibt. Nicht so etwas wie Dublin. Hätten wir ja gleich nach Denali zu

Tanya zeihen können. Da wäre wahrscheinlich mehr los." Im laufe meiner

Aussage hatte ich meine Stimme so erhoben, dass schon einzelne Leute stehen

blieben und sich zu uns umwendeten.

Na gut. Das machten sie auch so. Nur selten bekamen sie Leute zu Gesicht, die

mit so einem Aussehen wie unserem gesegnet waren. Obwohl das Wort gesegnet

hier wohl eindeutig fehl am Platz war.

Für sie sahen wir wohl aus, wie drei Geschwister, die sich stritten. Keiner

vermutete in dem großen, muskulösen Typen mit den verstrubbelten bronzenen

Haaren einen Vater. Eben so wenig vermutete keiner in mir, dem Mädchen mit den

bronzenen Locken und den dunkelbraunen Augen seine Tochter. Wohl eher seine

Schwester. Und meine Mutter. Okay. Sie wurde wirklich oft als seine Freundin

gesehen, da sie selbst ziemlich wenig äußerliche Gemeinsamkeiten besaßen,

außer natürlich ihren hellen, Topasaugen.

„Was stört dich an Dublin? Forks ist ja noch langweiliger. Und da hat es dir

auch gefallen." Versuchte Mum mich zu beruhigen.

„Es geht nicht direkt um Dublin. Wohl eher um die Insel."

„Irland?" meine Mutter sah wirklich verdutzt aus.

„Ja."

„Was ist daran so schlimm?"

„Die Menschen essen Hammel. Alles ist immer grün und sie glauben an Kobolde

und Feen."

„Dann passen wir ja bestens ins Gesamtbild."

Für diesen Kommentar warf ich meinem Vater einen Fall-doch-Tod-um-Blick zu. Das

einzige Problem dabei war, dass er schon längst Tod war.

„Es ist doch so. Wir haben die Ewigkeit. Also ist es nicht besonders Schlimm,

wenn wir davon ein bisschen Zeit in Irland verbringen." Sagte meine Mutter und

warf mir einen bittenden Blick zu. Ich stöhnte genervt auf. Packte meine

Umhängetasche und lief zur Sicherheitskontrolle ohne auch nur zu schauen, ob

meine Eltern hinter mit her kamen, oder nicht.

Wenn ich Glück hatte kamen sie nicht gleich hinter mir her und ich hatte

vielleicht genug Zeit, um mich bei einem anderen Flug einzuschleichen.

Genau. Ich würde dem Typen, der die Flugtickets kontrollierte einen so

verführerischen Blick zuwerfen, dass er gar nicht anders konnte, als mich

durchzulassen. Und dann hieß es: Auf Wiedersehen Dublin. Und Herzlich

Willkommen im Paradies.

Eine Hand landete auf meiner Schulter und verdrehte genervt die Augen. „Schlag

es dir gleich aus dem Kopf. Du bist noch Minderjährig." Raunte die Stimme

meines Vaters in meine Ohren.

„Es kann ja sein, dass ich auf dem Papier noch Minderjährig bin. Aber

körperlich und geistig bin ich das schon lange nicht mehr. Und wenn wir gerade

von Minderjährigen sprechen. Die einzige von uns, die Volljährig ist, ist

Mama."

Er schob mich zielstrebig in die Richtung der unseres Gates. Als ich bemerkte,

dass er meine Worte ignorierte, legte ich meine Hand an sein Gesicht und zeigte

ihm ein Bild davon, wie wir in einer Wohnung in Irland saßen und ich keinen Ton

sprach. Um diesem noch die richtige Wirkung zu verleihen, projizierte ich auf

dem Kalender an der Wand das Datum 1. Januar 2010.

„Dann haben wir wenigsten unsere Ruhe." Scherzte er und ich konnte sein

leises kichern hören.

„Wollt ihr mich nicht bei Alice oder Esme lassen? Ich könnte auch zu Emmet

und Rosalie ziehen."

„Keine Chance. Wir fliegen nach Irland. In genau 45 Minuten und 6 Sekunden",

fügte er bestimmt dazu, griff nach meiner Schulter und zog mich ohne große

Anstrengungen in Richtung Flugzeug. Mir entwich ein seufzen, mein Vater war

wirklich so was von bestimmend!

Meine Mutter blickte tröstend auf mich hinab. „Mach dir keine Sorgen Schatz.

Ich bin sicher dass es dir in Dublin gefällt. Ich war damals auch gar nicht

scharf darauf nach Forks zu kommen und habe dort die Liebe meines Lebens

gefunden." Ich blickte sie kritisch an. „Heißt dass, ich finde an jeden

Ort, an dem ich nicht gerne Leben will die Liebe meines Lebens?", fragte ich

skeptisch. Mein Vater streifte mich mit einem letzten strafenden Blick und es

war klar, dass dieses Thema damit beendet war