Für Lily

I remember ...

Gemurmel erklang, sobald sie den Raum betrat. Es wanderte durch die Reihen, breitete sich aus und schwoll an zu einem regelrechten Chaos aus Stimmen, gehässig und nicht darauf bedacht, zu verbergen, was es enthielt. Unverständnis traf auf wüste Beschimpfungen, Drohungen und kontrollierten Hass.
Ginnys Miene jedoch blieb unbewegt trotz der Tatsache, dass diese negativen Gefühle an sie gerichtet waren.
Die roten Haare zu einem Dutt hochgesteckt, die formelle Kleidung, ein schwarzer Rock und ein Blazer zu schwarzer Bluse und der gefasste Gesichtsausdruck- nichts deutete auf ihren momentanen Gemütszustand hin. Denn sie hatte sich geschworen, stark zu sein. Für sich, für ihn…und für ihr Kind.
Unwillkürlich legte sie ihre Hand auf ihren Bauch. Schluckte. Richtete ihre Augen starr nach vorn. Sie musste Haltung bewahren.

„Miss Weasley?"
Ein schlaksiger, junger Ministeriumsbeamter trat mit unsicherem, ja fast furchtsamem Blick auf Ginny zu und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Mit leicht gerunzelter Stirn tat die junge Frau, was von ihr verlangt wurde. Es ärgerte sie, dass ihre Hochzeit vor dem Zaubergamot und so vor der gesamten Zaubererwelt nicht anerkannt wurde.
Sie hasste ihren Mädchennamen. Über alles. Sie wollte ihn nicht mehr tragen. Wollte nicht an die Familie erinnert werden, die sie einmal besessen hatte. Aus der sie nun verstoßen worden war. Aus dem Stammbaum entfernt. Verbannt.
Sobald sie Ginnys Platz erreicht hatten, wandte sich der Beamte zu ihr um.
„Ich muss Sie darum bitten, mir für die Zeit in diesem Gerichtssaal Ihren Zauberstab auszuhändigen." Hastig griff der junge Mann nach der Waffe in ihrer Hand.
`Wie unhöflich von ihm´ dachte Ginny sich. `So behandelte man doch keine Frau! ´
Fast schon erschrocken über sich selbst bemerkte sie, dass sie früher niemals so gedacht hätte. Es hätte sie womöglich ein wenig gestört, aber mehr auch nicht. Nun war sie selbstbewusster und wusste, was sich gehörte, und was nicht. Und mit einem erstickten Lachen, das sich kurz darauf in ein verzweifeltes Schluchzen verwandelte, wandte Ginny sich ab, was den jungen Mann sichtlich verwirrte.

Doch als Ginny ihren Platz in der Publikumszone einnahm, war ihr Gesicht wieder regungslos. Denn sie spürte die Blicke der Anderen immer noch auf sich.
Wie können sie etwas tolerieren, das sie selbst nicht verstehen, nicht nachvollziehen können? Jemanden oder Etwas, das Anders ist. Die Grenze zwischen Angst und Hass ist zu schmal. Nur was man versteht, kann man auch annehmen und akzeptieren.
Diese Tatsachen fürchtete Ginny, sie fürchtete sie für sich und für ihr ungeborenes Kind.
Wie konnte sie ihr Baby in naher Zukunft erziehen, wenn ihr Hass und Unverständnis entgegenschlug bei allem, was sie tat? War es nicht schon schlimm genug, dass man diesem unschuldigen Baby, das noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatte, seinen Vater nahm? Ihm die Möglichkeit einer glücklichen, geschlossenen Familie verwehrte?

Eine Glocke ertönte, das Zeichen dafür, dass der der Angeklagte nun unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Saal geführt werden würde. Im Zuschauerraum wurde es noch unruhiger, alle verdrehten so weit wie möglich ihre Hälse um den gefürchteten dunklen Lord zu Gesicht zu bekommen.
Dass sie sich bis zu seiner Festnahme noch vor ihm gefürchtet hatten, schien ihnen allen nicht mehr bewusst zu sein. Einige standen sogar auf und wenige, ganz Selbstbewusste begannen wüste Beschimpfungen in den Saal zu brüllen.
Ginnys Hände zitterten vor Wut.
„Ich bitte um Ruhe" ertönte da eine, durch einen Zauber verstärkte Stimme. Auf der Empore, die sich genau gegenüber von Ginny befand, stand nun ein Zauberer auf, der breiter als hoch war und eine graue, lange Perücke trug. Sein teigiges Gesicht zeigte eine Emotion, die man nicht anders beschreiben konnte, als mit Langeweile.
Er war gelangweilt, egal, um welche Verhandlung es ging. Ginny erschauderte, als sie über diese Tatsache nachdachte. Für diesen Mann gab es keinen Unterschied zwischen einem Mord und einem Diebstahl, einem minderjährigen Zaubernden und einer Vergewaltigung. Keinen persönlichen Unterschied jedenfalls…nur der Unterschied vor dem Recht.
Er wandte sich dem Mann zu, der gerade auf der Anklagebank Platz nahm. Die magischen Fesseln schnappten zu und machten ihn somit vollkommen Bewegungsunfähig.
So eingeschränkt saß der dunkle Lord nun vor dem Geschworenengericht und wartete auf das Urteil, das wohl jedem hier im Saal schon bekannt war.
Der teiggesichtige Richter erhob erneut das Wort.

„An dem heutigen Tage haben wir uns hier versammelt, um über die Zukunft des Angeklagten Tom Riddle zu richten." Ginny bekam das unwirkliche Gefühl, als wäre sie auf einer Hochzeit, statt bei einer Verurteilung.
`An dem heutigen Tage haben wir uns hier versammelt…´
Schnell verscheuchte sie den Gedanken wieder, sie wollte sich nicht an ihre eigene Hochzeit erinnert fühlen, nicht hier, nicht jetzt.
Nach den Worten des Richters standen alle anwesenden Geschworenen auf, es waren zwölf Männer und vier Frauen, hielten ihre Zauberstäbe in die Luft und sprachen gemeinsam einen Schwur.
„Wir schwören bei unserem Leben, dass wir dem Gesetz dienlich sind und den Angeklagten in bestem Wissen und Gewissen verurteilen, ganz so, wie er es verdient." Dabei erschienen gelbe, flackernde Lichtbänder aus ihren Zauberstäben, die sich um ihre linken Handgelenke wickelten. Sie bewirkten nichts, gaben den Zuschauern jedoch das Gefühl, dass die Richter so wirklich nur nach den in den Gesetzen stehenden Richtlinien handelten.
Dann nahmen alle wieder Platz, bis auf den gelangweilten Richter, Mr. Sandbone.
„Bitte nennen Sie uns Ihren vollen Namen und ihr Alter" meinte er an den dunklen Lord gewandt. Dieser warf ihm einen Blick zu, der Sandbone´s Langeweile noch übertraf. Dann blickte er auf seine Fingernägel, die perfekt manikürt schienen. „Sie werden mich wohl mehrheitlich unter dem Namen Lord Voldemort kennen, doch ich vermute einfach mal, dass sie meinen Geburtsnamen hören wollen. Nun, mein Name ist Tom Marvolo Riddle. Körperlich bin ich momentan in dem Zustand eines Neunundzwanzigjährigen, geistig jedoch fünfundsiebzig Jahre alt."
Getuschel erhob sich nach diesen Worten, Erstaunen aber auch Erschrecken machte die Runde. Dass dieser Mann in der Lage war, die gestalt seines jüngeren Ichs anzunehmen, obwohl er doch schon so viel älter war, schockierte die Anwesenden und beunruhigte sie. Wer weiß, was dieser Zauberer noch konnte, ob mit oder ohne Zauberstab, gefesselt, oder nicht! Ginny jedoch wusste, dass sich hinter dieser Gestalt eine besondere Art von Vielsafttrank verbarg. Severus´ Arbeit.

„Tom Marvolo Riddle, Sie sind angeklagt wegen Freiheitsberaubung, Mord sowie versuchtem Mord, Anstiftung zum Mord und diversen weiteren Verbrechen, die Sie seit ihrer Zeit in Hogwarts begangen haben sollen. Das Gericht wird nun heute darüber urteilen und am Ende verurteilen. Haben Sie dies zur Kenntnis genommen?" „Ja" erwiderte Tom ungerührt. Er saß vollkommen entspannt auf seinem „Thron", als ginge ihn die ganze Situation gar nichts an.
„Bestreiten Sie, dass Sie in ihrem fünften Schuljahr auf Hogwarts, im Jahre 1942/43, die sich dort befindende Kammer des Schreckens geöffnet, und mithilfe des sich dort befundenen Basilisken Ihre muggelgeborene Mitschülerin Myrthe getötet, und es bei vielen weiteren Personen versucht haben?"
Tom zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Nein, das bestreite ich nicht"
Wieder ertönte Gemurmel, erbost und aufgebracht, bis einer der Richter mit seinem Zauberstab auf den Tisch knallte. „Ich bitte um Ruhe!"
Sandbone nickte ihm zu. Dann begann er, auf monotone Art und Weise die Paragraphen und Abschnitte des Zauberergesetzbuches herunter zu rattern, gegen die Tom mit dieser Tat verstoßen hatte, und Ginny schaltete ab. Stattdessen blickte sie auf Tom hinab und eine Erinnerung stieg in ihr hoch. Die Erinnerung an den Tag, als sie bei ihm aufgenommen wurde.

Es blitzte und stürmte, abgebrochene Äste krachten zu Boden und haushohe Wellen peitschten an die Klippen der Insel, die sich inmitten eines Gebirges befand. Ginny presste sich noch ein wenig enger an die steinerne Wand, vollkommen durchnässt, halb erfroren und verzweifelt. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie an diesem Ort das Versteck des dunklen Lords finden würde. Sowohl die Informationen Draco Malfoys, als auch die der beiden Zwillingsbrüder deuteten auf diese Insel hin. Doch sie fand nichts.
Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass sie in eine der Fallen und Schutzzauber geraten würde, die unweigerlich auf dem Versteck liegen mussten, und somit die Aufmerksamkeit der Todesser auf sich zog. Dabei durfte sie jedoch nicht selbst sterben, sonst wären ihre Flucht und die folgenden Strapazen ganz umsonst gewesen.
„Welches Täubchen ist denn den langen Weg hierher geflattert?" ertönte da eine spöttische Stimme und die junge Frau hob den Kopf, strich sich die nassen Strähnen ihres roten Haares aus dem Gesicht und lächelte leicht. Vor ihr stand Blaise Zabini, reichte ihr die Hand und wirkte gleichzeitig einen Trockenzauber, der sich schützend um sie beide legte.
Ginny hätte sich am liebsten mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen. Darauf hätte sie ja auch gut selbst kommen können. Doch Blaise grinste nur noch breiter, nahm ihren Arm und führte sie an eine leichte Wölbung im Felsgestein. Dort murmelte er leise einen Zauber, den die junge Frau nicht verstand und trat mit ihr direkt durch die Wand.

Selbst wenn sie im innern des Gesteins eine tiefe, dunkle, nasse Höhle erwartet hätte, die nur von Fackeln beleuchtet waren, wäre Ginny mehr als zufrieden gewesen, denn dann wäre sie zumindest ein wenig getrocknet und hätte nicht mehr so frieren müssen. Doch was sie sah, verschlug ihr die Sprache.
Sie erblickte eine, soweit sie das beurteilen konnte, sehr detailgetreue Nachbildung der Eingangshalle von Hogwarts. Und Blaise hatte nichts anders zutun, als sich über ihren verblüfften Gesichtsausdruck zu amüsieren. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd.
„Ja, ich habe mich auch sehr gefreut, nachdem ich direkt nach Hogwarts hierher rekrutiert wurde… so verlässt man es nicht einmal, jedenfalls auf eine bestimmte Art und Weise."
Er bemerkte, dass Ginny zitterte, hob noch einmal seinen Zauberstab und sprach einen Zauber aus, der nicht nur die Umgebung Ginnys trocken hielt, so wie draußen vor dem Eingang, sondern ihrem Umhang und ihrer Kleidung, sowie ihrem Haar jegliche Feuchtigkeit entzog.
Dankbar blickte die junge Frau ihn an. Dann bemerkte sie, wie sein Gesicht an Härte zunahm und er sich ein wenig mehr aufrichtete. Sie folgte seinem Blick.

Blaises Reaktion zufolge nahm sie an, dass der Mann, der am oberen Treppenabsatz stand, Lord Voldemort höchstpersönlich sein musste, auch wenn sie von seinem Auftreten her niemals damit gerechnet hätte. Er war jung, relativ groß und umverschämt gutaussehend. Seine durchdringenden grünen Augen fixierten sie erst mit einem Anteil aus Abneigung, Erstaunen und ehrlicher Neugierde, dann glitten sie schon beinahe widerwillig hinüber zu Blaise. Er rief genau diesen zu sich und unterhielt sich leise, aber bestimmt mit ihm. So blieb Ginny ihrerseits ein wenig Zeit, sich über das Aussehen des dunklen, gefürchteten Herrschers zu wundern, und es mit den Erzählungen von Harry und Dumbledore- bei den beiden Namen schüttelte sie sich unwillkürlich-, zu vergleichen. Eher hatte er Ähnlichkeit mit seinem jüngeren Ich, dem sie sich damals in dem Tagebuch anvertraut hatte.

„Ebenso haben Sie noch währen Ihrer Schulzeit Ihren eigenen Vater Tom Riddle sr., sowie dessen Eltern Thomas und Mary Riddle, Ihre Großeltern, mit einem der drei unverzeihlichen Flüche getötet…"
„Einspruch!," ertönte da von einer der Richterinnen neben Sandbone. Ihr kurzes graues Haar wippte während sie den Richter über sich entschlossen anblickte. „Diese Angelegenheit ist Sache eines Muggelgerichts. Wir haben nicht darüber zu entscheiden!" Gemurre wurde laut und Ginny konnte es nicht verstehen. Geilte sich diese Menge an der Aufzählung der Taten von Lord Voldemort auf? Denn egal, wie oft in dieser Verhandlung noch Einspruch erhoben werden würde, am Endresultat änderte es rein gar nichts!

Sie ließ ihren Blick durch die Menge wandern und blieb bei einem Zweiergespann hängen. Dort saßen Harry- „der- Junge- der- mehr- Glück- als- Verstand- besaß" - Potter und sein bester Freund Ronald- „ich- laufe- lieber- Harry- Potter- und- Dumbledore- hinterher- als- selbst- denken- zu- müssen" - Weasley. Ihr Bruder.
Es sah ihnen ähnlich, her zu kommen. Vor allem Harry. Wie konnte er?
Die Hände unter der Bankreihe zu Fäusten geballt, ansonsten jedoch regungslos, ließ sie ihren Blick weiter durch die Reihen schweifen. Wenn Harry und Ron anwesend waren, dann müsste auch… ah ja, da saß er. Der Nikolaus mit weißem Rauschebart und den kalten, blauen Augen, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Albus- „die- wissen- ja- alle- nicht- was- ich- eigentlich- vorhabe" - Percival- „wenn- ich- erst- einmal- die- Weltherrschaft- habe" - Wulfric- „und- ich- steh- ja- ganz- offensichtlich- kurz- davor" - Brian- „dann- beseitige- ich- Harry- Potter- und- mein- Größenwahn- wird- sich- auf- der- ganzen- Welt- verbreiten" - Dumbledore.
Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und Ginny konnte nichts anderes in seinem Blick erkennen, als puren Hass.

„Miss Weasley…es freut mich außerordentlich, Sie hier in meinen Hallen begrüßen zu dürfen. Wie ist Ihr erster Eindruck?"
Vollkommen perplex blickte Ginny auf den dunklen Lord, bis ihr einfiel, wen genau sie da ansah und schnell den Blick senkte. Ihr hochrotes Gesicht musste sich ganz furchtbar mit ihren Haaren beißen. Sie antwortete leise: „Nun, ich bin…erstaunt, diese perfekte Nachbildung von Hogwarts zu sehen und keinen…Kerker, oder etwas in dieser Richtung."
Als sie den Blick langsam wieder anhob, sah sie, dass der dunkle Lord ein leichtes Schmunzeln verbergen musste. Oder täuschte sie sich?
„Nun, Ginevra, Blaise erzählte mir, dass Sie etwas haben, das Sie mir geben möchten? Es würde mich einerseits von Ihrer Loyalität mir gegenüber überzeugen, andererseits auch einige wichtige Informationen über den Orden bringen."

„Damit hat er Recht…Sir"
Ginny wusste nicht genau, wie sie den Mann vor sich anreden sollte. Mylord und Gebieter traf nicht auf sie zu, schließlich gehörte sie nicht zu seinen Todessern und außerdem konnte sie den Mann vor sich nicht so anreden. Sir schien ihr da noch die beste Variante zu sein. „Genauer gesagt, es ist eine Erinnerung, an die ich momentan jedoch nicht erinnern kann.. Allerdings kann ich sie auch nicht alleine abrufen, da es zu gefährlich gewesen wäre. Deshalb haben meine Brüder mithilfe von Draco Malfoy einen Zauber gewirkt, der nur durch ein bestimmtes Wort, das in meiner Nähe gesprochen wird, wieder aufgelöst werden kann.
Fred meinte, Sie hätten dieses Wort?" setzte sie beinahe schüchtern hinzu.
„Ich hab einen Brief, über den es hieß, ich solle ihn erst öffnen, sobald ich ein Zeichen bekommen habe. Er liegt oben in meinem Büro." Seine Stimme war kühl, jedoch nicht unfreundlich und auch sein Blick hatte nichts von dieser durchdringenden Starre, von der Harry berichtet hatte.
Seine Augen waren grün, genau wie die von Harry, doch im Gegensatz zu dessen spiegelet sich ihn ihnen kein Anzeichen von Wahnsinn wider. „Dafür müssten wir dorthin gehen. Wäre es in Ordnung mir zu folgen, oder möchten Sie sich zu allererst umziehen?"
Ginny erklärte ihm, dass es für sie in Ordnung wäre, die Aufgabe direkt an zu gehen. Er bedeutete ihr, ihm zu folgen und lief mit großen Schritten die Treppe hinauf, an deren Absatz immer noch Blaise stand und zu ihnen herüberblickte.

„Mylord? Ich… ich denke, ich sollte mitkommen." Der Lord blickte ihn an. „Solltest du das?"
Blaise wurde blass, doch er hielt seinem Blick stand. Dann sah er kurz hinüber zu Ginny. „Ihr Bruder hat mich gewarnt, dass es…nicht einfach für sie werden würde, diese Erinnerungen durchzustehen…ich möchte zur Sicherheit vor Ort sein, um… um mich im Falle des so genannten Falles um sie zu kümmern, Mylord." Ginny starrte Blaise an und bekam es mit der Angst zutun. Was würde sie gleich zu Gesicht bekommen? Es war ihr klar gewesen, dass die Erinnerung, die sie später sehen würde, nicht schön war, doch wenn ihr Bruder schon wollte, dass jemand da war, der ihr half, die ganze Sache zu überstehen, musste es sich um etwas Schlimmes handeln. Denn sie war hart im nehmen, schließlich war sie mit sechs Brüdern aufgewachsen.

„Ebenfalls sind Sie der Mörder von Hepszibah Smith, Dorcas Meadowes und dem Ehepaar Lily und James Potter. Streiten Sie dies ab?" Die Köpfe der im Saal anwesenden Personen ruckten von Tom zu Harry und wieder zurück, wie bei einem Ping- Pong Spiel.
Als Tom dann auch noch die Dreistigkeit besaß, kühl und gelassen zu bleiben und eiskalt mit „nein" zu antworten, ging das Getuschel von vorne los und es dauerte länger, als beim ersten Mal, um die Menge zu beruhigen.

Ginny saß in einem dicken, grünen Ohrensessel, der ihr nach den ganzen Strapazen der Reise, dem Unwetter und der Ungewissheit, aufgenommen zu werden oder nicht, so bequem vorkam, wie sonst noch nie ein Sessel sich angefühlt hatte. Blaise stand direkt hinter ihr und schien sich zu wundern, dass sie dort sitzen durfte, doch er verlor kein Wort darüber.
Der dunkle Lord saß ihr gegenüber hinter seinem Schreibtisch und war sichtlich in den Brief vertieft, den er in seinen schlanken weißen Händen hielt. Dabei runzelte er leicht die Stirn. Eine Stille lag über den Anwesenden, von der Ginny nicht sagen konnte, ob sie angenehm war, oder nicht. Dann blickte er auf.

„Ich kann es nicht verhindern, du wirst die Erinnerung miterleben müssen. Es ist nicht möglich, diese Erinnerung aus deinem Körper zu ziehen und mit einem Denkarium zu besichtigen. Dafür hat Draco gesorgt."
Ginny schluckte schwer, doch sie hatte es sich eigentlich schon gedacht. Dass der dunkle Lord sie duzte, bekam sie nur am Rande mit und beschloss, sich später darüber zu wundern. „Ich werde, sobald die Erinnerung entfesselt ist, in deinen Geist eintauchen. Ich werde gezielt nach dieser Erinnerung suchen und ich werde deine Privatsphäre respektieren." Ginny nickte verstehend und setzte sich noch ein wenig bequemer in den Sessel.
Was sie nicht sehen konnte, war der erstaunte und ungläubige Blick, den Blaise Voldemort zuwarf. Doch er fing sich schnell wieder.
Voldemort seinerseits sprach einen kurzen Zauber und dann das Wort, das Ginnys Erinnerung schneller zurückbrachte, als sie sich darauf vorbereiten konnte, und mit einem Mal stürzten Abfolgen von Bildern auf sie ein.

Blaise sah keine ihrer Erinnerungen, doch an Ginnys geschocktem Gesichtsausdruck und ihrem Körper, dessen Zittern von Minute zu Minute anschwoll und den gequälten Lauten, die sie ausstieß, konnte er erkennen, dass der Inhalt ihrer Gedanken alles andere als ein Zuckerschlecken sein konnte. Der dunkle Lord selbst saß, scheinbar entspannt, auf seinem Stuhl, doch das zucken seiner Augenbrauen und seine verkrampften Finger, die sich ineinander geschlungen hatten, verrieten ihn.
Blaise wünschte sich, sie würden das Ganze abbrechen, Ginny in eines der Zimmer bringen, sie dort in ein Bett legen und sich ausruhen lassen, am besten die ganze nächste Woche über. Doch er wusste, dass diese Informationen viel zu wichtig waren, um ihren Austausch zu verschieben.
Erleichtert atmete er aus, als Ginny und Voldemort scheinbar zurück in die Gegenwart gelangten. Der dunkle Lord warf ihm einen kurzen Blick zu, dann nickte er mit dem Kopf zu Ginny herüber. „Bring sie zu Narcissa, sie soll ihr einen Traumlos-Schlaftrank brauen. Dann bring sie in ihr Zimmer, Nummer 3, und sorge dafür, dass sie den Trank auch wirklich nimmt. Später rufst du Draco und kommst mit ihm hierher zurück."
Blaise nickte ohne ein Wort zu sagen, dann hob er Ginny auf seine Arme. Sie war federleicht. Als er sich im Türrahmen noch einmal umblickte, konnte er Voldemort in seinem Stuhl sitzen sehen, die Augen geschlossen und die langen Finger an die Schläfen gelegt.

„Mein Herr?" Voldemort blickte auf, nachdem es an seiner Tür klopfte und die Stimme von Lucius´ Sohn Draco erklang. Ein kurzer Wink mit dem Zauberstab, und die Tür schwang lautlos auf. Die beiden jungen Zauberer nahmen dies als Einladung, traten ein und stellten sich nebeneinander vor Voldemorts Schreibtisch auf.
„Setzt euch!" bedeutete dieser den beiden und mit einem weiteren Schwung seines Zauberstabes erschienen zwei Sessel, in denen die jungen Männer Platz nahmen.
„Draco, erst zu dir. Du hast ganze Arbeit geleistet. Eine Erinnerung in Miss Weasleys Kopf zu verstecken, ohne dass jemand anderes auf sie aufmerksam wird ist schon schwer genug. Gleichzeitig auch noch dafür zu sorgen, dass sie sich nicht daran erinnert, war riskant, denn es machte die Aufgabe für dich umso schwieriger. Doch ich verstehe deine Beweggründe und da dir kein Fehler unterlaufen ist, bin ich nun bereit, dich ebenfalls als Okklumentik- und Legillimentiklehrer einzustellen. Severus hat dir alles beigebracht, was du dafür benötigst, und du wirst nun zusammen mit ihm die neuen Rekruten ausbilden."

„Blaise. Miss Weasley gebe ich in deine Obhut. Sie wird die nächsten Tage vermutlich nicht besonders gut schlafen, also verabreicht ihr allabendlich einen Schlaftrank, jedoch nicht zu oft, sonst werden später Entzugserscheinungen auftreten, und dann geht es ihr noch sehr viel schlechter. Tagsüber wirst du sie sooft es geht ablenken. Trainiere mit ihr, zeig ihr das Schloss, mach, was dir einfällst, aber… lass sie unter keinen Umständen lange über das Nachdenken, was sie gesehen hat!"
„Worum geht es in dieser Erinnerung?" Neugierig lehnte Blaise sich noch ein Stückchen nach vorne. Ein ungutes Gefühl sagte ihm zwar, dass er das gar nicht wissen wolle, doch er musste es. Sonst wusste er nicht, worauf er im Umgang mit Ginny zu achten hatte.
Draco jedoch zog ihn am Hemdärmel zurück. Er kannte die Bilder, denen Ginny nun ein zweites Mal ausgesetzt gewesen war, schließlich hatte er dafür gesorgt, dass sie sie vergaß.

„Miss Weasley besitzt zwei Arten von Erinnerungen, die für uns von Wichtigkeit sind", begann Voldemort bedächtig und stützte sein Gesicht auf seine aneinander liegenden Fingerspitzen.
„Die erste Erinnerung zeigt uns Pläne, die genauestens Beschreiben, an welchen Stellen der Orden unsere Verstecke vermutet, und wo er uns anzugreifen gedenkt. Welche Mitglieder in welchen Gruppen zu welchen Orten reisen, und noch einiges mehr." Er überlegte einen Moment, dann tippte er mit seinem Zauberstab auf einen Stapel unbeschriebenen Pergamentes. Auf der Fläche erschienen Buchstaben, Zahlen, Kombinationen und einige Grafiken und Tabellen. Diese drückte er Draco in die Hand. „Bring dies zu deinem Vater. Er soll Kopien davon erstellen und diese dem inneren Zirkel geben. Beim nächsten Treffen soll entschieden werden, wie wir handeln!"
Der junge Mann nickte und verließ den Raum. Doch Voldemort rief ihn noch einmal zurück. „Dein Vater soll auch eine Kopie für dich erstellen. Für dich und für Blaise! Ihr seid hiermit mit sofortiger Wirkung in den inneren Zirkel aufgenommen." Draco warf Blaise einen kurzen Blick zu, der Erstaunen aber auch Freude ausdrückte, verbeugte sich kurz und machte sich dann auf den Weg, seinen Vater zu suchen.

Als er sicher war, dass er Blaises vollkommene Aufmerksamkeit hatte, sprach Voldemort weiter. „Die zweite Erinnerung zeigte mir, was ich schon seit langem vermutet habe und nun für meine eigenen Zwecke nutzen kann."
Er seufzte kurz, als würde er es bedauern.
„Miss Weasley ist offenbar mehr als einmal gefoltert worden. Ebenso viele andere aus dem Orden. Dumbledore persönlich übernahm viele solcher Schichten. Potter jedoch hat sie vergewaltigt und zwar auf eine Weise, die ich nicht näher erläutern möchte.
Deshalb musst du dich die nächsten Tage und Wochen um sie kümmern."

„Wie in Ihrer Schulzeit versuchten Sie auch vor einigen Jahren wieder, die Kammer des Schreckens zu öffnen. Dies gelang Ihnen im Jahre 1992/93, in denen Sie durch ein Tagebuch Kontakt zu der jungen Schülerin Ginny Weasley aufnahmen, durch sie den Basilisken steuerten und versuchten, Muggelgeborene aus Hogwarts zu ermorden. Als Ihnen dies nicht gelang, entführten Sie das Mädchen in die Kammer und übten ebenfalls einen versuchten Mord an ihr aus. Bestreiten Sie dies?"

Mit einem Mal lagen erneut alle Blicke im Saal auf Ginny, die jedoch nur geduldig hinunter auf den Angeklagten blickte und offenbar auf eine Antwort wartete, die auch sofort in einem teilnahmslosen „Nein" ertönte. Die Richter schienen mit diesen kurzen und bündigen Antworten zufrieden zu sein, offenbar wollten sie die Verhandlung auf die schnellstmögliche Weise hinter sich bringen. Doch eine Stimme aus dem Zuschauerraum hinderte sie daran.
„Bereust du es?"
Schlagartig herrschte Totenstille im Saal.
Ginny brauchte nicht einmal den Kopf zu heben, um zu erkennen, wer die Frage gestellt hatte. Sie würde Harrys Stimme unter hundert anderen wieder erkennen. Nicht, dass sie es freute. Aber der Klang hatte sich in ihrem Kopf niedergelassen und würde nicht mehr von dort verschwinden. Nie.
„Bereust du es?" fragte Harry erneut, härter dieses Mal. Er würde keine Antwort bekommen, dessen war Ginny sich zu hundert Prozent sicher.
Tom seinerseits starrte weiterhin gelangweilt auf seine Finger, schien Harry nicht einmal wahrzunehmen. Doch als Harry ein drittes Mal ansetzte, ihm die Frage zu stellen, ruckte sein Kopf nach oben und kalt starrte er den Wunderjungen an.

„Und du? Bereust du es?" zischte er und Ginny meinte, einen roten Schimmer durch die durch denk Trank grün gefärbten Augen schimmern zu sehen.
„Bereust du es?"
Ginny wusste, dass Tom nicht auf ihr erstes Jahr in Hogwarts anspielte. Und Harry wusste es ebenso. Auf einen Wink von Dumbledore lehnte der Goldjunge sich wieder in seinen Sitz und musterte den dunklen Lord nur hasserfüllt aus einer erhöhten Position aus. Es ärgerte ihn, keine Antwort bekommen zu haben. Dabei wollte er Tom demütigen, doch das würde er nicht schaffen. Niemand würde eine Antwort auf diese Frage wissen. Niemand, außer Tom selbst.

Und Ginny.