„Wie kann ich dir helfen, Michael?" Sie blickte mich an, zugleich auffordernd und ein wenig verwirrt. Die AK-47 lag überdimensional in ihren schmalen Händen. Ich lächelte und klopfte mit der flachen Hand auf die weiche Decke des Hotelbetts. Eine vielsagende Geste, die mein Gegenüber buchstäblich entwaffnete. Fiona legte das Gewehr langsam zurück in ihre Tasche.
„Du kannst mir Gesellschaft leisten", sagte ich leise. „Wie gesagt, er wird mich anrufen – Morgen früh." Während ich sprach, erhob ich mich und ging auf sie zu, bis ich direkt vor ihr stand. Sie erwiderte nichts, sondern bohrte nur ihren Blick in mich. Ihre Augen sprühten, und ich sah die Glut eines zu lange unterdrückten Feuers. Ihre Haut war ebenso heiß, als ich meine Fingerspitzen auf ihre Schulter legte und den lächerlich dünnen Träger ihres Kleides mit einem kurzen Zug löste. Lautlos glitt das Kleid an ihrem dünnen Körper herunter. Wieder einmal wunderte ich mich, wie soviel Kraft in einem so schmalen Menschen Platz finden konnte. Doch dann hörte ich auf zu denken, legte meinen Arm um sie und zog sie an mich. Sie ließ sich an mich fallen, und als ihre Lippen beinahe brutal Besitz von meinem Mund ergriffen, spürte ich die Hitze ihres Körpers durch mein Hemd auf meiner Haut.
Es begann einige Wochen später. Wir hatten gerade Kriegsrat gehalten, wie wir Manny, einem kleinen Betrüger aus Arkansas, aus den Klauen eines großen Betrügers aus Miami helfen konnten. Sam war bereits unterwegs,um ein paar Steuerformulare zu besorgen. Fiona wollte unseren Ehrengast Philippe aus dem Lager des großen Betrügers in seinem Verlies besuchen und schulterte die Tasche mit dem, nun ja, passenden „Werkzeug", um ihm ein paar Informationen zu entlocken. Auf dem Weg zur Tür drehte sie sich plötzlich um und kam ein paar Schritte auf mich zu. Sie nahm mir den Löffel aus der Hand und aß von meinem Joghurt. Dazu schenkte sie mir einen dieser Blicke, die für Momente der Zweisamkeit zwischen uns vorbehalten waren. Dann drehte sie sich um und ging. Ich rief ihr noch zu: „Sei nicht zu brutal, okay?" und erhielt zur Antwort ein spöttisches Grinsen, bevor sie durch die Tür verschwand. Ich hörte ihre Schritte auf der Außentreppe, Tap Tap auf dem Metall. Dann polterte etwas. „Michael!" Ihr Tonfall schreckte mich auf, ihre Stimme klang dünn und zitternd. Ich rannte zur Tür. Fiona stand auf halber Höhe der Treppe und hielt sich am Geländer fest. Die Werkzeugtasche war zu Boden gefallen. „Fi!" Mit einem Satz war ich bei ihr. Sie starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ihr Gesicht war weißer, als ich es im tiefsten nordirischen Winter je erlebt hatte. Einen Moment lang wechselte ihr Gesichtsausdruck von erschrocken zu verblüfft. Dann sank sie ohne einen Mucks in sich zusammen.
Ich besaß gerade noch genug Geistesgegenwart, um sie aufzufangen. Als ich sie hochhob, baumelten ihre Arme kraftlos herab und ihr Kopf sank an meine Schulter. Ich trug sie ins Loft und legte ihren viel zu leichten Körper auf das Bett.
Ein leichter Schlag gegen meine Wange holte mich jäh aus einem verwirrenden Traum. Ich war todmüde und schwor demjenigen, der es wagte, mich zu wecken, grausame Rache. Doch als ich mühsam und widerwillig meine Augen öffnete, schwebte dicht über mir das Gesicht von Michael. Seine Hand lag an meiner Wange und er sah merkwürdig besorgt aus. Nach und nach begriff ich die Lage. „Alles in Ordnung, Fi?" Michaels Hand glitt von meinem Gesicht zu meiner Schulter und von da zu meiner Hand. Meine Finger fühlten sich kalt an. „Jaja, mir geht's gut."
Die Müdigkeit war mit einem Mal verschwunden und ich setzte mich auf. Er hielt mich fest. „Bist du sicher?" „Ach Gott, Michael, natürlich. Ich hab nur zu wenig getrunken, das ist alles." Ich machte mich los, stand auf und ging mit etwas wackligen Beinen zum Kühlschrank. Ich hatte Hunger. Wir hatten Joghurt, ein paar Zündkerzen und Grapefruitsaft. Von dem Geruch des Kühlschranks wurde mir schlecht und ich drehte mich zu Michael um. Er sah mich noch immer merkwürdig an. „Fi...", er zögerte. „Du isst zu wenig." Toll, natürlich, Doktor Westen stellte mir eine Diagnose. Jetzt wurde ich wütend. „Ach ja?", begann ich. „Natürlich esse ich wenig. Ich stehe immer unter Stress, weil ich befürchten muss, dass du den Tag nicht überlebst. Du könntest jederzeit einfach weg sein, ohne dass ich weiß, wie du zu mir stehst!" All mein Frust über unsere ungeklärten Verhältnisse entlud sich in dieser Sekunde, so unpassend das sein mochte.
„Du verfolgst immer nur deinen Plan von deiner Wiedereinstellung, ohne Rücksicht auf uns! Alles stellst du dahinter zurück. Hast du dir vielleicht einmal überlegt, ob du wirklich zurückwillst in einen Job, wo du dein Leben riskierst für gesichtslose Auftraggeber, für die dein Leben keinen Cent wert ist und die dich einfach fallen lassen, wenn es ihnen gefällt? Du bist hier gelandet, Michael. Bei mir. Du warst halb tot, und die hätten dich auch ganz verrecken lassen. Damals war es dir vielleicht recht, aber jetzt? Es würde Menschen geben, die dich vermissen. Die dich brauchen! Hast du dir überlegt, was du mir bedeutest?"
Ich hätte noch weitermachen können, doch Michael unterbrach mich, indem er seinen Finger sanft auf meine Lippen legte. Er stand direkt vor mir, doch ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Wie immer, wenn ich mir nur vorstellte, ihn zu verlieren, schlug mein Herz gegen den Kloß in meinem Hals und trieb mir Tränen in die Augen. „Fiona. Du weißt, ich würde alles tun...für dich." Er verstummte, und seine Finger glitten über meine Wangen. Mein Blick klärte sich, und ich sah ihm in die Augen. Obwohl ich mich dagegen wehrte, breiteten sich wohlige Wärme und Verlangen tief in mir aus. Meine Augen fixierten seine Lippen, und als seine Hände zärtlich an mir hinabglitten, unterdrückte ich ein Seufzen. Er legte seine Lippen auf die Meinen, für einen Augenblick nur, um dann meinen Hals zu liebkosen. In jeder anderen Situation hätte ich ihm das Hemd heruntergerissen und ihn an mich gezogen, doch jetzt konnte ich das nicht. Ich schob ihn von mir weg.
„Nein, Michael. Nicht so." Ich hielt ihn auf einer Armlänge Abstand. „Ich hab einen Job zu erledigen." Dann drehte ich mich um und ließ ihn im Loft allein.
