Es war einmal …
So beginnen wohl viele Geschichten, genau wie auch diese … Es war einmal ein kleiner Oneshot, geboren aus der Folge 4x07 Yellow Fever und in einem Stück. Zuerst ganz alleine und nun geteilt in die ersten zwei Kapitel, denn wie das Leben manchmal so spielt, geht die Geschichte plötzlich weiter, ein kleiner Bruder kommt unerwartet dazu, der so viel größer wird als gedacht, die Räder drehen sich und Dinge passieren, die so gar nicht geplant waren …
Diese Story ist meine erste komplette Geschichte über beide Brüder und ihr Schicksal. Nach der Episode ließen mich einige Gedanken dazu einfach nicht mehr los und wie nun das Leben so spielt, bemerkte ich, dass zu Supernatural ja immer zwei gehören und vor allem, dass mich selber brennend interessierte, wie es wohl weiterging … Als ich damals anfing zu schreiben, war ich noch ein kompletter Frischling, daher werdet ihr hier und da bestimmt noch ein paar Stolperstellen finden, aber die überlasse ich euch sehr gerne – gins-
Ein großes Dankeschön geht an Mia, sie hat mir den Weg gezeigt in diese wunderbare Welt der Wörter und Fantasie. Auf ihren besonderen Wunsch hin, wurde aus einem kurzen Einblick immerhin eine Geschichte mit über zwanzig Kapiteln.
Wie gesagt, Teil eins und zwei gehören eigentlich zusammen und stellen Dean die Frage: Wie weit man Stress ertragen und wie lange dem dämonischen Fieber widerstehen kann?
GENERELLE WARNUNG: Einige Kapitel sind nichts für schwache Nerven oder zu junge Leser, deswegen zur Sicherheit nochmals vorab als zusätzlicher Hinweis: Die Story enthält teilweise an einigen Stellen deutlich blutige und gewaltlastige Szenen, sowie Folter und eben ab und an die typische Art der Winchesters zu fluchen.
~s~
Disclaimer: Alle Rechte an jeglichen Personen, oder der Serie Supernatural im Allgemeinen, gehören Mr. Kripke - ich borge sie mir hier nur für einen Ausflug aus, habe aber ehrlich versucht, sie wieder unbeschadet zurückzugeben. Ich werde und will hiermit nichts verdienen, der Spaß am Schreiben reichte völlig.
~sss~
Die Hölle in dir
Teil 1
Angst.
Unglaubliche Hilflosigkeit …
Einsamkeit.
So viele Dinge, die ihn einfach zu erdrücken drohten.
Dinge, die er sonst erdrückte … unterdrückte und verdrängte.
Wie war das normalerweise überhaupt auszuhalten?
Babum … Babum …
Der stetig pulsierende Rhythmus in seiner Brust zeigte ihm, dass er noch am Leben war, dass noch eine kleine Chance existierte, aus diesem Mist hier herauszukommen.
Ruhig atmen! Ein und aus … ein und aus …
Beruhigen, er musste sich dringend beruhigen.
Aber die Zeit rannte, sie rannte ihm so verdammt schnell davon und was zum Geier machte Sam so lange?
Wo war er? Warum ließ er ihn alleine – so unglaublich alleine?
‚Sammy?'
Die langsam aufsteigende Panik nahm zu. Sie legte ihre eisernen Klauen um seinen Oberkörper, sie drückten zu und raubten ihm den Atem, ließen ihn keuchen und schnaufen wie eine alte Dampflok.
Und dann war da noch dieses elendige Jucken.
‚Nicht kratzen!', schoss ihm Sams Stimme durch den Kopf.
Pff, das war so leicht gesagt …
Beständig drehte Dean seine Runden durch den Raum, der ihn mit den roten Wänden schier in den Wahnsinn treiben wollte. Er fühlte sich gefangen, wie ein Tier in einem zu kleinen Käfig.
Täuschte er sich oder wurde das Zimmer immer kleiner?
Rot – überall nur rot.
Rot wie Blut.
Ein zweifelnder Blick von der Wand hinunter auf seine Hände.
Dunkles Rot - die gleiche Farbe, die er jetzt unter seinen Fingernägeln hatte und ihnen ein schauriges Aussehen gab … wie in einem Horrorfilm, in dem er als Irrer mordend durch die Nachbarschaft zog.
Mit einem schwachen Grinsen versuchte sich Dean einige seiner Lieblingsfilme in Gedanken zu rufen – völlig ergebnislos, denn seine Augen wollten sich nicht von dem blutigen Anblick lösen, den er selber im Moment bot.
Das Bild kam ihm bekannt vor, aber warum? Woher … was sollte er nur tun?
Wo war Sam?
Immer und immer wieder kratzte sich Dean gedankenverloren über die Haut seiner Unterarme, um dieses scheußliche Jucken zu vertreiben.
Verdammt, es fühlte sich an, als wenn sich dort hunderte von klitzekleinen Tierchen direkt unter der Haut winden würden.
Oh Gott, wie er dieses verfluchte Krabbelzeug hasste, alles, was mehr als zwei Beine hatte, war ihm suspekt - na ja, vier waren manchmal auch ganz okay – aber selten, sehr selten …
Oder noch schlimmer: Lebewesen, die gar keine Beine besaßen … Zeug, das nur kriechen konnte.
Ein deutliches Schaudern durchlief seinen Körper und ließ ihn die Schultern schützend nach oben ziehen. Alleine bei der Vorstellung an all dieses Getier huschte sein Blick wild in jede Ecke und jeden Winkel des Raumes, um nach möglichem Ungeziefer Ausschau zu halten, das sich im nächsten Moment auf ihn stürzen könnte.
Den Drang, sich zu kratzen, half das auch nicht gerade zu unterdrücken – Mist, Mist, Mist.
Babum - Babum – Babum - …
Wann hatte er angefangen zu zittern? Schweiß stand ihm auf der Stirn und die aufkeimende, innere Unruhe nahm mit erschreckender Schnelligkeit zu.
Atmen - ein und aus …
Babum …
Ein und aus …
Plötzlich wollte er nur noch eines: Sich setzen, der Wunsch dazu war plötzlich übermächtig, da seine Beine ihm deutlich das Signal gaben, nicht mehr die Zuverlässigsten zu sein und in sehr naher Zukunft in Streik treten würden.
Die erstbeste Sitzgelegenheit ausnutzend, ließ er sich auf das Fußende des Bettes fallen, das ihm am nächsten stand, nur um feststellen zu müssen, dass er jetzt einen wunderbaren Ausblick auf den toten Sheriff hatte, der seit Kurzem einen Tango mit der Ewigkeit tanzte.
‚Na toll, fantastisch!'
Wie überaus hilfreich sich zu beruhigen - so richtig wirksam.
Babum - Babum - Babum.
Dieses Krabbeln - hörte das denn nie auf?
Beständig war nun das schabende Geräusch seiner Fingernägel zu hören. Selbst der Schmerz und das Brennen der mittlerweile völlig zerschundenen Haut waren angenehmer, als dieses ewige Jucken.
Was machte Sam nur so lange?
Ein schneller Blick auf seine Armbanduhr sagte Dean exakt dasselbe, wie noch vor einer Minute - die Zeit war fast um.
Aber warum zum Teufel mussten diese Dinger immer so laut ticken?
‚Verdammt!'
Warum nur waren es immer Uhren, die er kurz vor seinem Ende so laut hören musste, die ihm sagten, dass seine eigene schon wieder abgelaufen war.
Das Ende … Hölle.
Babum - Babum - Babum - Babum!
‚Nein, nicht schon wieder! Sam, wo bist du? Bitte!'
„Du gehst zurück!"
‚Sam?'
Gelächter.
'Das ist alles nicht real, das ist alles nicht real … das ist alles nicht real …'
Panik breitete sich aus, Angst strömte ihm aus jeder Pore seines Körpers und vermischte sich mit dem Schweiß, der auf seiner Haut lag und ihm trotz seiner inneren, fiebrigen Hitze einen eiskalten Schauer bescherte, der ihm langsam den Rücken und die Arme hochkroch.
‚Es ist nicht real …'
Immer wieder erklangen diese Worte monoton in seinem Inneren, ein leiser Singsang, der ihn davor bewahrte, völlig durchzudrehen.
Babum - babum - babum - ...
‚Beruhige dich, komm runter Junge, alles ist okay … Komm RUNTER!'
Aber wie sollte er das, da war dieser alles erdrückende Berg aus purer Angst …
Angst – vor dem Tod, der Hölle …vor Sam.
Babum - Babum - Babum!
Angst davor, dass er es wirklich so meinen könnte, dass er ihn nicht hier haben wollte.
„Du gehst zurück und es wird verdammt noch mal auch Zeit!"
Nein!
‚Sammy, bitte!'
Babum - Babum – Babum!
Angst vor dem, was sein Bruder ihm antun könnte.
Babum - Babum - Babum – Babum!
Weil er es wollte, weil Sam böse werden wollte.
Die Furcht vor gelben Augen, dem loderndernden Hass und der Verachtung in ihnen, verwandelte Dean in ein zitterndes Häufchen Elend, das sich suchend nach einer Waffe zur Verteidigung seines Lebens umsah.
Weil er sich sicher war, dass sich in stehender Position auf zwei Beinen zu halten, gerade überhaupt keine Option war, glitt sein Blick über die Dinge ganz in seiner Nähe; Gegenstände, die ihm Schutz geben konnten, die ihm helfen konnten, ihn stärker und sicherer zu machen.
Nichts. Da war nichts und frustriert ließ er den Kopf hängen. Es war aussichtslos …
Die Augen mutlos auf den Boden gerichtet, sah er die abgenutzte, schwarze Bibel vom Nachttisch, halb versteckt unter dem Bett liegen.
Babum - Babum – Babum - …
Schutz.
Der Einzige in dieser beschissenen, ausweglosen Situation.
Wenn und wirklich nur WENN es einen Gott gab, dann war er der Einzige, der ihn davor bewahren konnte, aufs Neue alles zu verlieren - angefangen mit seinem armseligen Leben, welches für ihn kürzlich einen ganz neuen Stellenwert bekommen hatte.
Ein rettender Anker, um seine Seele vor den Dämonen der Hölle zu bewahren.
Babum … Babum … Babum … Babum …
Sicherheit.
Babum … babum …
„Hi Dean!"
Lilith.
Und da war sie wieder: Die grenzenlose Panik, diesmal gemischt mit nacktem Entsetzen - ein höllischer Cocktail, der da nun durch seine Adern rauschte und alle Sinne auf Flucht ausrichtete. Die Gewissheit, neben dem puren Bösen zu sitzen, schaltete alles in seinem Körper auf simplen Überlebensinstinkt.
Dunkle Fragmente und schemenhafte Erinnerungen, die ihm die Sicherheit gaben, sehr genau zu wissen, dass hier Gefahr für Leib und Leben bestand.
Babum - Babum - Babum – Babum – Babum!
Konnte das sein?
Nein, das durfte nicht sein! Nicht jetzt, nicht hier!
Er wollte nicht zurück – nie mehr … er wollte sich nicht erinnern – NEIN!
Niemals!
‚Geh weg! Verschwinde! Das ist nicht real, das ist nicht real …das ist … nicht … real!'
Babum - Babum - Babum - Babum – Babum!
Aber warum fühlte es sich, verdammt noch mal, so an?
Warum sah er dieses kleine, so unschuldig wirkende Mädchen in ihrem rosa Kleid so deutlich vor sich?
Warum konnte er dann, wie damals schon, als verwirrenden Kontrast dazu, diese erschreckend dunkle Präsenz in ihr spüren?
Furcht schnürte ihm die Kehle zu, blanker Horror und totale Verzweiflung übernahmen die Oberhand, löschten alles andere, jegliches rationales Denken aus und machten ihn zu einem bibbernden kleinen Jungen.
Er wollte sich verkriechen, sich verstecken, davonlaufen … weit weg; wollte zu Sam, wollte ihn wiedersehen, in der Gewissheit, dass alles gut werden würde.
Gott, er konnte Sam nicht schon wieder zurücklassen, nicht so, nicht jetzt - was würde aus ihm werden, wer würde ihn aufhalten, wer würde ihn bewahren vor dem gelben Abgrund in sich selber?
Dean wollte da sein, er wollte der stützende Balken sein, der Sammy im Gleichgewicht hielt und vor dem Zusammenbruch bewahrte - er war doch sein kleiner Bruder!
„Jetzt ist es an der Zeit zurückzugehen."
‚NEIN, ich gehe nicht wieder zurück – NIEMALS! Das ist nicht real … Ich gehe nicht zurück in diese … Hölle - das kann ich nicht, das halte ich nicht wieder aus!'
Babum - Babum - Babum - Babum - Babum!
‚BITTE!'
„Erinnerst du dich nicht an den Spaß, den du dort unten hattest?"
‚Nein, keine Erinnerungen – ich weiß gar nichts, halt den verdammten Mund, es ist nicht wahr!'
„Oh doch, das tust du, vier Monate sind wie vierzig lange Jahre in der Hölle … und du erinnerst dich an jede einzelne Sekunde."
‚Es waren nur vier Monate, vier … nicht … ich weiß es nicht mehr, ich will es nicht mehr wissen!'
Babum. Babum. Babum. Babum. Babum.
‚Das ist nicht real …'
Blinde, hemmungslose Furcht durchfuhr ihn und bündelte sich schließlich in seiner Brust zusammen, zu einem Ball aus brennendem Feuer, der sich um sein wild pochendes Herz legte, jedes bisschen pulsierenden Lebens zur puren Qual werden ließ und ihn schließlich in die Knie zwang.
„Du wirst sterben … du wirst brennen!"
‚Halt den Mund! DAS … IST … NICHT … REAL!'
Babum. Babum. Babum. Babum. Babum. Babum!
Ein letzter verzweifelter Versuch, sein Herz daran zu hindern, aus seiner Brust zu springen, es mit seinen bloßen Händen an Ort und Stelle zu halten, es zu beruhigen.
‚Warum ich? Warum geschieht das mit mir?'
„Du weißt warum, Dean!"
Ungläubige Gewissheit keimte tief in ihm auf.
‚Ich will nicht sterben, nicht wieder brennen!'
Schmerz, dieser unglaubliche Druck, der ihm die Luft zum Atmen nahm, es nicht zuließ, den rettenden Sauerstoff in seine Lungen zu bekommen … dieser rasende Rhythmus aus purer Hysterie.
„Höre auf dein Herz!"
Babum. Babum. Babum. Babum. Babum.
Ein Blick in Augen, weiße Augen, die alles wussten, die ihn kannten … die ihn willkommen hießen.
Babum. Babum. Babum. Babum. Babum. Babum. Babum. Babum!
Es war das letzte Bild, das er sah und welches sich tief auf seinen Netzhäuten einbrannte.
Eisiges Weiß …aus tödlich kalten Kinderaugen.
Dann: Totaler Stillstand.
Endgültige Ruhe …
Exakt für den Bruchteil einer Sekunde.
Bis plötzlich und unerwartet der freie Fall kam, ein unglaubliches Gefühl der Schwerelosigkeit, dass widerliche Empfinden der Höhe und des fehlenden Bodens unter den Füßen.
Wie er das hasste! Wie er die Höhe verabscheute, das Fliegen, die Unmöglichkeit, selbst etwas tun zu können … völlig ausgeliefert zu sein … Sein Puls raste, seine Hände griffen wild ins Leere, suchten vergeblich nach einem Halt, einem Fixpunkt, doch alles, was er zu fassen bekam, war Luft - ein unendliches Nichts.
Der Fall dauerte eine gefühlte Ewigkeit, genau wie seine panischen Schreie und vergeblichen Versuche, sich zu beruhigen, bis er schließlich spürte, wie er stetig langsamer wurde.
Doch die kurze Freude darüber verblasste in dem Schrecken, den die Erkenntnis brachte, dass es nun nicht mehr die reine Schwerelosigkeit war, die er fühlen konnte. Es war der ihm sehr bekannte, reißende Zug der rostigen Ketten und Haken, der mit jeder weiteren, unendlichen Sekunde seines Sturzes wiederkehrte und stärker wurde.
Ein plötzlicher Ruck ging durch seinen Körper, als sein Fall endgültig und abrupt gebremst wurde und Dean konnte das volle Strecken seines Körpers durch die metallischen Fesseln spüren, die mit einer enormer Kraft und unglaublicher Gewalt auf seine Gelenke einwirkten. Lautes Krachen und Knirschen zeigte alarmierend deutlich, dass sie ihre Grenze der Belastbarkeit schon fast überschritten hatten.
Dieses schreckliche, schmerzvolle Ziehen, als die Ketten den restlichen Schwung seines Falls voll abfingen und in der grausamen Endlosigkeit der Hölle laut rasselten und klirrten, verursachte ihm brennende Übelkeit.
Wieder zurück – schoss es ihm immer und immer wieder durch seinen Kopf.
Zurück …
Und dieses Mal gab es kein Entkommen.
...
~ sss ~
Wie es weiter geht mit Dean? In Teil zwei gibt es einen kleinen Reisebericht seines höllischen Kurzurlaubes ...
