Es war ein eisig kalter Abend und ich hörte den Wind an meinem Hause heulen, als wolle er herein. Das dichte Schneetreiben draußen hielt seit mehreren Stunden an, während ich vor dem Kamin saß, mich mit einer Decke wärmte und gedankenverloren in das flackernde Feuer starrte. Obwohl ich angestrengt versuchte meine Gedanken auf St. John, Diana und Mary zu lenken, spiegelte das Feuer meine immer wiederkehrenden Gedanken wider. Ich beobachtete niedergeschlagen, wie sich dort immer und immer wieder ein Gesicht bildete. Edward. Die Flammen im Kamin zeigten mir seinen flehenden Blick und seinen Mund, der unaufhörlich meinen Namen formte: „Jane, komm zurück. Jane, komm zu mir zurück."
Ich fühlte wie sich Tränen in meinen Augen sammelten und Edward's Flammengesicht verblasste. Oh, wie sehr ich zu ihm wollte. Doch versagte ich es mir, da ich meinen Stolz bewahren musste. Er hatte eine Frau. Er hatte gesagt, dass er mich liebe, aber er könnte mir niemals treu sein. Er hatte eine Frau. Ein Schluchzen erschütterte meinen Körper und es sollten noch weitere folgen. So überhörte ich beinahe das laute Hämmern.
Erstaunt schaute ich zur Tür. Hatte womöglich eine arme Menschenseele sich in dem Sturm verirrt und sucht Zuflucht? Erneut ertönte ein donnerndes Hämmern, diesmal dringlicher. Ich stand hastig auf, wischte meine Tränen fort und eilte zur Tür. Ich öffnete einen kleinen Spalt und spähte hinaus. Eine große männliche Gestalt stand draußen mit dem Rücken zu mir gedreht. Vermutlich dachte dieser Herr schon, dass niemand mehr öffnen würde. „Sir?", fragte ich und bekam ein erleichtertes Seufzen als Antwort. Langsam drehte er sich zu mir, sodass ich sein Gesicht sehen konnte. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. „Jane." Eine herrlich vertraute Stimme drang an mein Ohr. War das ein Traum?
Es musste ein Traum sein, wenn ER, wie aus dem Nichts, plötzlich vor meiner Tür steht. Edward Fairfax Rochester. Seine Augen waren rot, als hätte er seit Tagen geweint und auch jetzt liefen Tränen über seine Wangen. Wie auch über meine. Aber es waren keine Tränen der Trauer, sondern der Erleichterung und der Freude. Ohne lange nachzudenken zog ich ihn durch die Tür und wir versanken in einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Als wir, völlig außer Atem, unsere Lippen wieder trennten, fragte ich: „Ist das eine Traum?" Die Frage war mehr an mich selbst gestellt, als an ihn. Dennoch bekam ich eine Antwort: „Nein. Oder fühlt sich das wie ein Traum an?" Edward zog mich an der Taille wieder zu sich heran und wir gaben uns all die Liebe, die wir fast für verloren glaubten.
Nein, das war kein Traum.
