Prolog
Kälte hatte ihre Sinne ergriffen, hüllte sie ein, quälte sie aber nicht. Im Gegenteil. Diese Kälte heilte ihre Wunden, ihrem zersplitterten Geist. Davynn lief mit bloßen Füßen durch die langen Flure des Schlosses, welches nur aus Eis zu bestehen schien. Sie trug ein langes Kleid, dessen Saum über das blau schimmernde Eis schleifte und die Ärmel waren so weit geschnitten, dass sie ebenfalls bis auf den Boden reichten. Der Rücken des Kleides war jedoch tief geschnitten, dass der Ausschnitt bis zu ihren Hüften hinabreichte. Diese Blöße jedoch, wurde von den langen dunkelroten Haaren verschleiert, welche in weichen, schimmernden Locken über ihren Rücken fielen und nicht mit einem Band oder etwas Ähnlichem zusammengehalten wurden.
Mit den Fingerspitzen strich sie über die Wände aus purem Eis. Und auch wenn es hier bitterkalt war, sie nur ein einfaches Sommerkleid trug, so fror sie nicht eine Sekunde lang. Der hellgrüne Blick ihrer mandelförmigen Augen glitt über den düsteren Gang.
Ich kenne diesen Ort ... nur woher?
Kurz schloss die Fee die Augen, blieb stehen und hielt inne, lauschte auf die Geräusche um sich herum, doch war hier nichts als absolute Stille, die ihren überempfindlichen Sinnen gut tat. Davynn wusste, dass die Perfektion dieses Ortes nicht über die Einsamkeit und die Geschehnisse der Vergangenheit triumphieren konnte. Sie wusste was passiert war, kannte die Geschichte besser als so manch anderer. Ihr Herzschlag beschleunigte sich etwas und da spürte sie das zaghafte, fragende Rufen. Ihre Augen flogen auf und sie eilte so schnell sie konnte zu der Quelle, zu dem Ort, von wo aus Hilfe erwartet wurde. Ihr Herz hämmerte laut dröhnend gegen ihre Rippen, sie konnte das Blut in ihren rauschen hören und auch wenn ihre Lungen bereits brannten, von der ungewohnten Anstrengung, so bremste sie ihr Tempo nicht, wurde eher noch schneller.
Es dauerte nicht allzu lange, dann stand sie vor einer großen Tür, welche sich in der nächsten Sekunde auch schon ohne das geringste Geräusch öffnete und ihr somit der Einlass in den ehemaligen Thronsaal des Eisschlosses gewährt wurde. Davynn zögerte nur eine winzige Sekunde lang, dann schritt sie in den Saal. Tiefe Dunkelheit hatte sich über den einst so prachtvollen Saal gelegt und überall waren Spiegel aufgestellt. Ein Schaudern überlief sie, klammerte sich um ihr Herz und eine unbeschreibbare Angst erfasste ihr Herz. Trotzdem lief sie weiter in den Saal hinein, schritt elegant an den unzähligen Spiegeln vorbei. Das Gefühl beobachtet zu werden, war sehr stark, aber noch konnte die junge Fee des Sommerreiches nicht sagen woher dieses Gefühl kam.
DAVYNN, TOCHTER DES SOMMERS. ENDLICH BIST DU HIER.
Ihre Nackenhaare stellten sich auf und sie drehte sich mit großen Augen um. Am Eingang stand eine hohe Gestalt, welche aus purem Spiegelglas zu bestehen schien. Die Lippen teilten sich und kalte, silberne Spiegelscherben blitzten sie emotionslos an.
JETZT WIRST DU LERNEN WAS SCHMERZ IST!, rief ihr die Spiegelfee entgegen und die vielen Spiegel zerbarsten.
