Der Feind in mir" ist in das Genre "Abendteuer/Romantik/Magie" einzuordnen.
Worum geht's? Hauptperson ist Gena Ransberg, 23, Studentin. Nach einem Verkehrsunfall verläuft ihr Leben in ziemlich ungeordneten Bahnen. Was wohl an der Horde Orks liegt, die ihr hinterherjagt. Wieso? Das wüsste sie selbst nur zu gern. Und das ist nicht das einzige Verwirrende: eine dunkelverhüllte Gestalt taucht immer häufiger in ihren Träumen auf. Wer ist der Fremde, und warum verspürt sie diese seltsame Anziehungskraft in seiner Nähe? Was befindet sich am Ende der magischen Tunnel, durch welche sich die Monster Zutritt in unsere Welt verschaffen? Und: Was hat sie mit dem ganzen zu tun!?
Kapitel
Ein Wiedersehen
V o r w o r t:
Also, das alles hier setzt ein bisschen mehr auf Vorgeschichte, also
nicht: ("Plötzlich stand mir Legolas gegenüber- warum? Ist ja nicht
wichtig") und Entwicklung ("und ich verliebte mich unsterblich in ihn,
kaum dass ich ihn sah")- das heißt aber nicht, dass sie besonders
realistisch ist....(möchte mich hiermit gleich im Vorhinein für kleine
Fehler in der Logik der Geschichte entschuldigen ()
Gena klopfte sich den Staub aus den Kleidern und sah zufrieden zu dem sich windenden Mann am schmutzigen Kunstboden hinab. "So. Ich hoffe, du wirst in Zukunft deine dreckigen Finger bei dir lassen." Der Kerl keuchte irgendetwas das wohl "Verfluchte Hexe", heißen sollte, aber Gena hörte seine Verwünschungen längst nicht mehr. Sie hatte das schmuddelige Neonlicht- Lokal bereits wieder verlassen. Aber nicht, bevor sie dem kleinen Möchtegern- Casanova sein Handy abgenommen hatte.
Bevor die Tür hinter ihr zuschlug, konnte sie noch einige Gäste begeistert applaudieren hören . Sie grinste schief.
Hoffentlich hatte sie dem armen Kerl nichts gebrochen. Aber wenn doch, dann hoffentlich seine schmierigen Griffel, mit denen er sie so ungeniert betatscht hatte. Gena nahm das Handy und tippte die Nummer ihrer besten Freundin Kare. Kare lebte bereits seit sieben Monaten in einer kleinen Wohnung ganz in der Nähe. Zusammen mit ihrer neuesten Flamme, Christoph oder Christian.
"Hi Kare ich bin's", Während sie sprach, bog sie um die nächste Straßenecke und hatte nun Kare's Wohnhaus, ein frisch renoviertes weißes Gebäude, in Sichtweite.
"Gena? Du?! Sag mal, was fällt dir eigentlich ein ? ! Dich drei Monate lang nicht zu melden! Ich dachte schon , du wärst tot!" "Tot nicht, aber so ähnlich", scherzte Gena und verzog dabei sarkastisch das Gesicht. Sie hatte einen ziemlich schweren Autounfall gehabt. Das Auto war futsch, das Studium hatte sie nach der langen Pause noch nicht wieder aufgenommen. Sie wusste auch nicht, ob sie das je wieder tun würde.
Oder konnte.
Ihr Leben hatte sich ziemlich verändert, seit diesem Vorfall... "Kann ich zu dir kommen? Ich erzähl' dir alles, aber ich brauch erst Mal was Vernünftiges zu Essen und einen Platz für die Nacht. Denkst du dass...." "Sicher, das geht schon rund. Chris wird schon nichts dagegen haben. Wo bist du denn?" "Ich steh direkt vor eurer Haustür".
* "Gena!" Kare fiel ihrer alten Freundin und Studiumskollegin erfreut um den Hals und trat einen Schritt zur Seite, um sie in die hübsche, völlig neu eingerichtete vier- Zimmer - Wohnung zu bitten. Gena hatte sich ziemlich verändert: Ihre glattes, braunes Haar war unglaublich lang geworden, es reichte ihr weit über den Rücken hinab und machte einen ungepflegten Eindruck. Genas dunkle Augen waren verquollen und ihre Haut blass und teigig.
Ihre Kleider sahen aus (und rochen auch so), als hätte sie Monate darin gesteckt, ohne sie jemals ausgezogen zu haben. Sie durfte nicht viel geschlafen haben und sah alles andere als gesund aus.
"Du siehst ja furchtbar aus!" bemerkte Kare besorgt und schloss die Tür hinter sich. "Was für eine Begrüßung", knurrte Gena ungewöhnlich aggressiv. Kares linke Augenbraue wanderte nach oben. Na ja, ihre Freundin hatte noch nie viel von Small- Talk gehalten, also wechselte sie vorsorglich das Thema: "Wo hast du die letzten Monate gesteckt? Ich hab mir furchtbare Sorgen um dich gemacht! Keiner aus deiner Familie konnte mir sagen, wo du bist! Bloß von einem Unfall war die Rede...was ist passiert?" Während sie sprach, hatte Gena ihren schmutzigen grauen Mantel abgelegt und ungebeten Platz auf der weißen Couch genommen.
"Ein Autounfall. Irgend so ein Idiot ist mir in der Kreuzung voll reingekracht. Bin operiert worden und hatte Glück, dass ich nicht gelähmt war. Darf ich?" Sie zeigte auf die Obstschüssel und Kare nickte bestürzt. Gena wirkte cool und gelassen, aber sie spürte, dass eine Veränderung mit ihr vorgegangen war, nicht bloß äußerlich. Gena sah sich stirnrunzelnd um. Die Wohnung war in hellen Tönen gehalten. Die Vorhänge waren weiß und offensichtlich aus Seide, mit blassblauen Blumen darauf. Sie hatte gar nicht gewusst, dass Kare so etwas gefiel. "Hat dir dein Neuer dabei geholfen, die Wohnung einzurichten?"
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. "Er ist mein Verlobter und wir wollen so bald wie möglich heiraten", machte Kare aufmerksam, doch Gena schenkte ihr bloß ein müdes Lächeln.
Sie konnte nicht glauben, dass Kare tatsächlich mit dem Gedanken an Heirat, Heim und Familie spielte. Sie war doch erst 23! Doch sie war schlichtweg zu müde, um ihr ihre Unvernunft mitzuteilen. "Was ist los mit dir?" Kares Stimme wurde eine Spur leiser und eindringlicher und sie nahm neben Gena Platz. "Was soll mit mir los sein?" Gena hatte bereits einen Apfel verschlungen und griff nun gierig nach der Banane.
Plötzlich schloss Kare Genas Hand in die ihre. Gena zuckte sacht zusammen. "Gena, du kannst mir alles sagen, das weißt du doch. Ich seh doch, dass was nicht stimmt." Genas seufzte resignierend.
"Na gut. Wenn du es genau wissen willst: Nach diesem Unfall habe ich hellseherische Fähigkeiten entwickelt und beherrsche sämtliche Kampfsportarten. Außerdem verfolgt mich eine Horde wild gewordener Monster die sich Orks nennen und aussehen, als wären sie aus irgendeinem Fantasiefilm entsprungen. Sie nennen mich Grennrey und scheinen mich nicht sehr zu mögen. Und weißt du, warum die mir an den Kragen gehen wollen?" Sie aß die Hälfte ihrer Banane auf und genoss es, dabei zuzusehen wie Kares Gesichtsausdruck immer mehr an Fassung verlor. "Siehst du, ich eben auch nicht. Das macht mich ziemlich nervös. Das erste Mal haben sie mich im Krankenhaus aufgespürt. Ich musste fliehen. Darum weiß keiner wo ich bin. Und das ist auch besser so. Ich wollte keinen in die Sache mitrein ziehen. Seitdem hat sich mein Leben in eine einzige Flucht verwandelt, und ich meide schon seit Monaten so weit es mir möglich ist, belebte Straßen und Lokale. Diese Viecher haben Späher, Krähen. Ich habe lange gebraucht, bis ich kapiert habe, dass die Vögel mich beobachteten."
Karas Kiefer war nach unten geklappt, ihre Augen groß. Sie konnte sich wohl nicht entscheiden, ob sie nun lachen oder sich Sorgen machen sollte.
"Du bist Gena, nehme ich an", kam es plötzlich von der Küchentür. Das musste Kares Freund sein. "Gena, das ist Chris, Chris, Gena". Kares Stimme klang sonderbar flach. Gena fürchtete, zu weit gegangen zu sein. Schließlich hatten sie die meisten anderen "Freunde" bisher nicht einmal in ihre Wohnung einlassen, in ihrem Zustand. Misstrauisch sah sie zu Chris auf. Misstrauen und Zweifel waren in den letzten Monaten zu zwei ständigen Begleitern für Gena geworden. Es lag nicht an Chris. Sie vertraute kaum noch einem Menschen. Bloß dass Chris kein Mensch war. Er war ein Elb. Sein langes, dunkles Haar, das er im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, sein schlanker Wuchs und seine sonderbar wissend dreinblickenden, blauen Augen. Gena wusste, dass es für Kare nicht ganz so offensichtlich war.
Denn nur sie konnte die spitzen Ohren des Mannes sehen. Nicht umsonst war sie eine Seherin. Ein Blick auf Kare sagte ihr, dass diese keine Ahnung hatte. Wie die meisten Menschen. Vielsagende Blicke wurden zwischen Gena und dem Elb gewechselt, bevor er ihr schließlich zunickte. Er wusste, dass sie ihn erkannt hatte, ließ sich aber nichts anmerken.
"Hallo", begrüßte Gena ihn mit kühler Stimme. Orks waren nicht die einzigen Geschöpfe gewesen, denen sie in den vergangenen Monaten begegnet war. Da waren auch noch einige Wesen wie Chris gewesen, dunkeläugige, in Schwarz gekleidete Elben mit einer unheimlich schlechten Aura.
"Ich habe einen Teil eurer Unterhaltung mitbekommen", begann Chris. Oh, welche Überraschung. Sie hatte im Laufe der Zeit bereits selbst herausgefunden, dass Elben sicherlich gute Zuhörer, aber schlechte Weghörer waren. Manchmal hatte sie das Gefühl, diese Wesen waren sogar imstande, ihre Gedanken zu lesen.
Gena musterte ihn eindringlich. Dieses Exemplar dort schien ganz in Ordnung zu sein, ihr Gefühl sagte ihr das, und sie vertraute inzwischen auf ihre Instinkte. Aber damit wäre er der erste vertrauenswürdige Elb, dem sie begegnete.
"Wie haben sie dich genannt, diese....Orks?" Er kam auf Kare zu und sie schenkte ihm ein liebevolles Lächeln, das er warm erwiderte. Das durfte doch nicht wahr sein! Kare hatte sich tatsächlich in einen Unsterblichen verliebt! Gena schüttelte innerlich den Kopf. "Grennrey á Lórien. Sagt dir der Name etwa was?"
Sie warf ihm ein schräges Lächeln zu, als sie sicher war, dass Kara nicht hersah. "Nein", sagte Chris tonlos. "Ja, natürlich, und das weißt du genau", sagten seine Augen. "Also, ich geh jetzt Mal und mach uns einen Tee. Oder willst du lieber Kaffee?" Kare stand auf und richtete den Saum ihrer hellblauen Bluse. Wie gewöhnlich sie in diesen Sachen aussah. Es gab eine Zeit, da hatte sie zerrissene Jeans, angemalte T- Shirts und zerschundene Lederjacken getragen. Nun kam ihr Aussehen dem jener Modelle für Damenbekleidung in Versandshauskatalogen immer näher. "Ein Kaffee wäre gut", lächelte Gena.
Kare verzog nachdenklich das Gesicht. "Ich glaub, ich hab noch wo eine Packung herumstehen. Weißt du, seit Chris hier ist, haben wir uns auf Tee umgestellt. Er mag Kaffee nicht besonders."
"Ach, tut er das?", knirschte Gena mit zusammengebissenen Zähnen, als Kare den Raum verlassen hatte und grinste aufgesetzt. Dann wurde sie übergangslos ernst und sah fest in Chris' Augen. "Was hast du hier verloren? Ist dir deine Welt zu klein geworden?" Sie musterte aufmerksam jede seiner Regungen. Dann sog sie scharf Luft zwischen den Zähnen ein. "Nein", stöhnte sie und verdrehte die Augen, "das gibt's doch nicht! Du hast dich also in sie verliebt! Hast du deine Unsterblichkeit schon für sie aufgegeben?"
Auf Chris' gefassten Gesicht erschien ein missbilligender Ausdruck. "Du weißt, was geschieht, wenn sie erfährt, wer ich wirklich bin. Darum bitte ich dich,..." Gena winkte ab. "Glaubst du wirklich ich bin so herzlos? Ich habe mitbekommen, wie sie dich ansieht. Sie liebt dich. Aber wage es nicht, ihr weh zu tun. Du würdest es bereuen."
Ihre Worte waren bitter ernst gemeint. Alleine, dass sich diese Wesen aus Mittelerde in ihre Welt einschlichen, war eine Zumutung. Wenn sie aber auch noch den Menschen ihr Herz brachen und sie ausnutzten, wurde sie wirklich wütend.
"Wer hat dich hergeschickt? Galadriel? Gandalf? Oder der Herr Isengards? Oder gar Sauron?" Ihre Augen verengten sich misstrauisch. "Die Herrin des goldenen Waldes", antwortete Chris ruhig, "und die beiden letzten Herren sind schon seit längerem nicht mehr in der Lage, irgendwen irgendwohin zu schicken." Gena war nun ehrlich überrascht.
Davon hatte sie nichts gewusst. "Isengard wurde zerstört, Saruman ist in Schande geflohen. Saurons Auge wird nie wieder über Mittelerde blicken. Der eine Ring wurde zerstört." In kurzen Worten erzählte Chris ihr die Neuigkeiten aus Mittelerde. Gena beschloss dem dunkelhaarigen Elben trotz allem zu trauen.
Es blieb ihr wohl auch nichts anderes übrig, wollte sie mit Kare zurecht kommen. Diese kehrte eben gerade mit drei Tassen und einer Kanne heißem Kaffee aus der Küche zurück. Nachdem sie diesen getrunken und eine Menge geredet hatten , wobei aber nichts wirklich Bedeutendes gesagt worden war, musste Kare noch mal raus.
Sie wollte noch einige Besorgungen fürs Frühstück machen. Gene vermutete, sie wollte sich davonschleichen, um sich in Ruhe zu entscheiden, ob sie ihre alte Freundin nun für verrückt und schizophren halten sollte oder nicht. Diesen Gedanken behielt sie aber vorsorglich für sich. * Chris und Gena warteten, auf der Couch sitzend, bis sie die Wohnung verlassen hatte, dann lachte Gena leise und ließ sich in die weichen Polster zurückfallen.
"Sie ist eine richtig zahme Hausfrau geworden. Du hättest sie früher kennen müssen....wild und ausgeflippt. Und nun..."
Sie nahm das letzte der belegten Brötchen, die Kara ihr hingestellt hatte, vom Teller und verputzte es restlos. "Es war ihre Entscheidung", konterte Chris misslaunig, "und was soll schlecht daran sein? Sie ist glücklich."
"Ist sie das?" Gena hatte eigentlich vorgehabt, ein Bad zu nehmen, aber die Behauptung des Elben hatte ihren Widerspruchsgeist geweckt.
Schnell fügte sie hinzu: "Sie mag jetzt glücklich sein. Aber was ist in zwanzig Jahren? Wirst du es dann noch immer gut finden, mit einer alternden Hausfrau zusammen zu leben?
Selbst den Männern unseres Volkes fällt es schwer, sich an so einen Gedanken zu gewöhnen. Wenn sie alt ist, wirst du noch immer jung und frisch sein und deinen Bedürfnissen nachgehen wollen. Außer natürlich, du gäbest deine Unsterblichkeit auf." Ihre Augen funkelten abwartend und sie spürte, dass sie den Bogen langsam überspannte. Aber das war ihr vollkommen egal. Sie war todmüde und irgendwie wollte sie Streit. Etwas, das ihr in den letzten Wochen bereits aufgefallen war:
Je erschöpfter und überanstrengter sie war, desto aggressiver und kampflustiger wurde sie. Dabei hatte sie sich stets für einen friedliebenden Menschen gehalten.
Sie musste jetzt irgendeinem von diesen Eindringlingen in ihre Welt ihre Meinung reindrücken, koste es, was es wolle.
Immerhin waren sie für das Chaos in ihrem bisher so geordnetem Leben zuständig. Chris merkte, dass die Müdigkeit aus ihr sprach, denn er schüttelte bloß den Kopf und stand auf: "Ich sehe, du bist erschöpft. Das Badezimmer ist dort drüben", er wies auf eine weißgestrichene Tür, "schlafen wirst du wohl auf dem Sofa müssen."
*
Gena nahm ein ausgiebiges Bad und wusch sich ihre Haare gleich dreimal. Es war ein unglaublich gutes Gefühl, nach so langer Zeit von Katzenwäschen und Haare-mit-den-Fingern-Durchkämmen, sich endlich wieder sauber zu fühlen. Nachdem sie ihr Haar getrocknet und sich ein langes Hemd von Kare, die während ihres Bades zurückgekommen war, angezogen hatte, machte sie es sich auf dem Sofa bequem. Innerhalb weniger Augenblicke war sie eingeschlafen. * ----Grünes Licht. Ein gemeines Grinsen machte sich auf den verwüsteten Gesichtern der Orks breit, denn sie waren diesmal sicher, dass nichts schief laufen würde.
Lange genug hatten sie ihre Zeit damit verschwendet, diese dumme Sterbliche zu jagen. Viel zu viele von ihnen hatten dabei ihr Leben gelassen.
Nun konnten sie blutige Rache dafür nehmen. Immer mehr dieser scheußlichen Kreaturen tauchten aus der Dunkelheit auf, bewaffnet mit schartigen Klingen, Morgensternen und primitiven Keulen, dazwischen größere Gestalten, Uruk- Haîs mit breiten Eisenschwertern und Muskeln, die sich wie Seile unter der bläulichen Haut spannten.
Kehliges Knurren und das Gekrächze der Orks waren hörbar. Zwei Gruppen waren es, in jeder ein gutes Dutzend der scheußlichen Kreaturen, Orks und Uruk-Haîs etwa gleich an Zahl. Dann rannten sie los. Ihre Bewegungen glichen den geschmeidigen Schritten der Elben nicht im entferntesten, trotzdem liefen sie fast völlig lautlos.
Eine schlanke, dunkle Gestalt blieb zurück. Ein dunkles Augenpaar verfolgte die Bewegungen des furcheinflößenden Mördertrupps. Gena, die als unsichtbare, zum Schweigen verurteilte Zuschauerin das Schauspiel verfolgte, fühlte eisige Schauer über ihren Rücken jagen. Eine solche Kälte...lebte dieses Wesen überhaupt noch?
Dann sah sie ein weißes Gebäude, das gerade erst renoviert worden war. Die Monster waren schnell...---- *
Mit einem heißerem Schrei erwachte Gena. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Nein, bitte nicht! Sie spürte Tränen des Zorns in sich aufsteigen. Nicht jetzt, nicht hier! Das durfte einfach nicht sein! Leise betrat Chris den Raum.
"Was ist?!" Er sah erschrocken aus. Gena schwang sich aus ihrem Nachtlager und wagte es kaum, in seine Augen zu sehen, als sie sagte:
"Sie kommen."
Chris verstand sofort, ging ins Zimmer zurück, um Kare aufzuwecken und kam vollständig angezogen nach kaum einer Minute wieder zurück. Er ging an Gena vorbei, die in ihre schmutzigen, abgetragenen Jeans geschlüpft war, steuerte auf eine hölzerne Truhe zu und schloss sie auf. Im nächsten Moment hielt er in jeder Hand je ein schmales Schwert und sah Gena fragend an. Diese nickte bloß und fing die armlange Klinge geschickt auf.
Bisher hatte sie noch mit keiner solchen Waffe gekämpft, aber sie vertraute darauf, dass sie auch das meistern würde. Genauso wie sie vor wenigen Tagen einige der Orks mit ihren Kampfkünsten überrascht hatte, deren sie aus heiterem Himmel kundig war.
"Es sind zwei Dutzend, eine Hälfte Uruk-Haîs, die andere Hälfte Orks. Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr noch fliehen."
Chris wog ihren Vorschlag gerade ab, als Kare, schlaftrunken und einen schlampig gepackten Koffer in den Händen, in das Wohnzimmer getorkelt kam. "Was..ist los?" Sie war mit einem Schlag hellwach als sie die Waffen in ihrenerblickte. "was zum Teufel ist hier los?!", schrie sie mit hysterischer Stimme und ließ den Koffer polternd zu Boden fallen.
Gena setzte zu einer Erklärung an, da wurden klirrende Schritte unter ihnen hörbar. Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie hatte nicht geahnt, dass ihnen so wenig Zeit blieb.
"Bitte, Kare, ich werde dir alles erklären- später. Bitte, mach, was Chris dir sagt. Verschwindet. Beide! Sofort!"
Die letzten Worte hatte sie bereits geschrieen, denn in diesem Moment krachte etwas mit voller Wucht gegen die Wohnungstür und sprengte diese aus der Fassung.
Es war zu spät.
Der Angriff hatte bereits begonnen. Drei Orks stürmten nacheinander in die Wohnung. Chris packte Kare unsanft am Arm, stieß sie in die Küche und schlug die Tür vor ihrem entsetzten Gesicht zu.
Dann nahm er davor Aufstellung, enthauptete den ersten und tötete den zweiten Ork mit einem gezielten Stich ins Herz. Gena kämpfte ihre Angst mit Gewalt nieder. Beim Anblick des Orkblutes auf der weißen Wand erwachte plötzlich etwas in ihr.
Sie hatte diese Kraft schon zuvor gespürt. Gena stürmte mit einem Schrei nach vor und erschlug den dritten Ork, bevor dieser auch nur die Zeit fand, seine Waffe zu erheben und ging ohne nachzudenken auf den nächsten Uruk-Haî los.
Innerhalb weniger Sekunden lagen bereits sechs leblose Gestalten auf dem Boden, der helle Teppich hatte sich dunkelrot verfärbt.
Draußen hörte man die markerschütternden Schreie der Nachbarn, die den fatalen Fehler begangen hatten, ihre Wohnungen zu verlassen. Der Kampf war blutig und gnadenlos. Gena und Chris bot sich der Vorteil, dass die Angreifer immer bloß in Zweiergruppen durch den engen Korridor passten. Trotzdem spürte Gena, wie ihre Kraft, angereichert durch die fremde Magie in ihr, zusehends nachließ.
"Chris!", brüllte sie über die Schulter zurück, "macht, dass ihr rauskommt! Ich schaffe das auch allein!"
Um ein Haar hätte sie einen Ork übersehen, der mit erhobener Keule auf sie zugerast kam. Im letzten Moment vollführte sie einen Streich und die Kreatur stürzte, das Schwert bis zum Haft in seiner Brust, zu Boden.
Die nachfolgenden Krieger blieben zögerlich im Korridor stehen, als sie das inzwischen gute Dutzend toter Kameraden vor sich liegen sahen. Es blieben ihnen einige Sekunden, um Luft zu schnappen. Chris riss die Tür zur Küche auf, fasste die vor Entsetzen kreischende Kare am Arm und schob sie vor sich her zum Fenster, welches er kurzerhand einschlug. Ungeduldig half er ihr, nach draußen zu steigen.
Als Gena sicher war, dass die beiden in Sicherheit waren, widmete sie sich wieder den Angreifern. Die Feuerleiter führte direkt auf den Bürgersteig. Sie bezweifelte, dass die Orks sich auf der belebten Hauptstraße zu zeigen wagten.
In der Ferne wurde Sirenengeheul laut. Das nächste halbe Dutzend Gegner kostete ihr keine große Mühe, darauf folgte eine Gruppe von Uruk- Haîs, die ihr Schwierigkeiten bereiteten, die sie aber unter Aufwand all ihrer neuerworbenen Kraft bis auf den letzten erledigte.
Schweratmend blickte sie über den Haufen toter Körper , Leichenteile und die blutbespritzte Einrichtung. Angeekelt verzog sie das Gesicht und stieg über die Kadaver hinweg zur Tür, drängte sich zwischen den entsetzten Nachbarn und Schaulustigen hindurch und stürmte die zwei Stockwerke nach unten auf die Straße.
Was sie dort sah, ließ sie zur Salzsäule erstarren. Kare lag regungslos auf dem Boden. In ihrem Rücken stak ein Pfeil mit dunklem Gefieder. Chris kniete neben ihr auf dem Asphalt und sah nicht einmal auf, als Gena schweigend hinter ihn trat. Heiße Tränen liefen über Genas Gesicht und ein erstickter Schrei trat über ihre Lippen.
Sie ließ das blutverschmierte Schwert klirrend zu Boden fallen und schlug die Hände vor den Mund.
"Nein", keuchte sie, den Kopf schüttelnd. Das durfte nicht sein. Das war unmöglich. Mit größter Mühe riss sie ihre Augen von dem Körper ihrer toten Freundin los und sah zu Chris hin. Er war plötzlich geisterhaft still geworden. Zärtlich strich der Elb über den Kopf von Kare, sanft, fast ohne sie zu berühren. Genas Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen und ein eisiger Schauer jagte über ihren Rücken.
Er war ein Elb, und erlebte als solcher jedes Gefühl mit doppelter, wenn nicht dreifacher Intensität. Wenn selbst ihr Verstand in diesem Moment zu zerbrechen drohte, wie musste es dann ihm ergehen? Vorsichtig legte sie die Hand auf seine Schulter. Es war eine freundschaftliche Geste, die Trost hätte spenden sollen.
Chris aber wich ihr aus und drehte sich langsam zu ihr um. Seine Augen waren dunkel vor Schmerz, sein Gesicht zu einer einzigen Grimasse aus Kummer und Schmerz verzogen.
Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammengepresst. "Geh", verlangte er mit bebender Stimme.
"Chris, ich bitte dich, ..." -
"GEH!" Dieses Mal klangen die Worte befehlend, peitschten wie Schläge durch die von Straßenlaternen erhellte Nacht. Eine Weile noch konnte sie seinem Blick standhalten, dann nickte sie, zog resignierend den Kopf ein und ging. Die ersten Polizeiwagen kamen an, das blaue Licht der Sirenen zuckte über den schwarzen, nassen Aspahalt. In einiger Entfernung blieb Gena im Schatten einer Wand stehen.
Mit dumpfem Entsetzen stellte sie fest, dass neben Kare nun eine weitere leblose Gestalt lag. Sie hatte es gewusst. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, sie würde dort auf der nassen Straße liegen. Sie, nicht dieses unschuldige Liebespaar. Sie. Grennrey á Lórien. Die Hexe, die allen, die sie liebte, bloß Unglück und Tod brachte.
Innerlich zu Eis erstarrt verschwand sie in einer dunklen Seitengasse
Worum geht's? Hauptperson ist Gena Ransberg, 23, Studentin. Nach einem Verkehrsunfall verläuft ihr Leben in ziemlich ungeordneten Bahnen. Was wohl an der Horde Orks liegt, die ihr hinterherjagt. Wieso? Das wüsste sie selbst nur zu gern. Und das ist nicht das einzige Verwirrende: eine dunkelverhüllte Gestalt taucht immer häufiger in ihren Träumen auf. Wer ist der Fremde, und warum verspürt sie diese seltsame Anziehungskraft in seiner Nähe? Was befindet sich am Ende der magischen Tunnel, durch welche sich die Monster Zutritt in unsere Welt verschaffen? Und: Was hat sie mit dem ganzen zu tun!?
Kapitel
Ein Wiedersehen
V o r w o r t:
Also, das alles hier setzt ein bisschen mehr auf Vorgeschichte, also
nicht: ("Plötzlich stand mir Legolas gegenüber- warum? Ist ja nicht
wichtig") und Entwicklung ("und ich verliebte mich unsterblich in ihn,
kaum dass ich ihn sah")- das heißt aber nicht, dass sie besonders
realistisch ist....(möchte mich hiermit gleich im Vorhinein für kleine
Fehler in der Logik der Geschichte entschuldigen ()
Gena klopfte sich den Staub aus den Kleidern und sah zufrieden zu dem sich windenden Mann am schmutzigen Kunstboden hinab. "So. Ich hoffe, du wirst in Zukunft deine dreckigen Finger bei dir lassen." Der Kerl keuchte irgendetwas das wohl "Verfluchte Hexe", heißen sollte, aber Gena hörte seine Verwünschungen längst nicht mehr. Sie hatte das schmuddelige Neonlicht- Lokal bereits wieder verlassen. Aber nicht, bevor sie dem kleinen Möchtegern- Casanova sein Handy abgenommen hatte.
Bevor die Tür hinter ihr zuschlug, konnte sie noch einige Gäste begeistert applaudieren hören . Sie grinste schief.
Hoffentlich hatte sie dem armen Kerl nichts gebrochen. Aber wenn doch, dann hoffentlich seine schmierigen Griffel, mit denen er sie so ungeniert betatscht hatte. Gena nahm das Handy und tippte die Nummer ihrer besten Freundin Kare. Kare lebte bereits seit sieben Monaten in einer kleinen Wohnung ganz in der Nähe. Zusammen mit ihrer neuesten Flamme, Christoph oder Christian.
"Hi Kare ich bin's", Während sie sprach, bog sie um die nächste Straßenecke und hatte nun Kare's Wohnhaus, ein frisch renoviertes weißes Gebäude, in Sichtweite.
"Gena? Du?! Sag mal, was fällt dir eigentlich ein ? ! Dich drei Monate lang nicht zu melden! Ich dachte schon , du wärst tot!" "Tot nicht, aber so ähnlich", scherzte Gena und verzog dabei sarkastisch das Gesicht. Sie hatte einen ziemlich schweren Autounfall gehabt. Das Auto war futsch, das Studium hatte sie nach der langen Pause noch nicht wieder aufgenommen. Sie wusste auch nicht, ob sie das je wieder tun würde.
Oder konnte.
Ihr Leben hatte sich ziemlich verändert, seit diesem Vorfall... "Kann ich zu dir kommen? Ich erzähl' dir alles, aber ich brauch erst Mal was Vernünftiges zu Essen und einen Platz für die Nacht. Denkst du dass...." "Sicher, das geht schon rund. Chris wird schon nichts dagegen haben. Wo bist du denn?" "Ich steh direkt vor eurer Haustür".
* "Gena!" Kare fiel ihrer alten Freundin und Studiumskollegin erfreut um den Hals und trat einen Schritt zur Seite, um sie in die hübsche, völlig neu eingerichtete vier- Zimmer - Wohnung zu bitten. Gena hatte sich ziemlich verändert: Ihre glattes, braunes Haar war unglaublich lang geworden, es reichte ihr weit über den Rücken hinab und machte einen ungepflegten Eindruck. Genas dunkle Augen waren verquollen und ihre Haut blass und teigig.
Ihre Kleider sahen aus (und rochen auch so), als hätte sie Monate darin gesteckt, ohne sie jemals ausgezogen zu haben. Sie durfte nicht viel geschlafen haben und sah alles andere als gesund aus.
"Du siehst ja furchtbar aus!" bemerkte Kare besorgt und schloss die Tür hinter sich. "Was für eine Begrüßung", knurrte Gena ungewöhnlich aggressiv. Kares linke Augenbraue wanderte nach oben. Na ja, ihre Freundin hatte noch nie viel von Small- Talk gehalten, also wechselte sie vorsorglich das Thema: "Wo hast du die letzten Monate gesteckt? Ich hab mir furchtbare Sorgen um dich gemacht! Keiner aus deiner Familie konnte mir sagen, wo du bist! Bloß von einem Unfall war die Rede...was ist passiert?" Während sie sprach, hatte Gena ihren schmutzigen grauen Mantel abgelegt und ungebeten Platz auf der weißen Couch genommen.
"Ein Autounfall. Irgend so ein Idiot ist mir in der Kreuzung voll reingekracht. Bin operiert worden und hatte Glück, dass ich nicht gelähmt war. Darf ich?" Sie zeigte auf die Obstschüssel und Kare nickte bestürzt. Gena wirkte cool und gelassen, aber sie spürte, dass eine Veränderung mit ihr vorgegangen war, nicht bloß äußerlich. Gena sah sich stirnrunzelnd um. Die Wohnung war in hellen Tönen gehalten. Die Vorhänge waren weiß und offensichtlich aus Seide, mit blassblauen Blumen darauf. Sie hatte gar nicht gewusst, dass Kare so etwas gefiel. "Hat dir dein Neuer dabei geholfen, die Wohnung einzurichten?"
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. "Er ist mein Verlobter und wir wollen so bald wie möglich heiraten", machte Kare aufmerksam, doch Gena schenkte ihr bloß ein müdes Lächeln.
Sie konnte nicht glauben, dass Kare tatsächlich mit dem Gedanken an Heirat, Heim und Familie spielte. Sie war doch erst 23! Doch sie war schlichtweg zu müde, um ihr ihre Unvernunft mitzuteilen. "Was ist los mit dir?" Kares Stimme wurde eine Spur leiser und eindringlicher und sie nahm neben Gena Platz. "Was soll mit mir los sein?" Gena hatte bereits einen Apfel verschlungen und griff nun gierig nach der Banane.
Plötzlich schloss Kare Genas Hand in die ihre. Gena zuckte sacht zusammen. "Gena, du kannst mir alles sagen, das weißt du doch. Ich seh doch, dass was nicht stimmt." Genas seufzte resignierend.
"Na gut. Wenn du es genau wissen willst: Nach diesem Unfall habe ich hellseherische Fähigkeiten entwickelt und beherrsche sämtliche Kampfsportarten. Außerdem verfolgt mich eine Horde wild gewordener Monster die sich Orks nennen und aussehen, als wären sie aus irgendeinem Fantasiefilm entsprungen. Sie nennen mich Grennrey und scheinen mich nicht sehr zu mögen. Und weißt du, warum die mir an den Kragen gehen wollen?" Sie aß die Hälfte ihrer Banane auf und genoss es, dabei zuzusehen wie Kares Gesichtsausdruck immer mehr an Fassung verlor. "Siehst du, ich eben auch nicht. Das macht mich ziemlich nervös. Das erste Mal haben sie mich im Krankenhaus aufgespürt. Ich musste fliehen. Darum weiß keiner wo ich bin. Und das ist auch besser so. Ich wollte keinen in die Sache mitrein ziehen. Seitdem hat sich mein Leben in eine einzige Flucht verwandelt, und ich meide schon seit Monaten so weit es mir möglich ist, belebte Straßen und Lokale. Diese Viecher haben Späher, Krähen. Ich habe lange gebraucht, bis ich kapiert habe, dass die Vögel mich beobachteten."
Karas Kiefer war nach unten geklappt, ihre Augen groß. Sie konnte sich wohl nicht entscheiden, ob sie nun lachen oder sich Sorgen machen sollte.
"Du bist Gena, nehme ich an", kam es plötzlich von der Küchentür. Das musste Kares Freund sein. "Gena, das ist Chris, Chris, Gena". Kares Stimme klang sonderbar flach. Gena fürchtete, zu weit gegangen zu sein. Schließlich hatten sie die meisten anderen "Freunde" bisher nicht einmal in ihre Wohnung einlassen, in ihrem Zustand. Misstrauisch sah sie zu Chris auf. Misstrauen und Zweifel waren in den letzten Monaten zu zwei ständigen Begleitern für Gena geworden. Es lag nicht an Chris. Sie vertraute kaum noch einem Menschen. Bloß dass Chris kein Mensch war. Er war ein Elb. Sein langes, dunkles Haar, das er im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, sein schlanker Wuchs und seine sonderbar wissend dreinblickenden, blauen Augen. Gena wusste, dass es für Kare nicht ganz so offensichtlich war.
Denn nur sie konnte die spitzen Ohren des Mannes sehen. Nicht umsonst war sie eine Seherin. Ein Blick auf Kare sagte ihr, dass diese keine Ahnung hatte. Wie die meisten Menschen. Vielsagende Blicke wurden zwischen Gena und dem Elb gewechselt, bevor er ihr schließlich zunickte. Er wusste, dass sie ihn erkannt hatte, ließ sich aber nichts anmerken.
"Hallo", begrüßte Gena ihn mit kühler Stimme. Orks waren nicht die einzigen Geschöpfe gewesen, denen sie in den vergangenen Monaten begegnet war. Da waren auch noch einige Wesen wie Chris gewesen, dunkeläugige, in Schwarz gekleidete Elben mit einer unheimlich schlechten Aura.
"Ich habe einen Teil eurer Unterhaltung mitbekommen", begann Chris. Oh, welche Überraschung. Sie hatte im Laufe der Zeit bereits selbst herausgefunden, dass Elben sicherlich gute Zuhörer, aber schlechte Weghörer waren. Manchmal hatte sie das Gefühl, diese Wesen waren sogar imstande, ihre Gedanken zu lesen.
Gena musterte ihn eindringlich. Dieses Exemplar dort schien ganz in Ordnung zu sein, ihr Gefühl sagte ihr das, und sie vertraute inzwischen auf ihre Instinkte. Aber damit wäre er der erste vertrauenswürdige Elb, dem sie begegnete.
"Wie haben sie dich genannt, diese....Orks?" Er kam auf Kare zu und sie schenkte ihm ein liebevolles Lächeln, das er warm erwiderte. Das durfte doch nicht wahr sein! Kare hatte sich tatsächlich in einen Unsterblichen verliebt! Gena schüttelte innerlich den Kopf. "Grennrey á Lórien. Sagt dir der Name etwa was?"
Sie warf ihm ein schräges Lächeln zu, als sie sicher war, dass Kara nicht hersah. "Nein", sagte Chris tonlos. "Ja, natürlich, und das weißt du genau", sagten seine Augen. "Also, ich geh jetzt Mal und mach uns einen Tee. Oder willst du lieber Kaffee?" Kare stand auf und richtete den Saum ihrer hellblauen Bluse. Wie gewöhnlich sie in diesen Sachen aussah. Es gab eine Zeit, da hatte sie zerrissene Jeans, angemalte T- Shirts und zerschundene Lederjacken getragen. Nun kam ihr Aussehen dem jener Modelle für Damenbekleidung in Versandshauskatalogen immer näher. "Ein Kaffee wäre gut", lächelte Gena.
Kare verzog nachdenklich das Gesicht. "Ich glaub, ich hab noch wo eine Packung herumstehen. Weißt du, seit Chris hier ist, haben wir uns auf Tee umgestellt. Er mag Kaffee nicht besonders."
"Ach, tut er das?", knirschte Gena mit zusammengebissenen Zähnen, als Kare den Raum verlassen hatte und grinste aufgesetzt. Dann wurde sie übergangslos ernst und sah fest in Chris' Augen. "Was hast du hier verloren? Ist dir deine Welt zu klein geworden?" Sie musterte aufmerksam jede seiner Regungen. Dann sog sie scharf Luft zwischen den Zähnen ein. "Nein", stöhnte sie und verdrehte die Augen, "das gibt's doch nicht! Du hast dich also in sie verliebt! Hast du deine Unsterblichkeit schon für sie aufgegeben?"
Auf Chris' gefassten Gesicht erschien ein missbilligender Ausdruck. "Du weißt, was geschieht, wenn sie erfährt, wer ich wirklich bin. Darum bitte ich dich,..." Gena winkte ab. "Glaubst du wirklich ich bin so herzlos? Ich habe mitbekommen, wie sie dich ansieht. Sie liebt dich. Aber wage es nicht, ihr weh zu tun. Du würdest es bereuen."
Ihre Worte waren bitter ernst gemeint. Alleine, dass sich diese Wesen aus Mittelerde in ihre Welt einschlichen, war eine Zumutung. Wenn sie aber auch noch den Menschen ihr Herz brachen und sie ausnutzten, wurde sie wirklich wütend.
"Wer hat dich hergeschickt? Galadriel? Gandalf? Oder der Herr Isengards? Oder gar Sauron?" Ihre Augen verengten sich misstrauisch. "Die Herrin des goldenen Waldes", antwortete Chris ruhig, "und die beiden letzten Herren sind schon seit längerem nicht mehr in der Lage, irgendwen irgendwohin zu schicken." Gena war nun ehrlich überrascht.
Davon hatte sie nichts gewusst. "Isengard wurde zerstört, Saruman ist in Schande geflohen. Saurons Auge wird nie wieder über Mittelerde blicken. Der eine Ring wurde zerstört." In kurzen Worten erzählte Chris ihr die Neuigkeiten aus Mittelerde. Gena beschloss dem dunkelhaarigen Elben trotz allem zu trauen.
Es blieb ihr wohl auch nichts anderes übrig, wollte sie mit Kare zurecht kommen. Diese kehrte eben gerade mit drei Tassen und einer Kanne heißem Kaffee aus der Küche zurück. Nachdem sie diesen getrunken und eine Menge geredet hatten , wobei aber nichts wirklich Bedeutendes gesagt worden war, musste Kare noch mal raus.
Sie wollte noch einige Besorgungen fürs Frühstück machen. Gene vermutete, sie wollte sich davonschleichen, um sich in Ruhe zu entscheiden, ob sie ihre alte Freundin nun für verrückt und schizophren halten sollte oder nicht. Diesen Gedanken behielt sie aber vorsorglich für sich. * Chris und Gena warteten, auf der Couch sitzend, bis sie die Wohnung verlassen hatte, dann lachte Gena leise und ließ sich in die weichen Polster zurückfallen.
"Sie ist eine richtig zahme Hausfrau geworden. Du hättest sie früher kennen müssen....wild und ausgeflippt. Und nun..."
Sie nahm das letzte der belegten Brötchen, die Kara ihr hingestellt hatte, vom Teller und verputzte es restlos. "Es war ihre Entscheidung", konterte Chris misslaunig, "und was soll schlecht daran sein? Sie ist glücklich."
"Ist sie das?" Gena hatte eigentlich vorgehabt, ein Bad zu nehmen, aber die Behauptung des Elben hatte ihren Widerspruchsgeist geweckt.
Schnell fügte sie hinzu: "Sie mag jetzt glücklich sein. Aber was ist in zwanzig Jahren? Wirst du es dann noch immer gut finden, mit einer alternden Hausfrau zusammen zu leben?
Selbst den Männern unseres Volkes fällt es schwer, sich an so einen Gedanken zu gewöhnen. Wenn sie alt ist, wirst du noch immer jung und frisch sein und deinen Bedürfnissen nachgehen wollen. Außer natürlich, du gäbest deine Unsterblichkeit auf." Ihre Augen funkelten abwartend und sie spürte, dass sie den Bogen langsam überspannte. Aber das war ihr vollkommen egal. Sie war todmüde und irgendwie wollte sie Streit. Etwas, das ihr in den letzten Wochen bereits aufgefallen war:
Je erschöpfter und überanstrengter sie war, desto aggressiver und kampflustiger wurde sie. Dabei hatte sie sich stets für einen friedliebenden Menschen gehalten.
Sie musste jetzt irgendeinem von diesen Eindringlingen in ihre Welt ihre Meinung reindrücken, koste es, was es wolle.
Immerhin waren sie für das Chaos in ihrem bisher so geordnetem Leben zuständig. Chris merkte, dass die Müdigkeit aus ihr sprach, denn er schüttelte bloß den Kopf und stand auf: "Ich sehe, du bist erschöpft. Das Badezimmer ist dort drüben", er wies auf eine weißgestrichene Tür, "schlafen wirst du wohl auf dem Sofa müssen."
*
Gena nahm ein ausgiebiges Bad und wusch sich ihre Haare gleich dreimal. Es war ein unglaublich gutes Gefühl, nach so langer Zeit von Katzenwäschen und Haare-mit-den-Fingern-Durchkämmen, sich endlich wieder sauber zu fühlen. Nachdem sie ihr Haar getrocknet und sich ein langes Hemd von Kare, die während ihres Bades zurückgekommen war, angezogen hatte, machte sie es sich auf dem Sofa bequem. Innerhalb weniger Augenblicke war sie eingeschlafen. * ----Grünes Licht. Ein gemeines Grinsen machte sich auf den verwüsteten Gesichtern der Orks breit, denn sie waren diesmal sicher, dass nichts schief laufen würde.
Lange genug hatten sie ihre Zeit damit verschwendet, diese dumme Sterbliche zu jagen. Viel zu viele von ihnen hatten dabei ihr Leben gelassen.
Nun konnten sie blutige Rache dafür nehmen. Immer mehr dieser scheußlichen Kreaturen tauchten aus der Dunkelheit auf, bewaffnet mit schartigen Klingen, Morgensternen und primitiven Keulen, dazwischen größere Gestalten, Uruk- Haîs mit breiten Eisenschwertern und Muskeln, die sich wie Seile unter der bläulichen Haut spannten.
Kehliges Knurren und das Gekrächze der Orks waren hörbar. Zwei Gruppen waren es, in jeder ein gutes Dutzend der scheußlichen Kreaturen, Orks und Uruk-Haîs etwa gleich an Zahl. Dann rannten sie los. Ihre Bewegungen glichen den geschmeidigen Schritten der Elben nicht im entferntesten, trotzdem liefen sie fast völlig lautlos.
Eine schlanke, dunkle Gestalt blieb zurück. Ein dunkles Augenpaar verfolgte die Bewegungen des furcheinflößenden Mördertrupps. Gena, die als unsichtbare, zum Schweigen verurteilte Zuschauerin das Schauspiel verfolgte, fühlte eisige Schauer über ihren Rücken jagen. Eine solche Kälte...lebte dieses Wesen überhaupt noch?
Dann sah sie ein weißes Gebäude, das gerade erst renoviert worden war. Die Monster waren schnell...---- *
Mit einem heißerem Schrei erwachte Gena. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Nein, bitte nicht! Sie spürte Tränen des Zorns in sich aufsteigen. Nicht jetzt, nicht hier! Das durfte einfach nicht sein! Leise betrat Chris den Raum.
"Was ist?!" Er sah erschrocken aus. Gena schwang sich aus ihrem Nachtlager und wagte es kaum, in seine Augen zu sehen, als sie sagte:
"Sie kommen."
Chris verstand sofort, ging ins Zimmer zurück, um Kare aufzuwecken und kam vollständig angezogen nach kaum einer Minute wieder zurück. Er ging an Gena vorbei, die in ihre schmutzigen, abgetragenen Jeans geschlüpft war, steuerte auf eine hölzerne Truhe zu und schloss sie auf. Im nächsten Moment hielt er in jeder Hand je ein schmales Schwert und sah Gena fragend an. Diese nickte bloß und fing die armlange Klinge geschickt auf.
Bisher hatte sie noch mit keiner solchen Waffe gekämpft, aber sie vertraute darauf, dass sie auch das meistern würde. Genauso wie sie vor wenigen Tagen einige der Orks mit ihren Kampfkünsten überrascht hatte, deren sie aus heiterem Himmel kundig war.
"Es sind zwei Dutzend, eine Hälfte Uruk-Haîs, die andere Hälfte Orks. Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr noch fliehen."
Chris wog ihren Vorschlag gerade ab, als Kare, schlaftrunken und einen schlampig gepackten Koffer in den Händen, in das Wohnzimmer getorkelt kam. "Was..ist los?" Sie war mit einem Schlag hellwach als sie die Waffen in ihrenerblickte. "was zum Teufel ist hier los?!", schrie sie mit hysterischer Stimme und ließ den Koffer polternd zu Boden fallen.
Gena setzte zu einer Erklärung an, da wurden klirrende Schritte unter ihnen hörbar. Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie hatte nicht geahnt, dass ihnen so wenig Zeit blieb.
"Bitte, Kare, ich werde dir alles erklären- später. Bitte, mach, was Chris dir sagt. Verschwindet. Beide! Sofort!"
Die letzten Worte hatte sie bereits geschrieen, denn in diesem Moment krachte etwas mit voller Wucht gegen die Wohnungstür und sprengte diese aus der Fassung.
Es war zu spät.
Der Angriff hatte bereits begonnen. Drei Orks stürmten nacheinander in die Wohnung. Chris packte Kare unsanft am Arm, stieß sie in die Küche und schlug die Tür vor ihrem entsetzten Gesicht zu.
Dann nahm er davor Aufstellung, enthauptete den ersten und tötete den zweiten Ork mit einem gezielten Stich ins Herz. Gena kämpfte ihre Angst mit Gewalt nieder. Beim Anblick des Orkblutes auf der weißen Wand erwachte plötzlich etwas in ihr.
Sie hatte diese Kraft schon zuvor gespürt. Gena stürmte mit einem Schrei nach vor und erschlug den dritten Ork, bevor dieser auch nur die Zeit fand, seine Waffe zu erheben und ging ohne nachzudenken auf den nächsten Uruk-Haî los.
Innerhalb weniger Sekunden lagen bereits sechs leblose Gestalten auf dem Boden, der helle Teppich hatte sich dunkelrot verfärbt.
Draußen hörte man die markerschütternden Schreie der Nachbarn, die den fatalen Fehler begangen hatten, ihre Wohnungen zu verlassen. Der Kampf war blutig und gnadenlos. Gena und Chris bot sich der Vorteil, dass die Angreifer immer bloß in Zweiergruppen durch den engen Korridor passten. Trotzdem spürte Gena, wie ihre Kraft, angereichert durch die fremde Magie in ihr, zusehends nachließ.
"Chris!", brüllte sie über die Schulter zurück, "macht, dass ihr rauskommt! Ich schaffe das auch allein!"
Um ein Haar hätte sie einen Ork übersehen, der mit erhobener Keule auf sie zugerast kam. Im letzten Moment vollführte sie einen Streich und die Kreatur stürzte, das Schwert bis zum Haft in seiner Brust, zu Boden.
Die nachfolgenden Krieger blieben zögerlich im Korridor stehen, als sie das inzwischen gute Dutzend toter Kameraden vor sich liegen sahen. Es blieben ihnen einige Sekunden, um Luft zu schnappen. Chris riss die Tür zur Küche auf, fasste die vor Entsetzen kreischende Kare am Arm und schob sie vor sich her zum Fenster, welches er kurzerhand einschlug. Ungeduldig half er ihr, nach draußen zu steigen.
Als Gena sicher war, dass die beiden in Sicherheit waren, widmete sie sich wieder den Angreifern. Die Feuerleiter führte direkt auf den Bürgersteig. Sie bezweifelte, dass die Orks sich auf der belebten Hauptstraße zu zeigen wagten.
In der Ferne wurde Sirenengeheul laut. Das nächste halbe Dutzend Gegner kostete ihr keine große Mühe, darauf folgte eine Gruppe von Uruk- Haîs, die ihr Schwierigkeiten bereiteten, die sie aber unter Aufwand all ihrer neuerworbenen Kraft bis auf den letzten erledigte.
Schweratmend blickte sie über den Haufen toter Körper , Leichenteile und die blutbespritzte Einrichtung. Angeekelt verzog sie das Gesicht und stieg über die Kadaver hinweg zur Tür, drängte sich zwischen den entsetzten Nachbarn und Schaulustigen hindurch und stürmte die zwei Stockwerke nach unten auf die Straße.
Was sie dort sah, ließ sie zur Salzsäule erstarren. Kare lag regungslos auf dem Boden. In ihrem Rücken stak ein Pfeil mit dunklem Gefieder. Chris kniete neben ihr auf dem Asphalt und sah nicht einmal auf, als Gena schweigend hinter ihn trat. Heiße Tränen liefen über Genas Gesicht und ein erstickter Schrei trat über ihre Lippen.
Sie ließ das blutverschmierte Schwert klirrend zu Boden fallen und schlug die Hände vor den Mund.
"Nein", keuchte sie, den Kopf schüttelnd. Das durfte nicht sein. Das war unmöglich. Mit größter Mühe riss sie ihre Augen von dem Körper ihrer toten Freundin los und sah zu Chris hin. Er war plötzlich geisterhaft still geworden. Zärtlich strich der Elb über den Kopf von Kare, sanft, fast ohne sie zu berühren. Genas Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen und ein eisiger Schauer jagte über ihren Rücken.
Er war ein Elb, und erlebte als solcher jedes Gefühl mit doppelter, wenn nicht dreifacher Intensität. Wenn selbst ihr Verstand in diesem Moment zu zerbrechen drohte, wie musste es dann ihm ergehen? Vorsichtig legte sie die Hand auf seine Schulter. Es war eine freundschaftliche Geste, die Trost hätte spenden sollen.
Chris aber wich ihr aus und drehte sich langsam zu ihr um. Seine Augen waren dunkel vor Schmerz, sein Gesicht zu einer einzigen Grimasse aus Kummer und Schmerz verzogen.
Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und die Lippen zu einem blutleeren Strich zusammengepresst. "Geh", verlangte er mit bebender Stimme.
"Chris, ich bitte dich, ..." -
"GEH!" Dieses Mal klangen die Worte befehlend, peitschten wie Schläge durch die von Straßenlaternen erhellte Nacht. Eine Weile noch konnte sie seinem Blick standhalten, dann nickte sie, zog resignierend den Kopf ein und ging. Die ersten Polizeiwagen kamen an, das blaue Licht der Sirenen zuckte über den schwarzen, nassen Aspahalt. In einiger Entfernung blieb Gena im Schatten einer Wand stehen.
Mit dumpfem Entsetzen stellte sie fest, dass neben Kare nun eine weitere leblose Gestalt lag. Sie hatte es gewusst. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, sie würde dort auf der nassen Straße liegen. Sie, nicht dieses unschuldige Liebespaar. Sie. Grennrey á Lórien. Die Hexe, die allen, die sie liebte, bloß Unglück und Tod brachte.
Innerlich zu Eis erstarrt verschwand sie in einer dunklen Seitengasse
