In der Dunkelheit der Nacht, nur den Mond und die unzähligen Sterne als Zeugen, tanzten drei kleine Mäuse auf einem alten Holztisch. Wenn die Tatsache allein, dass diese Mäuse tanzten nicht schon unglaublich genug war, dann war es die Tatsache, dass sie weder Fell noch Fleisch besaßen. Drei kleine Mäuseskelette tanzten im Mondschein auf einem alten Holztisch, in einem kleinen Zimmer, in einem normalen Haus, in einer Straße wie jeder anderen. Natürlich könnte es sich bei den Skeletten um Papier oder Spielzeuge handeln. Doch der Mond, die Sterne und der junge Mann vor dem Tisch wussten, dass es echte Mäuse waren, die ihren Tanz auf dem alten Holztisch vollführten.
Seufzend lies der junge Mann seine drei neuen Haustiere in eine Pappschachtel huschen. Keiner seiner Verwandten sollte sie finden. Die Wahrscheinlichkeit wäre so auch schon gering gewesen, aber er wollte es vermeiden. Sie hielten ihn so oder so für einen verrückten Spinner. Da mussten sein Onkel, seine Tante und sein Cousin nicht auch noch Wind davon bekommen, dass er mit den Mäuseresten, die seine Schneeeule zurückließ, spielte. Nun ja, er sah ihnen eher dabei zu wie sie sich bewegten. Gerade als er die Schachtel schließen wollte, huschte eine der Mäuse über seinen Tisch und griff sich den noch ungeöffneten Brief. Sie legte ihn vor ihn und verschwand schließlich.
Er wusste, dass er sich bei seinen Freunden mal melden sollte, aber er fühlte sich nicht danach. Was sollte er ihnen schon erzählen. Er machte nicht viel, abgesehen von schlafen, essen, umherwandern und mit seinen neuen Haustieren zu spielen. Letzteres konnte er ihnen schlecht sagen. „Ron, Hermione, versteht mich nicht falsch, aber ich kann Toten Leben einhauchen und ihre Skelette nach meinem Willen befehligen." Genau das was noch gefehlt hätte. Er war sich sicher, dass die meisten eh dachten, dass er einen an der Waffel hatte.
Aber seine Mäuse hatten wohl Recht, er sollte wenigsten nachsehen, was man von ihm wollte.
„Lieber Harry,
es tut uns so furchtbar Leid, dass wir dir jetzt erst schreiben, aber ich bin erst gestern her gekommen und es ist so viel passiert. Wir werden dir alles erzählen, wenn du hier bist, versprochen. Wir sind alle im Hauptquartier und man holt dich einen Tag vor deinem Geburtstag ab. Ich weiß nicht wer kommen wird, aber bitte pass auf dich auf.
Hermione und Ron."
Oh, das war, schlecht. Es war der Abend vor seinem Geburtstag. Was hieße, dass er nicht wirklich viel Zeit zum packen hatte. Mit einem Satz war er auf den Beinen und wollte gerade die Tür öffnen um seinen Verwandten bescheid zu sagen, als die Haustür geöffnet wurde.
„Einen guten Abend. Wir sind hier um Harry abzuholen."
Das hatte sich damit für ihn erledigt, seine Verwandten wussten nun bescheid, dass er nicht länger hier bleiben würde. Remus Lupin hatte das für ihn erledigt. Er war ihm nicht böse darum.
„Abholen? Aber wieso? Sollte er nicht bis Morgen hier bleiben?", fragte seine Tante verwirrt. Nach dem Heuler in seinem fünften Jahr, hatte sich das Verhältnis zumindest zwischen ihm und seiner Tante etwas gebessert.
„Hat Harry Ihnen nichts gesagt? Oh, nun ja. Wir halten es für besser wenn wir ihn heute Abend bereits zu uns nehmen. Für die Sicherheit aller Beteiligten!"
Erwarteten sie, dass sobald die Schutzzauber an seinem Geburtstag aufgelöst wurden, er sofort angegriffen werden würde. Es klang zumindest so und Voldemort und seinen Anhängern wäre es auch zu zutrauen. Seine Verwandten waren damit aber nicht wirklich sicher.
Harry zuckte mit den Schultern, das konnte ihm eigentlich ziemlich egal sein. Sie hatten sich all die Jahre nicht um ihn geschert, da würde er sich nicht wirklich große Sorgen um sie machen. Aber das würde er niemanden erzählen, er war ja ein so guter Junge.
Er stieg die Treppe hinab und sah in Remus erleichterte Augen. Neben ihm stand Charlie Weasley, der zweitälteste der Weasleykinder.
„Harry, schön dich zu sehen!"
Als Remus ihn in seine Arme schloss, musste Harry erschrocken feststellen wie dünn der Werwolf unter seiner Kleidung wirklich war. Ein Blick in sein Gesicht verriet ihm auch, dass er nicht nur wenig aß. Remus hatte dunkle Ringe unter den Augen und seine Haare hatten einen deutlichen Graustich bekommen.
„Ich sehe fürchterlich aus, nicht wahr? Tut mir leid."
„Nein Remus. Es ist schön dich wieder zusehen. Charlie."
Beide schüttelten einander die Hände. Charlie sah zerzaust aus und Harry hatte an seinen Händen alte Brandwunden gespürt. Etwas was sicher von dem einen oder anderen Drachen herrührte. Er wusste wie garstig die Tiere werden konnten.
„Hast du schon alles gepackt? Wir möchten uns so kurz wie möglich hier aufhalten."
Mit schlechtem Gewissen schüttelte der jüngste Zauberer in der Runde den Kopf. Remus seufzte und schob Harry die Treppe wieder hinauf.
„Ich werde noch kurz etwas mit deinen Verwandten besprechen. Charlie wird dir sicher helfen."
Den voll gestopften Koffer in der Tasche, den Käfig von Hedwig in der anderen, Remus und Charlie auf je einer Seite von ihm stand Harry vor dem Haus seines Paten. Seinem Haus. Er wollte keinen Schritt weiter gehen.
„Harry wir müssen weiter."
Nur schweren Herzens ließ sich der junge Zauberer von Remus weiter schieben. Eigentlich sollte er sich schämen. Der Tod seines Paten, obwohl er schon über ein Jahr her war, tat sicher nicht nur ihm weh. Remus hatte ihn zum Beispiel viel länger gekannt und beide waren sehr gute Freunde gewesen. Er vermutete auch, dass das der Grund war wieso Remus so fertig aussah und nicht die Arbeit für den Orden.
Das Haus war saubere und wirkte etwas freundlicher als noch vor fast zwei Jahren. Im letzten Jahr hatte er nicht das Herz gehabt hier her zu gehen und auch jetzt war es nicht leichter. Aus der Küche strömte der Geruch von Essen und Harry wunderte sich darüber sehr. Es war mitten in der Nacht.
„Harry mein Junge.", Molly Weasley schloss ihn fest in ihre Arme, „Du bist schon wieder so dünn. Komm, das Essen ist gleich fertig und die anderen werden bestimmt auch etwas essen wollen."
„Ist es nicht etwas spät?"
Molly drehte sich wieder zu ihm um, während sie in einen großen Topf voll Suppe rührte.
„Die Sitzung hat länger gedauert als es irgendjemand erwartet hatte. Also gibt es heute spätes Essen."
Eine Ordenssitzung. Harry ahnte worum sie sich zumindest zum Teil gedreht hatte. Ihn. Am morgigen Tag würde er volljährig werden und im September sein letztes Schuljahr antreten. Man erwartete also, dass er dem Bösen im Laufe des Jahres oder nach seinem Abschluss den Gar ausmachte.
Ziemlich unzufrieden mit sich und der Welt ließ er sich auf einen Küchenstuhl fallen. Kaum saß er, kamen Hermione und Ron zur Tür hineingestürmt. Wie jedes Jahr fand Harry seine Sicht von einer braunen Wolke aus Haar versperrt.
„Geht es dir gut? Du hast nicht geantwortet. Wir dachten es sei etwas passiert. Wie waren die Ferien bisher? Und es tut mir so leid, wir hätten dir gern so viel früher geschrieben."
„Hermione, es geht mir gut, es tut mir leid, dass ich nicht geschrieben habe und es ist nicht so schlimm."
„Wirklich?"
„Wirklich, wirklich."
Seine beste Freundin ging ein Stück zur Seite um Ron platz zu machen. Der Harry einfach nur eine Hand auf die Schulter schlug und ihn angrinste.
„Man Alter, sie hat mich wahnsinnig gemacht."
Das konnte sich Harry sehr gut vorstellen. Hermione machte sich immer um alles und jeden sorgen. Manchmal berechtigt, manchmal nicht.
Das Essen verlief laut. Nachdem jeder mit einem, es geht mir gut ehrlich, abgespeist wurde, fingen jeder sein Gespräch an. Remus war geblieben, genauso wie Kingsley und Tonks. Harry vermutete, dass beide zu seiner Sicherheit hier waren. Musste man ihn eigentlich immer wie ein rohes Ei behandeln. Dumbledore, McGonagall und einige andere Mitglieder waren direkt nach dem Treffen verschwunden. Harry war nicht böse drum. Mit Dumbledore war er seit Sirius Tod auf schlechtem Fuß und die meisten der anderen kannte er nicht wirklich.
„Junge iss.", meinte Molly sicher zum hundertsten Mal und Harry fragte sich wen sie meinte. Remus oder ihn, „Ihr esst beide wie die Mäuse."
Mäuse. Er konnte seine drei kleinen Freunde wohl für eine ganze Weile nicht mehr aus ihrer Schachtel lassen. Arme Kerlchen.
Ron und seine Familie hatten, nachdem der Fuchsbau abgebrannt war in der ersten Ferienwoche hier ihr momentanes Zuhause gefunden. Und unter Molly Weasleys strenger Hand hatten sie das Haus endgültig auf Vordermann gebracht. Fred und George hatten sich wie es heraus zu hören war scheinbar gekonnt vor der Arbeit gedrückt, in dem sie sich mit ihrem Job etwas mehr als nötig beschäftigten. Sehr zu Rons und Ginnys Missfallen. Wieso Charlie hier war, hatte Harry noch nicht heraus bekommen. Ron war scheinbar genauso Ahnungslos. Hatte wohl aber was mit Drachen und Voldemort zu tun. Was sonst.
Hermione war mit ihren Eltern verreist und hatte dort, das ein oder andere Buch über alte Zaubersprüche aufgegriffen. Ron hatte darauf die Augen verdreht. Hermione und Bücher, was sollte man dazu noch sagen. Außer vielleicht, typisch.
Der Abend war dann recht schnell zu Ende. Als alle fertig waren, schickte Molly alle ins Bett. Remus behandelte sie dabei genauso wie Ron, Harry und Charlie.
„Das macht sie schon den ganzen Sommer über. Wenn ich nicht aufpasse kann ich aus Lupin Weasley machen und mir wachsen rote anstatt graue Haare."
„So schlimm ist sie nun auch nicht. Sie macht sich halt sorgen!", erwiderte Hermione zu Mollys Verteidigung.
„Wieso müsst ihr Frauen eigentlich immer zusammenhalten?", stöhnte Ron und fing sich einen Schlag auf den Hinterkopf seitens Charlies ein. Ein paar leise Ratschläge an Ron später entschuldigte er sich bei Hermione. War da Harry irgendwas entgangen? Es war ja schon vorher ziemlich deutlich gewesen, dass da wohl etwas mehr als Freundschaft zwischen seinen beiden besten Freunden war, aber irgendwie hatte er sich nie wirklich etwas dabei gedacht, weil beide nicht wirklich etwas getan hatten.
„Ron, was hab ich verpasst? Was läuft da zwischen dir und Hermione?"
Harry war klar, dass er genauso viel Taktgefühl an den Tag legen konnte wie Ron es immer tat. Und ihm war bewusst, dass er das gerade getan hatte. Wer konnte es ihm verübeln, er fühlte sich wie immer etwas im Dunkeln gelassen.
Ron drehte sich in seinem Bett zu ihm um. Er konnte sein Gesicht nicht sehen, von daher war es schwer zu sagen, was Ron gerade dachte.
„Weißt du… ich mochte Hermione ja schon immer. Ein bisschen zumindest. Aber… in letzter Zeit… nun ja… wie soll ich das sagen?"
„Du bist in Hermione verliebt. Ganz einfach."
„Jaah… aber irgendwie glaube ich, dass Hermione das nicht so sieht und so."
„Du weißt nicht ob sie deine Gefühle erwidert und hast nicht den Mut sie zu fragen. Bist du ein Gryffindor oder nicht? Wo ist das Problem?"
Harry war es unbegreiflich. Gut er war noch nie wirklich verliebt gewesen. Ein paar Gefühle für Cho Chang, was aber eher so etwas wie eine kleine Verliebtheit gewesen war und etwas für Ginny, was letztendlich doch nur eine Art mutiertes Großerbrudergefühl gewesen war. Sie beide waren schließlich sich einig gewesen, dass ganze zu vergessen. Aber wieso machten manche Menschen so einen Aufstand deswegen. Es konnte nichts so Weltbewegendes sein.
„Bist du verrückt? Ich kann sie doch nicht einfach so fragen. Was ist wenn sie nein sagt oder mich auslacht."
„Wird sie nicht Ron, wird sie nicht, glaub mir."
„Sicher?"
„Ein Blinder mit 'nem Krückstock sieht, dass bei euch beiden mehr für einander drin ist, als Freundschaft."
„Sicher?"
„Herr Gott Ron, ja. Und jetzt schlaf!"
