1. Prolog

Willkommen zu meiner Neufassung von "That's me". Die Story ist jetzt schon etwas älter und ich kann garnicht glauben, dass ich das vor drei oder gar vier Jahren geschrieben habe! So viel ist seither passiert, hoffentlich haben sich auch meine Schriftstellerischen Fähigkeiten etwas verbessert nach all dem Literaturunterricht. Das war auch einer der Gründe, wieso ich mich zu einer Generalüberholung entschlossen habe. Dashier ist soetwas wie mein Baby, obwohl es eigentlich als Vorgeschichte zu meinem größeren Prokekt gedacht war, was ich nie in die Tat umsetzten konnte. Doch gute Nachrichten: dieses ist jetzt in Bearbeitung! Es hat sich jedoch einiges geändert: es gibt zusätzlich einen Prolog, sowie einen Epilog und möglicherweise sogar ein 13. Kapitel!

Zum Inhalt: Katie Bells Tochter Laurie ist 17 Jahre alt. Sie weiß wenig über ihre Mutter, die schon früh gestorben ist. Als sie schließlich ihre Tante kennenlernt, hat diese eine große Überraschung für sie: die Briefe und Erinnerungen, die ihre Mutter für sie hinterlassen hat! So erzählt Katie ihrer Tochter, wer sie wirklich ist und vor allem, wie sie ihren Vater traf. KBOW

Disclaimer: Mir gehören lediglich einige der Personen wie Laurie, Izzy und Charly, die meiner verückten Fantasie entsprungen sind. Der große Rest gehört der großartigen JKR!

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Frustriert warf Laurie ihr Buch auf den Boden neben dem Stuhl, in dem sie bis eben gesessen hatte. Wie hätte sie auch bei diesem Lärm sich auch nur im Geringsten auf ihr Buch konzentrieren können? Ihre Tante Emilia mit ihren Kindern war zu Besuch, so wie jedes Jahr, denn ihr Vater und ihre Stiefmutter feierten an diesem Abend das Ende der diesjährigen Quidditch Saison. Dieses Jahr würde es eine besondere Feier werden, denn Puddlemere United hatte es geschafft, den Nations- Cup zu gewinnen. Lauries Vater war dieses Jahr zum ersten Mal Chef Trainer. Es war ein großer Erfolg, nicht nur für das Team, sondern auch für ihren Vater. Der Manager hatte daraufhin beschlossen, ihm einen unbefristeten Dauervertrag anzubieten, den dieser natürlich angenommen hatte. Sie freute sich für ihn, aber im selben Moment stimmte es sie traurig, da es zur Folge hatte, dass sie ihn wieder ein ganzes Jahr nicht zu Gesicht bekommen würde. Mit wachsender Frustration beobachtete sie ihren beiden jüngeren Cousins, die auf ihren Spielzeugbesen von ihrem kleinen Bruder durch den Garten gejagt wurden.

„Könntest du vielleicht damit aufhören?", knurrte sie wütend, nachdem die anfangs überwitzigen Schreie der Kleinen sich langsam aber sicher in pure Furcht verwandelt hatten.

„Wieso? Die beiden gehen dir doch auch auf die Nerven, wieso macht es dir also etwas aus, wenn ich sie von dir abhalte?", entgegnete David provozierend.

„Lass' ihn doch, Schwesterchen, was macht es dir denn schon aus?", mischte sich daraufhin ihr älterer Bruder Vincent ein.

Er warf ihr einen viel sagenden Blick zu und entblößte seine blendend weißen Zähne in einem falschen Lächeln, nachdem sie ihm ein par tötende Blicke zugeworfen hatte. Sie hasste ihren Bruder mit jeder Faser ihres Körpers. Nie im Leben hätte sie es sich träumen lassen und es kam ihr immer noch schrecklich unnatürlich vor, dieses Wort zu benutzen. Es war so extrem und stark; doch in diesem Fall gab es einfach keinen anderen Ausdruck dafür. Vincent war, im Gegensatz zu ihrem jüngeren Bruder David, ein kompletter Schönling. Groß, breite Schultern, dunkles Haar und pechschwarze Augen. Sein Gesicht war das einer Models in Witch Weekly, der die neusten Trends zur Schau stellte. Sie waren im gleichen Alter, und all ihre Klassenkameradinnen schwärmten für ihn. Da sie nur Stiefgeschwister waren, sahen sie sich überhaupt nicht ähnlich. bis auf das dunkle Haar waren sie komplett verschieden, sowohl innerlich als auch vom Wesen her. Ihre Augen waren strahlend blau und sie war beinahe einen Kopf kleiner als er und viele der Schüler in ihrem Jahrgang. Und doch, morgen war ihr Geburtstag. Sie wurde siebzehn – volljährig!

Noch dazu würde sie im Herbst ihr letztes Jahr in Hogwarts antreten, der Schule für Hexerei und Zauberei. Die Wochen, die sie im Sommer zuhause verbringen musste, kamen ihr immer vor wie eine reine Folter. Ihr Vater war meistens unterwegs mit seinem Quidditch Team und kam nur gelegentlich nach Hause. Letzten Sommer hatte sie ihn kaum zu Gesicht bekommen und diese Ferien hatte sie ihn noch gar nicht gesehen, dabei waren sie schon seit über zwei Wochen zuhause. Mit ihrer Stiefmutter kam sie gelegentlich ganz gut aus, aber sie hatte nie die typische Mutter-Tochter Beziehung mit ihr entwickelt. Schon als kleines Mädchen hatte Laurie die Wellen aus Feindseligkeit gespürt, die sie ihr entgegenschickte, aber damals hatte sie diese nicht wirklich verstehen können. Das musste etwas mit der Vergangenheit zu tun haben mussten, woran sie sich leider nicht erinnern konnte. Über ihre Leibliche Mutter wusste sie so gut wie nichts, da ihre Eltern auf fragen ihrerseits immer sehr schweigsam und kurz angebunden reagierten. Auch ihre Tanten, Onkel und Freunde ihre Eltern waren keine große Hilfe, auch wenn sie manchmal den Eindruck machten, als wüssten sie etwas und würden es ihr verschweigen. Das machte sie schrecklich wütend.

Jetzt, genau in diesem Moment wünschte sie sich weit, weit weg zu sein und mit irgendjemandem reden zu können, der mehr wusste. Oft fühlte sie sich hier fehl am Platz. Hogwarts war der einzige Ort, an dem sie sich zuhause fühlte und sie sein konnte, wer sie wirklich war. Das einzige, was man ihr immer erzählte war, dass ihre Mutter und ihr Vater sich während ihrer Schulzeit kennen gelernt hatten und ihre Mutter von Voldemorts Todessern getötet worden war, als sie noch sehr klein gewesen war. Das einzige Foto von ihrer Mutter, das sie besaß, stand in einem alten Bilderrahmen auf ihrem Schreibtisch. Es zeigte ein Mädchen von ungefähr fünfzehn Jahren. Sie steckte in einer Hogwarts-Uniform und genau wie Laurie war sie eine Gryffindor gewesen. Ihre Haare waren beinahe weißblond und sie hatten dieselben strahlend blauen Augen. Auch das Lächeln auf ihrem Gesicht war ihr exaktes Ebenbild.

Doch das war schon beinahe alles, was sie von ihrer Mutter wusste. Durch Zufall hatte ihre Freundin Sarah den Namen ihrer Mutter in einer der Vitrinen in Hogwarts entdeckt. Sie hatte im selben Jahr für das Gryffindor Quidditch Team gespielt, in dem dieses nach langen Jahren endlich wieder den Pokal gewonnen hatte. Katie Bell war eine Quidditch Spielerin! Laurie war dem Beispiel ihrer Eltern gefolgt und spielte schon seit dem zweiten Schuljahr in ihrer Hausmannschaft, für Gryffindor. Von ihren Geschwistern war sie die einzige Gryffindor, ihre beiden Brüder gingen nach Ravenclaw. So wie sich ihr Bruder Edward sich manchmal verhielt, wunderte sie dies doch stark.

Genervt seufzend rollte sie mit den Augen und stand auf. Ihre Brüder gingen ihr auf die Nerven, aber es war nun sowieso Zeit sich fertig zu machen, da ihre Stiefmutter in einigen Minuten mit ihren zur Winkelgasse aufbrechen würde, um die Schulsachen besorgen zu gehen. Als se sich gerade abwenden wollte um sich zur Treppen nach oben zu begeben, öffnete sich die Haustüre.

„Hallo? Bin ich noch rechtzeitig gekommen?", hörte sie die Stimme ihres Vaters durch das Haus schallen und sie konnten ihren Ohren beinahe nicht trauen.

„Dad? DAD!", rief sie freudig, all ihr Groll von einem Moment auf den nächsten komplett vergessen und sie rannte den Flur entlang auf ihn zu. Er breitete seine Arme auf und schwang sie durch die Luft.

Als er sie schließlich wieder absetzte, hielt er sie eine Armlänge von sich entfernt, um sie besser betrachten zu können. Sein breites Lächeln wich langsam einem traurigen Gesichtsaudruck, als hätte er plötzlich etwas begriffen und er räusperte sich, seine Freudigkeit en wenig gedämpft.

„Alles in Ordnung, Dad?", fragte Laurie daraufhin besorgt und er warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu.

„Natürlich Kleines" entgegnete er, „Alles in bester Ordnung."

Er sagte ihr nicht de komplette Wahrheit; sein Inneres war ein einziges Meer aus Gefühlen. Wie aus dem nichts hatte sich das ruhige Wasser in einen gewaltigen Sturm verbreitet, der ihn beinahe über Bord gestoßen hätte. In dem einen Jahr, in dem er seine Tochter nicht gesehen hatte, hatte sie sich von einem kleinen Mädchen zu einer erwachsenen Frau verwandelt. Einer Frau, die ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten schien. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen und für einen Moment hätte es ihn beinahe aus der Fassung gebracht, da er beinahe geglaubt hatte, Katie würde vor ihm stehen. Nun schloss er Laurie erneut in seine Arme und drückte sie fest an sich.

„Ich habe dich so vermisst mein Kleines, ich verspreche dir, dass ich dich in Zukunft wieder öfter besuchen kommen werde! Nun, bist du fertig, damit wir zur Winkelgasse aufbrechen können? Ich habe gehört, dass sie heute einen neuen Nimbus vorstellen wollen und ich dachte mir, als Tochter eines Quidditch Trainers, könntest du ein Update vertragen?", meinte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Sie antworte ihm mit einem ebenso breiten Grinsen.

Nicht viel später drängte Laurie sich zufrieden lächelnd mit ihrer Familie durch die Menschenmassen auf der engen Einkaufsstraße. Ihr Vater hatte Recht behalten, heute wurde ein neuer Nimbus vorgestellt. Der neue Nimbus 3010. Vor dem kleinen Quidditch Geschäft hatte sich eine kleine Flocke aus Menschen in verschiedenfarbigen Umhängen vor dem Schaufenster versammelt. Sie beobachteten, wie der Verkäufer das neue Model im Fenster aushängte. Sofort drängten sie näher heran, ihre Nachbarn mit den Ellenbogen stoßend und schupsend. Ihr Vater bahnte ihnen den Weg durch das Gedrängel, sodass sie schließlich in die völlige Stille des Ladens eintauchen konnten, der noch völlig leer war.

„Guten Morgen! Wie kann ich ihnen heute behilflich sein?", begrüßte ihn der kurz gewachsene, rundliche Zauberer, welcher der Verkäufer zu sein schien.

„Mr. Bebblin, immer ein Vergnügen! Ich interessiere mich für ihren neuen Nimbus, natürlich.", antworte Oliver.

„Für ihren Sohn oder ihre Tochter?", fragte Mr. Bebblin, als er weiter in den Laden hineinlief.

„Für meine Tochter."

„Oh, was für eine Position spielt ihre Tochter denn?"

„Sie ist Sucher für Gryffindor jetzt schon im sechsten Jahr!"

„Oh wie erfreulich! Nun, da habe ich genau den richtigen Besen für sie, Mr. Wood! Nimbus hat dieses Jahr nicht nur ein neues Model, sondern genau genommen sogar zwei! Da immer mehr Frauen Quidditch spielen, haben die Designer sich entschieden, den neuen Nimbus gleich in zwei Modellen vorzustellen: einem für Männer und einem speziell für Frauen! Lassen sie mich es ihnen vorführen!"

Er führte sie zum hintersten Eck des Ladens. Dort stand eine goldene Truhe, die auf dem Deckel mit dem in gold gefassten Emblem des Nimbus versehen war. Aus ihren tiefen beförderte der Verkäufer einen schlanken, stromlinienförmigen Besen hervor.

„Nimbus hat sich in diesem Model selbst übertroffen, ich würde sogar fast behaupten, er sei besser als der neue Feuerblitz. Feinstes, dunkles Mahagoni und Alpen-Reisig. Dieser Besen ist etwas kürzer, schmaler und wendiger." Ihr Vater nickte.

„Für eine zarte Frauenhand genau das Richtige!" fügte der Mann noch hinzu.

Eine halbe Stunde später betraten sie den Buchladen, ihr Vater schleppte das längliche Paket aus dem Quidditch Laden mit sich. Laurie kramte zufrieden lächelnd nach der Bücherliste, die sie in ihre Umhängetasche gesteckt hatte, bevor sie aufgebrochen waren.

„Brauchst du meine Hilfe oder kann ich deinen Geschwistern und deiner Mutter helfen gehen?", fragte er seine Tochter und beugte sich dabei zu ihr hinab, da sie um einige Zentimeter kleiner war als er.

„Danke Dad, ich komme schon alleine zurecht!" meinte sie und verzogt ihr Gesicht zu einem schiefen Grinsen.

Was erwartete er? Dass er noch ihre Windeln wechseln musste? Sie war beinahe siebzehn, nicht sieben! Behutsam bahnte sie sich einen Weg durch die Massen an Schülern und Eltern, die mit Listen unterwegs waren und Bücher aus den Regalen griffen. Gerade hatte sie sich an einer besonders schwerhörigen Mutter mit ihrem Sohn vorbei gequetscht, die sie fünf mal hatte bitten müssen dass sie zur Seite gehen möge, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Es war nicht unüblich hier Freunde zu treffen, also drehte sie sich schon lächelnd um, doch ihr Lächeln verblasste ein wenig, als sie ihr Gegenüber wahrnahm.

Sie hatte diese Frau noch nie gesehen. Ihr langes, schokoladenbraunes Haar hing ihr weit über die Schultern und war von weißen Strähnen durchsetzt. Ihr Gesicht barg ebenfalls leichte Zeichen des Alters, besonders in der Region um die Augen, die von einem strahlenden Blau waren, ähnlich dem Lauras Augen. Diese Augen waren so intensiv, beinahe wie ein Buch. Sie erzählten von viel Freude, aber auch schrecklichem Leid und Bitterkeit; aber sie steckten voller Weisheit und Güte. Laurie schätzte sie auf knapp fünfzig, so wie ihren Vater. Irgendwie kam sie ihr auch bekannt vor, obwohl sie sich nicht sicher war woher sie sie kannte und das machte ihr etwas Angst. Plötzlich bemerkte sie, dass diese mysteriöse Fremde immer noch ihrem Arm fest umschlossen hielt. Laurie sah sie verwirrt und fragend an.

„Kann ich ihnen weiterhelfen?", fragte sie etwas zaghaft.

Wahrscheinlich hatte sie diese Frau nur mit jemandem verwechselt. Mit ihrer Tochter, Enkelin, Nichte oder einfach einer Bekannten. Aber sie sagte nichts, obwohl man ihr ansah dass sie etwas sagen wollte. Sie rang nach Worten, schien aber das Sprechen völlig verlernt zu haben.

„Ich...Wie ist dein Name? Wer ist dein Vater?", hörte sie die Stimme der Frau.

Was konnte sie mit dieser Frage bezwecken wollen? Was fiel ihr ein? Schon wieder ein Fan ihres Vaters! Jetzt konnte sie noch nicht einmal mehr in Ruhe ihre Bücher einkaufen gehen! Warum wollte sie all das wissen? Vielleicht war sie ja eine verrückte, eine Fanatikerin, die es auf ihren Vater abgesehen hatte? Aber sie hatte auf den ersten Blick alles andere als verwirrt gewirkt. Laura hätte schwören können, dass diese Frau einer der ruhigsten und zielstrebigsten Menschen war, den sie je getroffen hatte.

„Was geht sie das an? Was wollen sie von mir?", fragte Laura und versuchte sich von ihr loszureißen, während sie panisch den Laden mit den Augen nach ihrem Vater absuchte.

„Ich muss mit dir über sie sprechen!" zornig versuchte sie sich erneut loszureißen „Es geht um deine Mutter! Deine leibliche Mutter."

Laura erstarrte und drehte sich um, sodass sie die Frau eingehend studieren konnte. Ihr mittelbraunes Haar war von einigen silbernen Strähnen durchwirkt und zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengefasst. Ihre Stirn und Mundwinkel wiesen deutliche Sorgenfalten auf und Laurie war sich sicher, dass die hagere Frau älter aussah als sie eigentlich war. Doch trotz allem umhüllte sie ein unerklärliches Strahlen und sie war wunderschön, die braunen Augen blitzten hellwach.

„Was...was wollen sie damit bezwecken?", fragte Laurie, doch dann wich ihre Überraschung purer Wut: „Was fällt ihnen ein? Meine Mutter ist tot! Sie ist gestorben, als ich noch sehr klein war. Was machen sie sich jetzt einen Spaß daraus, mich damit zu belasten? Woher wissen sie das überhaupt? Sind sie eine Reporterin?! Von mir erfahren sie nichts, aber auch rein gar nichts!" Lauras Stimme war immer weiter angeschwollen, als sie sich in Rage schrie und aus den Augenwinkeln konnte sie ihre Eltern auf sie zueilen sehen.

„Was geht hier vor?", ertönte die Stimme ihres Vaters, der hinter der Fremden auftauchte und sie spürte die Hand ihrer Stiefmutter auf ihrer Schulter.

Als ihre Eltern die Fremde erblickten, verstummte ihr Vater jedoch und ihre Stiefmutter erbleichte. Mit leiser, aber fester Stimme fragte daraufhin ihr Vater: „Was willst du hier? Warum tust du das? Du hattest versprochen, sie in Frieden zu lassen und sie nicht damit zu belasten!"

Sie konnte die Flammen des Zorns in den Augen der Fremden auflodern sehen wie eine Explosion. Ein kalter Schauer lief Laura über den Rücken. Die Fremde schien um einige Zentimeter gewachsen zu sein und es kam ihr vor, als würde alle Macht in diesem Raum von ihr aufgesogen.

„Was mir einfällt? Das sollte ich dich fragen! So war es nicht vereinbart! Ich habe meiner Schwester versprochen auf Laura acht zu geben. Wir alle haben den heiligen Eid geschworen, ich ebenso wie ihr! Nie habe ich etwas von euch gehört und Laurie wächst anscheinend völlig ahnungslos auf, ohne irgendetwas zu erfahren. Ihr habt sie ihrer Vergangenheit und ihrer eigenen Geschichte beraubt!"

Laurie war nun vollkommen verwirrt. Wer war diese Frau? Sie schien ihre Mutter wirklich zu kennen...und warum warf sie ihren Eltern vor sie hätten sie ihrer Vergangenheit beraubt? War da mehr an dieser Geschichte ihrer Mutter, was sie ihr vorenthalten hatten? Sie hatte es immer vermutet, aber Fragen nach ihrer Mutter waren immer im Keim erstickt worden und sie hatte es auch nie für wirklich nötig empfunden, da sie nie Teil ihres Lebens gewesen war. Ihre Eltern rangen nach Luft und die Fremde ergriff erneut das Wort.

„Sie ist jetzt schon siebzehn, sie hat ein Recht alles zu erfahren! So war es von vorne herein abgesprochen, falls es euch entfallen ist!"

„Izzy, es tut mir leid, es war nicht meine Absicht...du weißt, wenn ich könnte...", stammelte ihr Vater.

„Genug! Mein Name ist Isabelle! Und mein Vertrauen kannst du vergessen, aber wenn dir das deiner Tochter irgendwo noch am Herzen liegt, kommt ihr am nächsten Wochenende zu mir nach Hause. Du weißt, wo ich wohne. Ich kann jetzt schon die Fragen in ihren Augen sehen und den Schmerz, den ihr ihr verursacht habt. Die nächste Woche wird euch genügend Zeit geben gute Ausreden zu erfinden, wieso ihr euch ihr gegenüber so verhalten habt und am Wochenende wird sie dann all die Antworten auf die Fragen erhalten, die sie hat."

„Einverstanden.", fügte sich ihr Vater zähneknirschend.

Eine Woche später machten sie sich erneut auf den Weg, dieses Mal fuhren sie mit dem Zug. Wenn Laurie sich zuhause je fehl am Platz gefühlt hatte, so war die letzte Woche eine mindestens zehnfache Steigerung dessen gewesen. Beide Eltern waren nicht in der Lage gewesen, ihr einen triftigen Grund für ihre Handlungen zu nennen. Sie konnte jeodoch spüren, dass sie zum ersten Mal offen mit ihr waren und sie ihre Handlungen anscheinend bereuten. Allerdings schien es ihnen beinahe peinlich zu sein und Laurie konnte immer noch nicht viel aus ihnen hervorlocken. Sie hatte bis zum Wochenende warten müssen, bis sie zu dieser Isabelle fuhren und diese wenigen Tage waren ihr vorgekommen wie die längsten ihres Lebens.

Als sie an dem kleinen Reihenhaus am Rande Londons ankamen, fragte sie sich, ob sie wohl ihr Mittagessen bei sich behalten konnte, so übel war ihr. Von ihren Eltern hatte sie erfahren, dass diese mysteriöse Fremde ihre Tante war, die ältere Schwester ihrer Mutter. Ihre Mutter war auch nicht so früh gestorben, wie sie immer geglaubt hatte, doch Laura konnte sich nicht an sie erinnern. Vielleicht konnte ihre Tante sie aufklären? Selbst ihr Edward hatte zugegeben, sich an ihre Mutter zu erinnern. Was also war da vorgefallen?

Ihre Tante öffnete ihnen die Tür und geleitete sie in das Wohnzimmer. Überall standen Fotos. Hauptsächlich zeigten sie Pferde, Katzen und anderes Getier. Auf einem kleinen Beistelltisch erkannte sie die einzigen Bilder von Menschen. Sie zeigten drei Mädchen, die offensichtlich miteinander verwandt waren. Zwei waren blond, die älteste dunkelhaarig. Das musste ihre Tante sein! Also war eine dieser blonden Mädchen ihre Mutter?

„Betrachtest du unsere Bilder?", fragte daraufhin ihre Tante, „Warte, ich habe ein besseres Bild von deiner Mutter. Nehmt doch bitte Platz. Ich mache uns schnell einen Tee."

Kurze Zeit später erschien sie mit einem Tablett mit dampfenden Tassen und einem Teller mit Gebäck. Aus einem Schrank holte sie eine kleine Kiste hervor, die eine dünne Staubschicht bedeckte. Die hölzerne Kiste war aus dunkelbraunem, poliertem Holz gefertigt und mit silbernen Ornamenten verziert. Vorsichtig platzierte ihre Tante sie auf dem Tisch neben dem Tee. Langsam und behutsam öffnete sie den Deckel. Laurie fühlte sich wie vor dem öffnen der Schatztruhe Am Ende einer Schatzsuche.

Ihre Tante brachte mehrere kleine Gegenstände zum Vorschein. Darunter war ein kleines Buch, einige Fotos, Pinsel, ein kleines Amulett und weitere Kleinigkeiten.

„Hier" meinte ihre Tante und reichte ihr ein altes Foto, das sie zuvor leicht mit dem Ärmel abgewischt hatte „Das ist deine Mutter. Katherine Elizabeth Bell. Da war sie gerade so alt wie du."

Ehrfürchtig nahm Laurie das Foto entgegen. Es zeigte ein Mädchen, oder eher schon eine junge Frau. Das lange, blonde Haar hing ihr über die Schulter und sie hatte ein sanftes Lächeln aufgesetzt. Und verblüfft musste Laurie feststellen, dass diese Frau ihr beängstigend ähnlich sah, bis auf die blonden Haare vielleicht. Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern. Da musste doch etwas sein! Wie konnte sie so jemanden nur vergessen? Die Liebe, die das Lächeln ausstrahlte... Oh wie wünschte sie sich in diesem Moment, ihre Mutter kennen gelernt zu haben. Gerade stellte sie sich vor, wie sie ihr bei all ihren typischen Mädchen Problemen helfen konnte, woran ihre Stiefmutter kläglich versagte.

„Erzähle mir mehr von ihr, Tante, bitte! Du musst sie doch gut gekannt haben...sie war schließlich deine Schwester!", flehte Laurie.

„Ja. Sie war meine Schwester. Meine kleine Schwester...", murmelte Isabelle und ihre Augen schimmerten einen Augenblick lang feucht. Aus der Kiste kam ein weiterer Gegenstand zum Vorschein. Laurie hatte so etwas noch nie gesehen. Es war eine Gläserne, wunderschöne Schale aus purem Kristall, die mit Nebel gefüllt zu sein schien.

„Was ist das?", fragte sie, verwundert wegen den bestürzten Gesichtern ihrer Eltern.

„Das ist ein Denkarium", antworte ihre Tante, da es ihren Eltern die Sprache verschlagen hatte.

„Und was mache ich damit?", murmelte Laurie verdutzt.

Wie als Antwort auf ihre Frage zog Isabelle einen dicken Stapel Briefe aus der Kiste und legte sie neben das Denkarium. Ohne zu fragen griff Laurie danach und zog den obersten vom Stapel. Verblüfft starrte sie auf den Umschlag.

„Er...da steht das heutige Datum!", rief sie.

„Deine Mutter wusste, dass du es heute lesen würdest. Hier ist ein weiterer Brief. Er war an uns beide gerichtet" sprach Isabelle. Vorsichtig griff Laura nach dem seidenen Papier, das sich in ihren Fingern leicht und fein anfühlte. Als sie zu lesen begann, konnte sie ihr Herz aufgeregt schlagen fühlen. Die Schrift war fein verschnörkelt und elegant, in kostbarer silberner Tinte geschrieben.

Meine liebste Schwester, meine kleine Laura,

So schwer ist mir's ums Herz, wenn ich diese Zeilen schreibe. Laura liegt in ihrem provisorischen Bettchen hier neben mir und ahnt von nichts. Ebenso wie ihr. Mein Eid verbot es mir, euch zu erzählen was geschehen ist.. Was bald geschehen wird. Jetzt, wenn ihr dies lest, ist es nicht mehr relevant. Draußen bereiten sie sich zum Aufbruch vor. Viele werden nicht zurückkehren und ich habe schreckliche Angst, jedoch nicht um mich, sondern um euch. All die Geräusche dort draußen vor dem Zelt jagen mir Schauer über den Rücken, trotzdem muss ich einfach diese Zeilen zu Ende bringen, da ich nicht einfach so verschwinden kann. Es tut mir so Leid und ich fühle mich so elend, es bricht mir fast das Herz. Ich weiß genau, dass ich euch sehr vermissen werde und hoffe, dass ihr es alle heil herausschaffen werdet. Sie werden die Festung nicht mehr lange halten können. Wie du, Laura, bei diesem Lärm noch schlafen kannst, ist mir ein Rätsel. Es fällt mir unheimlich schwer, dich hier zurück zu lassen. Aber ich weiß, dass dein Vater sich gut um dich kümmern wird und auch deiner Stiefmutter habe ich das Versprechen abgenommen, dass sie für dich sorgen wird, als wärest du ihre eigene Tochter. Du bist doch erst vier Jahre alt! Du solltest so ein Leid nicht erfahren. Aber ich möchte dass du weißt, dass ich immer bei dir sein und über dich wachen werde, meine Kleine. Wo auch immer du sein wirst. Mit dem Denkarium gebe ich dir einen Teil von mir: meine Seele und Erinnerungen. Sie sind sowohl gut, als schlecht und vielleicht auch erschreckend. Aber ich möchte, dass du von deiner Mutter so viel wie möglich behalten kannst; denn dies ist auch deine Geschichte! Für jede Erinnerung ist auch ein Brief beigelegt. Stelle nur noch sicher, dass du immer einen Besen und wetterfeste Kleidung dabei hast, denn manches Mal wird es unangenehm werden. Das Horn wurde geblasen, es ist Zeit. Passt auf euch auf, denn ihr seid das teuerste was ich besitze!

In Liebe auf ewig,

deine Schwester und Mum

Katie

Laurie schaute auf. Eine Frage brannte ihr unter den Fingernägeln, die sie sogleich loswerden musste: „Warum steht da Laura? Mein Name ist doch Laurielle!"

„Das stimmt nicht ganz...deine Mutter gab dir den Namen Laura. Warum wir ihn zu Voldemorts Zeiten ändern mussten, ist eine sehr lange Geschichte. Anscheinend haben deine Eltern ihn jedoch so übernommen." antwortete Isabelle.

Laurie hielt einen Moment inne, um alles zu verarbeiten. Nach einem Seitenblick auf ihren Vater entschied sich schließlich den Brief an ihn weiter zu reichen. Dieser nahm ihn mit zitternden Händen entgegen. Sie beobachtete die Reaktionen, die sich in seinem Gesicht widerspiegelten. Er war ihr Vater, also musste er seine Mutter doch einmal gemocht haben. Oder? Es schien so, das sie ein leichtes, feuchtes Schimmern in seinen Augen sah, als er den Brief senkte.

„Warum hast du uns diese Sachen all die Jahre vorenthalten, wenn du davon wusstest?", fragte er mit gebrochener Stimme.

Ein wütendes Blitzen war in Isabelles Auge zu sehen, wenn auch nur für einen Augenblick. Sie stand auf und kam näher auf ihn zu, sodass er seinen Blick heben musste, als sie sagte: „Hast du vergessen, was du und deine Frau getan habt? Worauf ihr euch geeinigt habt? Ihr habt mir verboten euch je zu kontaktieren! Wäre ich früher gekommen, hätte es Laurie nur Leid und Schmerz gebracht! Doch ich habe meiner Schwester das Versprechen gegeben, ihr diese Gegenstände zu ihrem 17. Lebensjahr auszuhändigen und da konntet selbst ihr mich nicht davon abhalten! Als sie ihr damals das Vergessens-Serum verabreicht hat, hab sie ihr ihre Kindheit und einen Teile ihrer Identität geraubt. Ihr wolltet dass sie ohne das Wissen über die Geschehnisse ihrer ersten Lebensjahre aufwächst! Und dabei wisst ihr selbst kaum etwas darüber!"

„Und du glaubst," mischte sich Lauries Stiefmutter zum ersten Mal ein, „dass es ihr jetzt besser tun wird?"

„Ihr habt unser aller Vertrauen missbraucht! Die einzige Möglichkeit es irgendwie ein bisschen besser zu machen besteht darin, Laurie nun über ihre Mutter aufzuklären. Sie hat das Recht dazu; und ihr nicht das Recht, sie daran zu hindern."

Ihre Stiefmutter wollte sich erneut äußern, doch ihr Vater hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Er sah plötzlich um einige Jahre gealtert aus. Seine Stimme war schwer und es schien ihm Mühe bereiten zu sprechen.

„Wir werden sie nicht aufhalten. Ich weiß, dass wir uns wohl falsch verhalten haben. Damals hatten wir aber keine andere Möglichkeit, zumindest glaubten wir das. Sie soll nun selbst entscheiden, ob sie ihre Vergangenheit aufrollen will, oder nicht."

„Ich will!", antwortete Laura mit fester Stimme und griff nach dem ersten Brief.

Niemand sagte ein Wort oder versuchte sie daran zu hindern. Ihre Tante beobachtete sie eingehend, ihr Bruder schien von all den Geschehnissen völlig aus der Bahn geworfen. Ihre Stiefmutter hatte ihre Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Ihr Vater schien beinahe genauso erwartungsvoll zu sein, wie sie selbst. Doch sie hielt fragend inne.

„Würdet ihr mit mir kommen?", fragte sie unsicher und alle nickten.

„Wir müssten uns alle an den Händen fassen, während Laura mit ihrem Zauberstab die Erinnerung im Denkarium aktiviert. Sie ist die einzige, die Zugriff drauf hat.", meinte Isabelle, als Laurie das Blatt Papier entfaltete.

Es wies genau dieselbe schnörkelige Schrift auf, wie schon der Brief zuvor. Er trug dasselbe Datum:

22. Januar

Meine kleine Laura, Heute bringe ich dich ganz an den Anfang deiner Geschichte. Sie beginnt an genau jenem Ort, an dem du dich jetzt befindest...

Mum

Laura rührte mit ihrem Zauberstab vorsichtig in den Erinnerungen, all die anderen hielten sich aneinander wie bei einem Portschlüssel. Und plötzlich verspürte sie ein ziehen in ihrer Mitte. Eine Sekunde später standen sie in eben denselben Zimmer, jedoch ganze neunzehn Jahre zuvor...

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