Fortsetzung zum „Sorgerechtsfall"

Ein neues Schuljahr und neue Abenteuer in Hogwarts. Wie sieht das Verhältnis zwischen Harry und Snape nun während des Unterrichts aus? Wie lange wird es geheim bleiben, dass Snape Harry adoptiert hat? Und wer ist das neue Mädchen, dass außer Harry niemand gesehen hat?

Geheime Botschaft

Es war ein grauer Herbsttag. Die Bäume standen dicht aneinander gedrängt und dort, wo eine größere Lücke war, hing der halbtransparente Mantel bis zum Boden. Die schwere Nebeldecke ließ keinen noch so kleinsten Lichtstrahl durchdringen. Es war dunkel, obwohl es Tag war.

Das einzige Farbtüpfchen in der Landschaft war die purpurfarbene Lok des Hogwartsexpress. Der Zug war gefüllt mit einer ganzen Schülerschar. Während die neuen Schüler ihre Nasen an den Fensterscheiben platt drückten, in der Hoffnung, doch etwas von der vorbei ziehenden Landschaft erhaschen zu können, saßen die älteren Schüler quatschend zusammen und erzählten sich Geschichten aus ihren Ferien.

Doch nicht alle alt eingesessenen Hogwartsschüler waren munter im Gespräch vertieft. In einem Abteil des vorletzten Wagon war es ziemlich still. Harry Potter saß da. Er drückte seine Nase zwar nicht an der Scheibe platt, doch sein Blick war ebenfalls aus dem Fenster gerichtet. Jedoch nicht weil er an der Landschaft interessiert gewesen wäre. In Wahrheit sah er diese gar nicht. Er war in seinen Gedanken versunken.

Neville saß ihm gegenüber und war in einem Buch über Kräuterkunde vertieft, Ron und Hermine saßen im Abteil der Vertrauensschüler und diskutierten über das kommende Schuljahr und Ginny war mit Dean verschwunden.

„Hah!" rief Neville plötzlich unerwartet.

Harry zuckte zusammen, doch fasste er sich schnell wieder. „Was ist?" fragte er verwundert.

„Wie? Oh... nichts. Ich wollte nur wissen, ob man eine Odillie direkten Sonnenlicht aussetzen darf oder nicht. Eine Odillie ist eine sehr seltene Pflanze. Man findet kaum Informationen über sie. In dem Buch hab ich jetzt endlich ein paar Informationen gefunden. Sieh nur, aus dem Stempel der Blüte kann man eine sehr hilfreiche Substanz gewinnen, die in Heiltränken gegen schwere Vergiftungen verwendet wird. Das ist ja cool." Neville war ganz in seinem Element. Seine Augen glühten vor Begeisterung.

Leider sprang nichts von dieser Begeisterung auf Harry über. „Wieso interessierst du dich gerade für diese Pflanze?" fragte Harry mit vorgetäuschtem Interesse.

Neville sah Harry zuerst mit großen Augen an. Dann blickte er sich um, als wolle er überprüfen, ob noch wer im Abteil war. Schließlich beugte er sich geheimnisvoll vor. Harry tat es ihm gleich und Neville begann zu flüstern: „Ich habe zu meinem Geburtstag ein Päckchen Samen bekommen. Meine Großmutter wusste nicht was für welche es waren. Aber ich bin mir ganz sicher, dass es Samen einer Odillie sind. Ich werde Professor Sprout fragen, ob sie mir hilft bei der Pflege."

„Ist ja interessant, aber warum flüsterst du?" fragte Harry verwundert.

„Weil diese Pflanzen auf Grund ihrer Seltenheit sehr begehrt sind. Du darfst niemanden davon erzählen!" erklärte Neville und seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, meinte er es ernst.

„Ähm... okay. Kein Problem!" sagte Harry und lehnte sich wieder zurück. Neville vergrub sich wieder in seinem Buch und Harry starrte erneut in die graue Landschaft, die unscharf an seinen nicht fokussierten Augen vorbei zog. Schnell hatte ihn die Gedankenwelt wieder. So vieles war letzten Sommer passiert. Und nichts davon durfte, oder wollte er weiter erzählen.

Zum ersten mal in 15 Jahren hatte Onkel Vernon vollkommen durchgedreht und Harry brutal zusammen geschlagen, nur wegen eines zerbrochenen Teeservice aus China. Dann war Harry in einer Muggel-Gang und kam mit Alkohol und Drogen in Kontakt. Eine kurze Zeit genoss er eine Freiheit, die er nie zu vor gekannt hatte. Doch lange konnte er sie nicht auskosten. Denn sowohl der Orden, als auch die Todesser waren bereits auf der Suche nach ihm. Auch wenn Harry damals nicht sehr glücklich war Professor Snape zu sehen. So war er jetzt im Nachhinein mehr als dankbar, dass er gekommen war, um ihm wieder bewusst zu machen, wer er war und wohin er gehörte. Und nun war dieser einst verhasste Professor, sein Adoptivvater. Snape hatte sich völlig unerwartet als fürsorgliche und verständnisvolle Person entpuppt. Harry wunderte sich noch immer darüber. Und der Gipfel des Sommers lag gerade einmal einen Tag zurück. Er, Ron, Hermine und Ginny waren nun Mitglieder des Ordens des Phönixes.

Ein schwaches Lächeln zog sich über Harrys Gesicht als ihm Severus Worte von der Früh in Erinnerung kamen: „Ich warne euch noch mal, das Kommunizieren über die Phönix-Brosche ist nur in Notfällen erlaubt. Wenn ich euch erwische, dass ihr sie für Streiche und sonstiges verwendet, wird das unangenehme Konsequenzen für euch haben."

„Ja, DAD!" hatte Harry geantwortet und schelmisch gegrinst. Worauf er einen typischen „Snapeblick" erntete, der ihn früher einmal sicher Angst gemacht hätte.

Harry kam aus seinem Gedankenausflug wieder zurück und sah sich im Abteil um. Ron und Hermine waren immer noch nicht zurück. Aber das war es nicht was im sonderbar vorkam. Irgendwas war diesmal anders. Harry stutzte und überlegte was es sein konnte. Und dann fiel es ihm ein. Draco Malfoy. Er hatte ihn weder am Bahnsteig gesehen, noch war er bisher am Abteil vorbeigekommen um dumme Sprüche zu klopfen.

„Hast du Malfoy heute schon gesehen?" fragte Harry nun Neville.

„Nein, zum Glück noch nicht" gab dieser zur Antwort.

„Kommt dir das nicht komisch vor. Er hat doch bisher noch nie eine Gelegenheit ausgelassen uns zu beleidigen", sprach Harry seine Verwunderung aus.

„Ron und Hermine sind ja auch noch nicht zurück. Er wird schon noch kommen. Oder vielleicht ist es ihm vergangen. So wie wir ihn letztes Mal fertig gemacht haben" vermutete Neville.

„Hmm... ja, gut möglich!" sagte Harry wenig überzeugt.

Er blickte noch eine Weile bei der Abteiltür hinaus. Gerade als er sich wieder abwenden wollte, ging ein Mädchen an der Tür vorbei, das Harry bisher noch nie gesehen hatte. Sie war zu alt für eine Erstklässlerin, aber Harry war überzeugt, dass sie neu war. Es war zwar nur ein kurzer Augenblick in dem Harry sie sah, aber dennoch hatte er das Gefühl, dass die Zeit kurz still stehen würde. Beinahe in Zeitlupe ging sie an ihm vorüber. Sie hatte schwarzes langes Haar, das wie ein Schleier um ihre Schultern fiel und ihr Gesicht fast gänzlich verdeckte, dafür war mehr als deutlich zu sehen, dass ihr ein Zettel aus der Tasche fiel.

Harry sprang sofort auf, öffnete die Abteiltür und hob den Zettel auf. Doch das Mädchen war nicht mehr zu sehen. Ein wenig verblüfft sah sich Harry um. Dann blickte er auf den Zettel. Da stand „Veilchen trifft Löwenzahn" Eine geheime Botschaft also.

„Was ist?" fragte Neville, als er Harrys Verwirrung sah.

„Gar nichts. Ich komm gleich wieder" sagte Harry und nahm sich vor den Zettel dem Mädchen zurück zu geben. Natürlich mit dem Hintergedanken mehr über sie zu erfahren. Er ging in die Richtung in der sie verschwunden war. Bei jedem Abteil, das er passierte, blickte er hinein, um zu sehen, ob das Mädchen hier war, bis er schließlich am hintersten Ende angekommen war. Hier gab es nur noch die Toilette.

Als Harry auch diese prüfte und feststellte, dass sie leer war, stutzte er ein weiteres Mal. Das Mädchen kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Er war im letzten Wagon, hinter dem gab es nur mehr den Gepäckswagon. Doch der war normal immer abgesperrt.

Harry sah sich noch einmal um, ehe er die Hand auf die Schnalle legte. Die Tür ging ohne Probleme auf. „Also war das Mädchen hier durch gegangen", vermutete Harry und folgte ohne zu zögern.

Er war noch nie im Gepäckswagon gewesen. Hier war es dunkel, da es keine Fenster gab, und das Rattern des Zuges war um einiges lauter.

„Hallo?" fragte Harry in den Raum. Doch es kam keine Antwort. Harry lauschte ein wenig den Geräuschen. Schließlich zog er seinen Zauberstab und sprach „Lumos"

Der Lichtschein gab den Blick auf unzählige Kisten und Säcke frei. Hier wurde alles transportiert, was die Lehrer für das nächste Schuljahr brauchten, beziehungsweise auch die Essensvorräte, die die Hauselfen bestellt hatten. Aber weit und breit war kein Mädchen zu sehen. Ob sie sich versteckte?

„Hallo? Du hast einen Zettel verloren. Ich wollte ihn dir nur zurück geben!" erklärte Harry in der Hoffung sie würde sich zeigen. Doch seine Stimme verhallte in der Leere.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist neu hier, nicht? Ich bin Harry," redete Harry weiter und begann sich zwischen den Kisten umher zu bewegen. Doch in jeden Winkel, in den er leuchtete, war nichts von dem Mädchen zu sehen.

Schließlich gab Harry seufzend auf und beschloss wieder zurück zu kehren. Als er jedoch die Tür erreicht, ließ sie sich nicht mehr öffnen. „Mist!" fluchte Harry und rüttelte stärker an der Tür. Doch diese ruckelte nicht einen Millimeter. „Alohomora" rief Harry und richtete den Zauberstab gegen die Tür. Aber auch das half nichts. „Na prima!" schimpfte Harry und kehrte der Tür wieder den Rücken.

In dem Moment legte der Zug eine Notbremsung ein. Die Wucht war so heftig, dass es Harry von den Füßen riss. Kurz darauf hörte eine hohe Stimme. Er dachte, dass sie von dem Mädchen kam und das es Hilfe brauchte. Jedenfalls hatte er das dringende Bedürfnis der Stimme nach zu gehen. Er wollte er sich wieder aufrappeln, doch offensichtlich hatten sich ein paar Kisten gelöst, die nun durch die Wucht umfielen und Harry unter sich begruben.

ooo

„Harry? Harry! Melde dich verdammt noch mal. Wo bist du?"

„Mr. Weasley, ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt. Die Kommunikation über..."

„Professor Snape, es IST ein Notfall. Harry ist verschwunden!"

„Was soll das heißen, verschwunden? Ist er denn nicht im Zug?"

„Es gab einen Zwischenfall. Eine Notbremsung. Alle Lichter sind ausgefallen. Ich bilde mir ein drei Frauen draußen gesehen zu haben. Aber die sind dann ganz plötzlich verschwunden. Jetzt geht das Licht wieder, aber Harry ist weg."