1. Kapitel - Familienessen

Justin starrte wütend seinen Koffer an. Der Deckel stand hoch und wollte sich einfach nicht schließen lassen. Er hatte immer spöttisch gelächelt, wenn seine Mutter packte und dabei den Koffer verfluchte. Er raufte sich die Haare. Sein Handy befreite ihn von einem weiteren erfolgslosen Versuch des Kofferpackens.
"Ja"
"Meldest du dich immer so"
"Nur wenn ich genervt bin. Was willst du Molly?" "Fahrt ihr wirklich nach Paris"
Justin verdrehte die Augen, seine Schwester war manchmal wirklich nervig. "Ja und wir fliegen nach Paris"
"Jus, du weißt was ich meine"
Justin knirschte mit den Zähnen. Dieser quengelige Ton hatte ihn schon immer wahnsinnig gemacht. Einmal hatte er seine Schwester sogar im Kleiderschrank eingesperrt, damit sie endlich ruhig war. "Also, Molly"
Was folgte war ein Schwall an unglaublich wichtigen Informationen. Janett hatte einen neuen Freund und Trudy machte jetzt mit Matt und ach ja, Pink war out. Justin schaltete auf Durchzug und starrte wieder seinen Koffer an. Vielleicht wenn er die Schuhe nach unten.
"...weißt. Ach und Mum fragt, ob du vor eurem Urlaub noch mal nach Hause kommst. Sie will dich und Brian zum Essen einladen"
Justin stöhnte. Na toll, Brian würde begeistert sein. "Mal sehen," sagte er schließlich unbestimmt. "Ich hab noch unglaublich viel zu tun"
"Jus, ich muss aufhören, Janett ist grad gekommen - wir wollen Shoppen gehen. Bye"
Erleichtert legte Justin das Handy beiseite. Er fragte sich ehrlich, wie seine Mum es mit ihr den ganzen Tag aushalten konnte. Mit einem grimmigen Gesicht wandte er sich wieder dem unschuldig daliegenden Koffer zu. "Du bist fällig!"

"Ein Essen..." wiederholte Brian betont langsam. Er lag auf Justins Bett und schaute amüsiert zu, wie Justin in seinem Kleiderschrank wühlte. Das Zimmer war ein absolutes Chaos. Nach dem gescheiterten Kofferpackversuch, hatte Justin alles auf den Boden geworfen und sortierte seit dem nach "Unbedingt in den Koffer", "Vielleicht in den Koffer" und "Auf keinen Fall in den Koffer". Während der erste Stapel stetig wuchs, lagen bei den anderen beiden nur ein paar Socken und ein furchtbares T-Shirt in Gelb und Pink. Brian schwor sich, das Shirt in einer ruhigen Minuten verschwinden zu lassen. "Ja," antwortete Justin schließlich aus den tiefen des Schranks. "Molly hat gesagt, das Mum sich freuen würde, wenn ich noch mal nach Pitt komme." Brian starrte ausdruckslos auf die Hälfte, die von Justin sichtbar war. Nicht die schlechteste, wie Brian fand. "Und ich..." "Verdammt!" kam ein lauter Fluch aus dem Schrank gefolgt vom Gepolter herunterfallender Kleiderbügel. Justin kroch aus dem Schrank heraus und rieb sich über den Hinterkopf. "Ich wusste nicht, das packen so gefährlich ist"
"Nur in deinem Fall... Selbst Mikey ist ordentlicher." Justin ließ sich neben Brian aufs Bett fallen und zog einen Schmollmund. "Die Wohnung ist einfach zu klein." Brian strich ihm das blonde Haar aus der Stirn. "Ich dachte du stehst auf diese ganze ‚Ich bin ein armer hungernder Künstler'-Nummer." "Das ist nicht lustig." Brian grinste. "Doch."

"Also, deine Mum..." Justin verdrehte die Augen. Warum musste er grade jetzt davon anfangen. Er hatte den Gedanken grade so erfolgreich verdrängt. Justin drehte sich zur Seite, so das er halb auf Brian lag. Seine Lippen fanden die empfindliche Stelle am Hals. Brian lehnten seinen Kopf leicht zur Seite um Justin mehr Platz zu schaffen. Seine Hände fuhren unter Justins Shirt und strichen über die warme Haut seines Rückens. "Deine Mum, Justin!" Die Küsse wanderten höher und trafen schließlich seine Lippen. Genussvoll strich Justin die Konturen der weichen Lippen nach. Mit einem Ruck drehte Brian die beiden so, das er oben lag. "Ich habe dir eine Frage gestellt." Justin seufzte. "Du sprichst also lieber über meine Mutter, statt..." Seine Hand fuhr über seine Brust und schob das Shirt ein wenig hoch. Brian starrte ihn völlig unbewegt an. Frustriert ließ Justin seine Hand sinken. "Meine Mum will eine Art Familienessen machen. Du weißt schon Tucker, Molly, ich und du." Brian zog eine Braue hoch. "Wenn du nicht willst, kann ich auch allein gehen." Sagte Justin schließlich leise. "Wann?" "Hm?" "Wann. Das Essen." "Ach so," Justin grinste verlegen. "Nächsten Sonntag. Chynthia sagt, du wärst da frei."

Eine Woche später saßen Justin und Brian im Auto auf dem Weg zum "Familienessen". Brian fragte sich zum tausendsten Mal warum er sich darauf eingelassen. Ein Blick auf den blonden Mann im Beifahrersitz war Antwort genug. Gott, Brain Kinney auf dem Weg zu seiner... Schwiegermutter. Wenn die Clique ihn so sehen könnte. Er schauderte, als er sich die Hänseleien und Witze vorstellte, die Mikey und Em Monatelang verbreiten würden. Er hatte nichts gegen Justins Mum. Im Gegenteil: Jennifer Taylor war eine tolle Frau. Selbstbewusst, stark und sie liebte ihre Kinder über alles. Brian wünschte sich manchmal, seine Mum war wenigstens ein bisschen so wie Jennifer. "Woran denkst du?" fragte Justin plötzlich. "An nichts." "Pfff..." Brian zog die Braue hoch. "Ich weiß wenn du aussiehst, wenn du an nichts denkst. Also, raus damit." Brian verdrehte die Augen. "Ich hab über eine neue Kampagne für Brown nachgedacht." Justin wirkte nicht überzeugt, beließ es aber dabei. Wenn Brian über etwas nicht reden wollte, bekam niemand ihn dazu. "Morgen um diese Zeit sitzen wir bereits im Flieger nach New York." Brian nickte nur. Er war froh endlich mal weg zu kommen. Kinnetic lief zwar gut, aber der Stress nahm eher zu als ab. Und dazu kam noch, das Justin in New York... Brian biss die Zähne zusammen und zwang sich den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Justin saß neben ihm und morgen würden sie nach Paris fliegen und 3 Wochen diesem ganzen Irrenhaus entkommen.

Es war kurz vor 8 als sie schließlich vor dem Haus der Taylors hielten. Justin klingelte und eine hüpfende Molly öffnete die Tür. "Jus!" Molly schlang die Arme um ihren Bruder. "Ich hab dich so vermisst!" Justin erwiderte lächelnd die Umarmung. "Ich dich auch Mollusk." Schüchtern schaute sie unter gesengten Wimpern zu Brian. "Hallo Brian." Molly war ein wenig verschossen in den großen dunkelhaarigen Freund ihres Bruders. Brian fand es amüsant. Zu Justin hatte er gesagt, das er anscheinend unwiederstechlich auf die Taylorkinder wirkte.
Jennifer war hinter Molly aufgetaucht und umarmte ihren Sohn und anschließend auch Brian. Justin grinste, als er das sah. Brian erwiderte etwas unbeholfen die Begrüßung und trat schnell einen Schritt zurück. "Kommt rein. Das Essen ist gleich fertig"
Jennifer hatte einen Braten nach Familienrezept gemacht und selbst Brian nahm einen Nachschlag. Zum Nachtisch gab es Eis und irgendwann verschwand Molly dann mit dem Telefon nach oben in ihr Zimmer. Jennifer sah ihr nachdenklich nach und seufzte tief. "Sie hat einen Freund," "Mum!" Jennifer sah ihren Sohn erstaunt an. "Ich dachte es würde dich vielleicht interessieren." "Sie ist meine Schwester..." Jennifer nickte. "Deshalb solltest du wissen, wenn sie einen Freund hat." Justin verdrehte die Augen und schaute hilfesuchend zu Brian. Der lehnte sich relaxt in seinem Stuhl zurück und beobachtet die Szene. "Also gut, Mum. Raus mit der Sprache."

"Der Abend war nett," sagte Justin leise. Er lag auf der Seite, Brian hinter ihm, einen Arm um seine Mitte geschlungen. "Mhm." Brian hatte die Augen geschlossen und versuchte Justins Geplapper zu ignorieren. Wie konnte ein Mensch nur so viel Reden? "Ich vermisse das." "Mhm?" Justin drehte sich um und sah Brian an. "Das hier: das Loft, meine Familie, selbst Molly! In New York hab ich das Gefühl, das ich nichts mehr mitkriege. Ich meine Molly hat einen Freund. Tucker ist bei meiner Mum eingezogen - wann zum Teufel ist das passiert! Natürlich, wir telefonieren oft, aber es ist nicht dasselbe." Brian öffnete die Augen und sah Justin an. "Ist es das?" Justin unterbrach seinen Monolog und schaute Brian fragend an. "Was meinst du?" Brian seufzte und verfluchte sich, das Thema ausgerechnet jetzt angeschnitten zu haben. "Hast du Heimweh?" Justin schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht. Ich bin 24 und kein kleines Kind." Brian nickte ohne wirklich überzeugt zu sein.

Lins hatte ihm kurz vor der Ausstellung gesagt, das Justin sich einsam fühlte. Aber war das alles? Justin sehnte sich nach seiner vertrauten Umgebung, nach seiner Familie und seinen Freunden? War er deshalb so komisch gewesen? Brian schüttelte den Kopf. Vielleicht konnte er in Paris etwas aus ihm rausholen.


So, das ging schneller als Gedacht. Ich konnte gestern Nacht nicht schlafen und hab dafür fleißig an der Fortsetzung zu New York Artist geschrieben und voilá: hier ist sie:))))