Prolog:
Regen strömte in langen Fäden hinab. Einige Donnerschläge
brachen drohend über den Himmel herein. Kija sah auf. Ihr Herz
klopfte laut.
Mist, warum musste ich mich auch ausgerechnet heute verlaufen? So
ein Sauwetter!
Fröstelnd zog Kija ihren Überwurf enger um sich, was aber
leider nicht viel brachte, da dieser schon völlig durchweicht
war. Warum war sie auch ohne ihren Cousin
oder wenigstens einem der
Leibwächter Ishizu suchen gegangen? Warum musste ihre beste
Freundin ausgerechnet heute ein Wutanfall bekommen und allein sein
wollen? Sie wusste es nicht, das Leben war vor ihr verborgen, lag im
Dunkeln … wie immer. Aber es ging ihr noch gut und das war die
Hauptsache. Kija vermutete, dass Ishizu inzwischen längst wieder
daheim war. Sie hatte keinen so schlechten Orientierungssinn wie Kija
selbst.
Bestimmt machen sich die anderen schon Sorgen um mich. Ich wette,
...
Doch plötzlich wurde ihr Gedankengang unterbrochen. Ein helles
Licht lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Was ist das?
Kija trat auf das Licht zu. Hinter ihm erkannte sie eine
altertümliche Pyramide. Dann bewegte es sich plötzlich, kam
direkt auf sie zu. Abwehrend hielt Kija ihre Hände vors Gesicht.
"Was soll das heißen?" Mit gerunzelter Stirn starrte Kija ihren Gegenüber an.
"Das heißt, dass du von nun an unsterblich bist."
"Nur durch diesen Ring?" Kija betrachtete das kleine Ding, das sich an ihrem Finger befand. Es leuchtete schwach. "Aber warum ich?"
"Weil die Götter dich zu seinem Hüter gemacht haben!" "Du siehst traurig aus, meine Hübsche."
Kija antwortete dem schwarzen Schattenmann neben ihr nicht.
"Warum weinst du?"
Wieder Stille.
"Liegt es vielleicht daran, das dir mit dem Tod deines Vaters bewusst wurde, dass du deine Freunde alle überleben wirst?"
"Können sie Gedanken lesen?" Kalt und Abweisend, das
war der einzige Ton, den Kija für ihn bereit hatte.
"Es gebe eine Möglichkeit, für dich, trotz des Ringes
mit ihnen dahinzuscheiden."
"Tatsächlich?" Kija hob kühl ihre Brauen an.
"Wir könnten ein Arrangement treffen … Ich habe großen
Einfluss, musst du wissen. Mich ärgert es schon, dass
ausgerechnet so eine Schönheit wie du, nicht zu mir kommen
wird." Er nahm eine Strähne ihres Haares auf und roch
daran.
Kija drehte sich von ihm weg, sodass sie ihm entglitt. "Ihr
scheint ja nicht gerade verbergen zu wollen, was ihr denkt",
giftete sie ihn an.
"Wieso sollte ich, Kleines? Du hast schon so viele Fehler in
deinem Leben begangen, angefangen damit, das du die Macht deines
Ringes in diese … Millenniumsgegenstände aufgeteilt hast …
eigentlich sollte dir dein Ende willkommen sein."
Kija schwieg, verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Sie
hatte sich in all den Jahren, in denen sie nun schon Hüterin des
Ringes war, kaum verändert, fühlte sich immer noch wie das
kleine Mädchen von damals, aber sie war klüger geworden,
ihr Geist hatte sich weiter entwickelt.
"Denk darüber nach."
"Über so etwas muss ich nicht nachdenken! Ich werde nie und
nimmer ein Arrangement mit dem Tod treffen!" Sie schrie
die letzten Worte heraus.
Verblüfft über ihren plötzlichen Ausbruch, verschwand
der Schattenmann neben ihr und Licht kehrte wieder in ihre Umwelt
zurück. Doch dieses Licht fiel nur auf Verwüstung und
Chaos.
"Du hast es dir also überlegt?" Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Todes.
"Ja! Gib allen, die mit mir in Verbindung stehen eine zweite Chance, ihr Leben richtig zu genießen! Lass ihre Seelen erneut auf die Erde zurückkehren! Auch ich will dort sein, ein zweites Mal, dafür werde ich nach dieser zweiten Chance zu dir kommen!" "So sei es, aber du wirst schlafen, solange, bis ich die Zeit als gekommen ansehe."
Kija konnte dagegen nichts mehr erwidern, denn der Pakt war bereits besiegelt. Er hatte nun alles in seiner Hand, ihr Leben, das ihrer Freunde und das Schicksal ihrer Zukunft.
