„Bitte was?"

Aufgebracht starrte Draco seinen Vater an. Dieser allerdings zeigte keine weitere Regung, sondern beendete seelenruhig den letzten Satz auf dem Pergament. Erst nachdem er die Feder zurück in ihre Halterung gestellt hatte, hob er den Blick und betrachtete seinen Sohn eindringlich. Draco war aufgebracht und hatte in diesem Augenblick alle Mühe sich zu beherrschen, um nicht einfach vor Rage das Zimmer zu verlassen. Wie viel hatte er schon für seinen Vater getan? Wie viel hatte er ihm gegeben? Sein ganzes Leben! Oder etwa nicht? Für ihn hatte er die Dunklen Künste erlernt. Für ihn und die Ehre der Familie war er zum Todesser geworden. Für ihn hatte er seine eigenen Wünsche aufgegeben.

„Zügle dich, Draco", erklang die gedehnte Warnung. Lucius ließ seinen Sohn nicht aus den Augen. Er hatte diese Art der Reaktion bereits erwartet. Doch er kannte Draco. Er wusste, wie er mit diesem jungen Mann umzugehen hatte.

„Ich entscheide lediglich zu deinem Besten." Seine Stimme war leise, aber nachdrücklich. Nun faltete er die Hände auf seinem Tisch zusammen.

„Zu meinem Besten? Woher weisst du, was für mich das Beste ist?" Dracos Stimme hingegen erklang gepresst. Er konnte es nicht mehr hören. Er wollte es nicht mehr hören. Er war erwachsen. Er hatte ihnen schon zu viel gegeben. Noch mehr wollte er nicht für seinen Vater tun. Die Ehre der Familie, dass er nicht lachte. Langsam konnte ihm diese Ehre wahrlich gestohlen bleiben. Erst die Stelle in Hogwarts und nun das hier! Sein Vater war dabei eine Grenze zu überschreiten.

„Woher willst du wissen was mir gut tut?", fügte Draco nochmals mit trockener Stimme an.

„Nichts von dem was du fü getan hast in den letzten Jahren, hat mir gut getan." Zornig funkelte er seinen Vater an. Er war es Leid, nach dessen Pfeife zu tanzen. Er musste diesen Befehlen keine Folge mehr leisten. Er könnte tun, was immer ihm beliebte.

Doch er tat es nicht.

Der Krieg war vorbei. Draco hätte längst die Gelegenheit gehabt, sich von seinen Eltern loszusagen, doch er hatte es nie getan. Damals, nach dem Kampf in Hogwarts hatten sich seiner Eltern ein weiteres Mal aus der Sache gezogen. Seitenwechsel. Der Gedanke brachte Draco jedes Mal dazu den Kopf zu schütteln oder bitter aufzulachen. Seine Eltern wechselten nicht die Seite. Dennoch war es genau dieser Gedanke, der ihn auch jedes Mal zurückhielt, wenn er bereits auf dem Weg war das Manor für immer zu verlassen. Sie hatten nicht die Seiten gewechselt. Sie hatten um sein Leben gekämpft. Auf welcher Seite war egal gewesen.

Egal wie machtgierig und egoistisch sein Vater sein konnte, er hatte sich selbst in Gefahr gebracht um ihn zu retten. Zusammen mit seiner Mutter. Draco verstand es nicht. Er hatte es damals nicht verstanden und er konnte es heute nicht. Dennoch hielt es ihn jedes Mal zurück. Und genau dies war der Grund sein, warum er sich auf diese lächerliche Vereinbarung einlassen würde.

„Draco!" Sein Vater hatte sich erhoben und sah ihn nun streng an. Draco erwiderte seinen Blick trotzig. Er war kein kleines Kind mehr. Er musste sich dies nicht mehr gefallen lassen.

„Achte auf deine Worte. Ich habe immer das getan, was ich für das Beste hielt und werde es weiter tun. Du wirst diese Verlobung eingehen und Astoria Greengrass heiraten."

Einige Augenblicke herrschte Stille. Draco sah seinen Vater stumm an, ohne die Augen abzuwenden. Schließlich aber neigte er abschätzig den Kopf zur Seite, stellte sich lockerer hin und verschränkte die Arme vor der Brust. Auch sein Vater lockerte nun seine Haltung, als hätte Draco ein stummes Einverständnis gegeben zur gestellten Forderung.

„Gut", erklärte Draco und sein Vater machte Anstalten sich wieder zu setzen.

„Ich werde sie heiraten. Aber", er hob den Kopf ein Stück an, um klar zu machen, dass er vom folgenden Punkt nicht abweichen wollte, „ich bestimme wann, wie und wo dies geschehen wird." Herausfordernd betrachtete er seinen Vater.

Lucius fuhr sich nachdenklich mit dem Handrücken über die Lippen. Er schien zu überlegen, wie viel es ihn kostete, seinem Sohn dieses Eingeständnis zu machen. Nicht all zu viel, seiner eigenen Einschätzung nach. Jetzt konnte er die Geschicke seines Sohnes noch lenken. Jetzt konnte er noch Einfluss nehmen darauf, wen er heiraten sollte. Die Befürchtung, dass dies in einigen Jahren nicht mehr möglich sein würde, lag nur zu nahe und so nickte er über der Forderung im Wissen, dass Draco sein gegebenes Einverständnis niemals zurückziehen würde.

Während sich eine klägliche Genugtuung auf dem Gesicht seines Sohnes einstellte, öffnete er mit einem Wink seines Zauberstabes die Tür. Draco konnte gehen und denken, dass er einen Sieg erlangt hatte.

Entsprechend dazu warf er seinem Vater auch einen letzten herablassenden Blick zu, wandte sich um und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer.

In einer versteckten Residenz am Rande von London, starrte ein junges Mädchen ihre Eltern fassungslos an. Sie schluckte lautlos ihren Speichel herunter, wischte sich eine der blonden Strähnen aus dem Gesicht und schlug die Augen nieder.

Ihr Leben lang hatte sie sich nichts anderes gewünscht, als ihre Eltern stolz zu machen. Ihr ganzes Bestreben hatte sie diesem einen Ziel gewidmet. Dem Stolz ihrer Eltern. Doch schon immer war es ihre ältere Schwester gewesen, die all diesen Stolz eingeheimst hatte. Daphne war die makellose Tochter dieser Familie. Eine typische Slytherin, die gerade einen glänzenden Abschluss bei einem Privatlehrer abgelegt hatte. Daphne war immer der Liebling ihrer Eltern gewesen. Sie hatte die richtigen Freunde, das richtige Aussehen und die richtigen Umgangsformen. Im Gegensatz zu Astoria hatte sie lange, dunkelbraune Haare, die ein blasses Gesicht mit hellen, blauen Augen umrahmten. Ihr Gesicht hatte etwas Stolzes, etwas Erhabenes. Dazu war sie groß und schlank. Sie bekam immer alles, was sie wollte. Astoria hingegen war nicht all zu groß, hatte aschblondes Haar, das bis zur Taille reichte und ein freches spitzbübisches Gesicht. Blasse, vereinzelte Sommersprossen umrahmten ihre dunklen, braunen Augen und ihre kleine Stupsnase rief förmlich zu Unfug auf. Doch ihr sonst so frecher Mund zeigte in diesem Augenblick nur Bedrücken.

Natürlich, Daphne war ihnen zu schade für die Malfoys. Diese mussten erst einmal ihren Ruf wieder gerade rücken. Also wurde sie, die unnütze kleine Schwester, mit diesem Ekel verlobt. Tränen suchten sich bereits den Weg in ihre Augen und Astoria hatte ihre liebe Mühe sich zusammenzureißen. Hier war ihre Chance. Damit konnte sie ihre Eltern stolz machen. Selbst wenn es bedeutete Draco Malfoy zu heiraten. Etwas Schlimmeres konnte sie sich nicht vorstellen. Ihr Leben schien dahin. All ihre Träume in den Sand gesetzt.

„Natürlich Vater. Wie du wünschst." Sie konnte den Blick nicht heben und ihm in die Augen sehen. Stattdessen nickte sie nur leicht und ging davon.