Denethor's Grabkammer - das Seelengrab

Teil 1

Es war dunkler als sonst. Die flackernden Kerzen waren schon seit einer Ewigkeit erloschen. Niemand war in den letzten Tagen gekommen, um neue Kerzen aufzustellen. Und vorallem war niemand gekommen, um ihnen Essen zu bringen. Die meisten waren mittlerweile in einer Art Dämmerzustand vor Schwäche.

Die Stille zwischen den kalten Steinwänden wurde nur manchmal von dem Geräusch eines knurrenden Magens unterbrochen oder dem seltenereren leisen Schluchzen von einer der Anwesenden. Der modrige Geruch der Gemäuer schien sich intensiviert zu haben, da niemand die Tür geöffnet hatte und der winzige Türspalt kaum für einen Luftaustausch sorgte. Überhaupt war es ziemlich stickig in ihren Räumen.

Emilia's wachsame Augen wanderten durch die Dunkelheit und im schwachen Schimmern des Lichts von der Türspalte, konnte sie ein paar Gesichter der anderen Mädchen erkennen. Die meisten schliefen, andere hatten ihre Gesichter verborgen und einige saßen einfach nur apathisch da und starrten in die Dunkelheit.

Sie alle hatten es aufgegeben zu schreien und um Hilfe zu rufen. Die wenigsten von ihnen konnten noch richtig weinen und die hilflosen Schluchzer, die nun erstickt aus ihren Kehlen kamen, waren ein Zeichen dafür, dass ihre Kraft abnahm und sie sie nicht länger unterdrücken konnten.

Mit zitternden und kraftlosen Händen tastete Emilia neben sich. Sie hatte die letzten Stunden mit dem Rücken an der Wand gelehnt, die Beine fest an ihren Körper gepresst und die Knie mit den Armen umschlungen. Mit der linken Hand fühlte sie die lockigen Haare von Helina und tastete vorsichtig nach deren Schulter.

„Helina...", flüsterte sie leise und rüttelte sie vorsichtig.

Als Antwort bekam sie nur die vertraute Stille. Ihre Freundin rührte sich nicht. Und das, obwohl Helina einen sehr leichten Schlaf hatte, so wie sie alle hier. Bei dem leisesten Geräusch schreckten sie alle hoch.

„Bitte Helina..." Erneut rüttelte sie die Schulter der anderen, diesmal etwas fester. „Bitte wach auf!", flüsterte sie in die Dunkelheit.

Doch wieder kam keinerlei Reaktion von ihrer Freundin und besorgt rutschte sie näher zu ihr und tastete nach dem Gesicht der anderen, um ihr leicht auf die Wangen zu klopfen. Als wieder keine Reaktion erfolgte, klopfte sie stärker. Dann tastete sie nach dem Puls am kühlen Arm von Helina und horchte gleichzeitig auf Atemgeräusche, doch alles, was sie wahrnehmen konnte, war die grausame Stille. Eine Stille, die sie jetzt mit der Gewissheit empfing, dass ihre Freundin tot war.

Und obwohl diese Erkenntnis sie wie ein schwarzes Tuch der Trauer umhüllte, hatte sie nicht mehr die Kraft, auch nur einen laut von sich zu geben. Vielleicht war sie auch zu abgestumpft. Helina war nicht die Einzige, die in dieser Kammer gestorben war. Nicht umsonst nannte man sie Grabkammer...