A/N: Drama/Thriller mit kopfzerbrechendem Zeitreiseplot und haufenweise (aber niemals genug) Pricefield. Inspiriert von Koethe und dessen großartiger Musik.
Dies ist eine Übersetzung/Interpretation von IsraelBlarghs Fanfiction-Novelle unter demselben Namen. Ich lege jedem ans Herz, sein Original zuvorderst zu lesen. Des Weiteren ist der Genuss dieser Geschichte aus Qualitätsgründen auf 'Archive of Our Own' zu empfehlen.
Viel Spaß.
Better Then
Life is Strange: Im Auge des Sturms
von IsraelBlargh
übertragen ins Deutsche von Debott
Akt 1: Home, Shit, Home
Kapitel 1: Drücke W um zu springen
Wellen brechen gegen die Wand aus Klippen unter mir. Unaufhörlich bearbeiten sie den schroffen Fels mit ihrer schäumenden Brandung. Es ist friedlich hier oben: Der salzige Geruch der See liegt in der Luft, es geht eine leichte Brise und die Vögel singen zu einer gemächlich emporsteigenden Frühlingssonne, deren zärtliche Wärme sich bereits auf meinem Rücken abzeichnet. Doch dieser friedliche Anschein trügt. Sowie ich in das Foto in meinen Händen blicke, fühle ich mich verloren in den Gezeiten. Zeit- und ziellos umhergeschwemmt in von Wind und Wellen verwischten Erinnerungen.
Chloe starb heute vor fünf Monaten.
Ich hoffte, mit der Zeit würde es besser werden. Dies ist, was sie gewollt hatte, nicht wahr? Dies ist, was geschehen sollte, das Leben, das ich leben sollte. Wie also könnte es mir derart widerstreben?
Mittlerweile wurde es schon zur Gewohnheit, endlos in das Foto zu starren. Dieses gottverdammte Schmetterlingsfoto, welches ich einfach nicht über mein Herz bringe, es zurückzulassen. Ich habe schon längst versucht hindurchzuspringen. Schon hundert mal habe ich es versucht.
Ich habe auch schon versucht, die Zeit zurückzudrehen. Nichts will funktionieren. Seit dem Tag ihrer Beerdigung liegen meine Zeitreisekräfte eingesperrt hinter einer Türe, die ich nicht zu durchbrechen vermag. Eine ganze Weile lang war ich erleichtert, als ich noch dachte, ich könnte über sie hinwegkommen.
Heute denke ich das nicht mehr. Fünf Monate lebe ich nun schon das Leben einer Toten: Ich gehe morgens zur Schule, ich esse mittags in der Kantine, ich mache nachmittags meine Hausaufgaben; alles genau wie früher. Am Abend schließe ich mich ein in mein Zimmer und weine bis meine Augen nachgeben und ich in einen rastlosen Schlaf verfalle. So weit, so normal. So fern, und so bedeutungslos. Dieses Leben scheint mir nicht mehr das meine, nicht mehr real, und vielmehr nur das verzerrte Nachbild einer Existenz, die sein hätte können.
Es ist schon so lange her und doch kann ich nicht aufhören, an sie zu denken. An die Art und Weise, wie sie umkam. An die Person, die sie war in jener Realität. Ich kriege Joyce einfach nicht aus meinem Kopf, eingeknickt und gebrochen, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Albträume rauben mir jeden Schlaf. Jefferson lauert in jeder dunklen Ecke, obwohl ich sehr wohl weiß, dass er schon lange im Knast vegetiert. Chloe stirbt in jeder einzelnen Nacht vor meinen Augen. Sie stirbt, und es gibt nichts, was ich dagegen tun könnte. Ich habe Jeffersons Dunkelkammer zurückgelassen, doch die Dunkelheit bleibt noch immer ein Teil von mir.
Und niemand kann davon wissen. Niemand darf auch nur den Hauch einer Ahnung davon haben. Ich würde meiner Geschichte selbst nicht glauben, wenn ich sie hörte. Wie soll ich nur jemals wieder in die Zukunft blicken, wenn jedes Gespräch zum Taumeln durch ein Minenfeld wird? Jede Frage zu einer quälenden Erinnerung an Wissen, das ich eigentlich gar nicht besitzen dürfte? Ich kann ihre Blicke nicht ertragen, wie sie sich fragen, was los ist, warum es mir noch nicht besser geht. Sie verwenden Worte wie „tapfer" und „tragisch" und „heilen". Sie können es nicht besser wissen, aber ich will ihnen trotzdem allen den Hals umdrehen deswegen.
All die Last erdrückt mich, sie raubt mir den Atem. Es ist einfach zu viel, ich kann sie nicht mehr länger alleine ertragen. Ich kann einfach nicht mehr.
Und so stehe ich hier nun, oben auf dem Leuchtturm, über die Reling geklettert. Dies ist meine Lösung. Nach dem, was Kate in der ursprünglichen Zeitlinie getan hat, lässt sich die Ironie des Schicksals nur schwerlich leugnen.
Ich stecke das Foto weg und schließe die Augen. Ich bin nicht suizidgefährdet, nicht wirklich. Ich muss zu ihr zurück, und das hier ist schlichtweg die einzige Möglichkeit, die mir noch bleibt: eine Leben-und-Tod-Situation, um meine Kraft neu zu erwecken. Ich habe mir nichts davon eingebildet, ich weiß, dass sie da ist. Wenn das hier nicht funktioniert, dann klappt auch sonst nichts.
Und falls es die Kräfte nicht neu entfachen sollte… tja.
Sie sterben zu lassen, war die richtige Entscheidung. Daran glaube ich noch immer, trotz alledem.
Ich glaube einfach nur, dass ich nicht länger mit dieser Entscheidung leben kann.
Ich öffne die Augen.
Ich tue einen Schritt nach vorne.
