Lisa saß auf einer Bank neben dem Spielplatz im Berliner Zoo und sah ihrer fünfjährigen Tochter Katharina beim spielen zu. Sie hüpfte mit ein paar anderen Kindern auf einem Trampolin. Lisa lehnte sich zurück. Schon anfang Mai war es angenehm warm. Sie holte ein buch aus ihrem Rucksack und begann zu lesen.
"Mama!"
Lisa schaute auf. Vor ihr stand Katharina, neben ihr ein Junge mit dichten braunen Locken und grünen Augen.
"Können wir Bonbons haben?"
Lisa suchte in ihrem Rucksack und hielt den beiden ein paar Bonbons hin.
"Und wie heißt du?", fragte sie den Jungen.
"Sasha", antwortete er und wickelte das Bonbon aus. Dann liefen beide Kinder wieder zum Klettergerüst. Sie sah ihnen nach. Ein Bild blitzte vor ihren Augen auf. Sie, einen kleinen Jungen mit braunen Locken und Rokko in der S-Bahn… Was Rokko jetzt wohl machte? Sie hatte ihn seit ihrer Hochzeit mit David nicht mehr gesehen. Ein paar Mal hatte sie etwas über ihn in der Zeitung gelesen, über seine Projekte in der ganzen Welt.
Lisa sah, wie Katharina und Sasha die Rutsche hinunterrutschten.
Ob Rokko jetzt eine Familie hatte? Lisa und David hatten sich vor fünf Jahren getrennt, jetzt verstanden sie sich wieder besser. Am Wochenende war Katharina oft bei ihm. Er holte sie auch manchmal vom Kindergarten ab. Sasha wurde von einer braunhaarigen Frau gerufen. Katharina life zu Lisa.
"Können wir mit Sasha durch den Zoo gehen?"
Lisa nickte, packte ihr Buch ein und folgte ihrer Tochter.
"Schau mal Sasha, deine Freundin und ihre Mama kommen mit!", sagte die Frau zu Sasha. "Hallo, ich bin Marie", stellte sie sich vor.
"Lisa."
Sasha und Katharina liefen voraus. Vor dem Wolfsgehege blieben sie stehen und schauten die kleinen Wölfe an, die nahe am Zaun spielten.
"Ich hab deine Tochter schon ein paar Mal gesehen, als ich Sasha vom Kindergarten abgeholt hab. Am liebsten klettern die beiden auf dem Klettergerüst."
Lisa lächelte. "Stimmt, Katharina klettert sehr gern. Wenn ich sie abhole muss ich immer lange warten, bis sie sich vom Klettergerüst trennen kann. Ihrem Vater gehts auch so."
Bald darauf kamen sie an einem Eisstand vorbei.
"Wollt ihr ein Eis?"
"Ja!" Lisa holte für beide ein Minimilk.
"Danke!" Lisa und Marie setzten sich auf eine Bank vor dem Löwengehege, vor dem Sasha und Katharina standen und staunten.

Nachdem sie sich von David getrennt hatte, war Lisa mit ihrer Tochter in eine Dreizimmerwohnung gezogen. Mittlerweile hatte Lisa die Wohnung schön eingerichtet. Sie saß auf dem Sofa und schaute eine DVD. Katharina schlief bereits. Doch Lisa bekam vom Film nicht viel mit. Immer wieder dachte sie an den Traum von vor sieben Jahren, der sich in ihrem Gedächtnis eingebrannt hatte. Sasha hatte sie daran erinnert. Heute hatte sie zum ersten Mal seit langer Zeit an Rokko gedacht. Das Telefon klingelte. "Plenske."

"Hi David."

"Am Wochenende?"

"Wir waren heute im Zoo. Katharina hat einen Freund aus dem Kindergarten getroffen."

"Auf dem Spielplatz."

"Sie wird dir bestimmt viel erzählen."

"Hast du mit Hugo geredet?"

"Gut.

"Bis dann."Sie legte auf. Das Wochenende würde Katharina bei David verbringen. Vielleicht könnte sie dann mal wieder in die Tikibar. Mit Marie ? Sashas Mutter war ihr wirklich sympathisch.Der Film war zu ende. Lisa schaltete den Fernseher aus und ging in ihr Schlafzimmer.

'M. Kiefer' Sie klingelte. Es summte und Lisa drückte die Tür auf. Marie wohnte im zweiten Stock. Katharina sprang ihr entgegen.
"Hallo kleine Maus! Hallo Marie."
"Hallo Mama!"
"Hi Lisa. Komm rein." Lisa betrat die Wohnung. Ein kleiner Flur führte ins Wohnzimmer, in die Küche und zu zwei weiteren Zimmern.
"Möchtest du was trinken? Wasser, Kaffee...?"
"Einen Kaffe, danke." Sie ging mit Marie in die Küche. Alle Schränke waren aus Edelstahl, alles war aufgeräumt. Marie nahm zwei weiße Tassen aus einem Schrank, aus einem anderen Zucker und aus dem Kühlschrank ein Kännchen mit Milch. Das alles stellte sie mit einer großen Kaffeekanne auf ein Tablett, das ebenfalls silbern glänzte. Im Wohnzimmer saßen Sasha und Katharina auf dem Sofa und schauten eine DVD.
"Koenig der Löwen Mama!" Lisa lächelte. Dass sie diesen Film noch nicht auswendig kennt... zu hause schaut sie ihn ständig!
"Mag Sasha den Film auch so?"
"Total, ich wundere mich schon, wenn er eine Woche lang nicht fragt, ob er diesen Film schauen darf." Beide lachten. Marie stellte die Taschen auf den Esstisch und schenkte erst Lisa, dann sich Kaffee ein.
"Soll ich die beiden morgen wieder abholen?"
"Nein, Katharina ist am Wochenende bei ihrem Vater. Er holt sie gleich vom Kindergarten ab."
"Bist du nicht mehr mit ihrem Vater zusammen?"
"Nein, schon seit über 4 Jahren geschieden. Wir haben erst nach zwei Jahren gemerkt, dass es einfach nicht so gut läuft mit uns."
"Ich bin mit Sashas Vater auch schon lang nicht mehr zusammen, aber verheiratet waren wir nicht. War auch besser so. Kurz nach der Geburt hat er mir gesagt, dass er nicht mit mir zusammen sein kann. Aber wenigstens kümmert er sich um Sasha, wenn er mal in Berlin ist."
"Stimmt, ich finds auch toll, wenn sich David um Katharina kümmert. Dann hab ich auch mal Zeit für mich und kann abends weg. Hast du Lust, Samstag mit mir in die Tikibar zu gehen?" Marie überlegte kurz.
"Ich ruf mal schnell Rokko an und frag, ob er sich um Sasha kümmern kann." Sie stand auf und ging aus dem Zimmer. ROKKO?! Quatsch Lisa, das ist nicht Rokko Kowalski. Es gibt mehr Rokkos ab nur diesen einen... Doch das konnte sie nicht beruhigen. Wann Sasha wirklich Rokkos Sohn war? Aber warum regte sie das so auf? Rokko, wenn das überhaupt Rokko Kowalski war, hatte einen Sohn. Was war daran so schlimm? Sie hatte doch auch eine Tochter. Er konnte doch machen was er wollte!

Marie kam wieder ins Wohnzimmer.
"Sasha ist bei Rokko untergebracht. Er fährt er nächste Woche zu einem Auftrag nach München."
"Rokko wohnt in Berlin?"
"Ja, nachdem wir uns getrennt haben ist er in eine kleine Wohnung am Stadtrand gezogen. So konnte er Sasha noch oft sehen." Rokko in Berlin... Das konnte nicht Rokko Kowalski sein! Sie war ihm nicht mehr begegnet seit...
"Aber bald hatte er wieder viele Aufträge im Ausland und hat Sasha vielleicht alle fünf, sechs Wochen gesehen. Und ich als Fotografin hab auch kaum zeit gehabt für Sasha. Jetzt hat Rokko zum Glück wieder Aufträge in Deutschland, kann als Werbeprofi auch nicht so schwer sein; und Sasha ist wieder öfter bei ihm." Rokko... Werbeprofi... das konnte doch kein Zufall sein! Aber warum regt mich das auf? Könnte mir doch eigentlich egal sein. Aber es war ihr nicht egal.