Sonnengold entwend ich dem Tagesgestirn,
winde draus einen siebenfach strahlenden Ring,
und an deine Hand, die reine,
füg ich in sprachlosem Glück ihn, Geliebter!

(Christian Morgenstern, verändert von Eomer)

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Hephaistion erzählt....

Wir sind in Ägypten angekommen.

Alles ist so anders, so viel heller, so viel mystischer und magischer.

Ägypten, Traumland im Süden, Land der Pharaonen.

Ich habe davon immer geträumt, aber nie gewagt zu hoffen, dass ich eines Tages hier sein würde, im Reiche der Sonne, im Reiche Amun Res, der Sonnenscheibe, der unsterblichen.

Alle Götter sind einer, sagte ein Pharao, so erzählt man mir, und es sei die Sonne, die alles überstrahlt und von der alles Leben ausgeht. Die Sonne, deren Licht und Wärme erschafft, aber auch zerstört. Tod und Leben, alles in einem, Geburt und Wiedergeburt, Werden und Vergehen.

Er saugt alles in sich auf, wie ein Schwamm, und er hört mit glänzenden Augen zu, wenn die Priester des Ra ihre Mythen erzählen, wenn sie ihn mitnehmen in ihre Tempel, wo sie die ersten Sonnenstrahlen des Tages begrüßen, wenn sie ihn in Weiß kleiden, damit er mit der Sonne um die Wette strahlt.

Er sei der Sohn des Höchsten Gottes, so hat das Orakel in der Oase Siwah gesagt, und er sei der neue Pharao Ägyptens, das sich ihm zu Füßen wirft, ihm, dem Sohn der Sonne, dem Blonden, dem Goldenen.

Meine Augen liegen liebend auf ihm, wie immer. Wie sie es von Anfang an taten, als ich in die Reihe seiner Gefährten aufgenommen wurde, damals, am Hofe von Pella, als wir unterrichtet worden von Aristoteles und anderen, die Philippos zu uns bringen ließ, auf dass aus uns Barbaren, wie die Griechen uns gerne nannten, wahre Hellenen würden.

Aber im Innersten waren wir das nie und werden es nie werden. Ich zumindest nicht, ich fühle die Wildheit in mir und das Raubtier, das kämpfen wird um alles, was man versucht ihm zu nehmen.

Und ich bin eifersüchtig, auf alle, auf die Welt, die mir Alexander, meinen Alexander, nehmen möchte.

Meine Sonne.

Er ist meine Sonne, ohne ihn möchte ich nicht leben. Er hat die Finsternis meines Herzens erhellt, er strahlt in mein bedeutungsloses Leben mit seiner ansteckenden Freude, mit seiner Ruhelosigkeit, mit seiner Lebenslust, und er macht, dass ich werde wie er, dass ich auch Alexander bin.

Jeder Gegenstand wird hell, wenn er durch die Sonne erhellt wird.

Und so bin ich der Gegenstand und er ist meine Sonne, und um ihn drehe ich mich und möchte mich drehen, und seiner möchte ich sein für alle Zeiten.

In einer Nacht kommt er zu mir.

Er lächelt mich an, selbst jetzt strahlt er, nur von wenigen Kerzen erleuchtet, und ich warte ab, was er tun wird.

Ich weiß, dass er mich liebt. Ich weiß, dass er es tut, aber mehr als damals, in unserer Jugend, ein paar versteckte Küsschen und ein wenig Händchen halten, und nun, Umarmungen und keusche Küsse auf die Wange, höchstens auf die Lippen, flüchtig, gab es nie.

Ich liebe ihn, ich liebe ihn so sehr, dass es weh tut, seit Jahren hängt mein Herz an ihm und seit Jahren sehne ich mich danach, bei ihm zu sein, ganz bei ihm zu sein, so wie ich weiß, dass andere beisammen sind. Ah, ich habe sie beobachtet und ich weiß Bescheid. Und ich habe mich selbst verteidigen müssen, sogar gegen Aristoteles, der eines Abends in mein Zimmer kam und mir die Liebe zwischen Lehrer und Schüler, wie sie Platon einst beschrieb, beibringen wollte.

Ich habe mich gewehrt! Mit Händen und Füßen, gegen den schweren Leib, der sich auf mich legte, und gegen seine unerwünschte Begierde, die mich peitschte, und ich habe mich durchgesetzt. Niemand außer Alexander wird mich jemals besitzen, das schwor ich mir in dieser Nacht.

Lange ist es her.

Meine Gedanken fliehen zurück, nach Pella, damals........