Im Schatten der Macht

Disclaimer: Alle Figuren gehören J.K. Rowling (außer ein paar von mir erfundenen Charakteren in den nächsten Kapiteln (wenn es in Bellatrix' Vergangenheit geht)).

Hauptcharakter: Bellatrix Lestrange


Prolog

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

(Rainer Maria Rilke)

Langsam holte Bellatrix Lestrange tief Luft, nur um diese dann ebenso langsam wieder auszuatmen. Mit einer Hand fuhr sie sich durch ihre verfilzten Haare. Wieder seufzte sie. Ein kalter Hauch wehte durch die Gitterstäbe in ihre Zelle und ließ sie erschaudern.

Wie sie diesen Ort hier hasste.

Sie hasste ihn so sehr, dass sie manchmal an nichts anderes mehr denken konnte, als an diese einengenden Wände, diese Mauern, diese Kälte, diese Dementoren…

Aber das alles reichte nicht aus. Es reichte nicht aus, um Bellatrix Lestrange zu brechen. Um ihren Willen zu zerschlagen. Denn sie hatte noch nicht aufgegeben. Irgendwann würde sie hier rauskommen und dann würde der Dunkle Lord sie ehren, wie noch niemanden zuvor. Denn sie alleine waren ihm treu geblieben.

Bellatrix schloss müde ihre Augen und zog die Beine an ihren Körper heran. Der Dementor, der vor ihrer Zelle Wache hielt, rührte sich nicht. Der Mond schimmerte silbern hell am Nachthimmel und die Wolkenschwaden verschwammen zu dünnen Tüchern, welche sich über die verblassenden Sterne ausbreiteten.

Sie spürte Hass. Keinen leidenschaftlichen Hass, sondern eiskalten, berechnenden Hass. Und dann dachte Bellatrix an all die Menschen, die sie am meisten hasste.

Barty Crouch Sr, Sirius Black, ein Schandfleck für ihre Familie und für alle Reinblüter, Albus Dumbledore, ihr ehemaliger Schulleiter, aber vor allen Dingen hasste sie Harry Potter und Peter Pettigrew. Den einen, weil er die Ursache für die Niederlage des Dunklen Lords gewesen war und den anderen, weil er den Dunklen Lord dieser Niederlage ausgeliefert hatte.

Doch es hatte alles keinen Sinn. Bellatrix wollte ihren Kopf nicht mit überschüssigen Gefühlen blockieren, sie musste ihn freimachen, um den Dementoren widerstehen zu können. Ihre Hand zitterte, als sie nach einem Stück Pergament griff, auch wenn sie es mit aller Kraft, die ihr noch geblieben war, zu verhindern versuchte. Das Zittern war ein Zeichen von Schwäche und das war sie nicht, Bellatrix Lestrange war stark, der Dunkle Lord hatte sie persönlich alle ihre Kenntnisse gelehrt und ihr alle Flüche beigebracht. Doch die Jahre in Askaban schienen ihre Spuren zu hinterlassen. Und das war ein weiterer Grund, warum sie dieses Gefängnis hasste.

Eine Feder zum Schreiben besaß Bellatrix nicht, angeblich war dieses spitze Gerät einer Waffe gleich zu setzen. Aber man hatte ihr ein angespitztes Stück Kohle überlassen. Und so versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen. Ihre Hand suchte den Weg über das Pergament und allmählich zeichneten sich Buchstabe um Buchstabe ab. Bellatrix vermisste das Kratzen der Feder, den Geruch der Tinte, die Welt draußen, außerhalb dieses Gefängnisses für ihren Körper, aber so lange ihr Geist nicht eingesperrt war, versuchte sie ihre Kräfte für die Wiederkehr des Dunklen Lords zu schonen und ihn nicht zu enttäuschen.

Meister, es tut mir Leid, dass ich euch nicht selber suchen kann, aber ich hoffe, dass ein anderer Diener euch finden und euch zu neuer Macht verhelfen wird. Lucius wurde schließlich nicht festgenommen. Ich verstehe sowieso nicht, warum mich noch keine Nachricht von eurem Erstarken erreicht hat, bestimmt hätte das Zauberministerium so etwas schnell an die Öffentlichkeit gebracht. Obwohl ich mir bei Mr. Fudge noch nicht einmal so sicher bin. Ich habe ihn gesehen, als er Sirius Black hier besucht hat, er ist an meiner Zelle vorüber geschritten und alleine an seiner Art zu gehen konnte ich viel erkennen. Er ist ein Feigling. Umso besser für euch, obwohl das Zauberministerium wohl noch nie kompetent war, auch nicht als ihr an der Macht wart… Meister, ich… ich… es fällt mir schwer, das zu schreiben, aber… ich glaube, dass ich immer schwächer werde. Ich versuche meine Kräfte aufrechtzuerhalten, um wenigstens euren erneuten Aufstieg miterleben zu können, denn das ist mein größter Wunsch, aber ich… Nein! Verzeiht, dass ich das geschrieben habe, wahrscheinlich war mein Verstand nur etwas verwirrt. Ich bin stark! Ich werde hier wieder lebend rauskommen! Ich will mich genauso verhalten, wie ihr es in meiner Situation tun würdet. Ihr würdet nicht verzweifeln, also lasse auch ich mich nicht von den Fängen der Verzweiflung packen.

Tränen stiegen in ihre Augen. Mit dem Handrücken wischte Bellatrix sich schnell über die Augenwinkel. Seit 14 Jahren war sie nun schon hier… seit verdammten 14 Jahren büsste sie für etwas, das ihrer Meinung nach gar keine Strafe wert war. Bellatrix lachte laut auf. Dieser Longbottom hatte sich gewehrt, ebenso wie seine Frau. Sie hatte gekämpft, mit Händen und Fäusten, gestrampelt, gezappelt, sich gewunden, gekratzt, gebissen, aber sie hatte keine Chance gehabt. Seltsamerweise amüsierte die Erinnerung an dieses Verbrechen Bellatrix. Obwohl sie sich natürlich nicht eines Verbrechens bewusst war. Für sie war es eine Notwendigkeit gewesen, etwas, das jeder anständige Todesser in so einer Situation getan hätte. Für seinen Meister. Lord Voldemort.

Ihr hättet sie sehen sollen, Meister, dieser Frank Longbottom hatte es doch tatsächlich versucht mit uns aufzunehmen. Aber ich glaube insgeheim hat er gewusst, dass er diesen Kampf verlieren würde. Ich habe es in seinen Augen gesehen. Sie hatten nur so gestarrt vor Furcht und Gewissheit… in dem Moment, in dem ich den Fluch sprach. Ich habe ihm ganz fest in diese Spiegel seiner Seele geblickt und in diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, ich könnte ihn alleine mit meinem Blick zu Boden zwingen. Trotzdem sprach ich wie automatisch die Zauberworte, die ihr mich gelehrt hattet. Crucio! Ohne Mitleid, ohne Furcht vor den Konsequenzen.

Wieder lachte Bellatrix. Sie konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Jeder Fremde, der sie in diesem Moment gesehen hätte, hätte sie gewiss für verrückt befunden.

Aber es war kein Glücksgefühl, das sie empfand, also konnten die Dementoren es ihr nicht nehmen. Bellatrix durchströmte bei dieser Erinnerung nur wieder die gleiche Lust und die gleiche freudige Regung, die sie beim Anblick des sich windenden und schreienden Frank Longbottom gefühlt hatte.

Langsam beruhigte sie sich wieder und nach wenigen Minuten war Bellatrix wieder von dem Gefühl der Schwere befangen. Etwas lastete auf ihren Schultern, etwas, das sie daran hinderte hier rauszumarschieren. Doch bei dem Gedanken an einen möglichen erneuten Aufstieg ihres Meisters Lord Voldemort wurde ihr wieder leichter ums Herz.

Und plötzlich spürte Bellatrix eine Energie in sich, wie sie sie schon seit langem nicht mehr empfunden hatte. Ruckartig sprang sie auf. Das Pergament segelte auf den staubigen Steinfußboden und das Kohlestück fiel klirrend daneben. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wollte hier raus, sie musste hier raus! Energisch rüttelte sie an den Gitterstäben. Ihre Haare wirbelten durch die Luft. Wie wild stieß sie sich ab, als sie merkte, dass sie keinen Erfolg erzielte, und fing an, gegen die Wände zu schlagen und zu trommeln. Ihre Augäpfel rollten in ihren Höhlen. Sie fing an zu schreien. Sie kniff die Augen zusammen. Ihre zu Fäusten geballten Hände fingen an zu bluten, aber sie hörte nicht auf gegen die Wand zu schlagen. Ihre Kraft ließ mit jeder Bewegung nach. Sie fing an zu schluchzen. Mittlerweile klopfte sie nur noch sachte und apathisch gegen die Steine, während sie vor- und zurückwippte. Ihr ganzer Körper zitterte. Tränenströme flossen über ihre Wangen. Langsam begann sie ihre Stirn gegen die Wand zu hämmern. Ein blutiges Rinnsal bildete sich und rann an der Seite ihres Kopfes hinunter. Auch unter ihren Haaren sickerte Blut hervor. Ihr hysterisches Schluchzen wurde leiser und ihre Bewegungen flachten vollständig ab. Kraftlos rutschte sie an der Wand hinunter. Langsam kroch sie am Boden in die hinterste Ecke ihrer Zelle und kauerte sich dort zusammen. Dort wippte sie weiterhin vor und zurück, während ihr Blick abwesend und verstört wirkte. Mit zitternder Hand strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht.

In dieser Stellung verharrte Bellatrix mehrere Stunden, bevor sie einschlief.


Ich bin wohl doch nicht so stark, wie ich dachte. Askaban hat mich verändert. Ob ich es mir eingestehen will oder nicht.

Nie mehr werde ich dieselbe sein, die ich vorher war…

Ich bin nicht verrückt. Dieser Ausbruch liegt nicht in meiner Natur. Dieses Wesen, das sich da in der Ecke zusammenkauert, das bin nicht ich, das ist das, was Askaban aus mir gemacht hat.

Nie mehr werde ich dieselbe sein, die ich vorher war…

Warum sollte ich Mitleid für irgendjemanden empfinden? Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Warum sollte ich Mitleid für die Longbottoms empfinden? Wo ich doch selbst keins empfange.

Natürlich könnte man sagen, dass ich keins verdient habe, aber woran macht man das fest?

Kann man sagen: Wenn ein Mensch jemand anderen umgebracht hat, dann ist er es selbst nicht mehr wert, dass man Mitleid für ihn empfindet?

Oder: Wenn ein Mensch einen anderen Menschen gequält hat, ist er es selbst dann nicht mehr wert, dass man um diesen Menschen trauert oder Mitleid für ihn empfindet?

Wenn es so wäre, dann dürfte man auch kein Mitleid mehr für Frank Longbottom empfinden, denn auch er hat Todesser umgebracht und gejagt.

Ich weiß, warum alle Mitleid mit den Longbottoms haben und keiner mit mir. Es liegt nicht daran, was wir getan haben, sondern daran, was wir sind und was mit uns gemacht wurde. Ich bin böse, ich wurde einsperrt. Die Longbottoms sind gut, sie wurden geistig zerrüttet. Wen trifft da das Mitleid? Natürlich die Guten.

Das ist dieses einfache Schwarz-Weiß Denken.

Und deswegen hasse ich diese einfachen Zauberer und diese Schlammblüter so sehr. Sie sind nicht in der Lage zu begreifen. Sie sind nicht in der Lage zu begreifen, dass es etwas gibt, das nichts mit Gut und Böse zu tun hat. Es gibt kein Gut und Böse. Es gibt nur Macht und jene die zu schwach sind, um nach ihr zu streben.

Der dunkle Lord und wir, seine Anhänger, sind die Einzigen, die zu dieser Erkenntnis gelangt sind, wir sind erhaben über die menschlichen Ideologien und Wertvorstellungen, wir lassen uns nur von einem leiten. Macht. Und jene, die nicht in der Lage sind, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, die haben es auch nicht verdient zu leben. Denn dieses Geschenk sollte nur denen vorbehalten sein, die auch die Großzügigkeit dieser Gabe anzuerkennen wissen und wie sie aus diesem Geschenk den von ihm gewünschten Nutzen ziehen. Leben ist für die, die sich vervollkommnen wollen. Leben ist für die, die die Macht haben oder danach streben. Und dieses Streben ist keineswegs selbstsüchtig, es ist für die Allgemeinheit. Denn die Menschen brauchen jemanden, der sie führt. Und ein Führer braucht Macht. Mein Meister ist solch ein Führer. Und wenn wir, seine Anhänger, zu Macht gelangen, dann nur, um die seine zu nähren.

Nie mehr werde ich dieselbe sein, die ich vorher war…

Die Realität hat mich zurückgeholt. Ich sitze hier in Askaban und kann meine Überzeugungen nur dem Papier mitteilen. Das ist frustrierend. Doch die Zeit wird gekommen, da ich die Wahrheit wieder in die Welt hinaus rufen kann, denn ich bin mir sicher, dass der dunkle Lord wieder zu neuer Macht und neuem Ruhm emporsteigen wird.

Die Zeit ist reif.

Es dauert nicht mehr lange.

Und wenn es so weit ist, dann werde ich zur Stelle sein, denn ich bin seine treuste Anhängerin.


A/N: Am ersten Kapitel (in dem (und den folgenden) es dann um Bellatrix' Vergangenheit geht) arbeite ich noch, deswegen könnte es etwas länger dauern, bis ich es reinstelle. Aber vorher wollte ich schon mal ein paar Reaktionen hier drauf haben :) Also, Kritik, Verbesserungsvorschläge, Lob, mir ist alles willkommen ;)