Folggash - Freundschaft

I. L' rivven - Die Menschen

Erinnerungen...

Sie sind wie Blätter im Wind...

Einige werden von einer leichten Brise davon geweht,

Andere verweilen an einem Ort, den sie Niemals wieder verlassen werden.

So ist es auch bei mir. Ich habe nicht gewusst, auf was ich mich einlasse, ich war zu naiv. Ich habe geglaubt, mit einer Flucht sei alles getan.

Langsam öffne ich die Augen, hebe den Kopf ein wenig an. Das gleißende Licht der Sonne lässt sie mich gleich wieder schließen, doch ich zwinge mich selbst, hinzusehen. Der Schmerz, der mich in diesem Moment überkommt ist nur allzu willkommen, er wischt die Gedanken für einen Moment hinfort. Warm streicheln die Strahlen der Sonne mein Gesicht, doch ich selbst friere. Ich spüre, wie Tränen ihre nassen Spuren auf meinen Wangen hinterlassen, das ohnehin unkenntliche Bild vor meinen Augen verschwimmt noch weiter. Es sind noch immer Tränen des Schmerzes, doch dieses Mal ist er körperlich. Ich habe nichts anderes verdient, sage ich mir immer wieder, doch es hilft nicht.

Gerade will ich die Hand heben, um meine Sicht zu klären, da entsinne ich mich der Ketten, deren eiserne Schellen beinahe viel zu fest um meine schlanken Handgelenke liegen. Sie sind kalt, genauso kalt wie ich mich fühle.

Ich weiß nicht, wie lange ich in dieses blendende Weiß starre, jegliches Gefühl für Zeit und Raum scheint dahin zu sein, nur der brennende Schmerz, der meine Augen mehr und mehr tränen lässt ist allgegenwärtig. Ich begrüße ihn, nehme ihn dankbar hin, unfähig die Lider zu schließen. Erst, als ich höre, wie der Riegel fort geschoben wird, und die schwere Holztüre in meinem Rücken sich öffnet, wende ich den Kopf herum. Bunte Flecken tanzen vor meinem Gesicht herum, und noch ehe ich überhaupt auch nur die Umrisse meines Peinigers wahrnehmen kann, spüre ich einen Tritt in den Rücken, der mich vorn über fallen lässt. Meine Hände sind mir, in Ketten gelegt nur eine spärliche Hilfe, und so kann ich den Aufprall nur mäßig abfangen. Hart schlägt meine Stirn auf dem kühlen Steinboden auf, und zu den bunten Flecken gesellen sich dunkle Schatten. Wenn ich aber geglaubt habe, der Situation entkommen zu können, so werde ich enttäuscht.

„Verdammter Drow... Steh auf!"

Wie aus weiter Ferne dringt das gebrüllte Kommando an meine Ohren, und so sehr ich auch versuche, einen zu erkennen, bis auf die Erwähnung meiner Rasse ergeben sie einfach keinen Sinn. Langsam raffe ich mich ein Stückchen auf, versuche abermals einen Blick über meine Schulter zu erhaschen, da packt mich der Fremde schon grob bei den Haaren, und zerrt mich unsanft in die Höhe. Ich kneife die Augen zusammen vor Schmerz, und wundere mich selbst, dass meine Beine mir überhaupt gehorchen.

„Das nächste Mal stehst du gleich auf, anderenfalls muss ich zu hörteren Mitteln greifen, du elendes Stück Dreck!"

Hart trifft mich die Faust des Menschen ins Gesicht. Schwindel überkommt mich, doch ich gebe keinen einzigen Laut von mir. So hart es klingt, doch ich bin derartige Behandlung gewöhnt. Es hilft nicht, den Schmerz zu verdrängen, doch zumindest verwehrt es den Feinden ein Gefühl von Triumph. Noch immer verstehe ich kein Wort von dem, was er sagt, und als sich das Bild vor meinen Augen ein wenig lichtet, erkenne ich einen hoch gewachsenen Mann in einer schmuddeligen Eisenrüstung, wie sie all die Wachen hier tragen. Der Blick in den Stahlblauen Augen des Mannes ist eisig und hasserfüllt, se9ne Statur macht deutlich, dass ich mich gegen ihn kaum würde wehren können, und selbst der dunkle Bart vermag den brutalen Zug um seine Lippen nicht zu verbergen.

Hilflos hebe ich die Hände, versuche ihm klar zu machen, dass ich ihn nicht verstehe, doch er lacht nur leise. Entweder er versteht mich nicht, oder es ist ihm schlichtweg egal. Ich weiß es nicht - genau genommen weiß ich nicht einmal, was ich mir zu Schulden habe kommen lassen.

„Beweg dich endlich, du dreckiger Bastard!"

Fest packt er mich bei der Kette, welche meine Handgelenke etwa Zehn Zentimeter voneinander entfernt verbindet, und reißt mich nach vorn, in Richtung des Ausganges der kleinen Zelle, in welcher ich gesessen habe. Die Kraft des Menschen ist erstaunlich - obwohl er garnicht so weit ausholt stolpere ich, und falle zu Boden. Ein leises Aufstöhnen kann ich nicht verbergen, zu überrascht bin ich, doch er lässt mir keine Zeit, wieder auf die Füße zu kommen. Wieder reißt er mich an den Haaren in die Höhe, und schubst mich dann vor sich her. Ich habe keine Ahnung, wohin er mich bringt, ich weiß nicht, was mich erwartet, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass es nichts Angenehmes sein wird.

Schon als er mich die Stufen hinauf dirigiert, welche wohl aus dem Kerker heraus führen muss ich die Augen schließen. Durch das kleine Fenster, welches ein wenig Sonnenlicht in meine Zelle gelassen hatte, hätte ich nicht einmal ansatzweise erahnen können, wie hell es hier draußen wirklich sein würde. Blindlings stolpere ich über irgendeinen Hof. Stimmengewirr empfängt mich, sie sprechen eine Srache, die in meinen Ohren hart und abgehackt klingt, doch was mir ehrlich Angst macht ist die Tatsache, dass sie alle gleichermaßen hasserfüllt klingen. Und noch während ich mich ernsthaft frage, was ich ihnen getan habe, trifft mich etwas am Kopf. Der Schlag ist hart, und überrascht reiße ich die Augen weit auf. Ich sehe nichts - nichts außer einer gleißend hellen, weißen Wand, dann geben die Knie unter mir nach.

Mein Kopf dröhnt, und mit dem nächsten Windzug spüre ich, wie etwas klebrig kühles an meiner Schläfe herunter rinnt. Der Kerl hinter mir brüllt irgend etwas, dass ich ebenso wenig verstehe, wie das enttäuschte Murren, dass danach durch die Riege der Anwesenden geht. Ich versuche aufzustehen, wissend, dass ich mir anderen Falles nur noch mehr Ärger einbringe, doch ich kann nicht. Mir ist speiübel, und bis auf den weißen Schleier vor meinen Augen kann ich nichts erkennen.

Dann werde ich von zwei weiteren Männern gepackt, die mir ebenfalls Kommandos zubrüllen, sie klingen recht ungeduldig, und obgleich ich sie anschreien mag, dass ich sie auch höre, wenn sie leise sprechen füge ich mich besser und lasse mich von ihnen weiter zerren. Mittlerweile klingeln mir die Ohren von ihrem Gebrüll, und das beständige Wummern in meinem Kopf wird davon nicht besser.

Irgendwann, es kommt mir vor, als seien Stunden vergangen, betreten wir ein Gebäude aus dunklem Stein. Grob werde ich durch einige Gänge geschleift, dann höre ich, wie sich eine weitere Tür mit einem Quietschen öffnet, dass mich beinahe hätte aufschreien lassen. Ich werde durch einen Raum gestoßen, und unsanft drückt man mich auf einen Stuhl, der hart ist, wie Stein. Ich blinzle, und erst jetzt wage ich, die Lider einen Spalt weit zu heben. Was ich sehe, lässt mich kaum daran zweifeln, dass das, was mir bevorsteht mir womöglich den Rest geben würde.

„Rühr dich vom Fleck Drow, und du wirst dir wünschen, in deinem dreckigen Loch geblieben zu sein."

Einer der Männe hatte sein Gesicht nahe an mein Ohr herab gebeugt, doch auch jenes Flüstern bleibt mir ein Rätsel. Er lacht hämisch, dann wird die schwere türe hinter mir zu geschlagen.

Es dauert einen Moment, bis ich registriere, dass ich alleine bin. Eine bleierne Welle der Verzweiflung droht mich zu überkommen, doch ich habe keine Chance zu entkommen. Nicht nur, dass ich meine Hände nicht frei bekomme, die Fesseln, die ich trage sind magisch. Ich kann es spüren, nur allzu deutlich. Meine magischen Fähigkeiten, sie verhindern, dass ich auf jene zurück greifen kann. Tief atme ich durch, zwinge mich zur Ruhe. Fürs Verzweifeln würde mir noch genügend Zeit bleiben, wenn mir nicht schnell etwas einfiel, was mich retten konnte. Doch so sehr ich mich auch anstrenge, ich finde nichts. Nichts, dass mich vor den drohenden Stunden bewahren könnte. So lange ich diese Fesseln trug war ich ihnen schutzlos ausgeliefert. Sie mussten einen mächtigen Magier unter sich haben, wenn sie an solche Gerätschaften kamen. Beinahe kommt es mir so vor, als vermochten diese Fesseln ebenso meinen Geist zu lähmen, doch das war unmöglich.

Mit jeder Minute die verstreicht steigt die Panik in mir. Längt habe ich die Lider erneut geschlossen, der kurze Blick auf all die Werkzeuge auf dem Steintisch vor mir hat gereicht.

Noch immer weiß ich nicht, was man mir vorwirft, und - verflucht sei meine Naivität - ich kann mir nicht vorstellen, dass es alleine an dem liegt, was ich bin.

Dann entsinne ich mich der Worte, die man uns in Arach Tinilith, der Schule der Priesterinnen meines Volkes versucht hat, einzuprügeln. Die Wesen der Oberwelt sind grausam, hinterhältig und gemein, sie lieben es zu quälen, und sie sind abgrundtief böse. Ohne dass ich es verhindern kann kommt ein bitteres Lachen über meine Lippen. Dann sind sie keinen Deut besser als wir selbst. Wie konnte ich nur glauben, alles würde sich ändern, sobald ich unter dem Licht der uns so verhassten Sonne wandeln würde?

Kaum drei Tage sind vergangen, seit ich die dunklen Höhlen hinter mir gelassen habe, und keine Nacht hat es gebraucht, bis man mich in den Kerker warf.

Zu allem Übel muss ich nun auch noch feststellen, dass mein magischer Umhang, mein Piwafwi ebenfalls seine Magie längst verloren hat. Schlimmer noch, er ist eigentlich nicht viel mehr, als ein zerfallender Fetzen dunklen Stoffes. Ich habe immer geglaubt, das alles seien nichts weiter als müde Geschichten, doch das Sonnenlicht zerstört die magiedurchwobenen Fasern unserer Kleidung... Ich ertappe mich bei dem Gedanken, ob es uns Drow mit der Zeit ähnlich ergehen würde, und wir deshalb nie den Versuch machen, uns an die Helligkeit zu gewöhnen, und ob wir deshalb nur bei Nacht auf Streif oder eher Raubzüge gingen, doch mit einem energischen Kopfschütteln wische ich ihn hinfort. Eine dumme Idee, bedenke ich den Schwindel, der mich beinahe von meinem unbequemen Sitz geworfen hätte, andererseits bekomme ich den Kopf wieder ein wenig frei. Ich habe keine Zeit für dumme Kindereien, ich muss hier raus, und das möglichst bevor diese Kerle zurück kehren...