Just Not Good Enough
Kapitel 1
What's wrong with me?
"Wie immer hervorragend aus dem Lehrbuch zitiert, Miss Granger", sagt Snape zischelnd zwischen seinen nahezu unbeweglichen Lippen hindurch. Sie sind so schmal aufeinander gepresst, dass ich mich ernsthaft wundern muss, wie er dabei überhaupt einen derart scharfen Laut zustande bringen kann.
Die ganze Klasse ist vor Anspannung totenstill und ich wage nicht, ihm zu widersprechen. Bei jedem anderen Lehrer wäre die Antwort auf meinen Beitrag zum Unterrichtsgeschehen ein Kompliment gewesen, nicht so bei Snape.
Es ist nicht das erste Mal, dass er mich auf diese Weise rügt. Man könnte also durchaus meinen, ich hätte mich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, in aller Öffentlichkeit von ihm vorgeführt zu werden. Dennoch schafft er es immer wieder, mir die kleinen Härchen in meinem Nacken zu Berge stehen zu lassen. Sein Blick ist eisig. Die schwarzen Augen spähen kalt glitzernd und wachsam um sich, bis sie endlich einen Punkt finden, auf den sie sich fixieren. Kaum hat Snape sich daran festgebissen, lässt er nicht mehr so schnell los. Das Opfer bin in diesem Fall eindeutig ich.
"Wenn Sie in meinem Unterricht sprechen, tun Sie das nur, wenn ich Sie dazu auffordere, verstanden?"
Es ist keine Frage im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr eine Feststellung, die er mir unter die Nase reiben möchte, seit ich zum ersten Mal sein Klassenzimmer betreten habe.
Ich nicke, obwohl mir auf der Zunge liegt, ihm vorzuwerfen, dass ich wieder einmal die Einzige war, die überhaupt wusste, worum es ging. Die meisten bemühen sich zwar, aufzupassen, um ihn nicht zu verärgern, schaffen es aber nicht, seinen Anforderungen gerecht zu werden. Nicht einmal Malfoy hat seit Beginn des Schuljahres mehr Spaß daran, seinen Senf zum Besten zu geben. Seine Bewunderung für Snape scheint auf wundersame Weise verflogen zu sein, aber dazu später. Mir kann es nur recht sein.
"Ja, Sir", gebe ich bedröppelt zurück. Wie oft haben wir dieses Spiel inzwischen eigentlich durchgekaut? Dabei hatte ich so gehofft, dass er jetzt, wo er endlich sein Wunschfach unterrichten darf, etwas entgegenkommender sein würde, schließlich hat er angeblich jahrelang geradezu darum gebettelt, den Posten in Verteidigung zu bekommen.
Snape lässt unbeirrt von mir ab und fährt mit dem Unterricht fort. Ich bin so geknickt, dass ich von nun an nichts mehr sage. Es tut weh, so herablassend behandelt zu werden, obwohl ich hätte wissen müssen, dass das passieren würde. Er hat noch nie eine Gelegenheit ausgelassen, mich in die Schranken zu weisen.
Nachdem Harry und ich schweigend ein paar finstere Blicke getauscht haben, ist mir sehr danach zumute, mich an Snape zu rächen. Bisher habe ich es vermieden, so zu denken, doch langsam habe ich genug von dieser Ungerechtigkeit. Ich will nicht länger hinnehmen, anders zu sein, nur weil ich von Muggeln abstamme. Genau das aber ist es, worum es insgeheim geht. Viele Veränderungen sind in letzter Zeit im Gange, die mir Angst machen. Ereignisse, die das Leben in Hogwarts seiner Unbeschwertheit beraubt haben, gibt es genug. Die Schule wird inzwischen von Auroren bewacht. Außerdem sprechen alle Indizien dafür, dass mindestens einer der Schüler im vergangenen Sommer in die Reihen der Todesser aufgestiegen ist. Wer das sein könnte, ist nach anfänglicher Skepsis auch für mich offensichtlich, doch nur die wenigsten wissen davon, weil sich niemand traut, es laut auszusprechen. Wir, all jene, die eng mit Harry in Kontakt stehen, warten förmlich darauf, dass bald ein großes Unglück geschehen wird. Etwas, das mit Voldemort zu tun hat; vielleicht auch mit Draco und Snape. So weiß ich zweifellos, dass Snape seinen Schützling uns anderen vorzieht. Erst neulich hat Harry mir erzählt, wie Draco es geschafft hat, sich der Autorität seines Professors zu widersetzen, indem er zum wiederholten Male nicht zum Nachsitzen erschienen ist. Der Junge hat Freiheiten, von denen wir in Gryffindor nur träumen können.
Das Ende der Stunde ist wie ein Segen für mich und ich bin heilfroh, dass ich die Nerven behalten habe und stumm für mich geblieben bin, ohne meine Rachegedanken umzusetzen, die zugegebenermaßen alles andere als harmlos waren. Was soll ich machen? So gedemütigt habe ich mich in Snapes Klasse nicht mehr gefühlt, seit der Unfall mit meinen Zähnen passiert ist. Jedes Mal, wenn er mich heute angesehen hat, wurde ich wieder daran erinnert, wie es war, ihm ausgeliefert zu sein, ohne sich wehren zu können. Mir ist ganz komisch geworden, heiß vor Zorn.
Als Harry und ich auf dem Weg zur Tür sind, Ron ist überraschend schnell mit Lavender abgehauen, baut Snape sich demonstrativ vor seinem Schreibtisch auf, kaum dass wir an ihm vorübergehen. Er faltet die Arme vor der Brust und sieht von oben auf mich herab, als wäre ich eine lästige Kakerlake. Mir wird ganz kalt bei diesem Blick.
"Komm weiter", flüstert Harry und zieht mich am Ärmel fort.
Ich habe nichts dagegen einzuwenden und folge ihm. Draußen im Flur angelangt hasten wir ohne Unterbrechung weiter.
"Was war das denn, Mione?", sagt Harry aufgeregt, nachdem er sich vergewissert hat, dass Snape uns nicht mehr hören kann. "Wieso hast du ihn nicht einfach wie sonst auch ignoriert, anstatt Ärger mit ihm zu riskieren?"
Verwundert luge ich zu ihm rüber, während ich versuche, im Laufschritt mit dem Tempo, das er gewählt hat, um so viel Distanz wie möglich zwischen uns und Snape zu bringen, mitzuhalten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, wovon er eigentlich spricht.
"Hab ich doch gemacht", murmle ich entnervt.
Er aber schüttelt vehement den Kopf.
"Willst du mir ernsthaft sagen, du hast gar nicht mitgekriegt, was du getan hast?"
Das kommt mir langsam etwas komisch vor. Ich weiß nur noch, dass ich auf meinem Platz gesessen und mit den Füßen gewackelt habe, um mich innerlich zu beruhigen. Und meine Hände haben fürchterlich geschwitzt. Aber ich habe Stand gehalten und mich nicht mehr gemeldet.
"Hör schon auf, Harry", sage ich forsch. "Ich habe kein Wort mehr mit ihm geredet. Nicht mal die Hand hab ich noch gehoben. Der Kerl kann mir echt gestohlen bleiben. Immerzu macht er mich blöd an, obwohl wir alle wissen, dass niemand sonst die Antworten auf seine Fragen kennt!"
"Schon", sagt er überrumpelt von meiner Schimpftirade. "Aber heute warst du wirklich schräg drauf. Du hast ein paar wüste Sachen vor dich hingemurmelt, auch Flüche und so ein Zeugs. Über Snapes Kopf sind sogar winzig kleine Gewitterwolken zum Vorschein gekommen."
Ich bleibe abrupt stehen.
"Sag das nochmal!"
Harry nimmt mich an den Schultern und grinst verschlagen.
"Der Anblick war zu komisch."
Ich glaube mir wird schlecht.
"Ist das wirklich wahr?"
Er nickt und mir schwant nichts Gutes. Das kann nur zu Problemen führen.
"Leider hat es nichts gebracht. Er hat sofort darauf reagiert und die Wolken verschwinden lassen."
"Was ist dann passiert?", platzt es aus mir hervor. "Ich meine ... wie ist es möglich, dass ich davon nichts mitbekommen habe?"
Er lässt die Hände sinken und starrt zu Boden.
"Du bist eine Hexe, Hermine. Noch dazu eine sehr talentierte. Ich glaube nicht, dass es in deinem Fall ungewöhnlich wäre, wenn du ..."
"Oh nein, fang nicht damit an! Weißt du noch, wie es für dich war, als wir herausgefunden haben, dass du ein Parselmund bist? Das, was auch immer ich heute getan habe, ist nicht gut, Harry. Gar nicht gut. Wenn ich tatsächlich Snape verärgert habe, kann ich gleich die Koffer packen. Du weißt, wie nachtragend er ist, wenn ihm was gegen den Strich geht. Denk doch nur mal an die Sache mit Lupin und der Unterrichtsstunde im Lehrerzimmer ..."
Ich breche mitten im Satz ab und lasse mich mit dem Rücken gegen eine Säule fallen. Die Vorstellung, von jetzt an auf direktem Konfrontationskurs mit Snape zu sein, macht mir richtig Angst.
"Was soll ich denn nur machen? Ich hab noch nie -"
"Ich weiß. Du bist der letzte Mensch, der anderen was Böses will."
"Genau. Immerhin habe ich ihn trotz all der fiesen Gemeinheiten, die er gegen uns losgelassen hat, immer wieder verteidigt, wenn Ron ihm an die Eier wollte, oder?"
Harry macht ein komisches Gesicht.
"Kann man so sagen. Woher könnte deine plötzliche Aggressivität ihm gegenüber denn stammen? Hast du wirklich vorgehabt, ihm ein Gewitter auf den Hals zu hetzen?"
Ich stöhne auf.
"Oh, wenn du wüsstest! Ich hatte noch ganz andere Sachen im Kopf."
Um Harry meinetwegen nicht in Schwierigkeiten zu bringen, erspare ich ihm die Details. Es ist auch so schon beunruhigend genug, zu wissen, dass ich die Fähigkeit erlangt habe, meinen verhassten Professor unbewusst mit bedenklichen Flüchen und Zaubern aus meinen dahergelaufenen Gedanken zu belegen. Aber erst später beim Abendessen wird mir so richtig klar, wie ungewöhnlich das ist, was ich getan habe. Ich habe ja nicht einmal gemerkt, dass ich zaubere.
Vorsichtig wage ich einen Blick zum Lehrertisch hoch und werde nicht enttäuscht: Snape sieht zu mir rüber. Wie lange er das schon tut, weiß ich nicht. Es ist auch schwer, zu sagen, was in ihm vorgeht. Sein fahles, zwischen den ungepflegten schwarzen Strähnen hervorlugendes Gesicht ist so verhärmt, als hätte er noch nie anders drein geblickt. Vielleicht überlegt er ja selbst gerade, wie er mich am besten um die Ecke bringen kann. Oder er genießt einfach den Triumph in seinem Inneren, etwas gegen mich in der Hand zu haben, das es ihm ermöglicht, mich qualvoll dafür leiden zu lassen, dass ich ihn angegriffen habe. Aber habe ich das überhaupt? Ich bin mir nicht sicher, wie schwerwiegend es als Vergehen zu werten ist, jemandem, der einen im Beisein anderer immer wieder bloßgestellt oder gedemütigt hat, einen Fluch aufhalsen zu wollen. Oder gar mehrere.
Oh mein Gott. Unweigerlich tut sich die Frage in mir auf, wieso er nichts zu mir gesagt hat, um mich aufzuhalten. Was hat er sich davon versprochen, indem er mich damit durchkommen ließ? Wollte er mich etwa testen, um zu sehen, wie weit ich gehen werde? Mir wird ganz flau im Magen. Wenn sich meine Befürchtungen bewahrheiten sollten, wäre es sogar durchaus möglich, dass er ohne mein Wissen in meinen Geist eingedrungen ist.
Ich muss schaudern. Ich ertrage es nicht länger, in seine verschlagenen Augen zu sehen, die Augen eines Dämons, die ebenso dunkel und bedrohlich wie auch unwirklich sind. Je länger ich mich mit ihnen befasse, umso mehr machen sie mir Angst. Sie geben mir auf seltsame Weise das Gefühl, nackt und wehrlos zu sein. Sie sind voller Gier und ziehen mich immer stärker in ihren Bann, weil dieser Blick den Eindruck erweckt, er hätte nur darauf gewartet, sich meiner zu bemächtigen.
Auf dem Weg in unseren Turm nehme ich Harry zur Seite und spreche ihn darauf an, was ich mir zusammengereimt habe.
"Hast du nicht gesagt, dass sich deine Schmerzen noch verschlimmert haben, als Snape dir Unterricht in Okklumentik gegeben hat?"
Harry guckt verwirrt und so fahre ich fort.
"Ich glaube, Snape ist heute im Unterricht in meinen Geist eingefallen."
Er runzelt die Stirn.
"Aber das ist völlig unmöglich, Hermine."
Ich stoße ein frustriertes Fauchen aus.
"Ist es nicht! Er ist ein Spion und sehr wohl dazu in der Lage, so etwas zu tun."
"Mitten im Unterricht?"
"Wieso nicht? Es war die perfekte Gelegenheit, zu vermeiden, dass ich was davon mitbekomme."
Er riskiert einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob wir wirklich alleine sind. Dann schubst er mich unwirsch hinter einen Mauervorsprung. Fast stolpere ich dabei über meine eigenen Füße, doch Harry lässt sich davon nicht abhalten und schiebt und zerrt an mir, bis er sicher ist, dass niemand in der Nähe uns hören kann.
"Bist du dir sicher?"
Ich zögere nicht lange mit meiner Antwort. Alles spricht dafür, dass es so war.
"Ziemlich. Es würde zumindest erklären, wieso ich so weggetreten war, dass ich nichts um mich herum mitbekommen habe."
"Das gefällt mir gar nicht, Hermine", sagt er grimmig. "Wieso sollte er das tun?"
"Keine Ahnung, Harry", antworte ich zerstreut. "Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir es herausfinden, wenn ich an ihm dranbleibe."
"Du willst ihn beobachten?"
"Auf jeden Fall. Ich wette mit dir, da geht was nicht mit rechten Dingen zu. Zuerst will Snape sich bei Draco beliebt machen und ausgerechnet der geht ihm aus dem Weg. Außerdem kann ich nicht zulassen, dass Snape mir so etwas antut."
"Klingt einleuchtend. Was schlägst du also vor?"
Ich hole Luft. Der Tatendrang in mir, Snape auf die Schliche zu kommen, ist plötzlich kaum noch zu bändigen.
"Du bleibst an Draco dran und ich knöpfe mir Snape vor", sage ich wild entschlossen. "Wär doch gelacht, wenn wir nicht rausfinden, was hier vor sich geht."
Gesagt, getan. Es fällt mir schwer, an diesem Abend zur Ruhe zu kommen. Die halbe Nacht wälze ich mich in meinem Bett von einer Seite auf die andere und kann nicht einschlafen. Der Vorfall lässt mir keine Ruhe mehr, ich muss etwas tun, um sicherzustellen, dass sich so etwas nicht noch einmal ereignet.
Am nächsten Morgen bin ich wie gerädert. Total übermüdet gehe ich ins Bad, um mich frisch zu machen und mir was anzuziehen. Im Gemeinschaftsraum treffe ich dann auf Harry.
"Hast du schon einen Plan, wie du das, was du vorhast, anstellen willst?"
Das habe ich zugegebenermaßen, wage es aber nicht, ihn Harry anzuvertrauen. Es dürfte nicht gerade einfach werden, jemanden wie Snape weichzukochen, um ihn dazu zu bringen, mir die Wahrheit zu sagen.
"Das umzusetzen, braucht etwas Zeit, Harry. Aber sobald sich was getan hat, werde ich dir Bescheid geben, okay?"
Wir machen uns auf den Weg in die Große Halle, wo auch Ron und Lavender zu uns stoßen. Obwohl mich diese Ziege total nervt, seit sie sich an Rons Hals geworfen hat, empfinde ich an diesem Morgen nicht dieselben abstoßenden Gefühle für die beiden wie sonst. Mein Vorhaben mit Snape hat mich auf einen neuen Kurs gebracht, da ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren.
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„Zu – zu einfach zu durchschauen? Wie meinen Sie das, Professor?"
Bereits seit etlichen zähen Minuten stehe ich vor Snapes Schreibtisch und bemühe mich darum, mit ihm zu einer Einigung zu kommen. Es ist einfach nur deprimierend. Dabei wusste ich natürlich längst, dass es nicht so leicht werden würde, etwas Brauchbares aus ihm herauszubekommen.
„Sparen Sie sich das, Granger", sagt er ausweichend. „Im Übrigen geht Sie das nichts an."
Was für eine Erklärung soll das denn sein? Was zum Teufel könnte rechtfertigen, ohne Erlaubnis in meinen Geist einzudringen?
„Was Sie getan haben, geht mich sehr wohl was an!"
Er versteift sich. Dann schiebt er den Stuhl zurück und steht auf. Mit einem einzigen langen Schritt ist er bei mir und baut sich vor mir auf.
„Es war sehr dumm von Ihnen, damit zu mir zu kommen, Granger", sagt er leise.
Mist. Das klingt gar nicht gut.
„Verzeihen Sie, Professor, aber ich bin nicht Ihrer Meinung. Die Regeln der Schule verbieten den Lehrern, zu derartigen Handlungen zu greifen. Oder wollen Sie tatsächlich darauf bestehen, gewisse Ungereimtheiten, an denen Sie beteiligt waren, auf Ihre eigene Art beizulegen?"
„Miss Granger, ich muss doch sehr bitten ..."
„Das ist mir gleich. Wir wissen beide, dass Sie nur hier sind, weil Dumbledore Ihnen den Rücken stärkt. Wenn Sie mir also nicht sagen, was es damit auf sich hat, werde ich mich wohl oder übel an ihn wenden müssen."
Endlich scheint er ein Einsehen zu haben. Seine Nasenflügel geraten in Bewegung und er wippt mit dem Kopf auf und ab. Bestimmt ist es ihm unangenehm, wegen des Vorfalls vor Dumbledore Rechenschaft abzulegen.
„Als ein Verbündeter Potters", fängt er mit eng aufeinanderliegenden Kiefern an, „sind Sie rund um die Uhr Gefahren ausgesetzt, die andere in den meisten Fällen nicht zu spüren bekommen. Sie sind eine Schwachstelle, die es gilt, im Auge zu behalten und notfalls auszumerzen."
Was er nicht sagt.
„Dann hat Dumbledore Sie darauf angesetzt, mich zu testen? Ist das so?"
Snapes Mundwinkel kräuseln sich süffisant.
„Nicht direkt. Obwohl ich zugeben muss, dass es durchaus zu den leidigen Aufgaben in meiner Position gehört, dafür zu sorgen, dass dem Jungen nichts zustößt."
„Das ist alles? Sie nehmen sich die Frechheit heraus, einfach so in meinen Geist einzufallen, um mich einer Prüfung zu unterziehen? Warum haben Sie das getan? Raus mit der Sprache!"
„Warum hätte ich es nicht tun sollen? Die Gelegenheit war da. Sie hat sich mir sozusagen angeboten."
„Ist das Ihr Ernst? Weiß Dumbledore, was konkret Sie getan haben? Mitten während des Unterrichts?"
Er legt den Kopf schief.
„Weiß er, dass Sie im Zuge Ihres Rachefeldzugs vorhatten, mir in die Eier zu treten?"
„Das war ein Versehen", würge ich in einem unerwarteten Erstickungsanfall hervor, der sich unweigerlich einstellt, weil er so direkt darauf zu sprechen kommt.
Snape geht sehr zur Erleichterung meinerseits nicht weiter darauf ein. Es ist besser so, bevor er irrtümlicherweise dahinterkommt, was Ron noch alles über ihn gesagt hat. Ich wage ohnehin nicht, zu erwähnen, dass es ursprünglich seine Idee war, Snape zu kastrieren.
„Glauben Sie mir, so sehr er mich auch kontrolliert, nicht einmal er kann alles wissen. Sie können von Glück reden, dass ich Sie nicht dafür belangt habe, als Sie in meiner Klasse die Kontrolle über Ihre unflätigen Gedanken verloren haben."
„Ich gebe zu, es war nicht gerade die feine Art, so zu denken. Aber müssen Sie mich wirklich immerzu so herablassend behandeln?"
„Sie wollen doch nicht etwa meinen Unterrichtsstil kritisieren, Miss Granger", sagt er sarkastisch.
Seine Worte sind für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Er weiß genau, wovon ich rede, ist jedoch keinesfalls bereit, auch nur die Spur einer Einsicht zu zeigen.
„Na schön", sage ich zynisch, den kläglichen Händedruck von Snape und Sirius vor Augen, der sie auf Dumbledores Anordnung hin zur Zusammenarbeit gezwungen hat. „Vielleicht wäre es ja langsam an der Zeit, die alten Fehden zu begraben, damit Slytherin und Gryffindor ein für alle Mal die Gelegenheit bekommen, Frieden zu schließen. Darum geht es doch, nicht wahr?"
Snapes blasse Wangen bekommen Farbe. Ich habe voll ins Schwarze getroffen. Zur Verdeutlichung meines Unterfangens nehme ich meine Hand und will sie auf seine legen, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich es absolut ernst meine. Umgehend zieht er seinen Arm zurück und funkelt mich mit seinen irren schwarzen Augen an.
„Nicht", zischt er scharf.
„Warum denn nicht? Haben Sie Angst vor mir?"
„Ich mag es nicht, wenn man mich anfasst, Granger."
Obwohl seine Warnung einen bedrohlichen Unterton hat, ignoriere ich ihn und mache weiter. Ich bin so in Rage, dass ich nicht mehr aufzuhalten bin. Alles in mir schreit förmlich danach, sich gegen ihn zu behaupten. Noch dazu, wo die Gelegenheit, sich ihm zu widersetzen, um vielleicht doch noch meine Rache zu bekommen, zu verlockend ist, um es nicht zu tun.
Wie selbstverständlich umklammere ich seinen Arm und strecke mich zu ihm hoch.
„Ich würde alles tun, um Harry zu schützen", flüstere ich ihm zu. „Er ist mein Freund und wenn er mich braucht, bin ich für ihn da. Glauben Sie also ja nicht, ich lasse mich von Ihnen einfach so aus dem Weg räumen."
Er schluckt. Ich kann seinen aufgewühlten Atem auf meiner Haut spüren. Etwas Gehetztes liegt in seinem Blick, ein unübersehbares Zeichen dafür, dass ihm die Nähe zu mir unangenehm ist.
Noch immer wartet er ab. Er scheint zu überlegen, wie es jetzt weitergehen soll. Dann, ruckartig, kommt er mir entgegen, umfasst mit seinen schwieligen Händen mein Gesicht und presst seine Lippen auf meine. Es ist ein harter Kuss und nicht lange, nachdem es begonnen hat, drückt sich unmissverständlich seine Erregung gegen meinen Bauch.
Das hier ist absolut verrückt, denke ich nach Luft ringend, verzweifelt bemüht, ihn auf Abstand zu bringen. Alles in mir dreht sich, gefangen zwischen Abscheu, Neugier und purer Wut.
Einige Sekunden später lässt Snape wieder von mir ab. Er lächelt. Nein, es ist kein Lächeln im eigentlichen Sinn, sondern viel eher ein gequältes Grinsen.
Was hat das zu bedeuten?
Ich muss nicht lange warten, um eine Antwort zu erhalten. Er fängt doch tatsächlich an, mit seinen langen rauen Fingern über meine Wange zu streichen.
„Alles, Granger?", sagt er sanft mit einer bis zum Anschlag hochgezogenen Braue. „Das glaube ich kaum. Aber vielleicht irre ich mich auch."
Mir stockt vor Schreck der Atem. Er kann unmöglich denken, dass wir das hier fortsetzen werden.
Snape scheint mein Zögern zu spüren und verzieht angewidert die Lippen zu einem schmalen Strich.
„Das wäre dann alles. Guten Tag."
Er weicht zurück und lässt mich einfach stehen, um zu seinem Schreibtisch zurückzukehren. Blitzschnell wirble ich herum und stelle mich ihm in den Weg.
„Warten Sie!", rufe ich aus. „Wie haben Sie das eben gemeint?"
Snape sieht abschätzig von oben auf mich herab.
„Kommen Sie, Granger. Sie haben nicht das Zeug dazu, es mit mir aufzunehmen. Wenn Sie mich überzeugen und Potter weiterhin beistehen wollen, müssen Sie schon etwas mehr Enthusiasmus an den Tag legen. Er ist nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt, bringt sich gern in Schwierigkeiten ..."
„Tun wir das nicht alle? Insbesondere Sie als Spion."
Seine Augen blitzen auf.
„Hinaus mit Ihnen!", bellt er mich an. „Sie wissen ja nicht mal, wovon Sie da reden."
Fassungslos sehe ich ihn an. Hält er mich wirklich für so naiv, dass ich nicht wüsste, wie es in den Kreisen der Todesser zugeht?
„Sie stellen mich unerlaubterweise auf die Probe, fordern mich mit einem Kuss heraus und werfen mich dann ernsthaft aus Ihrem Büro?"
„Wenn es sein muss, werde ich das tun. Sie haben bewiesen, dass Sie ebenso leicht wie Potter in die Knie zu zwingen sind. Denken Sie darüber nach, Granger. Gehen Sie in sich und fragen Sie sich, was Sie hier noch verloren haben."
Jetzt ist mir sonnenklar, was er von mir will.
„Sie möchten, dass ich aufgebe", sage ich ungläubig. „Ich soll das Handtuch werfen und Harry im Stich lassen."
Snape rollt die Mundwinkel zurück und fletscht seine unregelmäßigen gelblichen Zähne.
„Sie sind nicht viel mehr als ein Kind, Granger, wohlbehütet aufgewachsen und -"
Er stockt.
„Und was?", frage ich gehässig. „Seit wann nehmen Sie sich meinetwegen zurück, Professor? Ist es nicht Ihre Aufgabe, mich auf das Leben vorzubereiten?"
„Vielleicht ist das sogar so", knurrt er unfreundlich zurück.
„Dann sagen Sie es! Was passt Ihnen nicht an mir? Oder haben Sie plötzlich Angst davor, ich könnte vollends die Kontrolle über mich verlieren?"
„Sie sind verwöhnt", sagt er schlicht. „Sie haben keine Ahnung, was Sie und Ihre Freunde erwartet."
„Ich bin nicht verwöhnt! Aber was verstehen Sie schon davon? Sie und Ihresgleichen blicken mit Gelächter auf Schlammblüter wie mich hinab. Es mach Ihnen Spaß, dabei zuzusehen, wie wir scheitern."
Energisch schließt er die verbliebene Distanz zwischen uns und umfasst mit seinen Fingern mein Kinn.
„Halten Sie den Mund, Granger! Augenblicklich."
Ich schüttle den Kopf.
„Ich war Ihnen noch nie gut genug, Snape", setze ich vorwurfsvoll nach. „Wenn Sie der Meinung sind, ich gehöre nicht hierher, ist das noch lange kein Grund, mich meiner Herkunft halber vor der ganzen Klasse zu demütigen."
Eine Weile sieht er mich einfach nur an, bis plötzlich seine Hände unbehindert die Exkursion fortsetzen, die seine gespenstischen Augen begonnen haben. Weder sanft noch grob lässt er sie meinen Körper hinabgleiten. Zuerst über meinen Hals, dann über meine Brüste und meine Taille.
„Ihre Herkunft ist mir offengestanden scheißegal, Granger", lässt er mit rauer Stimme verlauten.
Ob das die Wahrheit ist? Ich weiß es nicht. Nichts von alldem, was er sagt oder tut, scheint mehr einen Sinn zu ergeben.
Während ich aufgrund seiner Worte wie gelähmt in sein zerfurchtes Gesicht starre, kann ich nicht einmal mehr sagen, ob er länger Herr der Lage ist. Snape hat wieder diese unersättliche Gier in den Augen, die es mir schwer macht, mich seiner dunklen Aura zu entziehen. Er ist voller Verlangen nach etwas, das ich ihm unmöglich geben kann. Unmissverständlich wird mir klar, dass ich in der Klemme stecke. Er mag es nicht, wenn man ihm in die Quere kommt. Ich hingegen bin wie befangen. Ich bin unfähig, mir meine Angst vor dem, was auch immer er mit mir tun könnte, einzugestehen. Einerseits möchte ich nicht wie ein Schwächling vor ihm dastehen, andererseits ist mir sehr wohl danach, einfach davonzulaufen. Was soll ich also tun?
Die Antwort ist simpel: Nichts. Ich lasse zu, dass er mit mir spielt und ergebe mich ihm in der Hoffnung, dass Dumbledores Urteil über diesen eigenartigen Mann zu trauen ist.
Meine Beine zittern, als er mir schließlich den Rock herunterreißt und seinen Finger unter mein Höschen schiebt.
Ungewollt schreie ich auf. Es tut zwar nicht weh, aber die Überraschung über sein freizügiges Handeln lässt sich nun einmal nicht so leicht unterdrücken. Wie von selbst kommt seine andere Hand hervor und legt sich quer über meinen Mund. Sogleich zischt er mir ein paar Laute zu, die eine unerwartet beruhigende Wirkung auf mich haben. Ohne mir dessen bewusst zu sein, lehne ich mich an seine Schulter und klammere mich an seinen Arm, um zu verhindern, dass mir die Knie einbrechen.
„Sie sind nicht darauf vorbereitet, das zu tun, nicht wahr?", haucht er leise in mein Ohr. „Das macht nichts. Sie werden schnell feststellen, dass es für die Freunde Potters bald keine Sonderbehandlung mehr geben wird. Nicht in unserer Welt jedenfalls."
Ich weiß nicht, warum er das zu mir sagt oder was er damit beabsichtigt, es ausgerechnet jetzt zu tun, wo er doch mitten dabei ist, mich mit seinem Finger zu befriedigen. Es klingt beunruhigend und besorgt zugleich. Vielleicht auch ein wenig verzweifelt, was die ganze Angelegenheit nur noch absurder erscheinen lässt. Fest steht für mich nur, dass ich eine obskure Erleichterung verspüre, dass er aufgehört hat, mir etwas vorzumachen. Mir ist dabei fast, als wäre er zum ersten Mal in all den Jahren vollkommen er selbst. Er hält nichts zurück und lässt sich vor mir gehen. Sogar jetzt, als er mich ungeduldig zum Schreibtisch hinüber drängt und mich darauf niederdrückt, ist Snape wie ein anderer Mensch. Jemand, der mich zu brauchen scheint. Oder auch jemand, der mich auf das Leben vorbereiten möchte, das mir nach Hogwarts blüht.
Sein Atem an meinem Ohr ist schwer. Er liegt halb auf mir und befingert mich. Dann fängt er an, hektisch seine Hose zu öffnen. In diesem Moment, kurz bevor er seine Männlichkeit herausholt, begegne ich seinem Blick. Ob ihm so richtig bewusst ist, was wir hier tun? Es ist auch für mich eigenartig, ihn so zu sehen, ohne absichtlich daran zu denken, wer er ist.
Schweiß steht auf seinen Schläfen und klebt ihm die langen Strähnen ans Gesicht. Snape bringt sich in Position und stößt zu.
Jetzt tut es weh. Beide stöhnen wir auf, wenn auch nicht aus demselben Grund. Ich hatte nicht erwartet, dass es sich so befremdlich anfühlen würde, ihn in mir zu haben. Bis zum Anschlag mit seinem Penis in meinem Unterleib verborgen sieht er mich an.
Er bewegt sich nicht. Stattdessen nimmt er seine Hand und streicht mit dem Daumen über meine Lippen.
Warum tut er das?
Auf einmal, inmitten unseres ungebrochenen Blicks, wird mir ganz komisch. Es ist nicht so, wie beim letzten Mal, als er in meinen Geist eingefallen ist. Doch wenigstens weiß ich jetzt, was mich erwartet. Unglaublich sanft durchsucht er meine Gedanken und ich kann nichts dagegen tun, um ihn davon abzuhalten. Vielleicht will ich das auch gar nicht. Es nimmt mir die Scheu vor ihm, die Angst davor, in die Realität zurückzukehren. Ich will nicht länger in diesem Körper gefangen sein, der so angreifbar und schwach ist. Was im Augenblick wirklich zählt, ist die Vereinigung seines Geistes mit meinem. Wir sind nicht länger wir selbst. Wir sind längst an einem Punkt angelangt, der all meine Vorstellungskraft übersteigt. Er ist nicht mehr nur Snape und ich bin nicht mehr nur ich. Unsere Gedanken sind frei. Sie haben keine feste Hülle, keine Form, die uns an irgendwelche Regeln oder Gesetze bindet. Hier in unserer kleinen gemeinsamen Welt gibt es keine Gewalt und keinen Schmerz. Er scheint mir die Hand zu reichen, ohne dass ich sie sehe. Aber ich kann es spüren und will sie ergreifen. Instinktiv packe ich zu. Da endet es.
Wie erwartet ist die Realität alles andere als begrüßenswert. Ich brauche Luft zum Atmen und fange sie begierig auf. Ich sehe ihn über mir und blicke wieder in seine schwarzen Augen, die mich bis gerade eben voll und ganz verschlungen haben. Doch es ist vorbei. Er lässt mich nicht durch und ich komme nicht rein.
Erst jetzt bewegt er sich. Der Schmerz ist wie weggeblasen. Trotzdem bin ich verwirrt. Was ist geschehen? Wie konnte ich nur so mit ihm verschmelzen, so mit diesem sonderbaren Menschen eins werden, dass es wehtut, ihn gehenzulassen? Obwohl er noch immer unsagbar nah bei mir ist, ist es nicht dasselbe. Es ist nur noch sein Körper, der sich das holt, was er will. Und nicht einmal das ist sein Ziel. Er will mich auf die Probe stellen, mich vorbereiten, mich abhärten. So wird es sein, nicht anders.
