~*~Laurie
lantar lassi súrinen~*~
[Wie Gold fallen die Blätter im Wind]
***
1 - Adamantiel
Langgezogene, friedliche Schreie der schneeweißen Möwen, die ihre Kreise über
den sich brechenden Wellen des rauschenden Meeres zogen, hallten an der
felsigen Küste wider. Ein reges, jedoch stummes Treiben herrschte überall
entlang des weißen Strandes, dessen Sand dem Gefieder der darüber fliegenden
Vögel glich, als wäre er von ihren Federn bedeckt.
Überall gewahrte man gänzlich in weiß gekleidete Gestalten, die sich hin und wieder ruhig und präzise an einem der Schiffe zu schaffen machten. Diese hatten eine ungewöhnliche, anmutige Form, die jedes Auge von weitem als einen Schwan erkennen würde, sei es sterblich oder ewig.
Unter all diesen anmutigen Geschöpfen, standen zwei von ihnen an der Reling an Deck eines dieser mächtigen und doch so zerbrechlich scheinenden Gefährte. Sie unterschieden sich kaum vom Rest ihres Volkes, so hatten doch auch sie langes seidiges Haar, das hier und dort von anderen Farben beherrscht wurde. Die spitzen Öhrchen wurden von einzelnen Haarsträhnen, mit denen der Wind spielte, gekitzelt und unwirsch wieder dahinter geschoben. Auch diese Elben waren groß, schlank und anmutig. In Art und Weise unterschieden sie sich nicht von anderen Passagieren des Schiffes und doch waren sie anders. Beide hatten die weißen Kapuzen aus schmeichelndem Stoff zurückgeschlagen, sodass sie sich nun sanft um die Nacken legten. Das offene Haar, nur hier und dort zu ein paar Zöpfen geflochten, wehte stürmisch im aufbrausenden Wind. Die Spitzen der Ohren waren durch die morgendliche Frische leicht angerötet.
Bei flüchtiger Betrachtung erschienen sie wie alle anderen, die sich auf die Reise nach Westen begaben. Auch ihr Herz schrie nach den fernen Landen, konnten sie es doch nicht länger in Mittelerde ertragen. Die Sehnsucht nach den westlichen Landen jenseits des Meeres war in den letzten Jahren zu groß geworden, als dass auch nur eines der Geschöpfe des hohen Volkes, die sich hier versammelten es noch hätte erwarten können.
Doch bei näherem Betrachten merkte man diesem Elbenpärchen die tiefe Trauer im Herzen an. Ein jeder, der an ihnen vorbei ging, verlor mindestens einen flüchtigen Blick auf sie, um danach seinen eigenen Tätigkeiten nachzugehen. Dennoch spürte jeder, der in ihrer Nähe war, die tiefgründige Trauer.
Die junge Frau, deren Gesicht durch den ständigen seichten Nebel der Grauen Anfurten für entferntere Betrachter verdeckt blieb, hatte die Hände matt auf die Reling gelegt und starrte in die unendliche Ferne des Landes. Über Jahrtausende war dies ihre und ihres Mannes Heimat gewesen. Und auch wenn sie sich hinfort sehnte, blieb die Verbundenheit zu diesem Land.
Feine, stumme Tränen rannen über ihre gesund geröteten Wangen hinab, um sich am Kinn zu vereinen und zusammen hinab in das salzige Wasser des Meeres zu stürzen, das sie tosend und rauschend aufnahm.
"Melethril, im heniale [Ich verstehe dich, Geliebte]", flüsterte der Mann sanft und legte seine geschmeidige Hand auf die ihre und umschloss die zarten langen Finger zärtlich. Seine Worte mehrten die Tränen in den Augen seiner Frau und erneut stürzte glitzernde Flüssigkeit aus ihren Augen. Ihr Blick war schmerzerfüllt, als sie ihn in die Augen ihres Geliebten lenkte.
"Minlu pedich nin i aur hen telitha [Du sagtest mir, dass genau dieser Tag kommen würde.]", flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme zurück, jedoch richtete sie den Blick abermals auf das Land, welches vor ihren Augen lag.
"Ú-nalla. [Weine nicht]" Der Elb strich seiner bildschönen Frau tröstend das Haar aus dem Gesicht und drückte ihre Hand fester. Er selbst verspürte Traurigkeit, wie nie zuvor, doch musste er an seine Gattin denken, die alles nur noch schwerer nahm. Ein schwaches Nicken ihrerseits zeigte ihm, dass sie ihn wohl verstanden hatte, doch unternahm sie noch immer nichts gegen die aufkommenden Tränen.
Die schneeweißen Segel wurden zu ihrer vollen Stärke vom Wind aufgebläht und nach Westen gedrückt. Die Zeit loszusegeln, war gekommen und schnell wurden die letzten Handgriffe getan. Elben begaben sich hier und dort an Bord des Schiffes und standen in Reih und Glied an der Reling, an der das Paar nun nicht mehr alleine stand, denn hunderte Hände legten sich auf das feine Holz. Jeder warf noch einmal einen Blick auf das Land, das ihre Heimat war.
Erst als sich der Bug des hölzernen Gefährtes durch das Wasser kämpfte, indem er das Meer entzwei schnitt, regte sich etwas auf dem Gesicht der jungen Elbin. Beinahe hektisch griff sie in eine Tasche ihres Gewandes und förderte ein feines, goldenes Amulett in Form eines Blattes zutage. Ein kleines Löchlein in der Mitte des Schmuckstückes ließ darauf schließen, dass etwas verloren gegangen sein musste. Dennoch wurde die kahle Stelle nun von einer silbernen Träne geziert, die beinahe einem Diamanten glich.
Leicht lächelnd legte der Elb seine Hand nun auf die Schulter seiner Gefährtin, die er mit zu den Valar nahm. Zuerst reagierte sie nicht doch dann hob sie den Kopf und der Anflug eines Lächelns huschte über ihre Lippen.
"Ilu vanya, fanyar, eari, i-mar, ar ilqa ímen. Nan úye sére indo-ninya símen, ullume. Calad sílo or lîn len [Die Welt ist schön, der Himmel, die Meere, die Erde und alles, was in ihnen ist. Aber mein Herz ruht hier nicht auf ewig. Wir gehen fort.]", kam es dem Elben zärtlich über die Lippen. Die, die am Ufer verharrten, bis die Schiffe hinfort gesegelt waren, vernahmen seine Worte. Und auch jene, die mit ihnen auf anderen Schiffen reisten. Alle verharrten sie stumm und lauschten seinen feierlichen Worten. Die junge Elbin an seiner Seite krallte ihre Hand nur noch fester in seine Tunika.
"Namárie...Nai hiruvalye îs Valimar. Namârie, sell [Leb wohl... Vielleicht siehst auch du die Stadt Valimar. Leb wohl]", verhallten die Worte sanft im Wind, der sie gen Westen trieb. Mit ihm fiel ein leichtes Stück Metall, schwebte kurz in der Luft, genoss die Freiheit, die es soeben aus der zittrigen Hand der Elbin gewonnen hatte und hinterließ kleine Wellen auf dem wogenden Wasser als es die Oberfläche berührte und allmählich versank.
"Laurie lantar lassi súrinen", flüsterte die Elbin, während sie zum letzten Mal an ihre langzeitige Heimat dachte. Das goldene Blatt erinnerte sie daran.
***
"Nun mach schon Vater! Beeil dich doch nur mal ein bisschen", maulte
ein junges schlankes Mädchen. Sie schien in freudiger Erwartung zu sein, was
wohl sehr verständlich war, schließlich befand sie sich mit ihrem Vater auf dem
Weg zu einem großen Fest.
Der untersetzte, kleine Mann mit dem bauschigen Bart jedoch schnaufte unwillig, als er einen weiteren Stein hinauf und anschließend hinunter klettern musste. Wenn er da auf seine Tochter sah, konnte er neidisch werden. Sie stand frisch wie ein Tautropfen auf dem Brocken und grinste ihn von oben herab an.
"Stier mir nicht auf meine angehende Platte, Kind. Das gehört sich einfach nicht!", keuchte er als Antwort. Das Mädchen lachte herzlich über seinen Kommentar und tätschelte rasch die angehende kahle Stelle auf seinem Schädel, bevor sie ihm die Hand reichte und ihn zu sich herauf zog. Der Vater schien zunächst zu überlegen ob er die Hilfe annehmen sollte, schließlich ging es hier um seine Ehre als Vorbild, doch der glatte Rand des Felsens ließ ihn schnell die Ehre beiseite schieben und die angebotene helfende Hand ergreifen. Begleitet von einem breiten Grinsen des blonden langhaarigen Mädchens, kämpfte er sich hinauf.
"Nun mach doch schon. Ich will endlich ankommen!", erinnerte die Tochter ihn, als er die Hände in die Knie stützte um kurz zu Atem zu kommen. Sein voranschreitendes Alter machte sich leider immer in den ungünstigsten Momenten bemerkbar. Verständnislos hob er den Kopf und sah sein Kind stirnrunzelnd an. Nicht weil das Mädchen mindestens 2 Köpfe größer war als er selbst, sondern wegen der Unruhe, die sie verbreitete.
"Erst maulst du so herum, dass du nicht mit mir kommen willst, sodass ich beinahe 4 Pferde gebraucht hätte, um dich aus der Höhle deiner Mutter zu bekommen und nun drängelst du, als hättest du dir nichts sehnlicher gewünscht als in den verfluchten Urwald zu wandern wo nur Pflanzen um einen rumwurschteln und dich mal hier und mal da zu Fall bringen. Außerdem verstehe ich beim besten Willen nicht, warum du deinen Bogen mitnehmen musstest. Es ist nicht unbedingt die Bekleidung zu einem Fest", motzte der Alte grimmig und stierte sein Kind an, das jedoch nur lächeln konnte.
Es stimmte schon, was ihr Vater da erzählte. Sie war wahrlich nicht erfreut darüber gewesen als er ihr vom Geburtstag dieses Elbenprinzen berichtete und dann sogar noch von ihr verlangt hatte, mit ihm zu gehen. Als seine Tochter, was sie natürlich auch war. Angeblich handelte es sich um einen Gefährten aus der Zeit des Ringkrieges, die schon mehrere Jahre zurücklag. Und es war nur mehr als anständig, auf dieser Veranstaltung zu erscheinen, wollte man keinen Krieg vom Zaun brechen. Aber sie hasste die Elben. Schon weil viele ihres Volkes diese mieden und verabscheuten, eines alten Streites wegen, wollte sie nichts mit diesen Waldgeschöpfen zu tun haben.
Doch auf der anderen Seite verspürte sie schon seit einiger Zeit ein starkes Verlangen, das sich ihres Herzens bemächtigte und sich immer weiter ausbreitete. Ein Verlangen nach ebendiesen Wäldern, die ihr Vater mehr verabscheute als alles andere. Und eben dieser Punkt war der Auslöser für ihren Mitgang gewesen.
"Du weißt genau, dass der Bogen mein ständiger Begleiter ist. Und ich werde ihn gewiss nicht nur wegen eines Festes ablegen. Außerdem... Sprachst du nicht so begeistert vom Goldenen Wald, Vater?", meinte das Mädchen schelmisch und sah absichtlich in eine völlig andere Richtung um ihn nicht noch mehr erröten zu lassen. Sie wusste aus seinen Erzählungen, die er von seiner Reise mitgebracht hatte, dass er mehr als begeistert von Lothlórien war, als er je hatte zugeben wollen. Den wahren Grund kannte sie natürlich auch schon aber den behielt sie besser für sich.
Demonstrativ erhob sich der Bärtige, klopfte seine Hosenbeine ab und versuchte angestrengt auf den nächsten Fels zu klettern, was das Kind lachend registrierte.
"Nun komm schon! Es ist nicht mehr weit. Wir müssen nur diese Hügelkette überwinden und haben doch noch ungefähr eine Stunde Wegzeit vor uns, wenn nichts schief läuft, du junges Ding und nun beweg dich! Ich will mich nicht verspäten", brummte er um von sich abzulenken. Wieder schmunzelte sie. Es war lustig mit ihrem Vater. Immer war er für Späße zu haben.
Galant und leichtfüßig landete sie mit einem Satz über ihm auf dem nächsten Stein und sprang übermütig auf den nächsten. Auf den Kommentar ihres Vaters, sie solle vorsichtig sein damit sie sich ja nicht den Hals breche, lachte sie nur und erklärte ihm, dass er lieber auf sich acht geben sollte, denn das Alter konnte einem üble Streiche spielen. Daraufhin hallte eine länger andauernde Standpauke an den Wänden der Steilwand wider, vermischt mit dem übermütigen Lachen einer glockenklaren Stimme.
***
"Legolas!", schallte es durch die Gänge des schönen Palastes. Die
Stimme klang aufgebracht und ziemlich nervös. Auch die Schritte zeugten von
Unruhe. Hektisch sah sich Sémersion im Zimmer des Prinzen des Düsterwaldes um.
Unmöglich dass er schon wieder nicht aufzufinden war, nachdem ihm sogar sein
Vater schon eine Standpauke über königliche Pünktlichkeit gehalten hatte. Aber
der Mahnung zu trotz war der Sohn des Königs wieder einmal nicht aufzufinden,
was den schwarzhaarigen Elben einen langen gequälten Seufzer ausstoßen ließ. An
manchen Tagen bedauerte er es zutiefst, der beste Freund dieses Prinzen zu
sein.
"LEGOLAS!!!!!! Verdammt jetzt komm endlich in den Festsaal! Die Feier beginnt gleich du unmöglicher Elb!" Abermals erfolgte keine Reaktion auf diesen verzweifelten Ausruf. Es war zum verrückt werden! Dabei hatte der, nach dem sich der junge Sémersion gerade die Seele aus dem Leib schrie, gerade an diesem bedeutenden Tag Geburtstag. Er würde endlich das stattliche Alter von 3000 Jahren erreichen, welches sein jugendliches Dasein endgültig beenden würde. Aber vielleicht war es genau das, was den Prinzen von dieser Feier abschreckte.
"Bei Eru! Dein Vater bringt mich um, wenn du nicht pünktlich zum Beginn des Festes erscheinst, Mellon!!! Und dann bist du die längste Zeit mein Freund gewesen!!", schrie er aus dem Fenster heraus, welches in Richtung Wald zeigte. Die Hände hatte er auf dem Fenstersims abgestützt und sich krampfhaft daran festgekrallt. Das lange Haar hing locker über die Mauer unter dem Brett, das das Fenster von außen betonte. Alles hier war aus Holz und Gold gefertigt, wie die Bäume in diesem Walde selbst.
Sein lauter Ausruf veranlasste ein Kichern unter ihm und als der Elb genervt den Kopf beugte, sah er zwei festlich gekleidete Elbinnen unter sich stehen, die amüsiert zu ihm heraufschauten. Sofort liefen seine Ohren rot an und er machte sich schleunigst daran, außer Sichtweite dieser Schönheiten zu kommen.
"Verdammt Legolas! Wenn ich dich in die Finger kriege, dann verspreche ich dir, wird dir nicht mehr nachgesagt werden du seist der schönste Elb Mittelerdes", fauchte Sémersion zwischen den Zähnen hervor und schlug wütend mit der Faust gegen einen Baumstamm. Während seiner ausführlichen Fluchgedanken, war er durch die Gänge geeilt und in den Garten getreten.
"Seid Ihr bei schlechter Laune, Sémersion?", gewahrte er eine Stimme hinter sich und sein Kopf schnellte nun in ebendiese Richtung. Ein freundlich dreinschauender Elb mit weisen, beherrschten Gesichtszügen, lächelte ihm ein wenig entgegen. Sofort deutete der angesprochene Elb eine hastige Verbeugung an, die darin endete, dass seine langen Haare sich in der Verzierung seines Gewandes verfingen.
"Wird mein Sohn pünktlich zum Fest erscheinen?", flötete Thranduil so ruhig wie möglich, doch gerade ebendies ließ den anderen Elben innerlich erschaudern. Wenn der König des Düsterwaldes laut wurde, war alles gut. Doch sobald er nett und freundlich war, musste man ihm mit Vorsicht begegnen. Ein hastiges Schlucken würgte den dicken Kloß den Hals hinunter, der sonst das Sprechen behindert hätte und Sémersions Augen fanden endlich wieder festen Halt in denen Thranduils, obwohl sie zuvor unsicher durch die Gegend gehuscht waren.
"Euer Sohn...befindet sich bereits in seinen Gemächern", schwindelte der Freund des Prinzen wagemutig. Er kannte die Folgen, die diese Lüge nach sich ziehen würde, würde sie je aufgedeckt werden, doch er kannte auch die Folgen für Legolas' eventuelles Nichterscheinen. Der jedoch schien überhaupt nichts von Regeln und vor allem zeitlichen Terminen zu wissen.
"So werde ich ihn aufsuchen und ihn einweisen, was er zu tun hat", fuhr der König fort und trieb Sémersion mit diesen Worten schier in panische Angst. Wieso, verdammt hatte er seine Hand für diesen nichtsnutzigen Prinzen ins Feuer gelegt. Nun stand er da, wie vom Donner gerührt und starrte seinem König nach. Und ehe der Elb es überhaupt realisierte, hatte er sich in Bewegung gesetzt, um seinen Herren aufzuhalten, der sich den Gemächern seines Sohnes zuwandte.
"Euer Hoheit, das dürft ihr nicht!", rief er aufgebracht, woraufhin der König sich langsam nach ihm umdrehte und ihn aus tadelnden Augen ansah.
"WAS darf ich nicht?", fragte er nach. Seine Stimme verriet, das er wusste, dass Legolas noch immer nicht zurück war. Kleine Schweißperlchen standen auf Sémersions Stirn und er fuhr sich unwirsch darüber, ehe er zu einer Antwort ansetzte.
"Euer Sohn trug mir auf, niemanden, sogar euch nicht, in seine Gemächer eintreten zu lassen. Er wolle sich auf die Feier vorbereiten und das allein...so sagte er", sprach der Elb knapp und bündig. Nichts auf der Welt hätte ihn dazu gebracht auch nur noch ein Wort mehr zu verlieren, mit dem er sich verstricken konnte.
Wieso hatte er es nicht einfach bei dieser einen Lüge belassen können? Gut, es war nur teils eine Lüge. Diese Worte hatte Legolas tatsächlich ihm gegenüber ausgesprochen, aber kurz darauf war er abermals im Wald verschwunden.
Als der König ohne ein weiteres Wort den Gang links weiter ging, zu seinen eigenen Gemächern, atmete Sémersion erleichtert auf. Das Schlimmste war überstanden und nun konnte er nur noch hoffen, dass Legolas seinem Vater nicht über den Weg lief. Was, so konnte er es aber nicht wissen, garantiert nicht der Fall sein würde, denn der Elbenprinz wandelte seelenruhig in den Wäldern Lóriens umher. Den Bogen auf dem Rücken, um selbst gesteckte Ziele zu treffen.
***
Kaum hatte sein Freund die Tür hinter sich geschlossen, hatte der junge Prinz auch schon ein Bein auf dem Fenstersims, sprungbereit, um dann katzengleich im nahestehenden Baum zu landen. Geschmeidig wie ein Stubentiger kletterte er von Ast zu Ast, bis er die Höhe überwunden hatte und letztendlich einfach nur noch gesprungen war. Kaum hatte er festen Boden unter den Füßen machte er sich auch schon auf und davon. Er brauchte einfach seine Zeit um mit seinen Gedanken rein zu werden. Dieser Tag, sein 3000. Geburtstag war ein sehr wichtiger Anlass für die Untertanen des Düsterwäldischen Königshauses. Dieser eine Tag würde über seine gesamte Zukunft entscheiden, sein weiteres Fortleben bestimmen.
Rasch und sicher wich er einem stechenden Ast aus, der gierig nach ihm griff, erreichen wollte, auch nur den kleinsten Hautfetzen des Elben zu ergattern. Doch dieser dachte nicht daran sich Schrammen oder Kratzer zuzuziehen. Leise und unbemerkt rannte er weiter unter den mächtigen, alten Bäumen des goldenen Waldes entlang. Sein Vater würde ihn umbringen, wenn er erfuhr, dass Legolas schon wieder davongelaufen war, anstatt sich ordnungsgemäß für die Feier zurecht zu machen. Und ebenso würde es Sémersion tun. Schließlich hatte der Prinz seinen besten Freund angelogen und war abermals verschwunden, selbst nachdem dieser dem königlichen Elben ein Versprechen abgenommen hatte, das ihn beruhigt die Tür hatte schließen lassen.
Aber Legolas konnte es einfach nicht in seinen Gemächern ertragen, wartend zu verharren, bis sein Vater ihn holen würde und dann noch auf die Feier zu sprechen kam.
Seit Legolas vom Ringkrieg heimgekehrt war, war er verändert. Wie eine lächerliche Prozedur erschienen ihm die Ernsthaftigkeit und Feierlichkeit der Elben gleich nach der Rückkehr. Sie hatten den Ernst des Krieges und seine eventuellen Folgen zwar erahnt, doch nie das selbe empfinden können wie Legolas selbst, da er mitten im Geschehen gewesen war. Jede Sekunde war er darauf gefasst gewesen, ein Ork oder ein sonstiger Diener Saurons würde seinem langen Leben ein abruptes Ende bereiten und mit Schrecken war ihm klar geworden, dass er sein vorheriges Leben nur nach Regeln gelebt hatte. Er wollte die Intensivität des Lebens spüren und nicht nach irgendwelchen Vorschriften handeln. Und an diesen Vorsatz hatte er sich nun die ganzen Jahre gehalten.
Er wusste, dass er seinem Vater und dem ganzen Hof mit dem Benehmen eines kleinen Kindes den letzten Nerv raubte, soweit dies bei einem Elben überhaupt möglich war. Doch er selbst empfand jede Sekunde der Unbeschwertheit wie ein Geschenk. Er hatte die letzten Jahre in vollen Zügen genossen und mit diesem Geburtstag sollte dies alles ein abruptes Ende nehmen.
Ein leises Knacken ganz in seiner Nähe ließ ihn aufhorchen und wie aus einem alten Reflex, verschwand er rasch hinter einem breiten Baumstamm um Deckung zu nehmen. Sein scharfer Blick huschte zwischen den Bäumen umher, suchte nach dem Urheber des leisen Geräusches. Und tatsächlich entdeckte er nach einigem Suchen ein Bein, das zu einem Körper gehören musste, der ebenfalls hinter einem Baum Deckung gesucht hatte. Also war er bemerkt worden.
Innerlich verfluchte er sich über seine Unachtsamkeit, mit der er durch den Wald gelaufen war. Sicher hatte sein Vater hier überall Wachen postiert, die, wenn sie den Prinzen entdeckten es sofort melden sollten. Schließlich kannte Thranduil seinen Sohn besser als jeder andere.
Grimmig lächelnd zog er die Augen zusammen und betrachtete das Bein genauer. Wie unvorsichtig die Wachen doch heutzutage waren. Man musste immer darauf bedacht sein, dass man bemerkt wurde und diese Wache schien offenbar noch in der Ausbildung zu sein.
Langsam und geräuschlos spannte der Prinz seinen Bogen und legte einen fein gefertigten Pfeil auf die Sehne. Sein Gedanke galt einzig und allein, dem Auflauerer eine Lektion zu erteilen.
Mit gespanntem Bogen, bereit den Pfeil von der Sehne schnellen zu lassen, sprang er hinter dem Baum hervor, sodass er den Lauernden nun direkt im Blickfeld hatte. Doch zur gleichen Zeit, als hätte er nur darauf gewartet, sprang auch der andere, mit ebenfalls bereitem Bogen hervor und richtete diesen auf den Prinzen.
Nun standen sich beide gegenüber, die Pfeilspitze eines jeden direkt auf das Herz des anderen gerichtet und starrten sich verbissen in die Augen. Keiner machte Anstalten, die Waffen sinken zu lassen. Wohlweislich hatte der Auflauernde die gleiche Absicht wie Legolas gehabt und war in jenem Moment hervorgeschnellt um seine Deckung zu verlassen.
Die Blicke des adligen Elben suchten ein Merkmal an dem ihm gegenüber Stehenden, das erkennen ließ, wer er war. Doch nichts wies auf einen Bekannten hin.
Urplötzlich wandelte sich der Ausdruck des Prinzen, als er mit der raschen Musterung abgeschlossen hatte. Sein Gegenüber, das nicht zögern würde ihm den Pfeil ins Herz zu platzieren, würde der Prinz auch nur eine Bewegung machen, war gar kein Mann sondern eine Frau!
Überrascht und sichtlich irritiert musterte er sie noch einmal. Sie war von zierlicher Gestalt. Mindestens 2 Köpfe kleiner als er selbst, doch ihr langes blondes Haar, das in der Stirn mit einem roten Seidentuch aus dem Gesicht gehalten wurde, welches auch noch zur Hälfte ihre Ohren bedeckte, fiel ihr bis über die Lenden. Sie trug keinen Rock wie alle anderen seines Volkes sonst auch, sondern trug sonderbar gefertigte Hosen und eine, ebenfalls aus Seide bestehende Bluse. Ein längerer Blick darauf sagte Legolas, das sie weder dem Düsterwald Wald, noch Lórien oder Bruchtal angehörte. Alleine die Kleidung sprach auch schon dafür, dass sie keine Elbin sein konnte.
Als er ihre gebirgswassergrünen Augen ebenso verwirrt wie wütend auf sich spürte, ließ er von seiner Musterung ab.
"Was starrt Ihr so!?", fuhr sie ihn auch gleich darauf an.
"Habt Ihr noch nie eine Frau gesehen? So wie Ihr ausseht könnte man glauben Ihr wolltet gleich über mich herfallen! Aber das rate ich Euch ab, denn mein Pfeil findet schneller den Weg in Euer Herz, als Euch lieb sein könnte", fauchte sie weiter. Der Klang in ihrer Stimme war frech und rebellisch, ebenso wie ihre Augen glitzerten. Jedoch war dies keineswegs nur eine leere Drohung. Die Entschlossenheit, die sie zeigte, sagte ihm, dass er lieber nichts tun sollte, außer etwas erwidern.
"Noch ehe der Pfeil mein Leben beendet, wird auch meine Sehne surren, wenn der meine sie verlässt und Euer Dasein beendet, meine Dame", erwiderte der Prinz ebenso selbstbewusst wie ernst, woraufhin die junge Frau den Pfeil noch ein paar Millimeter zurückzog.
"Versucht es und Euer Leben wird beendet sein", erwiderte sie trocken und beide starrten sich wütend in die Augen. Legolas hasste arrogantes Benehmen und das war es, welches sie gerade an den Tag legte.
"Die Aufgaben der Frauen scheinen Euch nicht vertraut zu sein", spielte er auf ihr Erscheinungsbild an, woraufhin sich ihre Augen um ein Weiteres verengten.
"Ich weiß nicht, wie Euer Volk die Frauen unter seiner Fuchtel hält, aber bei uns herrscht Gleichberechtigung der Geschlechter." Diese Antwort stand seiner Bemerkung um nichts zurück und stachelte Legolas an, abermals etwas zu erwidern.
"Habt Ihr Eure Orkherde verlassen oder warum steht ihr so einsam und allein hier in diesem Walde vor mir? Vielleicht solltet Ihr schnellstens verschwinden, ehe man Euch wirklich mit einer Bestie verwechseln könnte und Euch aufspießt." Legolas spielte die offensichtliche Schönheit der Frau so gnadenlos herunter, dass diese nur mühsam schlucken konnte, ehe sie rasch und leise zwischen den Bäumen verschwand. Verwundert und leicht irritiert ließ Legolas den Bogen sinken und starrte ihr nach. Er hätte ihre Reaktion auf diese Worte anders eingeschätzt.
"Da bist du ja! Eru sei Dank du widerlicher Elb!", gewahrte er die Stimme seines Freundes und wandte sich rasch um, als dieser hinter ihm zwischen den Bäumen hervortrat.
"Sémersion?", fragte Legolas entgeistert und drehte sich dann wieder zu der Stelle um, an der kurz zuvor die rätselhafte Frau gestanden hatte. War es möglich, dass sie gar nicht wegen seiner Worte geflohen war sondern weil sie Sémersion gesehen oder gehört hatte? Aber er war sich doch sicher, dass sie keine Elbin sein konnte, wie also hatte sie seinen Freund gehört, während er es nicht getan hatte.
"Verdammt nun komm in Bewegung, Prinz! Dein Vater fragte schon nach dir und ich log für dich. Wenn du nicht in deinem Zimmer bist sobald er wirklich deine Gemächer betritt, wird das für uns üble Folgen haben!", zischte der Freund. An seinem zerzausten Haar war zu erkennen, dass er nicht erst seit kurzem nach dem Freund suchte. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zeit wirklich schneller vorangeschritten war, als er erwartet hatte, hastete er neben Sémersion durch den Wald, zurück in die Elbenstadt. Vorerst war die merkwürdige Begegnung vergessen, was ein anderes Geschöpf derzeit nicht behaupten konnte.
***
"Warte Kind! Lass uns eine Pause einlegen", keuchte der Bärtige hervor und ließ sich am Ufer eines Baches auf den Po plumpsen. Er achtete nicht darauf, dass das grüne Gras Flecken auf seinen Gewändern hinterlassen konnte. Sie hatten schon längst die Grenzen des Goldenen Waldes passiert und daher empfand er es als sehr merkwürdig, dass sie keine Wachen angetroffen hatten. Dieser lorische Heerführer Haldir war doch sonst immer so genau. Aber vielleicht lag es an den großen Festlichkeiten und zudem war der Ringkrieg schon seit über einem Jahrzehnt vorbei.
"Mutter hat recht, wenn sie sagt du setzt an", behauptete das Mädchen keck und drehte sich herausfordernd nach dem Vater um. Das Band, das die Haare aus der Stirn zurückhielt und die Ohren zudem halb verdeckte floss in der selben Bewegung wie die Haare es taten und schimmerte rot im durchbrechenden Sonnenlicht.
"Ich setze nicht an! Merkt euch das, alle beide!", knurrte der Beschuldigte böse. Jedoch huschte ein Blick zweifelnd an sich herunter und blieb an den kleinen Röllchen hängen, die sich aufgrund des Sitzens gebildet hatten.
"Du hältst noch nicht einmal die kurze Strecke von 100 Metern aus ohne eine Rast! Wenn ich dich daran erinnern darf, saßen wir vor genau 5 Minuten dort hinten an der Biegung des Flusses und rasteten", gab das Mädchen belustigt und dennoch genervt zurück. Der Vater warf ihr einen bitterbösen Blick zu, ehe er sich zu einer Antwort herhalten ließ.
"Das war eine Pinkelpause, Adamantiel! Und hör auf mich so zu hetzen oder bist du so erpicht darauf, den Prinzen des Düsterwald zu sehen und dazu noch die Elben?", brummte er mit wissendem Blick, als sich ihre Wangen röteten.
"Aha! Hatte ich also doch recht mit meiner Vermutung. Du sehnst dich nach den Elben." Sein Grinsen war nicht zu ertragen und stimmte Adamantiel gereizt.
"Das stimmt doch gar nicht! Es ist nur peinlich wenn Vertreter des Zwergenvolkes bei den Elben zu spät kommen! Dann werden sie wieder Grund haben, über uns zu reden", verteidigte sie sich krampfhaft.
"Und gerade DESHALB sollten wir zu spät kommen. Damit die verfluchten hohen Geschöpfe wissen, dass wir nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Und außerdem kommen nicht nur wir als Zwerge in diesen Wald", brummte der Bärtige vergnügt und rappelte sich schwerfällig wieder auf. Er wusste dass seine Tochter da anderer Meinung war.
"Aber...", wollte sie dagegen halten, doch der Zwerg schnitt ihr das Wort ab.
"Und nun beeil dich und suche den richtigen Weg in die Stadt. Du findest dich in diesem Grüngewurschtel hier besser zurecht als ich. Für mich ist dieses Unkraut nicht so das Wahre. Die Wände von Höhlen sind meiner Meinung nach beeindruckender. Also mach das du einen raschen Weg in diese verfluchte Stadt findest. Das letzte Mal als ich hier her kam, waren mir im wahrsten Sinne des Wortes die Augen gebunden", murrte er in grimmiger Erinnerung. Er hatte dem Elben von damals noch immer nicht ganz verziehen.
Als er gewahrte, dass sich Adamantiel auf den Weg machte, hielt er sie noch ein letztes Mal zurück.
"Ich warte hier auf dich, also komm hierher zurück, sonst bin ich verloren", rief er ihr hinterher. Seine Tochter wandte sich lachend um und sah noch einmal auf ihren Vater zurück.
"Als Zwerg bist du hier aufgeschmissen wie ein Elb in den Tunneln von Moria", lachte sie heiter und verschwand. Der Mann schüttelte nur selbstmitleidig den Kopf und brummte dann etwas, das nach ‚Nicht jeder Elb verirrt sich in Moria' wobei er an einen ganz Bestimmten dieser Rasse dachte.
Rasch und leise huschte das junge Mädchen durch wunderschönen Wald. Man konnte ja nie vorsichtig genug sein. Immer war sie auf der Hut. Egal was sie tat, ihre Augen huschten ständig hin und her und forschten durch die Gegend nach lauernden Kreaturen Ausschau haltend. Es war eine der alten Angewohnheiten aus dem Ringkrieg, als Orkherden immer wieder in ihre Höhlen vorgedrungen waren und man noch nicht einmal beim Baden in den eigenen vier Höhlenwänden sicher gewesen war. Damals war auch der Vater fern gewesen, mit seinem eigenen Vater auf einer Reise und die Mutter und Adamantiel mussten sich allein verteidigen. In dieser Zeit hatte das blonde Mädchen auch die Kunst des Bogenschießens extrem erweitern können.
Doch diese dunklen Zeiten waren nun vorbei und eigentlich konnte man ohne Angst durch die Länder reisen. Sauron sowie Saruman waren besiegt und nichts würde sie wieder auf Mittelerde auftauchen lassen.
Während sie sich all das durch den Kopf gehen ließ strichen ihre Hände und Finger immer wieder über weiche Blätter oder biegsame Äste. Alles war so vertraut und wärmer als die steinigen, harten Wände der Zwergentunnel, in denen sie ihre gesamte Kindheit verbracht hatte. Auch die Gegend um den einsamen Berg herum war weitgehend kahl und das Auge konnte, soweit es reichte, nur Steppe und ödes Grasland erkennen.
Ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend ließ sie erstarren und an ihrem Platz verharren. Angestrengt kniff Adamantiel die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um besser erkennen zu können. Und tatsächlich hatte sie sich nicht getäuscht. Einige Meter vor ihr, schlich eine Gestalt durch das Unterholz. Anscheinend war sie in Gedanken versunken, ansonsten hätte sie das Mädchen schon längst bemerken müssen. Rasch und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, verbarg Adamantiel sich hinter dem nächsten Baum, der ihren Weg kreuzte und presste sich an den glatten, mächtigen Stamm. Ein Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Wald überkam sie und ließ das Mädchen eine unbedachte Bewegung machen, die einen Ast unter ihren Füßen zum Brechen veranlasste. Beide, die Gestalt und Adamantiel zuckten schreckhaft zusammen, wobei sich das Mädchen im nächsten Moment in den wüstesten Zwergenschimpfwörtern verfluchte.
Der Unbekannte harrte nicht lange auf der Stelle sondern tat instinktiv genau das, was Adamantiel vor ihm getan hatte. Er sprang hinter einen Baum. Sie war sich sicher, dass es ein männliches Wesen sein musste. Sie hatte einen Bogen gesehen und zudem einen großen, muskulösen Körper, der schnell und präzise war.
Mit klopfendem Herzen und wirbelnden Gedanken versuchte Adamantiel eine klare und einleuchtende Entscheidung zu treffen, was nun zu tun war. Schließlich wusste sie nicht, wer ihr Gegenüber war und was er hier zu suchen hatte. Abermals aus alter Gewohnheit handeln, wanderte ihre rechte Hand zum Bogen, der auf ihrem Rücken ruhte und zog ihn in einer fließenden Bewegung hervor. Die Pfeile in ihrem Köcher waren ebenso gut zu erreichen.
Ein leises Geräusch, als würde jemand den Bogen anspannen ließ sie auffahren und schreckhaft hinter dem Baum hervor springen. Den Bogen hatte sie instinktiv in die Richtung des Geräusches gerichtet.
Mit einem so lauten Herzschlag, dass sie meinte der Mann ihr gegenüber, könnte ihn vielleicht hören, stand sie mit gespanntem Bogen und bereitem Pfeil auf der Sehne vor ihm. So wie es schien, hatte er die gleichen Gedanken wie sie gehabt, denn auch er hielt eine glänzende Pfeilspitze zum Abschuss bereit auf sie gerichtet. Sie musste innerlich grinsen, bewegte aber nach außen hin, keinen einzigen Gesichtsmuskel. Der Gesichtsausdruck des Mannes war zuerst triumphierend gewesen, doch nun musste er ihre Statur erkannt und begriffen haben, dass eine Frau vor ihm stand, denn seine Augen huschten irritiert und äußerst überrascht über ihren Körper, ohne ein einziges Wort zu verlieren.
Auch sie sagte keinen Ton, betrachtete ihn ebenfalls eingehend, spürte aber seine prüfenden Blicke wie Feuer auf ihrer Haut. Dieser Mann...war groß und äußerst gut gebaut. Ganz anders als die Männer der Zwerge. Auch seine Augen hatten eine geheimnisvolle lila Färbung. Sie standen in einem schönen Kontrast zu den langen blonden Haaren, die sein Gesicht umrahmten. Zudem war er viel größer als sie selbst. Vielleicht ein oder zwei Köpfe mindestens. Eines stand fest. Dieser Mann musste dem Geschlecht der Elben angehören, denn nur sie lebten in diesem Wald.
Die Ungeduld, die Adamantiel unter seinem forschenden Blick verspürte und die sich nur noch verstärkte als seine Augen die ihren trafen, ließ sie das vorherrschende Schweigen brechen und endlich ein Wort hervorbringen.
"Was starrt Ihr so!?", fuhr sie ihn bissig an. Die Unsicherheit und Überraschung waren verschwunden.
"Habt Ihr noch nie eine Frau gesehen? So wie Ihr ausseht könnte man glauben Ihr wolltet gleich über mich herfallen! Aber das rate ich Euch ab, denn mein Pfeil findet schneller den Weg in Euer Herz, als Euch lieb sein könnte", fauchte sie weiter. Der Klang in ihrer Stimme war frech und rebellisch, ebenso wie ihre Augen glitzerten. Jedoch war dies keineswegs nur eine leere Drohung. Sie war wirklich entschlossen ihm den Pfeil in die Brust zu setzen, sollte er auch nur eine einzige unbedachte Bewegung machen.
"Noch ehe der Pfeil mein Leben beendet, wird auch meine Sehne surren, wenn der meine sie verlässt und Euer Dasein beendet, meine Dame", erwiderte dieser Kerl kühl und veranlasste Adamantiel dazu, den Pfeil noch etwas näher zu sich zu ziehen um so die Sehne ein wenig zu straffen.
"Versucht es und Euer Leben wird beendet sein", erwiderte sie trocken und beide starrten sich wütend in die Augen. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich, wer er war? So ließ sie garantiert nicht mit sich reden!
"Die Aufgaben der Frauen scheinen Euch nicht vertraut zu sein", stellte er fest, woraufhin sich ihre Augen um ein Weiteres verengten. Sicher war das auf ihren Bogen und ihr Aussehen bezogen. Ja, sie hasste Kleider und Röcke, na und? Musste sie denn so etwas tragen nur weil sie ein weibliches Wesen war? Das Blut in ihrem Körper begann allmählich zu kochen. Sie kannte diesen Idioten nicht weniger als 1 Minute und schon wusste sie, dass sie ihn nicht ausstehen konnte.
"Ich weiß nicht, wie Euer Volk die Frauen unter seiner Fuchtel hält, aber bei uns herrscht Gleichberechtigung der Geschlechter." Diese Antwort stand seiner Bemerkung um nichts zurück und das wusste sie auch. Adamantiel erkannte an dem Glitzern seiner Augen, dass sie ihn zu einer weiteren Bemerkung angestachelt hatte.
"Habt Ihr Eure Orkherde verlassen oder warum steht ihr so einsam und allein hier in diesem Walde vor mir? Vielleicht solltet Ihr schnellstens verschwinden, ehe man Euch wirklich mit einer Bestie verwechseln könnte und Euch aufspießt." Diese Worte hatten gesessen. Was viel diesem Wicht eigentlich ein, sie mit einem Ork gleichzusetzen? So schrecklich sah sie ja nun wirklich nicht aus! Ganz und gar nicht. Oder doch? Und wenn schon. Er sah mindestens genauso bekloppt aus wie ein Höhlentroll, also was spukte dieser Mann nur für große Töne?
Adamantiels Augen glitzerten rebellisch und hasserfüllt, als sie plötzlich eine Bewegung hinter ihrem ‚Gesprächspartner' wahrnahm und sich rasch umdrehte, um zwischen den Blättern unterzutauchen. Sie spürte noch seinen fragenden Blick, den er ihr hinterher warf, bevor sie die Stimme eines weiteren ‚Geschöpfes' hörte. Noch einmal drehte sich das Mädchen kurz zu ihnen um, um zu sehen, wer sie verscheucht hatte und sah einen ebenfalls groß gebauten Mann aus dem Gebüsch treten und auf den Bogenschützen einreden. Ihre scharfen Augen erlaubten ihr, Einzelheiten zu erkennen.
Ihre Augen weiteten sich überrascht und irritiert, als sie die Ohren des Ankömmlings bemerkte. Sie waren Spitz! Spitze Ohren! Ein entsetztes Keuchen entwich ihrer Kehle und sie fasste sich benommen an beide Schläfen. Ihr Vater hatte ihr nie erzählt, wie Elben wirklich aussahen. Aber das sie spitze Ohren hatten! Doch dann erinnerte sie sich wieder an die arrogante Art dieses Jünglings und stieß hart die Luft zwischen den Zähnen hervor. Sicher nahm er nun an, sie sei wegen seiner Worte davongelaufen, dabei war sie nur ihrem Instinkt gefolgt und geflüchtet, als der andere angekommen war.
Wut kochte in Adamantiels Magengegend und machte auch keinerlei Anstalten sich wieder zu legen. Dieser überhebliche Kerl! Wenn sie den jemals wiedersehen würde, würde sie es ihm heimzahlen, darauf konnte er wetten!
Wie blind vor Wut rannte sie durch den Wald, ohne recht zu wissen, wo sie eigentlich hinlief. Erst als sie gegen etwas hartes stieß, hob sie erschrocken den Kopf und starrte erbleichend in das freundliche Gesicht eines weiteren Vertreters dieser arroganten Elben. Dieses Volk hatte es gehörig bei ihr verschissen.
"Alae Elleth. Manke naa le antien? [Hallo Elbenmädchen. Wo wollt ihr hin?]", plapperte er wie ein Wasserfall. Die fremden Laute verwirrten sie ziemlich und die Wut in ihrem Bauch vermischte sich mit der Ungeduld, die sie gegenüber dieses Elben, der auch spitze Ohren hatte, empfand.
"Ich kapier kein Wort von Eurem Geschwafel, also sprecht Klartext, wenn Ihr mit mir reden wollt. Ich hab es nämlich verdammt eilig!", sprudelte es nicht gerade freundlich aus ihr hervor, was den anderen eine Augenbraue heben ließ. Doch offensichtlich konnte er so streng schauen, wie er wollte, dieses Mädchen würde sich nicht einschüchtern lassen. So beließ er es dabei und richtete das Wort nun in der Allgemeinsprache an sie.
"Ich fragte Euch, wohin Euch Euer Weg führt. Doch den ersten Teil meiner Begrüßung werde ich wohl umändern müssen, Ihr seid gewiss kein Elbenmädchen, denn ihr verhaltet Euch wie eine kleine Zwergin", versuchte der Große zu scherzen, fing sich aber nur einen bitterbösen Blick ein.
"Habt Ihr etwas gegen mein Volk", knurrte sie bedrohlich und sah keck zu ihm auf. Nun schien der Elb gar nichts mehr zu verstehen, denn seine Miene glich einem einzigen Fragezeichen.
"Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass ihr dem Volk der Zwerge angehört", fragte er baff und musterte sie von oben bis unten.
"Eure Statur ist die einer kleinen Elbin", erklärte er ihr.
"Und Ihr wollt MIR doch nicht erzählen, dass Ihr nicht wusstest, dass es auch hübsche Zwerge geben kann", fauchte Adamantiel zurück. Ein zweiter Elb war bei ihr schon von Anfang an unten durch.
"Ich befinde mich auf dem Weg zu einem Fest. Angeblich soll irgend so ein Prinz Eures Volkes einen äußerst wichtigen Geburtstag haben! Also habe ich mich überreden lassen, meinen Vater hierher zu begleiten, was sich nun als Fehler herausstellt. Und ich frage Euch nun noch einmal: Habt Ihr etwas gegen mein Volk?" Die Augen des jungen Mädchens glitzerten gefährlich und ein Zeigefinger bohrte sich gefährlich in seine Brust. Wer war sie nur?
"Da Ihr anscheinend nicht ausreichend informiert seid, werde ich Euch einige Fragen beantworten, Mylady. Der Prinz, dessen Geburtstag heute stattfindet ist der Prinz Legolas, Sohn des Königs Thranduils aus Düsterwald...", setzte der Blonde an.
"Ist doch egal woher der kommt", maulte Adamantiel ungeduldig. Elben liebten es anscheinend dumm herum zu schwafeln. Der Elb überging ihren Einwurf gnädig.
"Zudem steht Ihr gerade Haldir, dem Anführer der Grenzwächter Lóthloriens gegenüber." Seine Brust schwellte stolz ein wenig an und er erhob das Kinn etwas. Dieses Auftreten reizte das junge Mädchen erneut und so fiel sie ihm ins Wort.
"Damit Ihr wisst wer vor Euch steht und welche Ehre Ihr habt, mit mir zu sprechen, werde ich mich vorstellen", erklärte sie wie selbstverständlich, was den Elben abermals verstummen ließ.
"Mein Name ist Adamantiel und ich gehöre dem Volk der Zwerge des Einsamen Berges an. Wenn Euch das nicht passt, verkrümelt Euch." Die Stimme Adamantiels war mehr als provozierend. Sie liebte es diesen dummen Geschöpfen eins auswischen zu können. Doch diesmal schien sie zu weit gegangen zu sein, denn Haldirs Miene wies keine Regung auf, als er abermals begann zu sprechen.
"Auch wenn Ihr ein Gast des Prinzen seid, meine Dame. Erlauben dürft Ihr Euch auch nicht alles. Irgendwann sind die Grenzen überschritten und nun habt Ihr die Ehre an einer Führung durch den Goldenen Wald teilnehmen zu dürfen. Mit verbundenen Augen, versteht sich." Kurz nachdem er dies gesagt hatte, zauberte der Elb scheinbar ein Tuch hervor und legte es ihr rasch über die Augen. Darauf machte er sich an ihren Handgelenken zu schaffen, um sie daran zu hindern, das Tuch abzustreifen und sich wehren zu können. Vollkommen überrascht und überrumpelt, verstand sie zuerst nicht, was geschah, doch als er sie am Rücken die ersten Schritte in eine Richtung lenkte, fand sie die Stimme wieder.
"Seid Ihr bekloppt!? Das könnt Ihr doch nicht machen! Ich bin ein Gast verdammt!", kreischte sie laut und vernehmlich. Haldir jedoch grinste nur genugtuerisch und musste stark gegen den Drang ankämpfen, ihr nicht auch noch etwas in den Mund zu stopfen. Er wusste, dass er auch so schon strafbar handelte, doch ihre Beleidigungen hatte er sich nicht weiter antun können.
"Irgendwann sind die Grenzen überschritten", äffte sie beleidigt die Worte des Lorischen nach und zog ein säuerliches Gesicht. Wohin er sie wohl führte? Sicher in die Hauptstadt. Aber umso besser. Da wollten sie ja eh hin. Doch plötzlich fiel ihr ein, dass sie sich ja den Weg gar nicht merken konnte, wenn ihr die Augen gebunden waren und sie somit auch nicht zurück zu ihrem Vater fand. Panik stieg in ihr auf, als sie sich vorstellte, wie er vergeblich auf sie warten würde.
"Lasst mich los! Sofort! Ich muss zu meinem Vater. Der sitzt ganz allein am Rande von so einem kleinen Bach und fürchtet sich", startete sie einen erneuten Versuch um Haldirs Mitleid zu erregen. Doch da stieß sie bei dem erfahrenen Elben auf Granit.
"Euer Vater ist, wie Ihr bereits sagtet, ein Zwerg. Also kann er sich unmöglich fürchten", erwiderte Haldir mit einem gemeinen Grinsen, was zum Glück Adamantiel verborgen blieb. Das junge Mädchen stolperte nur so unter seiner Führung, da der Elb absichtlich über Wurzeln und Äste ging. Allein ihr Gehör reichte nicht aus, um die Hindernisse von selbst zu umgehen.
"Ihr sprecht Ausnahmsweise einmal etwas Wahres. Er fürchtet sich nicht. Dennoch weiß er nicht, welcher Weg, wenn überhaupt einer in diesem verqueren Wald zu finden ist, in die Hauptstadt führt. Und Ihr wollt sicherlich nicht erreichen, dass ein Gast des Prinzen zu spät oder überhaupt nicht auf dem Fest erscheint", erinnerte sie ihn mahnend, woraufhin sich Haldirs Miene verdüsterte. Dieses Kind hatte recht. Er würde jämmerlichen Ärger bekommen, würde er verhindert haben, dass einer der Gäste und sei es auch nur ein Zwerg, nicht zum Fest erschien.
"Ich lasse nach Eurem Vater schicken, sie sollen ihn in die Hauptstadt bringen. Aber nun zügelt Eure Zunge", fauchte Haldir genervt. Er wünschte, sie wären nicht noch 20 Minuten vom Ziel entfernt und er konnte sie endlich loswerden.
"Nach welch einem Recht urteilt Ihr überhaupt über mich", fragte sie ungerührt weiter und quetschte ihn aus wie eine reife Zitrone.
"Nach dem Recht der Elben Mylady", seufzte Haldir müde. Es war ein Fehler gewesen sie zu verhaften.
"Ich aber bin eine Zwergin!! Ich müsste rein theoretisch nach dem Gesetz der Zwerge verurteilt werden und nicht nach den Euren", beschwerte sich Adamantiel erneut. Es war ganz und gar unrecht, was ihr dieser verfluchte Elb da antat. Er hatte ihr die Augen verbunden, sodass sie nicht sehen konnte, wohin sie lief. Außerdem lenkte er ihre absichtlich unsicher.
"Habt Ihr auch ein Gesetz gegen Beleidigung und Unhöflichkeit", war Haldirs einzige Reaktion. Das Gespräch, so anstrengend es auch sein mochte, war sehr amüsant für ihn. Er hatte schon lange kein weibliches Wesen mehr gesehen, das so ein loses Mundwerk besaß.
"Natürlich nicht! Wer kann denn wissen, dass ihr komischen Kerle so humorlos seid", rief Adamantiel empört und sichtlich schockiert, dass Haldir sie wegen solch einer Kleinigkeit bestrafen wollte. Ein Gesetz gegen Beleidigungen. Darauf konnten auch nur diese spitzohrigen Typen kommen.
"Dachte ich es mir doch. Bei euch Zwergen scheinen Kränkungen und Beleidigungen an der Tagesordnung zu stehen, was man auch an Euch erkennen kann, Mylady." Ihr Reaktion verzückte ihn schon fast, als sie plötzlich stehen blieb und versuchte, ihm einen Fuß zwischen die Beine zu rammen, was er noch im letzten Moment abwenden konnte und sie so zu Fall brachte.
Ein ersticktes Keuchen ihrerseits war zu hören, da sie genau auf den flachen Bauch gefallen war und Adamantiel somit für geraume Zeit die Luft ausblieb. Ein Entspannungsmoment für den lorischen Elben, denn dadurch war er von ihren Beschwerden vorerst verschont worden. Doch er nutzte den kleinen Moment um ungestört mit einem seiner Männer zu sprechen. Adamantiel spitzte zwar neugierig die Lauscherchen, konnte aber kein einziges Wort erfassen, da Haldir einerseits in einer ihr unbekannten Sprache kommunizierte, andererseits war sie so sehr damit beschäftigt etwas Luft zu ergattern, dass sie ihre Konzentration nur halb dem Elben schenkte. Doch sie schwor sich, für sein unmögliches Benehmen irgendwann einmal Rache zu nehmen. Schließlich behandelte er sie nicht gerade nobel, dafür dass sie eine Zwergin, weiblich und zudem ein Gast dieses Prinzen war.
Als sie spürte, wie zwei Hände sie an den Schultern packten und nach oben zogen, um sie wieder auf die Beine zu stellen, hatte sich auch ihre Atmung bereits wieder eingestellt, sodass sie wieder ein Wort an Haldir wenden konnte.
"Was habt ihr da gefaselt", fragte sie zunächst äußerst interessiert, doch sie spürte nur seine Hand an ihrer Schultern, die sie die Straße entlang führte. Sie spürte Holz unter ihren Füßen, jedoch kein einziges Blatt mehr knistern und kein Ästchen mehr knacken. Außerdem gewahrte sie hier und da leise Flüstertöne, wohl ihr galten, da sie mit verbundenen Augen durch die Stadt geführt wurde. Und sie konnte sich nicht noch einmal wehren.
Tiefe Scham bemächtigte sich ihres Herzens. Dieser Elb stellte sie vor allen anderen bloß. Das würde sie nicht einfach so auf sich sitzen lassen und aus diesem Gedanken heraus, startete sie eine erneute Offensive auf das wertvollste Stück Haldirs, was diesmal sogar von Erfolg gekrönt wurde! Sie konnte hören, wir er vor Schmerz aufschrie und aus dem anfänglichen Schreck heraus ihre Schulter losließ. Außerdem wurden die Stimmen immer dichter, je lauter das Gejammer des Elben wurde. Sofort erkannte Adamantiel ihre Chance zur Flucht, die sie sogleich wahrnahm und einfach nach Gefühl und Belieben davonlief.
Immer lauter wurden die Stimmen um sie herum und sie konnte die verwirrten und zum größten Teil feindlich gesinnten Blicke des hohen Volkes förmlich auf ihrem zierlichen Körper spüren. In ihrem Kopf schwebte nur ein einziger Gedanke: Nur weg hier von diesen bekloppten humorlosen Elben!
Doch plötzlich und ohne Vorwarnung wurde sie abermals durch zwei starke Hände zu Fall gebracht, die krampfhaft ihr strampelnden Füße zu bändigen suchten, nachdem auch ihr Verfolger gestürzt war. Hatte Haldir sich denn so rasch von ihrem Tritt erholt? Eigentlich war es nicht ganz ohne gewesen. Verzweifelt versuchte sie noch einmal, sich zu befreien und schlug wie wild um sich. Sie wusste, dass ihr Benehmen vollkommen fehl am Platz war, und das man ihr noch weniger antun würde, würde sie sich ruhig verhalten, doch einem Instinkt folgend wollte sie einfach nicht klein beigeben.
"Was...Wollt Ihr von mir", rief sie zornig als sie abermals jemand auf die Beine zog.
"Am besten Ihr verhaltet Euch ruhig. Wir befinden uns in der Hauptstadt und die Herrin des Waldes duldet keine Unruhen in ihrem Land. Auch für Eure Ehre wäre es besser diesen lächerlichen Widerstand aufzugeben. Man lacht schon über Euch", flüsterte eine strenge Stimme direkt neben ihrem Ohr, was Adamantiel sofort verstummen ließ. Doch nicht auf der Worte Geheiß hin, sondern weil ihr dieser Klang vertraut vorkam. Nur halb anwesend registrierte sie, dass sie abermals in eine Richtung geführt wurde, wobei die Stimmen um sie herum immer leiser wurden und schließlich gänzlich verstummten. Dafür schlug hinter ihr eine Tür zu und über ihr die Kälte zusammen. Nur ihre eigenen und die Schritte zweier weiterer Personen hallten an den Wänden wider. So wie es schien, befand sie sich in einer Art Tunnel, was natürlich auch ein Verlies sein konnte. Ab und an hörte sie 2 Stimmen, die Worte austauschten, ohne einen Sinn in ihrem Kopf zu ergeben.
"Wir werden Euch in ein Verlies führen. Der Hauptmann Haldir teilte uns mit, er wollte Euch ohnehin hier hinunter bringen." Die Stimme hinter ihr war kühl und rechthaberisch. Dennoch schwangen in seinen Worten Laute der Wärme mit, die dem Mädchen nicht alle Hoffnung nahmen. Würde sie jetzt lebenslänglich hier eingesperrt sein?
Das Quietschen einer Eisentür brachte ihr zu Bewusstsein, dass sie das Ziel ihrer Wanderung durch dunkle feuchte Gänge erreicht hatten. Nicht, dass es ihr etwas ausgemacht hätte. Sie war es schließlich gewohnt unter Tage zu leben, dennoch kroch Furcht in ihr auf.
Erst als man sie auf ein Bett gedrückt und die Tür wieder abgeschlossen hatte um zu verhindern, dass sie einen Fluchtversuch startete, machte sich einer der Elben daran, ihr die Handfesseln abzunehmen. Wie automatisch wanderte jede ihrer Hände zu der anderen, um an der Stelle zu massieren, an der das Seil eingeschnitten hatte.
"Ihr verurteilt mich wie eine Diebin oder eine Verbrecherin! Dabei habe ich nur den Weg in Eure verfluchte Stadt gesucht", machte sie ihrem Ärger Luft. Sie hörte einen Luftsog, der überrascht eingeatmet wurde und dann vernahm sie abermals eine Stimme, doch diese war ihr noch gänzlich fremd.
"Nun. Ihr habt ihn gefunden, Mylady. Ihr befindet Euch im Herzen des Goldenen Waldes" Es klang sarkastisch und keineswegs liebevoll, was das Blut in ihren Adern wieder allmählich zum Kochen brachte. Und da sagte man, Zwerge seien unfreundlich. Pah! Sie waren ja direkt liebevoll im Gegensatz zu diesen überheblichen Geschöpfen hier.
Als auch die Augenbinde abgenommen wurde, wanderten ihre Augen sofort gierig nach Orientierung suchend umher und schätzten augenblicklich die feuchten, kalten Wände ihrer Zelle ab, die nur von einer einzigen Fackel in spärliches Licht getaucht wurde. Das Bett, falls dieses Gestell die noble Bezeichnung überhaupt verdient hatte, war neben einer kleinen Schüssel die einzige Einrichtung.
"Mhm...Tolles Herz des Goldenen Waldes. Hier sieht es noch schlimmer aus als bei mir zu Hause nach einem Orküberfall. Ich versteh gar nicht, wie ihr Elben stolz auf so was sein könnt", philosophierte sie abschätzig und wandte endlich den Blick ihren ‚Entführern' zu. Haldir war nicht dabei. Anscheinend hatte er sie an diese Elben da übergeben. War ihr auch recht.
"Achtet auf das, was Ihr sagt. Es kann gegen Euch verwendet werden", sprach wieder der Elb mit der unbekannten Stimme und trat bedrohlich einen Schritt näher. Adamantiel lachte kühl und höhnisch.
"Was wollt Ihr mir denn schon antun? Ich bin ein Gast des Prinzen", begehrte sie auf. Anscheinend überrascht von ihren Worten, trat der erste Elb aus dem Schatten der Wände, um sie eingehender zu betrachten. Doch als der Schein der Fackel sein Gesicht erhellte, versteinerte sich Adamantiels Miene augenblicklich. Auch ihm erschien es nicht anders zu ergehen.
"Ihr!?", riefen beide wie aus einem Munde und starrten sich entsetzt an. Adamantiel konnte es nicht fassen, dass ihr dieser Bogenbesessene abermals über den Weg gelaufen war. Oder besser: Sie ihm!
"Ihr kennt euch?", fragte der anwesende Elb irritiert und sah abwechselnd von einem zum anderen. Der Frauenbedrohende nickte nur vielsagend, winkte dann aber ab.
"Es war eine Begegnung im Wald. Ich sah sie zufällig vorbeilaufen", erklärte er von oben herab und betrachtete Adamantiel mit glitzernden Augen. Auch er hätte wohl nicht gedacht, dass er die kleine Zwergin je wiedersehen würde.
"Nennt mir Euren Namen, damit ich Euch eine kleben kann", forderte Adamantiel mit zitternder Stimme. Ihre Hände ballten sich vor Wut zu kleinen Fäusten, doch ihre Worte lösten nur ein herzhaftes Lachen der beiden Kidnapper aus.
"Nennt Ihr mir zuerst Euren Namen, Mylady, damit ich weiß, wen wir verurteilen müssen. Ihr habt soeben einen Elben unfruchtbar gemacht", erklärte er ernst doch seine Augen verrieten ihr, dass letzteres nicht stimmen konnte.
"Das bedaure ich überhaupt nicht. Er war vollkommen unfreundlich. Und damit Ihr mich beneiden könnt, dass ich einen Namen habe und Ihr nicht: Ich heiße Adamantiel und bin eine Zwergin vom Einsamen Berg."
~*~
Auf dem Weg zum Palast wechselte der Prinz kein einziges Wort mit Sémersion. Er
tat es keineswegs aus Boshaftigkeit oder Ärgernis, er wollte einfach nur seine
Gedanken in Ordnung bringen. Schließlich war dies ein ganz besonderer
Geburtstag, an dem er als Elb endlich als verantwortungsbewusst und
meinungsgefragt erklärt wurde. Dennoch, er hatte nicht gerade viel für die
Zeremonie getan und auch keine besondere Rede einstudiert, wie es die meisten
an ihrem 3000. Geburtstag taten. Von ihm, als Elbenprinz, wurde dieser Akt der
Veranstaltung natürlich besonders hoch gehalten und er hatte wirklich nicht den
blassesten Schimmer, was er sagen sollte.
"Hey! Legolas, sieh mal! Dort vorn", Sémersion stieß dem Freund etwas unsanft in die Rippen, um ihn aus seiner Gedankenlosigkeit zu reißen. Ein ausgestreckter Finger seiner schlanken Hand deutete vor sie auf den Weg, auf dessen Holz sich eine große Gruppe von Elben angesammelt hatten, die neugierig etwas zu verfolgen schienen. Sofort war Legolas wieder in der Gegenwart anwesend und stürzte mitten ins Geschehen. Doch noch bevor er den Knotenpunkt erreichte, hörte er neben sich leises Gejammer, welches von einem sich am Boden krümmenden Elben hervorgerufen wurde. Mit Schrecken erkannte er Haldir in der jämmerlichen Gestalt und kniete sich sofort neben seinem Freund nieder.
"Haldir! Mellon. Hörst du mich", fragte er und rüttelte leicht aber bestimmt an der Schulter des Hauptmanns. Doch dieser brachte nur jämmerliche Quietschlaute hervor.
"Legolas...will weg...fangen...", waren die einzigen Worte, die der Elb heraushören konnte, bevor er sich an Sémersion wandte.
"Kümmere du dich um Haldir, mein Freund! Ich werde mir den Ausreißer vornehmen", zischte er zwischen den Zähnen hervor und rannte der Masse hinterher. Tapfer und verbissen kämpfte er sich mit vollem Einsatz seines Körpers durch die Reihen und gewahrte eine zierliche Gestalt, die halb laufend, halb kriechend versuchte zu entkommen. Viele umherstehende Elben lachten ausgelassen über dieses Verhalten und flüsterten sich ulkige Sachen zu. Ohne noch lange zu überlegen was zu tun war, warf sich Legolas auf den Flüchtling und hielt ihn bald darauf an den Beinen fest. Ein entsetzter Schrei war die Folge auf sein Handeln und zudem eine verbissene Gegenwehr, die aus Tritten und Schlägen bestand und den düsterwäldischen Prinzen mehr als nur einmal mitten ins Gesicht trafen. Wie lächerlich sich noch immer so verzweifelt zu wehren. Schließlich musste selbst dieser Gestalt klar geworden sein, das dies Verhalten mehr als entwürdigend war.
"Was...Wollt Ihr von mir", rief sie zornig als er sie auf die Beine zog. Verwundert kniff er die Augen zusammen und betrachtete die Gestalt vor sich. Es war eindeutig eine Frau. Schon wieder. Zum zweiten Male an diesem Tag. Warum mussten diese Frauen auch so rebellisch sein? Kopfschüttelnd wischte er sich mit der einen Hand das Blut unter der Nase ab, während er mit der anderen ihre Schulter hielt.
"Am besten Ihr
verhaltet Euch ruhig. Wir befinden uns in der Hauptstadt und die Herrin des
Waldes duldet keine Unruhen in ihrem Land. Auch für Eure Ehre wäre es besser
diesen lächerlichen Widerstand aufzugeben. Man lacht schon über Euch",
flüsterte er mit strenger Stimme direkt neben ihrem Ohr, was das Mädchen sofort
verstummen ließ.
Gehorchen konnte sie schon einmal, stellte er befriedigt fest und lenkte sie
durch einen etwas barschen Druck and er Schulter in Richtung der Verliese. Die
Stimmen wurden um sie herum immer leiser und verstummten schließlich gänzlich,
als eine schwere Eisentür hinter ihm ins Schloss fiel.
"Haldir sagte, sie hätte ihn ungünstig getreten", flüsterte Sémersion dicht an seinem Ohr. Er war dem Prinzen durch das Gedränge gefolgt, nachdem er einige Worte mehr aus dem geschändeten Hauptmann herausbekommen hatte.
"So machte er auch den Eindruck auf mich", erwiderte Legolas ernst. Noch nie hatte sich jemand gegen die Beschlüsse der Elben gewehrt und dieses Mädchen musste die Gesetze doch nur allzu gut kennen, wieso hatte Haldir sie also verhaftet? Ein kleiner Stoß an seinem Schienbein machte ihn auf den langen Bogen auf ihrem Rücken aufmerksam. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. Hatte dieses Mädchen von vorhin nicht auch einen Bogen?
Er verwünschte die dunklen feuchten Tunnel unterhalb der Elbenstädte. Denn nur durch ihren Fackelschein konnte er nicht klar erkennen, ob es das selbe Stück war, mit dem die Unbekannte ihn bedroht hatte. Wieso, bei Eru, hatte er nicht auch vorhin genauer auf ihr Aussehen geachtet?
"Wir werden Euch in ein Verlies führen. Der Hauptmann Haldir teilte uns mit, er wollte Euch ohnehin hier hinunter bringen." Die Stimme hinter ihr war kühl und rechthaberisch und das war auch voll und ganz beabsichtigt. Sie sollte das Gefühl haben, etwas falsch gemacht zu haben und dennoch konnte er nicht verhindern dass in seinen Worten Laute der Wärme mitschwangen, die dem Mädchen nicht alle Hoffnung nahmen.
Als er die Tür des Verlieses hinter sich geschlossen hatte, drückte er sie auf ein Bett und wies Sémersion an, die Tür abzuschließen um zu verhindern, dass sie einen Fluchtversuch startete. Kurz danach machte er sich daran, ihr die Handfesseln abzunehmen. Wie automatisch wanderte jede ihrer Hände zu der anderen, um an der Stelle zu massieren, an der das Seil eingeschnitten hatte.
"Ihr verurteilt mich wie eine Diebin oder eine Verbrecherin! Dabei habe ich nur den Weg in Eure verfluchte Stadt gesucht", machte sie ihrem Ärger Luft. Legolas sog abermals überrascht die Luft ein. Durch den Tumult der Umstehenden, hatte er nicht den Klang ihrer Stimme wahrnehmen können, sondern nur ihre Bedeutung. Die Elbische Sprache war ihr anscheinend nicht sehr vertraut. Und dennoch erkannte er diese Stimme wieder, die mit dem Plätschern eines Baches konkurrieren konnte. So schwieg er verdutzt und machtlos in dem, was er tun wollte. Sémersion ließ es sich jedoch nicht nehmen, an Legolas' statt zu antworten.
"Nun. Ihr habt ihn gefunden, Mylady. Ihr befindet Euch im Herzen des Goldenen Waldes" Es klang sarkastisch und keineswegs liebevoll. Aber schließlich hatte sie auch Haldir nicht gerade freundlich behandelt.
Auf des Freundes Worte hin nahm Legolas auch die Augenbinde ab, woraufhin ihre Augen sofort gierig nach Orientierung suchend umher wanderten und augenblicklich die feuchten, kalten Wände ihrer Zelle abschätzten, die nur von einer einzigen Fackel in spärliches Licht getaucht wurde. Legolas fragte sich ernsthaft, was in ihrem Kopf vorgehen mochte. Doch durch die Schatten, die die Fackel warf, konnte er weder ihr Profil noch ihr Gesicht erkennen.
"Mhm...Tolles Herz des Goldenen Waldes. Hier sieht es noch schlimmer aus als bei mir zu Hause nach einem Orküberfall. Ich verstehe gar nicht, wie ihr Elben stolz auf so was sein könnt", philosophierte sie abschätzig und wandte endlich den Blick ihren ‚Entführern' zu. Ihr Blick ruhte gelassen und gleichgültig auf Sémersion, ehe ihre Augen sich auch durch das Dunkel der Zelle zu bohren suchten.
"Achtet auf das, was Ihr sagt. Es kann gegen Euch verwendet werden", sprach Sémersion und trat bedrohlich einen Schritt näher. Das Mädchen lachte kühl und höhnisch.
"Was wollt Ihr mir denn schon antun? Ich bin ein Gast des Prinzen", begehrte sie auf. Ihre Worte überraschten Legolas. Sie war ein Gast? Ein Gast, geladen zu seinem Fest? Er konnte sich nicht entsinnen, eine solche Dame eingeladen zu haben. Aber vielleicht sein Vater, der wieder einmal Heiratsvermittlung spielen wollte. Dieser Gedanke würde keineswegs absurd sein. Schließlich hatte Thranduil schon oft versucht, seinen Sohn mit irgendeiner Elbin zu verkuppeln.
Neugierig trat er aus dem Schatten der Wände, um sie eingehender zu betrachten. Der Körperbau war zierlich und dennoch keineswegs zerbrechlich oder gar schmächtig. Sie schien viel Sport zu treiben. Langes volles Haar fiel ihr über die Schultern und umrahmte ihre Figur zärtlich.
Doch als der Schein der Fackel ihr Gesicht erhellte, versteinerte sich Legolas' Miene augenblicklich. Irgendwie hatte er schon geahnt, wen er vor sich sehen würde. Auch ihr schien es nicht anders zu ergehen.
"Ihr!?", riefen beide wie aus einem Munde und starrten sich entsetzt an. Zum zweiten Mal an diesem Tag innerhalb von weniger als 1 Stunde war sie negativ in seiner Nähe aufgefallen. Vielleicht bereitete es ihr Freude, die Elben zu ärgern, andererseits war sie ein Gast. Aber so sehr er sie auch musterte, an ihren Namen konnte er sich nicht erinnern. Da war also doch sein Vater im Spiel! Darauf konnte er gut und gerne verzichten. Er würde schon noch die Frau finden, die an seiner Seite regieren würde, aber nicht heute, nicht morgen und garantiert nicht dieses Mädchen das sich benahm wie ein sturer Esel, wenn man ihn zwingen wollte, bei Hochwasser einen Fluss zu durchqueren.
"Ihr kennt euch", fragte sein Freund irritiert und sah abwechselnd von einem zum anderen. Legolas nickte nur vielsagend, winkte dann aber ab.
"Es war eine Begegnung im Wald. Ich sah sie zufällig vorbeilaufen", erklärte er von oben herab und betrachtete Adamantiel mit glitzernden Augen. Er hatte nicht gedacht, dass er sie je wiedersehen würde.
"Nennt mir Euren Namen, damit ich Euch eine kleben kann", forderte das Mädchen mit zitternder Stimme. Ihre Hände ballten sich vor Wut zu kleinen Fäusten, doch ihre Worte lösten nur ein herzhaftes Lachen der Freunde aus.
"Nennt Ihr mir zuerst Euren Namen, Mylady, damit ich weiß, wen wir verurteilen müssen. Ihr habt soeben einen Elben unfruchtbar gemacht", erklärte er ernst doch seine Augen verrieten ihr, dass letzteres nicht stimmen konnte. Er wusste, dass Haldir nichts schlimmes passiert war und dennoch wollte er sie in dem Glauben lassen, in der Hoffnung, sie würde etwas Reue zeigen. Doch da hatte er sich zum nächsten Mal geirrt.
"Es ist höflicher dass zuerst der Mann den Namen preisgibt", flötete sie zuckersüß, was Sémersion beinahe den Kragen platzen ließ.
"Zügelt Eure Zunge, Weib! Damit Ihr es nur wisst. Der Elb der vor Euch steht ist kein anderer als...", brauste Sémersion unwirsch auf, wurde aber durch eine abwinkende Hand von seinem Freund aufgefordert zu schweigen. Dieser gab grummelnd klein bei und beobachtete Legolas schmollend aus den Augenwinkeln.
Der Prinz schien sich überhaupt nicht an der kecken Art des Mädchens zu stören, zumindest rein äußerlich nicht. Innerlich kochte er genauso wie Sémersion selbst. Doch wenn dieses Gör nicht wusste, wer er war, wieso sollte er es ihr dann erzählen? Vielleicht war es sogar besser so.
"Grünblatt. Grünblatt ist mein Name, Mylady", stellte Legolas seinen Namen in der Allgemeinsprache vor. Und es war nicht einmal eine Lüge. Was konnte er dafür, wenn sie kein Sindarin sprach?
"Was ist das denn für ein vulgärer Name!? Euer Vater hatte auch keine Ideen für einen angemessenen Namen seines Sohnes was?" Legolas Blut geriet allmählich ins kochen. Auch wenn sie nicht wusste, dass er der Prinz war, verhalten durfte sie sich auf keinen Fall so.
"Ich heiße Adamantiel und bin eine Zwergin vom Einsamen Berg", erklärte sie stolz mit erhobenem Kinn. Sie wusste, dass ihr die größere Überraschung gelungen war.
"Eine Zwergin!?", stießen Legolas und Sémersion ungläubig von sich und starrten Adamantiel mit gemischten Ausdrücken an. Sie wussten nicht recht, ob sie lachend oder ärgerlich reagieren sollten. Schließlich waren ihr Worte mehr als unglaubwürdig.
"Noch nie einen der anderen Völker gesehen, was? Wundert mich ehrlich gesagt auch nicht, dass die einen Bogen um Euch machen. Ihr seid so unfreundlich zu Fremden, dagegen ist die Begrüßung der Orks mit einem offensiven Pfeil eine nette Geste. Und Ihr seid ein hohes Volk. Na dass ich nicht lache", murrte sie, machte sich währenddessen auf den Weg zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss. Doch noch ehe sie entwischen konnte, war Legolas bei ihr und drehte sie unsanft an den Schultern zu sich herum, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. Eine gruselige Gänsehaut fuhr ihr über den Rücken, als sie seinen wütenden Blick sah. Anscheinend war sie wieder einmal zu weit gegangen und hatte es selbst nicht einmal bemerkt.
Lässig als hätte sie nichts über seinen Gemütszustand erfahren, wischte Adamantiel seine Hand von ihrer Schulter, als wäre sie ein lästiger Dreckfleck, den man entfernen müsste.
"Habt Ihr mir etwa noch etwas zu sagen? Eine Entschuldigung oder so", fragte sie extra provozierend, doch Legolas ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen lächelte er süffisant und gab sich die größte Mühe seinen Aufruhr und sein Ärgernis im Zaum zu halten und diesem hochnäsigen Weibsstück nicht noch aus Mangel an Beherrschung eine Ohrfeige zu geben.
"Nun, Lady. Dies war gewiss nicht meine Absicht. Eher wollte ich Euren Aufenthalt hier unten so glaubwürdig wie möglich zu gestalten." Kaum hatte er die Worte zu Ende gesprochen, spürte Adamantiel auch schon das raue Seil an ihren Handgelenken, welches Sémersion gerade straff zog. Als sie herum fuhr grinste ihr der andere Elb spöttisch entgegen.
"Gut so", fragte er Legolas, der daraufhin nur schmunzelnd nickte und auf die kleine Zwergin zutrat.
"Dann lass uns endlich gehen! Wir kommen eh schon zu spät", riet Sémersion dem Freund, doch dieser vernahm die Worte gar nicht. Etwas grob nahm er Adamantiels Kinn in eine Hand und zwang sie damit, den Kopf aufzurichten. Der Herzschlag, der nun in ihrem Körper einsetzte war einfach nicht zu regulieren. Die Angst vor dem, was sie mit ihr machen würden, trieb Adamantiel den Schweiß auf die Stirn. Doch ihre Augen verrieten nichts von der inneren Unruhe, die sich ihrer Seele bemächtigte. Eher zierte ein unheimlicher Glanz den Grünton ihrer Augen und ließ sie beinahe wie eine Katze erscheinen.
"Seht mich an und merkt Euch eins, Mylady", sprach der Prinz leise und bedrohlich. Seine Augen glichen einem aufkommenden Sturm, was sich ebenfalls in den ihren spiegelte.
"Ich seh Euch doch schon an. Oder wohin, meintet Ihr, soll ich meinen Blick wenden?" Um ihrer Frage einen spöttischen Unterton zu verleihen wanderte ihr Blick schamlos zum Hosenbund des Elben, dessen Ohren sich daraufhin leicht röteten, was der Schein der Fackel jedoch zu seinem Glück gut verbarg. Im tanzenden Licht des Feuers wirkte hier alles etwas rötlich. Unwillkürlich und noch wütender als zuvor, verstärkte er den Druck auf ihre Kiefernknochen etwas, sodass sie ihre Augen wieder in die seinen wandern ließ. Ein sehr amüsierter Blick Adamantiels sagte Legolas, dass sie diese Situation überhaupt nicht ernst nahm und zutiefst das Gefühl genoss, ihn wütend gemacht zu haben.
"Merkt Euch eins, Mylady", wiederholte er mühsamst beherrscht und schloss die Augen kurz um sich zu sammeln. Das Wichtigste war, schnell zu sprechen und dieses Gör nicht zu Wort kommen zu lassen, ansonsten würde sie ihn wieder mit ihren Kommentaren in die Enge treiben.
"Ehe Ihr nicht erlernt habt, Euch zu benehmen wie eine richtige Dame, werdet Ihr wohl auf das Fest des Prinzen verzichten müssen und sogleich auch auf Eure Freiheit" Mit diesen Worten ließ er sie los, folgte Sémersion in den Gang hinaus und verschloss die Tür rasch hinter sich. Erst als das Schloss klackte kam Adamantiel wieder zu sich und fuhr herum.
"Hey du Blatt das grün hinter den Ohren ist", rief sie empört nach ihm. Legolas zuckte beleidigt zusammen. Was dachte die sich? Grün hinter den Ohren? Da müsste sie erst einmal selbst in den Spiegel sehen!
"Verdammt dreht Euch um und kommt zurück! Auf die lahmarschige Feier Eures runzligen Prinzen kann ich gut verzichten", schrie sie aus vollster Kehle. Ihre Stimme hallte an allen Wänden um einiges lauter wider, als sie tatsächlich war und obwohl diese Worte die beiden Elben bis aufs Äußerste reizten, machten sie keine Anstalten sich umzudrehen.
"Okay, okay! Runzlig mag etwas übertrieben sein, aber schließlich ist der Alte schon 3000", fügte Adamantiel hinzu und ließ Legolas' Inneres noch mehr kochen. ALTER? RUNZLIG?? Wo war sie aufgewachsen, dass sie so wenig Respekt besaß. Selbst Zwerge waren höflicher.
"Aber meine Freiheit hat nichts mit meinem Benehmen zu tun! Ich kann tun und lassen was ich will", startete sie einen letzten verzweifelten Versuch.
"Aber auch nur solange Euer Verhalten andere nicht belästigt oder kränkt", rief Legolas zurück als er hinter der nächsten Ecke gänzlich ihrem Sichtfeld entschwand.
"Argh!!! Ihr engstirnigen Spießer! Dann könntet ihr mir wenigstens dieses dumme Seil von den Handgelenken abnehmen", stieß nochmals laut hervor, doch die beiden Elben waren schon längst verschwunden. Aber sie war sich sicher, dass sie es gehört hatten. Seufzend ließ die kleine Zwergin sich auf die Knie sinken. Der kalte Boden kühlte ihre Innere Hitze zwar nicht ab, aber es war erfrischend wieder Stein zu fühlen. All die Jahre hatte sie in Tunneln und Höhlen gelebt und vor 1 Woche zum ersten Mal die Bäume gesehen. Es war so eindrucksvoll für das junge Mädchen gewesen, dass sie den Vater dazu veranlasste, etwas länger in diesem, ihrem ersten Wald, zu bleiben.
Doch nun wieder den kalten Stein auf ihrer Haut zu spüren, vermittelte ihr das Gefühl zu Hause zu sein, wenn sie die Augen schloss. Irgendwie vermisste sie die dunklen kalten Höhlen, in denen sich das ganze Leben der Zwerge abspielte. Immer war etwas los und jeder wusste von jedem etwas zu erzählen, auch wenn die Stadt, die tief in der Erde verborgen war, bei weitem viele Male größer war als Minas Tirith, so hatte der Vater berichtet. Wie hatte sie seinen Geschichten gelauscht mit vielen anderen Kindern, die des Nachts vor der Behausung ihres Vaters saßen und ihn aus großen Augen betrachteten und wie hatte sie ihn um diese Erlebnisse beneidet.
Plötzlich durchfuhr sie ein demütigender Gedanke. Wenn ihr Vater erfuhr, dass sie hier unten in einem Loch saß, dass nicht einmal mit dem Hygienestatus einer Orkbehausung mitziehen konnte und dazu noch den Elben gehörte, konnte sie ihm nie wieder unter die Augen treten. Schließlich hatte er sie stets so erzogen, dass sie schon mit 20 Jahren als geschickteste und cleverste kleine Zwergin gegolten hatte. Diesen Titel hatte sie sich bis heute bewahrt und ihm hatte sie es zu verdanken, wenigstens etwas Ansehen unter den Gleichaltrigen zu erlangen. Wenn er nun erfahren würde, dass sie nicht zum Fest des Prinzen gehen konnte, weil sie vom Volk der Elben gefangen genommen worden war, würde er sich ihrer schämen. Und Adamantiel traute diesen Geschöpfen zu, dass sie ausgemachte Klatschweiber waren.
Wild in Fahrt fuhr sie auf, doch da sie zuvor den Kopf an die Gitterstäbe gelehnt hatte, knallte sie mit dem Hinterkopf gegen das Eisenschloss. Sofort kauerte sie sich zusammen und hielt mit schmerzverzerrtem Gesicht die misshandelte Stelle.
"Verflucht! Beschissene Architektur hier", schimpfte sie leise vor sich hin. Die aufkommenden Tränen wurden schnell wieder hinuntergeschluckt und verbannt. Schließlich war sie eine geborene Zwergin und durfte deshalb keine Gefühle nach außen dringen lassen.
"Daran ist nur dieser dämliche Elb schuld! Dank ihm sitz ich jetzt hier fest und ebenfalls wegen diesem Kerl hab ich jetzt eine Riesenbeule", jammerte Adamantiel hasserfüllt bei dem Gedanken an diesen hochnäsigen Typen.
"Das kriegt er zurück", schwor sie sich und schmiedete die schönsten Rachepläne für ihn. Doch auch gleichzeitig sah sie sich nach etwas um, das zu gebrauchen wäre um ein Schloss zu knacken. Immerhin hatte sie ständig damit zu tun gehabt und war auch dem Vater ab und an beim Schmieden zur Hand gegangen.
Jeder kleinste Winkel der winzigen Zelle wurde von ihren Augen durchsucht, wieder durchsucht und abermals durchsucht. Nicht das geringste Detail durfte ihr entgehen, wenn sie hier heraus wollte. Wütend darüber, dass beide Elben nicht einmal einen Ansatz gemacht hatten, sie von ihren fesseln zu befreien, ärgerte sie total. Und noch mehr grämte sie die Tatsache, dass sie ihren heißgeliebten Bogen entwendet hatten, als sie sich genau umgesehen hatte und nicht mal eine Spur ihrer Waffe entdeckt hatte. Dieses grüne Blatt hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.
Zudem gab es hier keine scharfen Gegenstände und auch die Steine der Wände waren weitgehend rund, wenn es sich irgend vermeiden ließ. Ein Blick zur Fackel versprach auch nichts Erfreulicheres als es die Wände und die runden Gitterstäbe der Eisentür taten. Seufzend wendete sie dem Lichtspender den Rücken zu. Sie hätte wissen müssen, dass selbst Elben nicht so blöd waren, Fackeln in Reichweite eines Gefangenen anzubringen. Schade eigentlich. Diesmal wäre die Blödheit angebracht gewesen.
‚So wie es aussieht werde ich mir wohl doch eine spannende Geschichte einfallen lassen, um den Spott meines Vater wenigstens etwas zu verringern.', dachte sie traurig und setzte sich auf das nicht gerade weiche Bett. Es quietschte leicht als sie sich darauf niederließ.
‚Die Federn, die in diesem Bett stecken müssen auch schon mindestens tausend Jahre alt sein.' Ein spöttischer Gesichtszug trat zutage als sie an verrostete Eisenfedern dachte. Der Gedanke war belustigend. Dennoch ließ er sie nur einen Herzschlag später vom Bett springen, als hätte sie etwas gestochen.
"Federn! Na klar! Warum bin ich nicht eher darauf gekommen", rief Adamantiel erfreut und wandte sich dem alten Bett zu. Wenn sie recht behielt, würde sich diese dünne Matratze leicht zur Seite schieben lassen. Angeklebt würden die Elben das Teil ja nicht haben.
Etwas hastig drehte sie den Rücken in Richtung Bett, um mit den gebundenen Händen die Matratze herunter zu zerren. Nach einigem hin und her und erneutem anfassen, des verstaubten Textils, gelang es der jungen Zwergin endlich, die Eisenfedern freizulegen. Doch da sie die Matratze achtlos auf den Boden fallen ließ, hatte sie zunächst einmal mit einer sichteinschränkenden Staubwolke zu kämpfen. Das Husten, das ihren zierlichen Körper schüttelte, legte sich erst nach und nach.
Der Blick auf die freigelegten Bettfedern, war mehr als beglückend für das junge Mädchen, denn in der Tat waren diese angerostet und einige angebrochen, sodass scharfe, spitze Stellung zu ihr heraufblitzten. Das Feuer der Fackel spiegelte sich lodern in Adamantiels Augen wider und ließ diese gespenstisch erscheinen.
"Ich hab doch gesagt, meine Freiheit hängt nicht von meinem Benehmen ab! Das zahl ich dir heim, du aufgeblasener Grünschnabel", zischte Adamantiel böse, während sie die Stricke mit einer der verrosteten Feder durchtrennte um sich dann aufzurichten.
[Fortsetzung folgt!]
