Es war noch sehr früh am Morgen, die Sonne tauchte gerade erst hinter den Bergen auf, als Aimee durch ein Kratzen und ein Scharren geweckt wurde. Schlaftrunken richtete sie sich auf und wischte sich Schlaf aus ihren ungewöhnlich grünen Augen.

Mit einer leichten Handbewegung öffnete sie die Fensterläden und erblickte eine kleine Eule auf und abhüpfen. Sie öffnete das Fenster und entnahm ihr den Brief. Stecke ihr einen Keks hin und las.

Liebe Aimee,

es ist lange her, dass ich dir geschrieben habe, doch habe ich endlich herausgefunden wo dein Halbbruder steckt und wer es ist, du wirst es nicht glauben. Die vollständige Adresse und ein Bild von ihm findest du beiliegend im Umschlag. Bitte schreibe mir doch zurück, sobald du diesen Brief bekommen hast und was du von ihm hältst. Vielleicht kann ich dich ja auch auf deiner Suche begleiten, als dein Freund wäre mir das eine Freude. Viel Spaß bei deiner Suche, ich freue mich auf deinen Brief.

Dein guter Freund, Diego

Endlich, er hatte ihn gefunden. Meinen Bruder, nun ja, Halbbruder, aber immerhin. Vielleicht würde sie dann endlich. Schnell packte sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und verließt die klapprige Holzhütte. Den Brief in der Hand lief sie durch den Wald und erwischte gerade noch den Zug nach London. Es war einfach nur seltsam. Jahrelang hatte sie alleine gelebt. Ohne zu wissen wer ihre Familie war und ob sie noch lebte. Nur mit dem Namen ihrer Mutter. Sie sei ein Ebenbild ihrer sagten alle. Lily Evans, so hieß sie. Hatte ihren Mann betrogen, James, und eine Affäre mit Aimees Vater gehabt. Doch ließ sie ihn mit ihr sitzen und bekam Aimees Halbbruder. Kurze Zeit später starb sie dann. Jetzt weiß ich endlich wie mein Bruder heißt und wie er aussieht. Mit zittrigen Händen öffnete sie den Brief und entnahm das Foto und der jeweilige Brief dazu.

Auf dem Foto war ein Junge zu sehen. Er hatte leuchtend grüne Augen, ähnlich wie ihre eigenen und trug eine Brille. Durch seine strubbeligen schwarzen Haare war fast der ganze Teil seiner Stirn verdeckt, doch wusste sie auch schon ohne die Narbe zu sehen, wer dieser Junge war.

Ich bin mit Harry Potter verwandt... Es traf Aimee wie ein Schlag. Verwandt mit Harry Potter. Sie hatte einen Verwandten, lebenden Verwandten und dann auch noch so eine Berühmtheit. Es würde total einfach werden ihn zu finden, denn selbst sie hatte in all den Jahren Abgeschiedenheit etwas von dem Jungen, der überlebte gehört. Sie hatte sich schon immer mal gewünscht ihn kennen zu lernen, doch wusste sie nicht, dass sie mit ihm verwandt war. Schnell nahm sie ihre Feder zur Hand und verfasste einen Brief.

Hallo Diego,

du weißt gar nicht, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe, schon bevor ich wusste, was drinnen steht. Es ist natürlich eine wirkliche Überraschung mit ihm verwandt zu sein und ich kann es auch gar nicht glauben. Aber es muss wohl stimmen. Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Du hast mich meinem Traum, meine Familie zu finden ein Stück näher gebracht. Ich schulde dir so viel. Dank dir weiß ich wie man zaubert, wie es so in der Welt zu geht und jetzt sogar wer mein Bruder ist. Ich nenne ihn Bruder, Halbbruder ist einfach zu lang und hört sich auch doof an. Ich denke wir wissen beide, dass er ein Halbbruder ist oder? Ich bin jetzt auf dem Weg nach London. Wie wäre es, wenn wir uns am Bahnhof treffen? Ich müsste morgen so gegen 4 Uhr morgens ankommen. Würde mich freuen dich dort zu sehen.

Deine dankbare Freundin Aimee

Die Zugfahrt verlief gut, Aimee schlief die meiste Zeit, in ihren Wachphasen überlegte sie sich, wie sie Harry alles erklären würde. »Hi Harry, ich bin's, deine Schwester. Nein...«

»Hey Harry, wie geht's... Ach Quatsch« »Guten Tag, also deine Mutter, weißt du sie hatte deinen Vater betrogen...So auch nicht«

So ging es die ganze Zugfahrt, doch irgendwann schlief sie dann doch noch einmal ein und wurde erst durch die mechanische Frauenstimme unsanft geweckt. »Nächste Haltestelle, Endstation Bahnhof Kings Cross. Wir bitten alle Fahrgäste auszusteigen. Hinter den beschlagenen Fenstern des Zuges herrschte Vollkommene Dunkelheit, erst als der Zug sich dem Bahnhof näherte, sah man überall Lampen aufglimmen und Neonreklamen leuchten. Es war lange her, das sich Aimee in einer größeren Stadt aufgehalten hatte. Sie hasste große Menschenmassen und hielt sich am liebsten im Hintergrund. Mit großen Augen sah sie sich um und versuchte Diego im Getümmel zu erkennen.

Mit meinem kleinen Koffer unterm Arm stieg ich aus dem Zug und stellte mich an eine Säule. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es 3:56 war, er war zu früh. Diego müsste noch kommen, wenn er sich in den letzten Jahren nicht verändert und die Eule bekommen hätte, würde er entweder pünktlich oder zu spät kommen. An eine Säule gelehnt, wartete sie nun auf dem Bahnhof. Um 4 Uhr morgens, beobachtete die herumwimmelnden Leute, die überquellenden Mülleimer und das langsame Ticken ihrer Uhr.

Gerade wollte sie sich nach einer Sitzgelegenheit umsehen, als sich eine große Hand auf ihre Schulter legte und sie zusammenzucken ließ. »Hey na? Wie Geht's Aimee?« Es war Diego, er stand hinter ihr, breit grinsend und braungebrannt. »Diego!« Es war fantastisch, endlich sah sie ihn wieder. Ihren besten Freund auf der ganzen Welt. Das klingt wahrscheinlich übertrieben, doch waren dies genau die Gefühle, die Aimee empfand, als sie ihn wiedersah.

»Du bist braun geworden.« Aimee musterte ihn mit einem freudigem Grinsen.

»Du aber auch, aber lass uns erst mal von hier verschwinden. Ich denke wir haben uns viel zu erzählen.«
»Du hast Recht. Du musst mir erzählen, wie du meinen Bruder gefunden hast. Bitte!«

»Also ich glaube dass dauert zu lange. Ich weiß ja auch gar nicht genau wo er ist. Ich weiß nur wo seine Verwandten wohnen. Wahrscheinlich ist er dort, schließlich sind ja Herbstferien.«

»Na dann, nichts wie hin. Wo wohnen sie denn?«

Diego erzählte es ihr und schon wenige Minuten später, saßen sie in einem Auto und fuhren nach Little Whinging.

Es war gerade mal 5 Uhr, als die beiden in ihrem klapprigen Auto eine lange Straße entlang fuhren. Mehrmals bogen sie ab, und beobachteten die immer gepflegter aussehenden Häuser. Sie hielten schlussendlich vor einem der Häuser, es trug die Nummer vier. Ligusterweg hatte auf einem Schild gestanden, ganz am Anfang der Straßen, Aimee hatte es mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Ein seltsamer Name hatte sie gedacht und gegrinst. Sie stieg aus dem Auto und wollte zur Tür gehen, als Diego sie noch einmal zurückhielt.

»Ich war schon einmal dort, sei Vorsichtig, diese Familie ist mehr als merkwürdig...«

Aimee wusste nicht was das bedeuten sollte und schritt Richtung Tür und drückte den kleinen silbernen Knopf neben dem Türschild. Die Klingel ertönte und schrillte durch das ganze noch dunkle Haus...