Disclaimer: Keine von Tolkiens Personen gehört mir und wahrscheinlich agieren sie auch nicht unbedingt in seinem Sinne.

Anm. der Autorin: Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ihr reviewen würdet!

Teil 1 - Blutflüsse

Er kniete im Dreck und nahm nichts mehr wahr, außer dem kühlen Metall der Klinge, die an seinem Hals lag - jederzeit dazu bereit in sein bebendes Fleisch einzudringen.

Eine Hand, mehr einer Pranke gleichend, legte sich unter sein Kinn und zwang ihn dazu, der Gestalt, die drohend über ihm stand, in die hämischen Augen zu sehen.

"Na, Prinzchen? Haben wir uns wohl zu weit in den Schatten gewagt?", ertönte eine grunzende Stimme und kleine Speicheltropfen spritzten ihm ins Antlitz.

Unfähig zu jeder weiteren Reaktion, verzog er bloß angewidert das Gesicht.

Die grunzende Stimme brach in Gelächter aus. "Fühlt sich das Prinzchen etwa nicht wohl in seiner Haut? Wie bedauernd... Obwohl doch seine Haut, die einzig lebende hier ist..." Das Gelächter verwandelte sich in ein hysterisches Kichern.

"Jetzt töte mich endlich, orch*! So, wie du es mit allen hier getan hast.", zischte er beinahe lautlos. Der Ork ließ sein Kinn los und sein Kopf schnellte kraftlos nach unten.

"Hat das Prinzchen etwa schon aufgegeben? Nur weil er der einzige Überlebende in ganz Düsterwald ist? Sollte das Prinzchen sich nicht freuen anstatt zu resignieren?"

Er antwortete nicht und starrte weiter zu Boden.

Plötzlich griff die Pranke des Orks nach seinem Haarschopf und zog kräftig daran, sodass ihm nichts anderes übrig blieb als dem Ork ins Gesicht zu schauen. Ihm entfuhr ein Schmerzenslaut und die Kreatur grinste wohlwollend.

"Weißt du, Prinzchen? Ich denke, es wäre eine größere Strafe für dich, wenn ich dich leben lasse. Zu schade, dass ich nicht mehr lange genug hier bleiben werde, um sehen zu können, wie dir das Selbstmitleid die Knochen zerfrisst. Du kannst stolz darauf sein, dass du als einziger aus Düsterwald den Aufstieg des dunklen Herrschers miterleben darfst. Und irgendwann werde ich, der gute alte Osgar**, mich an dich erinnern, Prinzchen. Und dann werde ich vielleicht zurückkehren und dir deinen größten Wusch erfüllen: dein Leben endlich zu beenden!" Erneut brach der Ork in hämisches Gelächter aus und ließ seinen Haarschopf los.

Osgar rief die überlebenden seiner Orks zusammen und das letzte, das er hörte waren die stampfenden Schritte der sich entfernenden Orks.

Kraftlos fiel Legolas vornüber in den Schlamm und blieb regungslos liegen.

*-*-*

Er wusste nicht, wie lange er dort in der unerträglichen Stille gelegen hatte. Minuten? Stunden? Es war ihm egal. Außer ihm gab es nichts mehr - niemanden. Er hatte keinen Grund sich aufzurappeln oder auch nur zu leben. Alle, die er gekannt und geliebt hatte waren tot - gestorben, durch die beschmutzten Hände der Orks. Legolas war zu keiner Gefühlsregung fähig. Das Vorgefallene glich viel zu sehr einem Alptraum, als dass er glauben konnte, dass es tatsächlich geschehen war.

Ohne Vorwarnung war das riesige Heer Saurons in den Düsterwald eingefallen. Die enorme Übermacht der Orks hatte die Elben in die Knie gezwungen. Sie hatten alle getötet - Männer, Frauen und Kinder.

Noch immer meinte er das Weinen der kleinen Knirpse zu hören. Unerträglich bohrten sich die Schluchzer in seinen Kopf. Bilder der blutenden, toten Kinder überkamen ihn und er wand sich wie unter unerträglichen Schmerzen.

Das Schluchzen, das er im Delirium zu vernehmen glaubte, raubte ihm beinahe den letzten Verstand und es dauerte lange, bis seine Gedanken in die Wirklichkeit zurückkehrten.

Das jämmerliche Wimmern blieb.

Das war keine Einbildung. Es hatte noch jemand das schreckliche Gemetzel überlebt.

Legolas stemmte sich hoch und kam auf wackeligen Beinen zum Stehen. Erst jetzt merkte er die körperlichen Verletzungen, die er vom Kampf davon getragen hatte. Sein linker Arm war völlig zerschnitten und der Dreck in der Wunde scheuerte auf dem bloßen Fleisch, sein normalerweise makelloses Gesicht wies zahlreiche Kratzer auf und über seiner rechten Schläfe prangte eine große Platzwunde, aus der stetig Blut floss.

Legolas richtete sich zu seiner vollen Größe auf und ging ein paar Schritte in die Richtung, aus der er das Jammern vernahm. Er zog sein linkes Bein beim Gehen etwas nach und biss sich auf die Unterlippe, um nicht vor Schmerz aufzuschreien.

Zahlreiche Leichen lagen in seinem Weg und ein erbärmlicher Gestank lag in der Luft. Bei jedem seiner Schritte drohte er in Blutlachen auszurutschen.

Doch dann sah er sie endlich - eine junge Elbin. Sie lehnte schluchzend und zusammengekauert an einem Baumstamm. Ihr dunkelblondes Haar war blutverklebt und ihre Unterlippe aufgeplatzt. Ihre tiefblauen Augen waren durch einen grauen Schleier getrübt und waren starr in die Ferne gerichtet.

Legolas trat näher, doch die Elbin schien ihn nicht wahrzunehmen. Sie bewegte sich apathisch vor und zurück und hielt dabei etwas, das Legolas nicht erkennen konnte, ihn ihren schützenden Armen.

Er bewegte sich noch weiter auf sie zu und als er vor ihr stand, konnte er endlich das leblose Bündel in ihren Armen identifizieren. Das Bild, das sich ihm bot, drehte ihm den Magen um. Er fiel neben der Elbin auf die Knie und übergab sich. Sein Körper zitterte unkontrolliert und er versuchte das grausame Bild aus seinem Kopf zu verbannen.

Die Elbin trug einen toten Säugling in ihren Armen. Frisch geboren und doch schon tot. Die Spuren der Geburt klebten noch an seiner Haut, doch trotzdem war das Leben des Kindes bereits verwirkt.

Immer noch würgend setzte Legolas sich auf und strich sich mit der zitternden Hand durch das blutverkrustete Haar. Die Elbin hatte ihn noch immer nicht wahrgenommen und weinte sich die Seele aus dem unsterblichen Leib.

Er berührte sie leicht am Arm und plötzlich schien sie wie aus einer Trance zu erwachen. Die Zähne bleckend stürzte sie sich auf ihn und ihre dünnen, eiskalten Finger klammerten sich um Legolas' Hals. "Du bekommst mein Kind nicht! Niemand wagt es, mir ihn wegzunehmen! NIEMAND!", schrie sie außer Sinnen und würgte Legolas so sehr, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

Legolas war zu überrumpelt, um sich auch nur im Geringsten zu wehren. Er lag rücklings im Dreck und spürte schmerzhaft jede einzelne seiner Rippen.

Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er in die vor Wahnsinn weit aufgerissenen Augen der Elbin sah, die über ihm thronte und versuchte ihn zu erdrosseln.

Endlich bekam er sich wieder in den Griff und mit einer geschickten Bewegung hatte er sich aus den Fängen der jungen Elbin befreit. Er fasste ihre Handgelenke, damit sie nicht erneut versuchen konnte, sich auf ihn zu stürzen.

Sie schrie, tobte und wand sich unter seinem Griff. Legolas packte noch fester zu und langsam ließen die widersträubenden Bewegungen der Elbin nach. "Du darfst ihn mir nicht nehmen, er gehört mir... Mein Kind... Ich habe es allein auf die Welt gebracht... Keiner wird dem Kleinen etwas antun... Nicht du... Nein, nein...", sprach sie mit abwesender Stimme.

Legolas zog sie näher zu sich und zwang sie in sein Gesicht zu sehen. "Er ist tot. Hörst du? Dein Kind lebt nicht mehr.", sagte Legolas mit sanfter, aber nachdrücklicher Stimme.

Der Elbin entfuhr ein irres Lachen. "Nein, nein! Siehst du ihn denn nicht, du Narr? Da, er lebt! Und siehst du, wie er lacht?" Sie deutete auf das tote Kind am Boden und lächelte verträumt. Eine neue Welle der Übelkeit ergriff Besitz von Legolas.

Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und begann die Elbin zu schütteln. "Er ist tot. Dein Junge ist tot.", flüsterte er eindringlich.

Allmählich begann sich der graue Schleier in den Augen der Elbin zu lichten. Sie sank kraftlos in sich zusammen. "Tot...", hauchte sie mit erstickter Stimme. Dann brach sie erneut in Tränen aus.

Sie hockte vor ihm und ihre Tränen, die ihr die Wangen hinunterkullerten und auf den Boden tropften, vermischten sich mit den Blutlachen.

Erneut wurde es still im Düsterwald und nicht einmal ein Ast knackte. Es schien sogar, dass der Wind angesichts der Katastrophe, die geschehen war, beschlossen hatte aufzuhören zu wehen.

Eine Weile lang starrte Legolas wie hypnotisiert auf die Elbin, die sich unter stummen Schluchzern krümmte. Langsam streckte Legolas seinen Arm aus und legte der Elbin sanft seine Hand auf die Schulter. Sie sah kurz zu ihm auf und der Anblick ihrer unendlichen Trauer umfasste Legolas' Herz wie ein Mantel aus kaltem Stein.

"Hoheit...", flüsterte sie beinahe unhörbar und der Klang ihrer Stimme durchschnitt die Stille wie ein Messer. "Es tut mir leid, aber ich habe Euch nicht erkannt... Verzeiht mir mein unhöfliches Benehmen." Vorsichtig bemühte sie sich aufzustehen. Sie sah beschämt zu Boden und versuchte vergeblich den Dreck von ihrer Kleidung zu klopfen.

"Nein, entschuldige dich nicht.", sagte Legolas leise. "Ich kann dich verstehen... Und rede mich nicht mit meinem Titel an. Es gibt nichts mehr, über das ich herrschen könnte. Wir beide sind gleich - wir besitzen nichts mehr, haben alles verloren." Er schluckte schwer.

Die Elbin nickte, während sie versuchte ihre Tränen zurück zu halten.

"Avo ce veren...***", wisperte Legolas und strich der Elbin über die Wange. "Dan im aniron san.****", erwiderte sie und griff nach seiner Hand, die auf ihrer Wange lag. Ihre kalten Finger umschlossen die seinen und in ihren geröteten Augen sammelten sich erneut Tränen.

"Wie heißt du?", fragte Legolas, während sie noch immer seine Hand hielt, als könnte er all das Geschehene rückgängig machen.

"Andeliniel.", wisperte sie mit erstickter Stimme.

"Hör zu, Andeliniel. Wir müssen von hier fort. Wir können hier nicht bleiben. Hörst du?"

"Aber mein Kind!", schluchzte sie. Legolas fasste ihre Hand fester. "Du musst es zurücklassen, es ist tot." Tränen rannen unaufhaltsam durch Andeliniels Gesicht, doch sie nickte.

"Wir werden versuchen nach Bruchtal zu gelangen. Dort sind wir vorerst sicher, zudem muss ich mit Lord Elrond sprechen. Ein alter Fehler muss behoben werden. Zu lang wurde auf ein Irrtum bestanden.", erklärte Legolas.

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* Sindarin: "Ork"

** Sindarin: Wortstamm "amputieren" (Ich finde, das passt wie Arsch auf Eimer *gg*)

*** Sindarin: Soll (hoffentlich) so viel heißen, wie "Du musst nicht tapfer sein." (wörtl. "Sei nicht tapfer.")

**** Sindarin: "Aber ich will es."

Alle Angaben absolut ohne Gewähr *ggg* Mein Sindarin ist mies... Also schlagt mich bitte nicht, wenn ihr unverzeihbare Fehler findet *g*

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Das war nun also der erste Teil. Ich hoffe, es hat euch gefallen (obwohl man da wohl kaum von "gefallen" reden kann *ggg*). Ich würde mich sehr über Reviews freuen. Besonders, weil dies meine erste Fanfiction auf fanfiction.net ist. Ich bin also für jede Kritik offen!

*den Hunde-Bettel-Blick aufsetz*

Kröte*°