Emergency Room

Frischlinge

Disclaimer: Ich bin mir nicht ganz sicher, wem ER eigentlich gehört, deshalb kannich nur ganz allgemein sagen, dass ich mir alle Charaktere nur ausleihe. Ich werde sie nach diesem kleinen Abenteuer auch wieder abgeben! Alle Patienten und natürlich Kat Mallory gehören mir!

Viel Spaß beim Lesen!


Es war Ende November. Und es war kalt. Aber das war man in Chicago ja gewohnt. Jeder wartete nun auf den ersten Schnee und teilweise wurden sogar schon Wetten darüber abgeschlossen, wann er endlich kommen würde. Denn eigentlich war er für Chicagos Verhältnisse schon recht spät dran.

Jemanden, den die Kälte und das Gerede um den ersten Schnee buchstäblich ,kalt' ließen, war John Carter. Er war eigentlich viel zu beschäftigt mit anderen Dingen. Und vor allem mit seiner Arbeit, denn als Assistenzarzt in der Notaufnahme des zweitgrößten Krankenhauses von Chicago hatte man ständig etwas zu tun. Und wenn man nichts zu tun hatte, „dann hast du dich gefälligst durch die riesigen Mengen an Schreibkram zu arbeiten". Zumindest verlangte das Kerry Weaver, die eiserne Beherrscherin der Notaufnahme, von ihren Angestellten.

Fast drei Wochen waren seit dem Überfall auf das Doc Magoo´s vergangen und genau auf den heutigen Tag war es drei Wochen her, dass Carter Kat zum ersten Mal kennengelernt hatte. Sie war damals während der Geiselnahme angeschossen worden und erholte sich seither von ihrer Verletzung hier im County.

Carter wußte nicht, ob er das so sagen konnte, oder ob es einfach nur die Sympathie für diese Frau war, dass sie dieses Drama mit ihm überstanden hatte, aber er hatte sie gern. Er konnte mir ihr über die Dinge reden, die ihn interessierten und sie hatte mit einer ruhigen aber bestimmten Offenheit zugehört. Ja, er hatte sie gerne. Und genau aus diesem Grund war er jetzt, so wie an jedem Tag der letzten drei Wochen, während seiner Mittagspause auf den Weg in den sechsten Stock des County General um seine neue Freundin zu besuchen.

Der Duft der Blumen, die er eingewickelt in eine Lage Papier in den Händen hielt, legte sich wie ein Schleier in die Gänge der Abteilung für Innere Medizin. Er kannte den Weg zu ihrem Zimmer auswendig. Und nur um sich das zu beweisen schloss er für einen kurzen Moment die Augen. Nur noch sechs Schritte, und dann, dann gehe ich durch die Tür auf der rechten Seite., sagte sich Carter und drehte sich zur rechten Wand, griff nach der Tür und öffnete sie.

Doch das Zimmer war leer. Ein neues, frisch gemachtes Bett stand dort direkt neben dem Fenster; doch niemand lag darin. Was ist denn hier los? Vielleicht kenne ich den Weg zu ihrem Zimmer doch nicht auswendig. Carter ging einen Schritt zurück und sah vorne auf die Tür. Er hatte sich nicht geirrt. Das hier war das Zimmer 3709. Vor noch nicht einmal 24 Stunden hatte sie hier mit einem bunten Pyjama im Bett gelegen. Und er hatte sich noch über das unmögliche Muster ihres Schlafanzuges lustig gemacht – fliegende Schweine. Wo war sie denn?

Carter drehte sich zurück auf den Flur und hielt Ausschau nach einer Schwester, die er sofort darauf aus einem weiteren Zimmer kommen sah. „Hey, hey, Schwester!", rief er ihr mit seiner jugendlich, festen Stimme zu.

Die kleine, pummelige Krankenschwester drehte sich mit einem Lächeln um 180° in seine Richtung. „Ja?"

„Wo, wo ist die Frau aus Zimmer 3709 hin?"

„Wer?"

Ist ja echt toll, wie sie hier ihre Patienten kennen!, dachte John grimmig. „Na, die Frau, ich meine Kat ..." Es traf ihn wie ein Blitz. Zum aller ersten Mal fiel ihm auf, dass er nur ihren Vornamen kannte. Carter fuhr sich durch sein kurzes, braunes Haar und sein Gesicht wirkte wie versteinert. Sie hatten zusammen zu Mittag gegessen, gelacht, sich Videos angesehen, aber er hatte sie nicht einmal, nicht ein einziges Mal nach ihrem vollständigen Namen gefragt. Und das hatte er in drei Wochen nicht einmal versucht. Nicht ein einziges Mal. Carter´s Mund klappte auf. Er kannte sie gar nicht wirklich. Wie sollte er sie finden?

„Ist alles in Ordnung, Sir?", erkundigte sich die Schwester und kam einen Schritt näher. Sie sah wie Carter die Farbe aus dem Gesicht gewichen war.

Carter schluckte und nickte. „Ja, ich ... ich denke schon." Doch in Wirklichkeit hatte es ihn erwischt. Als wäre er gegen eine unsichtbare Wand aus Glas gelaufen.

„Hören sie, ich kann ja für sie nachsehen gehen, was mit dieser Frau geschehen ist, okay? Ob sie verlegt wurde. Ich bin auch erst seit zwei Stunden hier, einverstanden?"

Wieder nickte Carter und folgte der Schwester zum Schwesternzimmer. Hoffentlich, hoffentlich würde er sie finden. Er hatte sich einfach zu sehr daran gewöhnt seine Zeit mit ihr zu verbringen.


Dave Malucci fuhr mit seinem granatroten Fahrrad in einem rasanten Bogen um die Ecke eines Gebäudes direkt in die Einfahrt des County. Das Geschrei einer jungen Frau, deren Weg er dabei abgeschnitten hatte, hörte er gar nicht, wegen dem Walkman, dessen Stöpsel sich in seinen Ohren befanden. Er war eine viertel Stunde zu spät und er wollte nicht noch eine Minute zu spät kommen. Er wusste, wie sehr der Chief Unpünktlichkeit hasste. Mit einem Sprint hechtete er die Rampe zur Notaufnahme empor, wobei er beinahe einen Mann mit Gehhilfe und einen Vater mit Kinderwagen gerammt hätte und schoß dann durch die elektronischen Schiebetüren, nur um mitten in die Arme seiner Chefin, Kerry Weaver, zu laufen, die wie ein Torwächter mit verschränkten Armen vor ihm stand.

„Na, Malucci, welche Ausrede hast du dieses Mal?", fragte Kerry mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme und zog dabei verdächtig eine ihrer Augenbrauen in die Höhe. Ihre Fußspitze wippte taktvoll auf und ab.

„Chief, ich ... naja, was soll ich sagen," versuchte es Malucci, nur um ein wenig Zeit heraus zu schinden, in der er sich eine neue Ausrede ausdenken konnte, „... da war diese alte Lady, die mit ihren sechs süßen kleinen Hunden ..." Und dann ging es auch schon los und Malucci legte fast ängstlich seine Stirn in Falten. Die Tirade begann.

„Malucci! Wenn ich dich nicht in einer halben Minute fertig umgezogen, mit einem Krankenblatt in der Hand und einem Patienten am Arm hier herumlaufen sehe, dann bist du derjenige, der für den Rest der Woche den Senioren die Einläufe verpasst. Haben wir uns verstanden?", bellte seine Chefin, während Malucci schon mit einem Fuß im Ärztezimmer stand.

An der Tür begegnete er Abby Lockhart, die sich eine Tasse Kaffee geholt hatte.

„Man, man, man, hat der Chief etwa vor der Tür auf mich gewartet?", fragte Malucci und trat ganz ins Ärztezimmer.

Abby folgte ihm. „Dave, du hast es gar nicht anders verdient.", antwortete sie mit einem Grinsen. „Versuch doch einfach mal pünktlich zu sein, wie wär´s? Glaub mir, das würde deinen Stand bei Kerry enorm verbessern."

Mitleidig sah er zu Abby, während er seinen Walkman in den Schrank räumte und sein Krankenhaus T-Shirt herausnahm um es anzuziehen. „Würde das bedeuten, dass ich eher losfahren sollte?"

„Ja, ich denke schon."

„Würde das also auch bedeuten, dass ich eher aufstehen muss?"

Abby nickte.

„Ach nee, dann bleib ich lieber auf meinem aktuellen Stand." Malucci schüttelte den Kopf und blies geräuschvoll die Luft aus seinen Lungen, bevor er Abby den Becher Kaffee aus der Hand nahm und einen kräftigen Schluck von dem fast schwarzen Gebräu nahm. „Ahhh, definitiv meine Lieblingsdroge!" Und mit diesen Worten war er dann auch schon halb aus dem Ärztezimmer und ließ Abby alleine, halb vollen Tasse Kaffee.

Abby sah ihm verzweifelt und fassungslos hinterher. Wenn dich Weaver noch einmal erwischt, dann bist du dran!


Marc Greene, der wie ein stinkender Kadaver die Fliegen, eine ganze Horde von neuen Studenten hinter sich her zog, bahnte sich seinen Weg, durch die Notaufnahme, die an diesem Tag während der Mittagspause einen ziemlich ruhigen Eindruck erweckte. Sie hatten am heutigen Tag noch keine Schwerverletzten hereinbekommen und Marc hoffte, dass das auch so bleiben würde. Ihm war heute nicht nach Stress. Nur leichte Fälle, wie Schnittwunden oder Grippe, die zu dieser Jahreszeit mal wieder die Großstadt überflutete, waren in den Behandlungsräumen und dem Warteraum zu finden.

„Also, ich werde euch gleich in Gruppen einteilen und euch einem Arzt oder Assistenzarzt zuweisen, verstanden? Ihr werdet Wunden nähen, Anamnesen vornehmen und den Schwestern bei schwierigeren Fällen zur Hand gehen.", erklärte Marc Greene, der stellvertretende Leiter der Notaufnahme und führte die Frischlinge durch die Räumlichkeiten der Notaufnahme.

Cleo Finch und Jing-Mei Chen sahen aus der Entfernung den jungen Studenten nach und schüttelten sich beide unbehaglich.

„Mein lieber Gott, sahen wir etwa auch mal so unerfahren aus?", fragte Cleo und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn.

Jing-Mei zog unwissend ihre Schultern hoch und schluckte, bevor sie ihr Gesicht dem von Cleo zuwandte. „Ich hoffe nicht."

Malucci kam, frisch umgezogen mit seinem neuen T-Shirt, um die Ecke und sah schon von weitem die beiden Ärztinnen hinter dem Empfangstresen nebeneinander stehen. „Hey, Ladies, wartet ihr etwa auf mich?"

Cleo´s Gesicht bedeckte ein ironisches Grinsen, als sie sich Dave entgegendrehte. „Sicher, Malucci. Dich haben wir genauso sehr vermisst wie ein Fall von Tollwut!", antwortete Cleo Finch und verschwand dann mit einem neuen Krankenblatt unter dem Arm.

Jing-Mei grinste und beeilte sich davon zu kommen. Dave konnte wirklich so ein Idiot sein und außerdem war er wohl einer der arrogantesten Menschen, den sie kannte.

„Hey, mich hat´s auch gefreut euch zu sehen!", rief ihnen Malucci nach und sah sich suchend nach etwas um.

Frank, der Ex-Cop und jetzige Leiter des Empfangstresens, trat neben ihn. „Kann ich dir helfen, Dave?", fragte der kräftige Mitsechziger.

„Ja, vielleicht, ... ich hatte hier gestern ´ne Tüte von meinen Lieblingslollis deponiert, aber ... ich ..."

Während sich Dave noch weiter durch den Papierberg am Tresen wühlte, wurde ihm plötzlich die besagte Tüte vor die Nase gehalten, und zwar von – Kerry Weaver. Dave lächelte entschuldigend und fuhr sich durch seine strubbeligen, blondierten Haare. „Hi, Chief! Ähm, ... das mit den Lollis, das kann ich erklären!"

Abby, kam um den Tresen, mit einer neuen Kaffeetasse in der Hand, und grinste schadenfroh. Wenn jeder in dieser Notaufnahme eine solche Arbeitsmoral haben würde, wie er, dann könnten wir einpacken!

„Habe ich mich eben nicht klar ausgedrückt, Malucci?", fauchte Kerry Weaver bedrohlich.

„Kristallklar, Chief!"

„Und warum stehst du dann noch immer hier? Ohne Krankenblatt und ohne Patient?"

Malucci schluckte. „Dieses ... neue Ordnungssystem, naja, ähm ... ich hab mich noch nicht wirklich zurechtgefunden." Was besseres konnte dir wohl auf die Schnelle auch nicht einfallen, hm?

„Kein Wunder wenn du von deinen vorgeschriebenen 42 Arbeitstunden pro Woche tatsächlich nur 25 hier bist! Und jetzt an die Arbeit. Ich will dich für den Rest des Nachmittags nur noch in Begleitung von Patienten sehen, haben wir uns verstanden?"

„Aye, Sir!", sagte Malucci salutierend, schnappte sich ein Krankenblatt und verschwand in Richtung Warteraum.

Kerry atmete aus und rückte ihre Brille zurecht. „Was soll man davon noch halten?"

Abby lächelte verständnisvoll. „Dr. Weaver, das ist eben Malucci."

„Ja, leider! Ich wünschte, wir könnten ihn erziehen!"

„Ich glaube, dass ist nicht mehr möglich!"

Kerry nickte und sah sich dann den Dienstplan an, während Frank an eines der Telefone ging, das schellte. „Abby, wissen sie, ob Dr. Kovac nachher noch kommt?"

Abby zuckte mit den Achseln. Sie war ja NUR NOCH Schwester, aber dass sie deshalb wissen sollte, wann die Ärzte kamen und gingen, war nicht in dem Wort Schwester beinhaltet. Zumindest nicht nach ihrer Auffassung. „Ich habe keine Ahnung. Ich denke, er kommt noch."

Kerry nahm die Brille ab und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Im Moment ist es noch ruhig, aber ich denke am Nachmittag wird sich das schlagartig ändern. Das ist doch immer so."

Abby konnte da nicht mitreden. Sie war eh nicht wirklich der Notaufnahme als Schwester zugeteilt. Sie war Hebamme. Kerry hatte sie nur gerne bei sich, da sie bis vor einigen Wochen noch als AIP´lerin hier tätig war, doch dann hatte ihr Ex-Mann vergessen eine Rechnung für ihr Studium zu begleichen und ihr Recht auf eine Stelle als AIP´lerin in der Notaufnahme des County war verfallen. Jetzt musste sie warten. Und sie hasste es.

„Nur gut, dass heute endlich unsere neuen Assistenzärztin kommt."

Abby´s Gesichtsausdruck erhellte sich augenblicklich und sie sah grinsend und ungläubig zu Kerry Weaver auf. „Sie meinen doch nicht etwa ..."

Kerry hatte ebenfalls so etwas wie ein Lächeln auf dem Gesicht. „Doch, genau die meine ich."

„Weiß Carter mittlerweile, dass sie diejenige welche ist?", fragte Abby. John Carter, ein wirklich fähiger Assistenzarzt hier am County war wohl der einzige Mensch im Umkreis von einer halben Meile, der nicht wusste, dass seine Kat die neue Ärztin war.

Kerry zuckte mit den Achseln. „Ich hab keine Ahnung. Ich hab´s ihm nicht gesagt. Wir werden sehen. Falls sie also kommt, könnten sie sie zu mir schicken?"

Abby nickte und dann verschwand Kerry Weaver in der Masse von Grippe erkrankten Patienten.