Prolog

Zeit: Stunde 0 - wenige Minuten nach der Zerstörung der Starkiller Base


Ein unnatürlich starker Windstoß überforderte die seitlichen Trägheitsdämpfer des Kommando-Shuttles, nur Augenblicke, nachdem es mit einem fulminanten Schnellstart in die Höhe gegangen war.

Die daraus resultierende, plötzliche Drehung, die der Pilot nicht mehr abfangen konnte, schleuderte General Hux mit dem Rücken gegen die seitliche Wand des Einstiegsbereichs. Seine Hand fand Halt an einer aus der Wand herausragenden Leiste. Damit konnte er sich einigermaßen aufrecht halten. Die sich mit an Bord befindenden Trooper hatten kein solches Glück.

Sie verloren allesamt das Gleichgewicht und gingen schwer zu Boden. Die schwarz gekleidete Gestalt, die sie nur Sekunden zuvor an Bord gebracht hatten, rissen sie mit sich.

Der Aufstieg in der stürmischen Atmosphäre des kollabierenden Planeten dauert nur Momente, schüttelte das Kommandoshuttle aber weiter durch. Keine der Personen, die den Halt verloren hatten, kam wieder auf die Beine.

Erst unmittelbar nach dem erfolgreichen Durchbrechen der Lichtmauer begannen die ersten Trooper damit, sich wieder aufzurichten. Hux bemerkte, dass der Mann, dessen Evakuierung der Oberste Anführer unmissverständlich angeordnet hatte, weiterhin am Boden liegen blieb.

Es war schon kein gutes Zeichen gewesen, dass die Trooper ihn in das Shuttle hatten tragen müssen.

Ren atmete flach und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Eine hässliche, tiefe Brandspur zog sich von der rechten Schulter über den Hals quer über das gesamte Gesicht. Der schwere Stoff der schwarzen Tunika war in diesem Bereich zerfetzt und versengt.

Hux hatte keine Erfahrung mit Verwundungen, die von Lichtschwertern verursacht worden waren. In ihm fand sich auch keinerlei Sympathie für den Verletzten. Die derzeitige Situation bot aber für persönliche Antipathie, so berechtigt sie auch sein mochte, einfach keinen Raum. Allein der Befehl des Obersten Anführers und seine korrekte Ausführung waren von Bedeutung. Am heutigen Tag waren schon zu viele Fehler gemacht worden.

Abrupt öffnete der Mann zu seinen Füßen die Augen, stemmte eine behandschuhte Faust auf den Boden und hob mit großer Mühe seinen Oberkörper nach oben. Arm und Hand der verletzten Schulter hingen funktionslos an seiner Seite. Auf halbem Weg schien ihn die Kraft zu verlassen. Schwer atmend drehte er sich zur Seite und stützte sich auf den Ellenbogen seiner unverletzten Hand

„Stabilisieren," befahl Hux dem nächststehenden Trooper.

Keiner der umstehenden Männer hätte es von sich aus gewagt, Kylo Ren zu berühren.

„Nein", zischte Ren durch zusammengekniffene Lippen in Richtung des Troopers, der Hux Befehl nachkommen wollte.

Der General musste sich dazu zwingen, äußerlich ruhig zu bleiben.

„Verweigerung ist keine Option, Ren", beugte er sich zu ihm hinunter. „Der Oberste Anführer hat uns beide zu sich befohlen. Sabotieren Sie mich ja nicht. Ich werde nichts tolerieren, das die Ausführung dieses Befehls gefährdet."

Zu Hux Erstaunen nickte Kylo Ren zustimmend.

Mit einer neuerlichen Anstrengung drehte sich Snokes dunkler Krieger vollständig zur Seite, kam auf die Knie und drückte sich hoch. Seine Kraft reichte allerdings nicht aus, sich vollständig aufzurichten. Die Hand an die linke Seite gedrückt und die Lippen zu schmalen Strichen zusammengepresst, bewegte er sich langsam in Richtung Passagierbereich. Selbst in diesem Zustand wichen alle anwesenden Trooper vor ihm zurück.

Vielleicht gerade deswegen, ätzte Hux in Gedanken.

Sein Blick wanderte wieder zu der Stelle, an der Ren gerade noch gelegen hatte. Der Boden schwamm in Blut.

Unwillkürlich begann Hux an seiner Unterlippe zu kauen. Der Schüler des Obersten Anführers würde noch einige Minuten ohne echte medizinische Versorgung überleben müssen. Bis zum Meeting mit der Finalizer, die vermutlich bereits auf ihr Eintreffen wartete.

Er bedeutete den Troopern, den Boden vom Blut zu säubern. Gründlichkeit, Ordnung und Disziplin, die Säulen der ersten Ordnung. Einige Dinge mussten unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben.

Ein Blick hinüber zu Kylo Ren zeigte, dass sich die Situation keinesfalls verbessert hatte. Besser, er überwand seine Abneigung und überwachte den Verletzen persönlich. Trotz ihrer erstklassigen Ausbildung war zu befürchten, dass keiner der Soldaten es wagen würde helfend einzugreifen, wenn Ren sterbend vom Sessel rutschte.

Mit gemessenen Schritten überbrückte er die Distanz zum Passagierbereich. Hinter ihm schloss sich die Türe mit einem hydraulischen Zischen.

Als hätte er auf dieses Signal gewartet, hob Kylo Ren seinen Blick.

„Irgendjemand wird dafür seinen Kopf hinhalten müssen. Übernehmen Sie diesmal auch so großzügig die Verantwortung, General?" Die Worte klangen schmerzhaft gepresst.

„Sparen Sie sich Ihren Atem für sich selber, Ren." Hux setzte sich seinem Konkurrenten direkt gegenüber. „Als Kommandant der Starkiller Base werde ich selbstverständlich die Verantwortung für dieses totale Desaster übernehmen. Mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dass ich letzten Endes nicht mehr in der Lage war, die Fehler anderer Beteiligter auszugleichen."

Kylo Ren lächelte mit blassen Lippen.
„Immerhin können sie jetzt von sich behaupten, dass ich vor ihnen zu Boden gegangen bin."

Hux hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, diesem arroganten, egozentrischen Bastard die Faust in sein verwüstetes Gesicht zu schlagen.

Der Copilot betrat das Passagierabteil und verharrte in respektvollem Abstand.

„General Hux, Sir, wir stehen unmittelbar vor dem programmierten Austritt aus dem Hyperraum. Die Finalizer erwartet uns bereits am Treffpunkt. Man erbittet Ihre Anweisungen."

„Informieren Sie die medizinische Abteilung, dass ein höchstrangiges Mitglied der Ersten Ordnung dringend ärztliche Versorgung benötigt. Der Verletzte ist ansprechbar, zeigt Kampfverletzungen multipler Natur, mehrheitlich an Kopf und Oberkörper." Hux beugte sich nach vorne. „Wollen Sie diese Informationen vielleicht präzisieren, Ren?"

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. Wenn überhaupt möglich erschien er noch blasser, als nur Momente zuvor. Hux war sich ziemlich sicher, dass Kylo Ren das wahre Ausmaß seiner Verletzungen nicht öffentlich machen wollte. Eine derartig unkooperative Haltung in so einer kritischen Lage grenzte an Idiotie. Die Situation strapazierte langsam seine Geduld.

„Reden Sie schon, Mann. Ich habe keine Lust dem Obersten Anführer nur mehr Ihre Leiche zu präsentieren."

Waren das Schweißtropfen auf Kylo Rens Stirn oder nur Reste der Feuchtigkeit, die der Schneesturm in den dunklen, wirren Haarsträhnen hinterlassen hatte?

Ren hustete schwer und zog dabei die Luft scharf ein vor Schmerz. Seine Augen zeigten einen fiebrigen Glanz.

„Keine Sorge, General. Ich lasse Sie schon nicht allein den Heldentod sterben."

Ohne den Blick von seinem Gegenüber abzuwenden, richtete Hux seine Aufmerksamkeit wieder auf den Copiloten. Unbewusst lockerte er seinen Kragen. Trotz der ausgewogenen Temperatur im Shuttle hatte er zu schwitzen begonnen.

„Informieren Sie die Ärzte … und bringen Sie uns unverzüglich an Board der Finalizer."

Der Copilot salutierte und verließ die Kabine deutlich schneller, als er sie betreten hatte. Ein neuerlicher Hustenanfall schüttelte den schwarz gekleideten Mann vor Hux. Rasselnde Atemzüge gingen über in ein schweres Keuchen.

„Nun … haben wir letztendlich doch noch etwas gefunden … das uns verbindet." Hux starrte wie hypnotisiert auf die feinen, frischen Bluttröpfchen, die Kylo Rens Unterlippe und Kinn bedeckten. „Snoke … das wird für uns beide … eine richtig hässliche Angelegenheit."

Hux hatte das Gefühl, dass sich ein See aus Eis in seinem Magen ausbreitete. Er schluckte unwillkürlich.

Eine richtig hässliche Angelegenheit.

Das war vermutlich die Untertreibung des Jahrhunderts.


... tbc ...