Anmerkung: Dies ist eine autorisierte Übersetzung von Rurouni Stars "Perfect Marks". Das Original findet sich auf Fanfiction net unter /s/3340487/1/Perfect-Marks.
Disclaimer: Für dieses sowie alle folgenden Kapitel gilt wie üblich: Weder Plot noch Figuren sind meine, es wird kein Geld damit verdient.
Kapitel 1
Entgegen anderslautender Gerüchte hasste Hermine Granger die Halbjahresprüfungen abgrundtief.
Es lag nicht an den Prüfungen selbst – nicht direkt jedenfalls –, sondern eher an der Woche vor den Prüfungen. Soweit sie das erkennen konnte, ging am Montag davor irgendein Alarm los, der die Trägen und die Unwissenden versammelte. In der Woche vor diesen Halbjahresprüfungen war ihr kleiner Rückzugsort in der Bibliothek – weit weg von all dem Lärm und der Unruhe im Gemeinschaftsraum – voll von Schülern auf der Suche nach einem Tisch oder diesem oder jenem Buch. Es war beleidigend. Es war unverschämt. Es war einfach ein Sakrileg.
Wenn sie ehrlich zu sich war, dann war da eigentlich nur eins, was sie daran wirklich störte. Nämlich die Vorstellung, dass besagte Herde von Leuten das gesamte Schuljahr über faul gewesen war und jetzt trotzdem hoffte – nein, erwartete! –, mit einer Woche Arbeit die volle Punktzahl zu erreichen.
Wie auch immer, es war mal wieder diese Woche, und es war dieser Umstand, der sie dazu trieb, die Bitte auszusprechen, die sie aussprach.
„Könnte ich mir den Klassenraum für Zauberkunst ausleihen?", fragte sie Professor Flitwick. „Nur für diese Woche? Die Bibliothek ist im Moment grauenhaft."
Der kleine Lehrer strahlte sie von hinter seinem Schreibtisch an. „Natürlich, Miss Granger", sagte er. „Kommen Sie vorbei, wann immer Sie mögen. Es ist schön, Gesellschaft zu haben, während ich korrigiere."
Hermine seufzte erleichtert und hievte sich ihre Tasche über die Schulter. „Vielen Dank. Ich verspreche, ich werde Sie nicht stören."
„Ich habe vollstes Vertrauen in Sie, Miss Granger."
ooOOoo
Tag eins verlief fabelhaft. Der Zauberkunstraum war leer und still, bis auf das Kratzen von Flitwicks Feder. Hermine hatte sich natürlich vorbereitet und sämtliche Bücher, die sie zum Lernen brauchte, rechtzeitig ausgeliehen. Sie hegte keinen Zweifel, dass mindestens einer, der zu spät gekommen war, jetzt über den Mangel jammerte. Alles in allem verschaffte ihr das ein sündhaftes Vergnügen.
Und selbstverständlich schadete es auch nicht, den Lehrer für Zauberkunst dazuhaben, um ihre kleinen Fehler zu korrigieren. Hin und wieder blickte er von seinen Klassenarbeiten auf und gab ihr einen Rat bezüglich ihrer Aussprache (selten) oder gab einen amüsierten Kommentar zu einem interessanten geschichtlichen Hintergrund des einen oder anderen Zauberspruchs ab (häufiger). Sie sog dieses Wissen enthusiastisch auf, und obwohl sie wusste, dass sie mehr als gut auf ihre Prüfungen vorbereitet war, entschied sie sich, am nächsten Tag wiederzukommen. Harry und Ron würden lernen wie wild und sich ebenso eifrig beklagen. Verglichen damit war dies ein angenehmer Tag gewesen.
Tag zwei brachte allerdings eine unangenehme Überraschung mit sich.
Vielleicht zehn Minuten, nachdem sie den Zauber zum ruhig Atmen perfektioniert hatte, klopfte es an der Tür.
Flitwick unterbrach seine Benotung und hob den Kopf, um neugierig zur Tür sehen zu können. „Herein!", sagte er, so laut es ihm möglich war.
Der Türknauf drehte sich. Ein äußerst unwillkommenes Gesicht erschien.
„Entschuldigen Sie, Sir", sagte Zabini ruhig. „Es wird nicht lange dauern." Er schob sich durch die Tür, und Hermine sah, dass er sich mit etwa fünf Büchern unter dem Arm abmühte. „Hier bist du", sagte er, als sein Blick auf sie fiel. „Bist du diejenige, die Vittorys Verwandlungen ausgeliehen hat?"
Hermine runzelte die Stirn und widerstand dem Drang, das Buch schützend in den Arm zu nehmen. „Das habe ich", sagte sie. „Für eine Woche."
Zabini erwiderte das Stirnrunzeln, als eines der Bücher seinem Griff entglitt. „Ich brauche es", sagte er, als würde das alles klären.
„Gibt es kein Zweitexemplar?", fragte sie, obwohl sie genau wusste, dass inzwischen alle Exemplare ausgeliehen sein würden.
„Nein, Granger. Es gibt kein anderes Exemplar. Eins ist sogar gestohlen worden. Kannst du dir das vorstellen?"
Sie hob das Kinn auf eine, wie sie sehr wohl wusste, überlegene Weise. „Wenn du es so dringend brauchst, hättest du es vielleicht vor zwei Wochen versuchen sollen. Die Bibliotheksvorschriften untersagen es, ein Buch weiterzugeben, das man ausgeliehen hat. Ich kann dir nicht weiterhelfen."
Zabini verengte die Augen. „Ich nehme an, du findest nichts dabei, eine Woche vor den Zwischenprüfungen die gesamte Bibliothek zu vereinnahmen", sagte er scharf. „Langsam wird mir klar, weshalb du immer Bestnoten kriegst."
Ihr blieb vor Entrüstung der Mund offen stehen, und sie setzte zu einer weiteren vernichtenden Bemerkung an, aber Flitwick seufzte und unterbrach sie.
„Mir ist klar, dass es eine angespannte Woche ist", sagte er in seinem üblichen fiepsigen Ton, „aber über eine so simple Sache zu streiten, ist nicht der richtige Weg, um Stress abzubauen. Miss Granger, vielleicht würden Sie ihm gestatten, sich das Buch hier anzusehen, anstatt es ihm mitzugeben. Wäre Ihnen das genehm?"
Sie schloss den Mund wieder, sah Zabini aber weiterhin wütend an, der, wie es sich ergab, sehr zufrieden damit schien, sie ebenso wütend anzusehen.
„In Ordnung", sagte sie knapp. „Aber nur hier, verstanden?"
Er nickte leicht und stellte den großen Bücherstapel auf einem Pult ab. Ein rascher Blick sagte ihr, dass es alles Titel über Verwandlung waren.
Hermine stand auf und ging hinüber zu ihrer Büchertasche. So langsam fing sie wirklich an, unter dem Gewicht etwas auszufransen, und Hermine machte sich eine mentale Notiz, im Sommer eine neue zu kaufen.
Einen Augenblick später reichte sie Zabini wortlos das Buch, und er lehnte sich gegen eine Wand und schlug es auf.
Stille senkte sich wieder über den Raum, wenn auch gelegentlich unterbrochen durch das Umblättern einer Seite. Sie hatte erwartet, dass es sie bis zu einem gewissen Grad stören würde, aber stattdessen stellte sie fest, dass sie völlig entspannt war. Anscheinend war sie nicht ganz so eine Einzelgängerin, wie sie gedacht hatte. Gesellschaft war Gesellschaft, und solange er nicht redete, war alles bestens.
„Granger."
Sie drehte sich seufzend zu ihm um. „Was?"
Einen kühlen Moment lang erwiderte er ihrem Blick. Sie tat ihre Bestes, sich nicht zu rühren.
„Was ist ein Neunauge?"
Hermine starrte ihn einen Augenblick an. Er schien es ernst zu meinen.
Es war nicht so sehr, dass sie glaubte, er wüsste selbst die Antwort. Es war eher die Tatsache, dass er sie fragte und erwartete, sie würde sie ihm einfach auf dem Silbertablett präsentieren. Immerhin hatte sie selbst zu lernen, und sie war wohl kaum ein wandelndes Lexikon. Oder ein … sitzendes.
Ihr wurde jedoch deutlich bewusst, dass Flitwick sie erwartungsvoll ansah. Ihr Ego gewann die Oberhand.
„Das ist ein Salzwasserfisch", sagte sie. „Er lebt in der Tiefsee. Er heftet sich mit dem Maul an größere Fische und ernährt sich von deren Blut."
Er zuckte leicht. „Ich glaube, das reicht. Danke. Ich brauche keinen Vortrag."
Hermine presste die Lippen zusammen und wandte sich wieder ihrem eigenen Buch zu. „In dem Fall kannst du alleine lernen. Ich muss dir gar nichts sagen, wenn du dich so verhalten willst."
Zabini gab ein „Hm", von sich, sagte aber nichts weiter dazu. Sie war beinahe enttäuscht. Sie hatte wirklich erwartet, dass er etwas entsprechend Gemeines antworten würden, woraufhin Flitwick ihn mit ziemlicher Sicherheit hinausgeworfen hätte.
Als durch die Fenster kaum noch Licht hereinfiel, bemerkte Hermine, dass es Zeit wurde, sich auf den Weg zurück zum Gemeinschaftsraum zu machen. Sie stand rasch auf, sammelte ihre Sachen ein und bedankte sich bei Professor Flitwick.
Zabini war etwa zu einem Viertel durch das Buch und machte eine saure Miene. Er hatte sich längst ein Kissen heraufbeschworen und lehnte sich frustriert darin zurück.
„Ich brauch das Buch zurück", erinnerte sie ihn.
Er sah zu ihr auf und seufzte. „Gut." Er warf es ihr achtlos zu. Offenkundig hatte er genug von dem, was er gelesen hatte. Hermine warf ihm einen zornigen Blick zu.
„Du musst es nicht gleich so behandeln", sagte sie, als sie es auffing. „Ich bin diejenige, die es wieder abgeben muss."
Er wedelte fast wegwerfend mit der Hand. „Schon gut, Granger. Reg dich nicht auf."
Das trug ihm gleich noch einen bösen Blick ein, als sie durch die Tür verschwand.
ooOOoo
Tag drei. Zabini war bereits da.
Hermine starrte ihn ungläubig an, als sie sich an ein Pult setzte. „Was, schon wieder?", fragte sie.
„Ich hätte das Buch letzte Nacht zu Ende lesen können, wenn du etwas weniger gierig gewesen wärst", murmelte er, gerade so leise, dass Flitwick ihn nicht hören konnte.
„Gierig?", sagte sie. „Gierig? Was, nur weil ich mich nicht darauf verlasse, dass du keine Seiten rausreißt, nur um mich schlecht dastehen zu lassen?"
Er verdrehte die Augen und zog sich einen Stuhl heraus. „Wie auch immer, ich brauche es, so oder so. Du benutzt es doch gar nicht."
Hermines Gesicht ähnelte wahrscheinlich einer Gewitterwolke, aber Flitwick saß noch immer summend am anderen Ende des Raums und korrigierte Klassenarbeiten. Sie stampfte zu ihrer Büchertasche, zog das Buch heraus und reichte es Zabini. Zabini sah leicht belustigt aus, was sie nur noch mehr aufregte.
„Du", sagte sie schroff, „sitzt da hinten. Ich werde hier sein und üben. Falls du mich unterbrechen solltest, werde ich dich…" Sie warf wieder eine Blick auf das Buch. „… in eine Kröte verwandeln."
Zabini hob beide Augenbrauen. „Wirst du nicht", sagte er, immer noch auf ihre Kosten amüsiert. „Es ist ein Lehrer anwesend. Außerdem ist das menschliche Verwandlung, das lernen wir erst in der siebten Klasse."
Sie warf ihm einen bösen Blick zu und erachtete es für unnötig, ihm zu antworten. Außerdem hätte sie ihn sehr wohl in eine Kröte verwandeln können, wenn sie gewollt hätte. Hermine Granger war im Stoff immer voraus.
Und nur um das zu beweisen, verwandelte sie – sehr auffällig und dramatisch – ihr Pult in eine Maus. Eine solche Größenveränderung war mit Sicherheit Siebtklässler-Niveau. Obwohl es zugegebenermaßen dieses Jahr nicht in irgendwelchen Prüfungen vorkommen würde.
Zu ihrer Zufriedenheit sah Zabini tatsächlich zu. Aber anstatt etwas zu sagen, zog er lediglich eine Augenbraue hoch und las weiter.
Zu ihrer Schande musste sie die Maus gute zwei Minuten durch den Raum jagen, bis Blaise ein „Accio" murmelte. Die Maus quiekte, als sie durch die Luft flog, und Hermines Beschämung potenzierte sich.
„Das hätte ich auch gekonnt!", schnappte sie.
Zabini blickte von seinem Buch auf. Hermine bemerkte, dass er nur wenige Seiten weitergekommen war. „Warum hast du's dann nicht getan?", fragte er ruhig. Die Maus wand sich, und er strich ihr einen Daumen über den Kopf, um sie zu beruhigen.
Seine Frage wurde mit Schweigen beantwortet. Hermine war fest entschlossen, dieses Schweigen aufrechtzuerhalten, bis ihr auffiel, dass sie sich damit eher noch lächerlicher machte. „Ich hab nicht dran gedacht", gab sie zu. „Krieg ich sie jetzt wieder?"
„Sicher", sagte er, bewegte sich aber nicht. Die Nase der Maus zuckte gegen seine Handfläche.
„Und? Was ist jetzt?" Sie warf einen kurzen Seitenblick auf Flitwick. Er runzelte die Stirn über eine unleserliche Handschrift.
„Sagst du nicht ‚bitte'?", fragte Zabini.
In diesem Moment riss Hermine beinahe der Geduldsfaden. Glücklicherweise nur beinahe. „Bitte", brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Er lächelte und setzte die Maus neben sich auf den Boden. Zuerst dachte sie, sie würde wieder wegrennen, und plante sofort Rache. Aber die Maus legte sich einfach neben ihn und beobachtete ihn aus neugierigen rosa Augen.
„Du bist unerträglich", zischte sie ihm zu, als sie das Tier aufhob.
„Du auch", erwiderte er. „Aber ich hatte versucht, nicht persönlich zu werden."
Tag drei endete mit einem absolut nicht mausähnlichen Pult und einem Blaise Zabini, der weniger als die Hälfte von Vittorys Verwandlungen geschafft hatte.
ooOOoo
Es war nicht wirklich eine Überraschung, ihn am nächsten Tag wieder anzutreffen.
„Ich überlege, ob ich das Buch morgen nicht im Schlafsaal lassen soll", sagte sie lapidar, als sie den Klassenraum betrat.
„Bitte nicht", erwiderte er. „Das wäre unpraktisch."
Hermine übergab ihm das Buch und machte sich bereit, sich in die entfernteste Ecke zurückzuziehen.
„Warum hast du es überhaupt ausgeliehen, wenn du es nicht lesen musst?", fragte er. In seinem Tonfall war eine Spur Verärgerung, die sie innehalten ließ.
„Ich bin es nochmal durchgegangen, nur um sicherzugehen", sagte sie. „Man kann nicht vorsichtig genug sein." Sie holte ein weiteres Buch heraus und schlug das Inhaltsverzeichnis auf.
„Gibt es nichts, was du nicht weißt?", fragte er aufgebracht. Es war kein Kompliment, eher eine Beschwerde.
Hermine nahm die Frage ernst und legte die Stirn in Falten. „Ja", sagte sie, erläuterte das aber nicht weiter.
Ein paar Minuten später hörte sie ihn über das Buch, das er in der Hand hielt, murmeln. Da sie kein Italienisch sprach, konnte sie nicht sicher sein, aber es hörte sich an, als würde er das Buch und dessen Mutter beleidigen. Was vollkommen offensichtlich lächerlich war, es sei denn, das Buch wäre selbst verwandelt worden. Dieser Gedanke belustigte sie für einen Moment, bis er das Buch schließlich zuklappte und es auf den Boden legte.
Hermine sah verwundert zu ihm hinüber. Er sah sie überraschend giftig an. „Dieses Buch", sagte er barsch, „ist nutzlos."
Sie runzelte die Stirn. „Warum wolltest du es dann haben?"
„Ich hatte gehofft, ich würde mich nicht richtig erinnern", erwiderte Zabini und warf einen wütenden Blick auf das Buch. Das Buch erwiderte den Blick nicht. Genau genommen lag es nur da.
„Was ist bloß dein Problem?", fragte Hermine. „Weißt du, ich könnte ja verstehen, dass du unglücklich bist, wenn du vorher ein wenig gelernt hättest, aber einfach in der letzten Woche ein Buch in die Hand zu nehmen und zu erwarten, plötzlich alles zu verstehen …"
„Ich habe gelernt, Granger." Ruppig. „Komm runter von deinem hohen Ross. Nicht alle von uns sind Naturtalente. Zu deiner Information, Verwandlung ist verdammt schwierig."
Sie sah ihn erschrocken an, mit einem Hauch Verärgerung. „Ich sitze keineswegs auf irgendeinem hohen Ross", protestierte sie. „Und ich bin kein Naturtalent – ich lerne."
„Tja, das tu ich auch!", fuhr er sie an. „Und das funktioniert meistens auch sehr gut, solange die Bücher irgendeinen Sinn ergeben!"
Hermine schnaufte und machte Anstalten, das Buch aufzuheben. „Es ergibt sehr wohl Sinn", beharrte sie und schlug es auf. „Ich werd's dir zeigen. Also – welchen Teil verstehst du nicht?"
„Jeden!" Er machte eine Pause. Dann, als er erkannte, dass er sich ziemlich kindisch anhörte, fügte er hinzu: „Hauptsächlich die ersten paar Kapitel."
Sie seufzte und blätterte zurück. „Ah, okay. Da hast du dein Problem. Du versuchst kompliziertere Sachen, ohne die Grundlagen zu beherrschen. Das meiste davon ist natürlich vom letzten Jahr, und es stimmt schon, dass es da eine Weile ziemlich chaotisch mit McGonagall war …"
Es dauerte eine Weile, bis sie bemerkte, dass sie ihre eigene Lektüre komplett aufgegeben hatte, um sein Gedächtnis aufzufrischen – die eine Sache, die sie sich geschworen hatte, nicht zu tun. Er war jedoch überraschend effizient und aufmerksam, und der fast unmittelbar eintretende Erfolg war ein starker Anreiz.
„Wenn du es mit feingliedrigeren Verwandlungen zu tun hast, musst du die Bewegungen mit dem Zauberstab exakter machen. Große Gesten sind schön und gut, wenn man Elefanten oder Statuen verwandelt, aber du weißt, dass McGonagall Mäuse bevorzugt, also warum unvorbereitet sein?"
Ein Stirnrunzeln. „Das ist überraschend verschlagen von dir", sagte er.
„Das ist nicht verschlagen!", erwiderte sie hitzig. „Es ist gesunder Menschenverstand! Wenn McGonagall immer über Mäuse prüft, warum sollte man sich nicht mit Mäusen besonders gut auskennen?"
„Ich bin ganz deiner Meinung. Es war nur eine Beobachtung."
Hermine stolperte darüber, dass Fred und George genau diese Taktik auch schon angewandt hatten. Zabini wusste das wahrscheinlich nicht, aber dieser kleine Satz stürzte sie für zwei Tage am Stück in quälende Selbstzweifel. Nicht, dass es ihn besonders gestört hätte, hätte er es gewusst.
„Was soll's! Wie auch immer, bei Mäusen im Besonderen musst du den Bogen mit dem Zauberstab genau richtig hinkriegen. Es ist wesentlich einfacher als bei Vögeln, aber trotzdem etwas heikel."
„Den Teil weiß ich. Was ist mit der Aussprache?"
„Ähm … na ja, die Endsilbe sollte gedehnt sein – genau wenn du beim Schwanz bist. Wenn du den richtigen Rhythmus findest, passt alles zusammen."
Er fand den richtigen Rhythmus. Tatsächlich benötigte er lediglich zwei Versuche.
„Meine Güte, warum erklärt sie es nicht genau so?", fragte er und hob seine eigene kleine Maus auf. Diese hatte er aus einem zerknüllten Notizblatt verwandelt. Es zeigte sich in der Färbung. Sie knabberte leicht an seiner Hand, fast wie aus Zuneigung.
„Ich glaube, deine Maus ist blau liniert", bemerkte Hermine.
„Hör auf, auf der Maus rumzuhacken. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie anders ist."
„Ich hacke nicht auf – ach, zum Teufel damit!"
Sie entschied sich, sein kleines Grinsen zu ignorieren.
„Wie sieht's mit der umgekehrten Richtung aus? Was weißt du über die Kennzeichen einer schlechten Verwandlung?"
„Es ist wahrscheinlich ein gutes Zeichen, wenn sie sich nicht bewegen kann." Es war unglückselig, dass er das mit einem so ausdruckslosen Gesicht sagen konnte.
„Du weißt, was ich meine", sagte sie.
„Das Hauptmerkmal ist die Farbe." Er nannte keine speziellen Beispiele. „Gefolgt von fehlenden Zehen oder Schwänzen. Unbelebte Gegenstände bewegen sich normalerweise nicht selbsttätig – das wäre ein Hinweis."
Hermine sah ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. „Nun. Gut."
Blaise zuckte leicht zusammen, als die Maus ihm etwas zu enthusiastisch in den Daumen biss.
ooOOoo
Am fünften Tag tat sie nicht einmal mehr so, als würde sie selbst lernen. Das Einzige, was sie mitbrachte, war ein Stapel alter Lehrbücher über Verwandlung.
„Du verwöhnst mich", bemerkte Blaise schneidend, und sie runzelte die Stirn.
„Ich kann jederzeit gehen und mich um Harrys und Rons Last-Minute-Panik kümmern. Ich muss mich nicht mit deiner auseinandersetzen."
Er zuckte mit den Schultern und streckte folgsam die Hand aus, und sie reichte ihm die Lehrbücher für die fünfte Klasse. „Die letzten paar Kapitel sollten reichen", sagte sie. „Ich nehme an, das meiste, was wir verpasst haben, steht da drin."
Sie sprachen eigentlich über nichts, was über reine Verwandlung hinausging. Er war wirklich schrecklich weit zurück aufgrund all der Zeit, die er schlechte Gewohnheiten kultiviert hatte. Glücklicherweise war er so geschickt wie eh und je im Aufholen, und als die Sonne unterging, hatte er den Großteil des problematischen Stoffs wieder aufgenommen.
Gegen Ende, als Hermine ihre Sachen wieder einsammelte, entstand eine unangenehme Pause. Zabini , eine Hand in der Tasche, zog die Stirn in Falten. Es schien fast, als wäre er kurz davor, etwas zu ihr zu sagen. Aber stattdessen sah er sie nur an und ging dann.
Sie presste verärgert die Lippen aufeinander, wurde dann aber von einer winzigen Hand auf ihrer Schulter aufgehalten.
„Ich bin wirklich stolz auf Sie, Miss Granger", sagte Flitwick.
Das war genug für Hermine.
ooOOoo
Das folgende Hogsmeade-Wochenende war nicht weniger als ein Massenansturm. Die Schüler, gleichzeitig in hektischer Anspannug vom Lernen und dringend auf der Suche nach Last-Minute-Weihnachtsgeschenken, hätten als eine Herde wilder Tiere durchgehen können.
Hermine auf der anderen Seite war selbstverständlich bereits adäquat auf Weihnachten vorbereitet. Als Harry und Ron sich verstohlene Blicke zugeworfen hatten, war ihr vollkommen klar gewesen, dass sie versuchten, sie loszuwerden, damit sie ihr Weihnachtsgeschenke besorgen konnten.
„Ich hol mir ein Butterbier, in Ordnung?", fragte sie höflich. Sie hielt nur mit Mühe ein Schnauben zurück, als die beiden erleichtert zusammensackten.
„Ja", sagte Ron. „Das ist … eine gute Idee. Wir kommen gleich nach, ähm …"
„… nachdem wir nochmal kurz beim Quidditch-Laden waren", warf Harry hilfreich ein.
Hermine lächelte. „Ich bin sicher, da würde ich mich sowieso nur langweilen", antwortete sie zuvorkommend. „Dann sehen wir uns, wenn ihr im Quidditch-Laden fertig seid."
Seltsam, dass sie stattdessen in Richtung Flourish and Blott's gingen. Sie entschied, diese Teil ebenso höflich zu ignorieren.
In den Drei Besen war es brechend voll von Schülern, die aus dem Schnee hereingekommen waren. Sie musste sich ihren Weg durch eine ziemliche Menge von Leuten bahnen, bevor sie das Ende der Schlange vor dem Tresen erreichte, und ein rascher Blick durch den Raum überzeugte sie, dass keine Tische frei werden würden, es sei denn, die eine Hälfte der Anwesenden entschied sich, die andere verschwinden zu lassen. In Anbetracht der finsteren Blicke, die einigen Leuten zugeworfen wurden, mochte diese Möglichkeit etwas wahrscheinlicher sein als gewöhnlich.
Trotz der großen Zahl von Leuten hier war sie überrascht, über jemandes Fuß zu stolpern, als sie sich mit ihrem Becher vom Tresen abwandte. Sie fing sich recht gut, ihrer Meinung nach, aber das irgendwie dümmliche Lachen ließ sie wissen, dass das hier jemandes geschmacklose Idee von einem Scherz war.
Hermine richtete sich wieder auf, warf einen prüfenden Blick auf ihren Mantel und ihren Schal und musterte ihren Becher, um nachzusehen, ob sie etwas verschüttet hatte. Anschließend sah sie sich nach der Ursache ihres Unfalls um.
Eigentlich kaum zu verfehlen, wer von beiden es gewesen war, war allerdings fraglich. Beide hatten den gleichen geistig beschränkten Sinn für Humor, und beide waren recht groß. Goyle stand allerdings etwas näher, daher beschloss sie, ihm den vernichten „Haha"-Blick zuzuwerfen.
„Ich fand's witzig", murmelte Crabbe und lehnte sich an die Theke.
„Ach, schiebt ab", sagte sie, warf sich ihren Schal um die Schulter und wandte sich ab, um sich eine weniger volle Ecke an der Theke zu suchen.
Das Butterbier war schnell geleert angesichts der kalten Temperaturen, und Hermine starrte bald mit einem kleinen Seufzen den Boden des Bechers an. Sie reichte ihn einem vorbeigehenden Kellner, der reichlich gehetzt aussah, und sah sich flüchtig nach Harry und Ron um. Unglücklicherweise waren sie noch nicht aufgetaucht, was ihr den Eindruck vermittelte, dass sie tatsächlich einen Zwischenstopp beim Quidditch-Laden eingelegt hatten.
„Ich verstehe nicht, wozu", murmelte sie im Hinausgehen. „Sie kaufen sowieso nie irgendwas." Die kalte Luft, die ihr entgegenschlug, war ein erschreckender Kontrast zu der Wärme im Schankraum. Sie zitterte und zog ihren Schal noch einmal fester, so dass Mund und Nase bedeckt waren.
Es war merkwürdig, alleine durch die Straßen zu gehen. Ihr war deutlich bewusst, dass sie nicht die Einzige war. Die meisten versuchten, ungesehen Geschenke zu kaufen, aber es lag auch ein eigenartiger Reiz darin. Es war schon einige Zeit her, seit sie zum letzten Mal einfach hatte allein sein können, ohne die Verpflichtung zu gelegentlicher Konversation oder einer höflichen Reaktion.
Ihre Schritte führten sie unweigerlich zum Waldrand, zu dem schmalen Pfad, der um die Heulende Hütte herumführte. Ihre Füßen begannen, tiefer in den Schnee einzusinken, aber noch war die Kälte belebend statt unangenehm, und so ignorierte sie sie für den Moment.
Ihre Schritte führten sie natürlich hinauf zur Heulenden Hütte, bis knapp vor den Zaun, der die Hütte von neugierigen Schülern abschirmte.
Ihre Gedanken hatten längst eine völlig andere Richtung eingeschlagen, als sie ein Schneeball am Hinterkopf traf. Sie sog zischend die Luft ein und drehte sich um. Ihre Miene wurde noch finsterer, als sie den dürren, braunhaarigen Jungen hinter sich sah.
„Komm schon, Stibbons", saget sie und zog ihren Zauberstab. „Das hatten wir alles schon."
„Ich bin sicher, wir können es nochmal versuchen", erwiderte er mit finsterem Blick. Er hatte seinen Zauberstab bereits gezogen.
„Du wirst dich nur verletzen", warnte sie und hob die Hand. „Und dir Nachsitzen einhandeln. Womöglich während der Prüfungswoche."
„Ich kann gegen dich gewinnen", beharrte der Junge starrköpfig. Sie seufzte und schüttelte den Kopf, als er begann, mit seinem Zauberstab eine Reihe von Schwüngen auszuführen, die vermutlich weit über seinem momentanen Niveau waren.
Unvermittelt traf ihn ein Schneeball im Gesicht. Der Viertklässler stolperte rücklings und blinzelte hinter seiner Brille.
Hermine blickte hinüber zur Hütte. Sie brauchte einen Augenblick, um die schwarzen Locken zuzuordnen, aber die Tatsache, dass er seine Robe trug, verriet ihn als Reinblüter. Der Rest war einfach.
„Wen haben wir hier?", sagte Zabini gedehnt und zog seinen Schal nah unten. „Zwei Zwerge auf einmal. Das sollte interessant werden." Sein Tonfall schien anzudeuten, dass er vorhatte, ein paar der Dinge auszuprobieren, die sie ihm gerade beigebracht hatte.
Stibbons wurde bleich und trat einen Schritt zurück. Hermine warf Zabini einen absolut vernichtenden Blick zu und richtete ihren Zauberstab auf ihn.
„Ach, komm schon", sagte er. „Er war gerade dabei, dich anzugreifen. Warum solltest du für ihn in die Bresche springen und dich verfluchen lassen?"
Hinter sich hörte sie stapfende Schritte. Stibbons rannte jetzt durch den Schnee zurück zum Dorf.
„Du hast wirklich – Nerven." Sie blinzelte, als Zabini seinen Zauberstab wieder einsteckte.
„Frohe Weihnachten", sagte er einfach.
Hermine starrte ihn an. Dann seufzte sie. „Ich will ja nicht undankbar erscheinen, aber das war eine völlig überflüssige Geste. Ich war dabei, ihn zu entwaffnen. Er ist harmlos."
Zabini hielt einen Sekunde inne, während er an ihr vorbeistapfte.
„Das ist dumm von dir", sagte er schließlich. „Ich weiß nicht, wieso ich mehr von dir erwartet habe." Als er ihre empörte Miene sah, seufzte er. „Jeder kann heutzutage das Dunkle Mal haben, Granger. Angesichts des Fluchs, den er gerade anwenden wollte, würde ich ihn in Zukunft etwas besser im Auge behalten."
Sie blinzelte, als er an ihr vorbei auf den Pfad zuging.
Später, in den stillen Stunden der Nacht, verfolgten sie seine Worte.
Jeder kann das Dunkle Mal haben.
Sich selbst hatte er jedenfalls nicht ausgeschlossen.
ooOOoo
Erst viel später erfuhr sie, dass er in Verwandlung die volle Punktzahl erhalten hatte.
