1.Unerwünschte Begegnung in der Nacht
Als sie den Fuß auf die dritte Treppenstufe setzte, überlegte sie, ob das vielleicht doch eine bescheuerte Idee war. Hermine hatte es ja gesagt: „Warum triffst du dich Nachts, wenn es auch am Tag geht? Filch ist vielleicht dumm und taub, aber Mrs. Norris bestimmt nicht!"
Daraufhin hatte sie es erst recht getan.
Und bereute es langsam. Aber umkehren kam nicht in frage! Neville würde im Gemeinschaftsraum ewig auf sie warten. Auch wenn sie nicht wusste, warum. Er wollte abends mit ihr reden, genauer gesagt Nachts. Hermine hielt nichts davon. War ja auch nicht anders zu erwarten, es war schließlich Hermine!
Seltsam fand Ginny es natürlich schon, aber wenn Neville sie um so etwas bat, war es bestimmt etwas ernstes. Das hoffte sie für ihn… Sie bog in den Gang ein und eilte die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter.
Kurz bevor sie ihn betrat, versichete sie sich, dass es auch wirklich Neville war. Sie wollte nicht plötzlich Snape oder sonst irgendeinem Schreckgespenst gegenüberstehen. Es war aber Neville.
„Bist du´s, Neville?" Sicher war sicher, fragen kostet ja nichts…
„Ginny! Klar bin ich es. …ähm, komm doch her und setz dich."
„Ich will ja nicht unhöflich sein, aber es ist mitten in der Nacht. Am besten du sagst schnell, worum es geht. Ich will Filch nicht doch noch über den Weg laufen, momentan hab´ich genug Ärger am Hals!"
„Oh!", machte Neville. „Wieso denn?" Ginny schüttelte den Kopf. „Egal! Ist nicht so- ."
„Doch, doch! Es interessiet mich! Weißt du, deswegen solltest du herkommen…" Sie verstand nicht. „Neville?" Er zögerte. „Wollte es nicht vor allen sagen…sollst ja auch nein sagen können… ist dir vielleicht peinlich…aber eigentlich…ja, ich finde…sollte wirklich…"
„Was willst du eigentlich sagen?", fragte Ginny vorsichtig. „Ja,also…", er holte tief Luft.
„Ich wollte dich schon lange fragen, ob du mal mit mit ausgehen willst. Ist dir bestimmt peinlich, deswegen habe ich dich auch Nachts gefragt. Ich mag dich total gern, und momentan hast du keinen Freund, deswegen dachte ich…" Inzwischen war er zinoberrot angelaufen und blickte überall hin, nur nicht zu Ginny. „Ich kann schon verstehen, wenn du nicht willst, schließlich bin ich nur..Naja, ich bin eben nicht Malfoy.",schloss er fast trotzig.
Ginny schwieg. Aus irgendeinem Grund war ihr das alles schrecklich peinlich. Das Neville sie…Ja, er hatte recht, Malfoy war hübsch, schlank, intelligent, beliebt-bei den Slytherins zumindest und auch bei einigen anderen…Aber trotzdem.
„Hör mal, Neville, dafür bist du supernett, und das ist etwas, was Malfoy nie sein wird! Malfoy ist ein arogantes Arschloch!
Und ich finde, nur darauf kommt es an!"
„Findest du?", fragte er zweifelnd.
„Aber ja!", sie nickte bekräftigend. Was mache ich hier eigntlich?, fragte ein Teil ihres Verstandes. „Und außerdem kenne ich dich schon so lange, ich weiß, wie du bist."
„Das heißt, du würdest mit mir das nächste mal mit nach Hogsmade gehen?", fragte er freudig.
Oh.
„Klar, gerne doch!"
Hogsmade. Mit Neville. „Danke, Ginny! Ich geh´dann mal!" Und er verschwand richtung Jungenschlafsaal. Ginny blieb noch geschlagene fünf Sekunden so stehen, ehe sie begriff, dass auch sie sich auf den Weg machen sollte. Sie lief los. Neville also. Sie hatte ihn gern. Er war nett. Nicht arrogant. Immer ehrlich. Nett. Aber eben nur nett.
Sie beschleunigte ihre Schritte. Was nicht ist,dachte sie, kann ja noch werden. Eventuell…
Plötzlich klemmt ihr Fuß wo fest, sie stolperte und fiel der Länge nach hin. Ein grausamer Schmerz explodiete in ihrm Knöchel und sie war sicher, dass er gebrochen war. Ginny dachte an Filch und unterdrückte ein Stöhnen. Mit tränenden Augen blinzelte sie in die Dunkelheit.
Oha. Die Verschwindestufe. Ihr Fuß klemmte in ihr fest. Vor lauter Gedanken hatte sie vergessen, diese Treppenstufe zu überspringen. Ironie des Schicksals, denn sonst war es immer Neville, der..! Neville…Sie wollte jetzt nicht daran denken. Aber versuchen, den Fuß zu befreien, war sinnlos, wie sie nach Harrys Erzählung wusste. Vielleicht kam ja auch ein Moody vorbei und rettete sie. Sehr unwahrscheihnlich, das wusste sie schon. Wahrscheihnlich war, dass sie bis zum Morgen hier feststecken würde. Dann konnt sie nur noch hoffen, dass ein Schüler sie fand und kein Lehrer. Ein schweigsamer Schüler.Und sie musste eine gute Geschichte parat haben…
Sie überlegte gerade, was sie erzählen sollte, als ihr Filch einfiel. Der würde sie noch vor Morgen finden. Und Mrs. Norris würde sie sehr bald finden. Das bedeutete verloren auf der ganzen Linie. Was Hermine wohl sagen würde… Dumpfe Furcht überfiel sie. Man würde sie doch nicht etwa rausschmeißen…? Sie hörte Schritte auf dem Flur. Schnell richtete sie sich auf, soweit das möglich war, und hielt sich an dem Geländer fest.
Die Schritte kamen eindeutig näher. Ginny hatte keinen Tarnumhang, wer auch immer da langkommen würde, musste sie sehen. Lass es nicht Snape sein… Wenn es Snape ist, bin ich so gut wie tot. Derjenige bog um die Ecke und Panik machte sich in Ginny breit. Ihr Fuß schmerzte so sehr, dass sie ihn keinen Zentimeter würde bewegen können. Und dann erkannte sie die Person. Kleiner als ein Lehrer. Nicht Snape. Aber genauso schlimm. Und diesmal schrie sie wirklich erschrocken auf. Eine Sekunde später hätte sie sich dafür umbringen können.
Malfoy lief zielstrebig, mit gesenktem Kopf auf den Jungenschlafsaal zu. Doch bei ihrem Schrei blieb er aprubt stehen und spähte die Treppe hinauf. Seine Augen glitzerten wie Eis.
Ginny erstarrte. Hatte sie denn gar kein Glück?!
„Wer ist da?",fragte er misstrauisch. Sie hielt den Atem an und schwieg. Natürlich würde es ihr nichts nützen.
„Wer ist da?!",seine Stimme klang wie Stahl. Ein eisiger Schauer rann ihr über den Rücken. „Zeig dich!" Und zu ihrer eigenen Überraschung hörte sie sich sagen: „Hier ist niemand!" Sie musste völlig den Verstand verloren haben!
Nun kam er mit großen Schritten die Treppe herauf und starrte ihr ins Gesicht. Ginnys Herz setzte aus. „Tatsächlich, du hast recht. Hier steht ein Niemand.", sagte er kalt. Sie glaubte zu sterben. Diese Augen, diese sturmgrauen, blassblauen Augen. Er trat einen Schritt zurück. Eine Sekunde später, und sie wäre wahnsinnig geworden. Das Herz nahm seine Arbeit wieder auf.
Malfoy stellte sich eine Stufe über sie, sodass er auf sie herabblicken konnte. Verdammter Slytherin! „Was fällt dir Weasly-Mädchen ein, mir meine wertvolle Zeit zu stehlen?! Hau sofort ab!"
Das würde sie nur zu gerne. Sie wollte fort aus seiner unerträglichen Nähe,sie war nervös, und wusste gar nicht, warum. Sie blickte überall hin, nur nicht in seine Augen, diese wunderschönen Augen…Erschrocken starrte sie ihn an. Was dachte sie da?!
„Bist du taub oder was? Verschwinde!"
