Es war ein einfacher Zauberspruch, der Dumbledore über den Kanal befördern konnte, doch er musste sich dazu die Füße nass machen. So hob er den grauen Reisemantel an, drehte die Hacken, öffnete einen Wasserschlauch und ließ einem kleinen Strahl von Avalons Wasser auf das vernarbte Leder seines Stiefels rinnen. Als er den zweiten Fuß hob, spritzte ein wenig Wasser auf den Boden. Wieder ein Guss. Dann richtete er sich auf und sah sich um.

Der größte Teil Dumbledores befand sich im Vorraum von Blaises Palast Camelot, doch die Fußsohlen standen im Wasser Avalons.

Er hatte Freunde in Avalon und dazu eine ganz besondere Freundin. Minerva. Wo es Wasser gab, da war auch Minerva.Wo Minerva war, da war auch Dumbledore willkommen. Sie packte seinen Hacken und zerrte ihn nach unten. Er versank im Boden wie in einem tiefen Brunnen. Die weißen Mauern Camelots verschwanden und wichen den kalten Strömen und dem Pulsschlag der Anderwelt.

In der tosenden Dunkelheit zwischen den vom Wasser glatt geschliffenen Felsen sprach sie: " Wohin willst du reisen, Dumbledore?"

Trotz der vielen Jahre bezauberte ihn ihre Stimme noch immer. Er würde die ganze Welt für sie aufgeben - bald, aber noch nicht heute...

"Benwick. Wir müssen König Lucius besuchen. Wir müssen Krieger für die Schlacht am Mount Badon sammeln" Selbst hier, in der sprudelnden Tiefen, erzeugte der Name ängstlichen Schauder. "wenn wir nicht die Truppen von Lucius und Severus gewinnen, ist Camelot dem Untergang geweiht."

"Camelot ist so oder so dem Untergang geweiht." Sie zuckte zusammen, die Worte waren ihr unbedacht entschlüpft.

Dumbledore hielt sich fest. "was meinst du damit?"

"Nur das Camelot sterblich ist, genau wie du, Dumbledore. Ich fürchte mich vor dem, was am Mount Badon geschehen wird. Ich fürchte, du könntest sterben. Lass dies die letzte Gunst sein, die du den Sterblichen erweist, und dann wollen wir uns für immer in die Höhle der Verzückung zurückziehen."

Die meisten Kavaliere pflückten Blumen für die Angebeteten. Dumbledore hatte ihr eine ganze Welt erschaffen. "Sie nicht so begierig darauf, in meinen Himmel zu kommen,meine Liebste. Tore aus Perlen halten dich genauso gefangen wie Tore aus Eisen. Das Leben der Sterblichen ist das wahre Leben- mit all den blutigen Fehden, der Blutschande und den tödlichen Ränken der Politik. Selbst die Engel sehnen sich danach, einen Blick auf das Leben der Sterblichen zu erhaschen."

Sie schwieg, während sie ihn zu den Wasseradern Galliens zog. "Ich sehne mich nicht nach einem Blick in diese Welt. Ich bringe dich nach Benwick, mein Liebster, aber ich werde im Brunnen auf dich warten. Wenn du dich um gefährliche Politik kümmern willst, so musst du es allein tun."

"Solange du auf mich wartest, soll es mir recht sein."

Sie schwammen in einem unterirdischen Fluss hinauf und erreichten eine mächtige Wasserader. In einem römischen Aquädukt kamen sie heraus und ließen sich nach Benwick treiben. Ein Teil des Wassers wurde in Bädern und Zisternen abgezweigt, doch Minerva und Dumbledore folgten den Rohren, die bis zu einem großen Springbrunnen im Hofe von König Lucius führten.

Aus dieser Flut erhob sich Merlin. Sein alter Mantel war tropfnass. Zwischen den makellos gemeißelten Figuren tauchte er als formlose Gestalt auf und streckte den Kopf heraus wie eine nach Luft schnappende Forelle.

Die Leute am Brunnen wichen keuchend zurück "Ein Wassergeist, ein Wassergeist!"

"Hat sich was mit Geist", spuckte Dumbledore. Mit jedem Wort spritzte eine Gischtfontäne aus Schnauzer und Bart. Er schüttelte sich wie ein Hund und benetzte die Gaffer in der Nähe. Brokatstoff klebte feucht an der Haut der Höflinge,feines Tuch warf Falten auf der Haut der Knappen. Dumbledore kümmerte sich nicht weiter darum, sondern schwang ein Bein über den Beckenrand und betrat Lucius Reich.

Ein letztes Mal schüttelte er den Kopf. Weiße Locken schleuderten eine neue Ladung Wasser in den Hof. "Ich habe dringende Nachricht für König Lucius. Bitte tretet zur Seite."

"Das werde ich gewiss nicht tun", kam eine kühne Antwort. Der barsche Ton verriet Dumbledore sofort, wer der Sprecher war. "Denn ich bin der, den Ihr sucht." Lucius war ein aufgeräumter Kerl mit kurz geschnittenen blonden Haar und Bart. Er trug ein schmales Diadem im römischen Stil, und seine Augen funkelten belustigt.

Dumbledore lächelte, als er den Freund sah, und fasste Lucius bei den Händen "Sei gegrüßt, Majestät. Ich wünsche, wir könnten uns unter günstigeren Umständen wieder sehen."

"unter günstigeren Umständen?" fragte Lucius erstaunt. "könnte es den günstigere Umstände geben als diese? Die Kriege mit Crabbe liegen dank Blaise hinter uns. Das Land blüht auf und genießt großen Wohlstand. Mein Palast hat noch nie so prächtig ausgesehen. Mir wird sogar die Gelegenheit zuteil, der Hofmagier von Camelot zu bewirten, der gerade aus meinem Wasserspiel gestiegen ist. In Benwick lebt es sich vortrefflich, und die Leute haben beschlossen, ihren Tod vorläufig aufzuschieben. Es ist himmlisch hierzulande,"

"Seid da mal nicht so sicher" warnte Dumbledore.

König Lucius Zähne blitzten zwischen den Bartstoppel. Er legte den Arm um Dumbledores Schulter. "Nun gut. Warum seid Ihr also hergekommen, Dumbledore?"

"Ich soll euch für Blaises Um Hilfe gegen die Horden der Sachsen bitten:"

"Blaise hat mir den Frieden geschenkt, er hat tausende meiner Soldaten gerettet"erwiederte Lucius nachdenklich. "Ihm habe ich mein Leben zu verdanken. Ich würde für ihn durchs Höllenfeuer gehen - und es klingt, als müsste ich dies nun tun."

"Allerdings, doch ist es ein Brand von einer ganz anderen Art" erwiderte Dumbledore."Wenn die Sachsen beim Mount Badon siegen, werden sie den ganzen Mittelmarkt einnehmen. Wir würden dann von fremden Gottheiten und heidnischen Horden unterworfen."

Lucius Lächeln wirkte mit einem Mal ein wenig verkrampft. "Eine Horde ist eine Horde, und eine christliche Horde ist nicht besser als eine heidnische" Er knirschte mit den Zähnen. "Doch für Blaise - ja, ich werde meine Truppen schicken."

"Ich denke, er hat wohl zwanzigtausend Eurer Soldaten gerettet" drängte Dumbledore. "Ob er hoffen kann, dass Ihr ihm nun den zehnten Teil davon schickt?"

"Oh, ich gebe ihn mehr als zweitausend. Ich schicke eine ganze Legion - meine besten sogar. Wozu brauche ich die Soldaten im Frieden? Und auch mein Bruder Severus wird eine Legion schicken, wenn Ihr ihn fragt."

Dumbledore nickte dankbar."Ihr seid überaus großzügig. Ich danke Euch. Ich muss jetzt gehen, denn uns bleibt nicht viel Zeit. So werde ich nun mit Severus sprechen."

"Wartet" sagte König Lucius. Er hob die Hand "Ich will Euch noch um eine kleine Gefälligkeit bitten." Er deutete zu einem Durchgang. "Kommt mit, mein Freund, und schaut mit mir die Zukunft meines Königreichs"

Mit einer Hand führte König Lucius Dumbledore über die nassen Steine des Hofs, während die Finger der anderen Hand schnippen eine Befehl erteilten. Edelleute wichen zur Seite, und Diener eilten durch den Bogengang voraus, um alles vorzubereiten.

Dumbeldore fügte sich ergeben. Seine Stiefel quietschten und gluckerten bei jedem Schritt. Benwicks Zukunft- welch hässliches Bild mochte sie am besten darstellen? Ein schmieriges Schwein, das den gierigen Händen des Bauern entkommt? Eine betagte Paste mit verschimmelter Kruste? Ein Trompeter mit dicken Lippen und einem Ohr aus Blech? Derart unfreundliche Gedanken schossen Dumbledore durch den Kopf, als er durch den Gang lief. Es dauerte eine Weile, bis sie einen kleine Nähstube erreichten. Das Zimmer war warm, und viele Menschen hielten sich darin auf. Dienerinnen mit Hauben drängten sich wie ein Chor von Engeln strahlend um ihre Madonna- die blonde Königin Nacissa mit ihrem Säugling.

Dumbledore sank auf die Knie und legte staunen die Hände auf die Wangen. Alte Augen starrten das Neugeboren an.

"Draco ist sein Name" erklärte König Lucius, der neben ihm stand.

"Mein Sohn. Der Erbe meines Throns."

Merlin gaffte wie benommen. Nie wieder,seit er Blaise als Kind gesehen hatte, war ihm solche Schönheit begegnet. Glatt und weich und rein war die Haut, lebendig und göttlich. Ein Knabe, den man als Inbegriff von Ruhm und Schönheit ansehen konnte. Dumbledore war fast geblendet und musste den Blick abwenden. Er schirmte die Augen ab, doch es war zu spät. Schon hatte ihm das Strahlen eine Vision eingegeben.

Er sah Camelot in Trauerfarben. Alle weißen Wände waren mit schwarzen Bannern behängt. Die Pritschen der Garnison waren verwaist. Dicht an dicht ruhten die Krieger in Grabstätten-wenn sie Glück hatten-, oder sie lagen verstreut auf verfressenen Schlachtfeldern. Ein mächtiger Feind hatte sich erhoben und die Ritter dezimiert, Blaise getötet und Camelot dem Vergessen anheim gegeben. Dieser große Feind lag jetzt in Windeln vor Dumbleodre.

"Draco"schnaufte der alte Mann entsetzt. "Das ist aber ein schöner Name"

König Lucius strahlte. "Endlich ward mir ein Erbe geschenkt. Ich werde ihn ein friedvolles Königreich hinterlassen, und er wird es regieren, wenn ich abgetreten bin. Er wird die Welt verändern Dumbeldore."

"Ja das wird er" erwiderte Dumbledore bedrückt.

"Dann segne ihn, Dumbledore"drängte König Lucius ihn. "Ihr genießt die Gunsten des wahren Gottes und all der falschen Gottheiten. Segnet ihn"

Ihn segnen? Diese Kind, das sich erheben und alles vernichten würde, das König Blaise am Mount Badin zu erreichen suchte? Sollte er das Kind nicht besser verfluchen? Oder gleich an Ort und Stelle umbringen? Was zählt eine Legion von Lucius Männern, was zählt eine Legion von Severus Männern, wenn diese Kind ganz allein deren Werk wieder zu zerstören vermochte?

Schweigend senkte sich über den Raum. Dumbledore öffnete den Mund um die lastende Stille zu durchbrechen. Was er schließlich sagte, überraschte ihn sogar selbst. "Diese Kind... dieser Draco...er wird der größte Ritte werden, der je gelebt hat."

Schönheit lag in diesem Kind, doch auch Verderben. Noch nie hatte Dumbledore ein Kind von solch irdischer wie überirdischer Schönheit gesehen. Nicht die Parzen hätten ihn erschaffen. Draco war das Kind Fortunas, ein glücklicher Zufall und ein unverhofftes Zusammentreffen - der richtige Knabe im richtigen Augenblick am richtigen Ort. Der reine Zufall ist es, der Wunderbares und Schreckliches entstehen lässt, und Draco vereinte beides in sich.

"Nun segnet ihn dich schon" drängte König Lucius zähneknirschend. Segne ihn oder töte ihn. Alles Sterbliche in dem Untergang geweiht. Das Leben der Sterblichen ist das wahre Leben. Aus dieses Streben werfen selbst die Engel sehnsüchtige Blicke. Welch ein Verbrechen, das Kind zu segnen, das ein ganzes Land zerstören sollte. Es war Wahnsinn, so oder so.

Dumbledore tastete nach dem Gürte. Dort steckte sein Dolch, und dort war auch der Wasserschlauch. Dumbledore packte den Schlauch, der mit dem Wasser Avalons gefüllt war. Es war zweifellos die gefährlichere Waffe. Er zog den Stöpsle ab und ließ einen Strahl auf seine verschrumpelten Finger laufen.

Dann legte Merlin dem Jungen die Hand auf die Stirn. Mit den Fingern konnte er den weichen Schädel umschließen. Er spürte die Lücke zwischen den wachsenden Knochen, die nachgiebigen Stellen, die bei der Geburt so nützlich waren und die es ihm jetzt erlaubt hätten, das Kind mühelos zu töten. Das Wasser von Avalon rann über Dracos winzigen Kopf und sammelte sich in den Höhlen um die blauen Augen. "Ich segne dich, mein Kind, mit den Worten des alten Täufers, der einst sagte: Und ich kannte ihn nicht, hätte es mir derjenige, der mich schickte,nicht gesagt. Solch wachse heran , Draco, wie ein jedes Kind unter dem Himmel tut, und werde, was zu werden dir bestimmt ist." Dumbeldores Hand zitterte, als er sich zurückzog. Ihn schwindelte.

König Lucius fasste seinen Ellenbogen "Er lässt euch taumeln?"

"Ja"Dumbeldore nickte "Ich schwanke vor Schwäche."

"Er wird noch mehr tun als das. Wunder wird dieser Knabe wirken..."

"Er wird die Welt verändern"

"Er wird mehr sein als der größte Ritte,der je gelebt hatt", drängte Lucius. "Das Schicksal wird ihn zum größten König aller Zeiten machen."

"Das Schicksal ist ein anderes Wort für Entscheidungen, die noch nicht gefallen sind," Unterbrach Dumbledore ihn.

Der König deutete auf seinen Erben, als wollte er Merlins Gedanken fortsetzen. "Glaubt mir, er wird an Größe sogar Blaise ebenbürtig sein."

"Ganz gewiss."

"gegenüber König Dracos Herrschaft wird Camelot eine Posse sein."

Dumbeldore holte tief Luft" Ich kann Euch nicht widersprechen."

"Gut" antwortete der König. Er nahm von einem Diener, der beflissen in der Nähe gewartet hatte, einen schäumenden Krug entgegen "Auf Draco."

Dumbledore, ebenfalls mit einem Krug versorgt, stimmte ein. "Auf Draco." Die metallenen Krüge stießen scheppernd zusammen., das Gebräu schwappte über die Ränder. Die Männer tranken.

"Ich danke Euch König Lucius, für Eure großzügige Gastfreundschaft. Lehrt auch Draco den Wert der Gastfreundschaft. Lehrt ihn , jeden ins Herzu zu schließen, dem er begegnet, vor allem sich selbst."

"Wie immer sprecht ihr kluge Worte, weiser alter Mann" erwiderte König Lucius.

Dumbledore schüttelte traurig den Kopf. "Wenn ich die Wahrheit verkünde sollte, müsste ich sagen ,dass Draco Blaises liebster Schützling und zugleich sein größter Feind sein wird."

Entsetzt verzog König Lucius das Gesicht. Er starrte da zartes Gesicht des Knaben Draco an. "Wie könnt Ihr so etwas über seine Zukunft sagen? Zur Hälfte Enge und zur Hälfte Teufel soll er sein? Und selbst wenn Ihr Recht habt, alter Weiser, wie könnt Ihr mir und Meiner Königin so etwas sagen?"

"verzeiht mir" erwiderte Dumbledore und verneigte sich tief. Er kehrte Dracos strahlenden Antlitz den Rücken und schritt über feuchte Teppiche zurück zum Brunnen "Habt Dank für die Truppen."

"Mein Bruder freut sich gewiss, Euch zu sehen, und wird Euch weitere Männer geben" versprach König Lucius.

Merlin lächelte. "Gut. Ich werde ihm alles bereichten, was sich ereignet hat. Ich werde ihm von Badon Hill und von den Sachsen erzählen, von den Legionen und den Toten. Wenn er dann immer noch Truppen schicken will, werde ich ihm auf Knien danken."

"Das wird nicht nötig sein."

Als Dumbledore in den Brunnen getreten war, schnippte er mit den Fingern" Wir werden sehen."

Minerva ergriff ihn, und wieder bewegten sie sich rasch durch das Grundwasser von Benwick.

"Hat er dir die Soldaten gegeben, die du brauchst?"

"Ja, und er war großzügig, doch er gab mir mehr , als ich haben wollte."

Sie schien mit den Achseln zu zucken. "Welche Rolle spielt schon ein einziger Krieger?"

"In diesem Fall ist einer mehr der Untergang"