Das Rauschen der Felder im Wind

Der Wind strich über die Ähren der Felder. Goldgelb standen sie in der Augustsonne, die vom Himmel herunter stach und die Landschaft versenkte. Wie Wellen bewegte sich das Getreide auf dem kleinen Feld. Die Luft flirrte vor Hitze trotz des Windhauches, der immer wieder rauschend einsetzte.

Seine Sinne waren benebelt und sein Bewusstsein hatte sich schon vor längerer Zeit verabschiedet. Unterbewusst hörte er nur noch das auf und abschwellende Geräusch des Windes. Sein dämmriges Gehirn machte daraus ein leises Flüstern. Einen Namen, welcher immer wieder vom Wind an sein Ohr getragen wurde.

"Scare-crow."

Vor vielen Stunden hatte sein Körper aufgehört zu schmerzen. Ein Verstand kann nur begrenztes Leid aushalten, dann schaltet er ab, aus Selbstschutz.

Die Stricke die seine Arme an der waagerechten Stange hielten, hatten blutige Striemen hinterlassen. Zu Beginn hatte er sich dagegen gewehrt, hatte sich versucht zu befreien. Um Hilfe gerufen, gehofft das sie wieder kommen. Diesen dummen Streich beenden würden.
Aber er blieb allein, nur das ewige Flüstern der Felder leistete Beistand.

Die Sonne brannte auf sein schwarzes Haar und den entblößten Hals. Sein Kopf war nach vorne gefallen auf die Brust, als er nicht mehr die Kraft gehabt hatte ihn selbst zu halten. Nur an den Stellen, wo sie ihm die zerfetzten Kleidungstücke übergezogen hatten, war seine Haut nicht verbrannt.

Der Wind flaute auf, die Ähren wisperten.

"Scare –crow"

„Bindet ihn schön fest. Wir wollen doch nicht das die Vogelscheuche beim kleinsten Windstoß herunter fällt"

Gelächter, Hände die ihn an das Holzkreuz drückten, noch mehr Hände die ihn die zerrissenen Sachen überstreiften, Seile. Dann ein Ruck und die Schmerzen die sich durch den ganzen Körper ausbreiteten. Gelächter was sich entfernte.

Danach kam nur noch die sengende Sonne, Schmerzen und die Hoffnung, die starb. Niemand würde ihn befreien, die lebende Vogelscheuche. Aufgehängt zum Amüsement, derer die sich Stark und Mächtig fühlten. Als lächerlicher Furchtbringer für die Vögel, die längst den Trick mit der Strohpuppe durchschaut hatten.

"Scare – crow"

Bald würde es Abend werden und die teuflische Sonne verschwinden. Schemen glitten durch die Helligkeit die er nur noch verschwommen wahrnahm. Kleine Hände mit spitzen Nägeln griffen nach ihm. Dünne Finger krallten sich in seine Arme und den Nacken.

"Scare – crow"

„Schnell holt ihn da runter!"
Die spitzen Finger auf ihm stoben davon und größere Schatten kamen in seine Reichweite. Sie bewegten seinen tauben Körper. Bunte Lichte tanzten um ihn herum, Stimmengewirr wie ein brausender Orkan brach aus. Aber alles was er hört, als man ihn in auf die Trage legte und in den eilig herbei gerufenen Rettungswagen schob war das Rauschen der Felder im Wind.

"Scarecrow"