Kapitel Eins

Die Sonne stand schon tief und es wurde langsam düster in Lorien. Vorsichtig bahnte sich Soreya ihren Weg durch den goldenen Wald, aber nicht vorsichtig genug. Sie blieb mit ihrem Fuß an einer Wurzel hängen und fiel der Länge nach hin. „Verflucht" schimpfe sie und versuchte wieder aufzustehen. Als sie sich wieder hochgerappelt hatte und den schmerzenden Fuß belastete, sank sie schreiend zusammen. „Na, toll. Das ist wieder typisch. Muss ich mir auch den Fuß verstauchen" motzte sie vor sich hin. Soreya bemerkt nicht, das sie mittlerweile Besuch bekommen hatte. Es war Haldir, der oberste Befehlshaber der Lorischen Elbenarmee. „Na, na… eine so hübsche Dame sollte nicht solche Worte in den Mund nehmen" sagte er und ging neben ihr in die Knie, um sich das kleine Missgeschick genauer anzusehen. Erschrocken sah Soreya zu ihm hin und erwiderte „Ich bin an dieser doofen Wurzel hängen geblieben und hingefallen. Was muss das doofe Teil auch hier aus der Erde wachsen." Haldir grinste und meinte nur „Das ist ein Wald und da wachsen nun mal Bäume und die haben Wurzeln, die gelegentlich aus dem Erdreich ragen." Vorsichtig untersuchte er den Knöchel und stellte fest, dass nichts gebrochen ist. „Ist nur etwas verstaucht dein Fuß, aber das sollte in ein paar Tagen wieder werden." „Na, das hab ich auch schon vorher gewusst" maulte Soreya und versuchte aufzustehen, was ihr misslang. Einen Schrei unterdrückend sank sie wieder auf den Boden und verzog schmerzverzerrt ihr Gesicht. „Soll ich dir vielleicht helfen" bot er ihr an und bevor sie noch irgendwas sagen konnte, hatte er sie schon hochgehoben. Aufmerksam, aber doch zügig trug er sie in Richtung Haupthaus, in welchem sich sein Zimmer befand. Dort angekommen setzte er sie auf einen kleinen Stuhl und verließ das Zimmer, um einen Verband und ein paar Kräuter zu holen. In der Zwischenzeit sah sich Soreya etwas im Zimmer um. Es war fein und edel eingerichtet, die Vorhänge waren mit schönen Stickereien verziert, die Möbel waren gewählt ausgesucht und das Bett war riesig. Solch ein großes Bett hatte sie noch nie gesehen.

Jäh wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als die Tür aufging und Haldir das Zimmer betrat. Er hatte eine kleine Schüssel und einen Verband dabei, welche er beide auf dem Tisch neben Soreya abstellte. „Tut es noch sehr weh?" fragte er und ging vor ihr in die Knie, um ihr die Lederstiefel auszuziehen. „Momentan nicht… Aua, das tat jetzt weh" antwortete sie und zuckte leicht zusammen. „Ist gleich wieder vorbei" meinte Haldir und legte den Verband mit den heilenden Kräutern an. Als er fertig war, stand er wieder auf und sah sie an. Neugierig betrachtete sie den verbunden Fuß und meinte „In den Stiefel pass ich jetzt nicht mehr rein." „Den brauchst du die nächsten paar Tage nicht anziehen, denn der Verband sollte doch etwas länger dran bleiben" erwiderte Haldir und konnte ein grinsen nicht unterdrücken. „Ich find das gar nicht so lustig, wie du" motzte Soreya und versuchte aufzustehen. „Das würde ich noch nicht probieren" protestierte Haldir, aber da stand sie schon und sank mit einem Stöhnen zurück auf den Stuhl. „Super und wie soll ich jetzt…" „Jetzt beruhig dich mal wieder. Bist du immer gleich auf 180 Grad, wenn dir irgendwas nicht passt?" unterbrach sie Haldir und sah sie forschend an. Er wartete regelrecht auf einen erneuten Gefühlsausbruch von ihr, aber sie blieb stumm und senkte nur ihren Kopf. „Tut mir leid, aber heute ist schon so einiges schief gegangen und… tut mir echt leid, wenn ich etwas ausfallend dir gegenüber geworden bin" sagte Soreya und blickte weiter starr auf den Boden. „Entschuldigung angenommen. Hast du heute schon zu Abend gegessen? Wenn nicht, darf ich dir vielleicht was bringen oder besser, ich nehme dich gleich mit runter in den Saal. Es müsste noch was zu essen geben" meinte Haldir, legte eine Hand an ihr Kinn und hob ihren Kopf soweit, das sie ihn ansehen musste. „Nein" brachte sie gerade noch heraus, bevor sie in Tränen ausbrach. Vorsichtig nahm er sie in den Arm und tröstete sie. „Was ist denn schlimmes vorgefallen, dass du gleich weinen musst" fragte er sie, nachdem sie sich langsam wieder beruhigt hatte.

„Ach, eigentlich nichts Wichtiges" stotterte sie, drückte sich etwas von ihm weg, um sich die Tränen aus dem hübschen Gesicht zu wischen. „Na, so unwichtig kann es nicht sein, wenn es dich so sehr mitnimmt" sagte er ruhig und tupfte eine Träne weg, die sich gerade den Weg über ihr Gesicht bahnte. „Magst du mir erzählen, worum es geht?" hakte er vorsichtig nach und sah ihr in die Augen. „Nein, lieber nicht… noch nicht…" erwiderte sie und sah verstohlen an ihm vorbei in Richtung des Fensters. „Ist in Ordnung" sagte er, hob sie hoch und trug sie Richtung Speisesaal.

Angekommen, setzte er sie vorsichtig auf einen Stuhl und verließ gleich darauf das Zimmer. Etwas erschrocken sah sie ihm nach und wartete darauf, dass jeden Moment jemand hereinkam und sie fragte, was sie hier überhaupt zu suchen hatte. Soreyas Kleidung war noch etwas verschmutzt und irgendwie fühlte sie sich hier nicht ganz wohl. Langsam versuchte sie aufzustehen, was ihr auch dieses Mal nicht gelangt. Leise vor sich hinfluchend setzte sie sich wieder und wartete darauf, das Haldir endlich wieder auftauchen würde. Die Minuten vergingen sehr langsam und nach einer halben Ewigkeit, so kam es ihr vor, betrat er wieder den Raum. „Tut mir leid, die anderen haben schon gegessen, aber ich hab uns was mitgebracht" sagte er und stellte ihr einen Teller hin. „Danke" murmelte sie nur und begann auch gleich zu essen. Soreya hat einen sehr guten Appetit und der Teller war binnen weniger Minuten bis auf den letzten Krümel geleert. „Was? Du bist schon fertig?" fragte Haldir etwas verwundert, da er gerade erst mal zu essen angefangen hatte. „Ja und es hat sehr gut geschmeckt" erwiderte sie und grinste ihn an. „Willst du noch was haben? Ich kann dir noch etwas aus der Küche holen" meinte er, aber sie verneinte und lehnte sich zurück.

Nachdem auch Haldir aufgegessen hatte, brachte er die Teller zurück und trug Soreya in sein Zimmer zurück. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen und Soreya machte anstallten zu gehen. „Wo willst du den hin?" fragte er sie und drückte sie sanft in den Stuhl zurück, auf den er sie gesetzt hatte. „Mir einen Platz zum schlafen suchen" antwortete sie und versuchte zu lächeln. „Verstehe ich das richtig? Du hast keinen Platz zum übernachten?" „Nein, eigentlich nicht, aber ich werde schon was finden, wo ich etwas schlafen kann und…" „Nichts da. Du kannst bei mir schlafen. Das Bett ist groß genug und morgen suchen wir dir ein Zimmer. In diesem Zustand lass ich dich jetzt nicht gehen" unterbrach er sie energisch und verließ kurz das Zimmer, um in dem kleinen Nebenraum ein Nachthemd zu holen. „Wie und mit wem bist du eigentlich nach Lorien gekommen? Wo sind deine Freunde und Familie?" redete er weiter. „Na ja" druckste sie herum „Ich bin mit ein paar Händlern nach Lorien gekommen, um meine Eltern zu suchen. Aber es stellte sich heraus, das sie tot sind… von Orcs ermordet … und jetzt weiß ich nicht was ich machen soll… und ich will dich nicht mit meiner Anwesenheit belästigen … am Besten geh ich wieder dahin, wo ich hergekommen bin und störe niemanden mehr." Die letzten Worte verstand er nur sehr schlecht, da sie zum Weinen angefangen hatte. Haldir ging wieder ins Hauptzimmer und versuchte sie zu trösten. „Es wird alles wieder gut, versprochen und so lange kannst du bei mir bleiben" sagte er sanft und nahm sie in den Arm. „Danke" schluchzte sie und hielt sich an ihm fest. Als sie sich endlich wieder beruhigt hatte, gab er ihr das Nachthemd und verließ das Zimmer mit den Worten „Ich komm gleich wieder."

Soreya stand auf, hüpfte auf einem Fuß zum Bett hinüber und begann sich auszuziehen. Als sie es endlich geschafft hatte, lege sie sich in das große Bett und zog die Decke bis zum Kinn hoch. `Ist das schön weich und warm… ich hab das eigentlich gar nicht verdient… aber wieso ist er so gut zu mir… er kennt mich nicht einmal` dachte sie sich und sah sich noch mal im Zimmer um. Die Tür wurde geöffnet und Haldir betrat das Zimmer. „Na, du liegst ja schon im Bett" sagte er und grinste. „Ich hab leider kein freies Zimmer gefunden, daher müssen wir uns wohl das Bett für heute Nacht teilen, wenn du nichts dagegen hast." „Ähm, nein… es ist ja dein Bett und nicht meins und groß genug ist es ja auch" erwiderte sie und lächelte.

Haldir begann seine Stiefel und dann sein Hemd auszuziehen. Als Soreya merkte, dass sie ihn dabei anstarrte, drehte sie sich schnell zur Seite und sah aus dem Fenster. Sie spürte, dass sich die Matzratze etwas senkte, als er sich ins Bett legte. Beide wünschten sich noch eine gute Nacht und kurz darauf war sie eingeschlafen.

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