Inhalt: Wildfang Elizabeth Bennet ist süße zehn Jahre alt, als sie den ernsten Studenten Fitzwilliam Darcy (18) und seine Schwester Georgiana, ebenfalls 10 Jahre alt, auf Netherfield kennenlernt. Mit Georgiana verbringt sie zwei unvergeßliche Sommer in Hertfordshire, dann verlieren sich die beiden aus den Augen. Sieben Jahre später treffen sich die Freundinnen in London wieder - aus Elizabeth ist ein hübscher Teenager geworden, den Fitzwilliam nun mit völlig anderen Augen sieht, aber sie findet ihn noch genauso langweilig wie früher...

Die prüde Zimperliesenwarnung vor allem für Puristen: Im Prolog erfährt man schon, daß etwas recht unschickliches passiert - also bitte seid gewarnt... :-) Ach ja, und die Geschichte ist aus Elizabeths Sicht in der Ich-Fassung geschrieben, ihre Sprache mag darüberhinaus ein wenig flapsig rüberkommen für Regency-Verhältnisse!


Prolog

Die Akteure haben zu Beginn der Geschichte folgendes Alter:

Jane Bennet 13 Jahre

Lizzy Bennet 10 Jahre

Mary Bennet 8 Jahre

Kitty Bennet 6 Jahre

Lydia Bennet 4 Jahre

Louisa Bingley 18 Jahre

Charles Bingley 16 Jahre

Caroline Bingley 14 Jahre

Fitzwilliam Darcy 18 Jahre

Georgiana Darcy 10 Jahre

Wenn es etwas auf dieser Welt gab, für das ich Morde begehen würde, dann waren es Mrs. Sherwoods selbstgebackene Mandelplätzchen. Dazu eine Tasse heißen Kakao und meine Welt war in bester Ordnung. Gemeinerweise ließ sie sich nur im Herbst und Winter zum Backen dieser Plätzchen verleiten – ‚das ist doch kein Gebäck für den Sommer, Ma'am!' sagte sie immer entsetzt, wenn ich trotzdem versuchte, sie zu überreden. Es war immer erfolglos.

Glücklicherweise war es mittlerweile Herbst geworden und Mrs. Sherwood hatte mich heute morgen bei unserer täglichen Besprechung mit meinen geliebten Plätzchen überrascht. Ich mußte mich sehr zurückhalten, um nicht alle alleine aufzuessen und beschloß, nachdem Mrs. Sherwood gegangen war, mich auf die Suche nach meinem Ehemann zu machen, um ihn auch ein wenig an der Leckerei teilhaben zu lassen. Die Betonung lag auf „ein wenig"!

Etwas mühsam hob ich meinen umfangreichen Körper aus dem bequemen Sessel und atmete tief durch. In zwei Monaten würde unser drittes Kind zur Welt kommen, hoffentlich noch vor Weihnachten. Winter war eine schöne Zeit, um ein Kind zur Welt zu bringen, fand ich und erinnerte mich an meine erste Schwangerschaft. Die Zwillinge, Alexander und Victoria, waren im März vor fünf Jahren geboren worden – einem kalten Winter und kühlen Frühling war damals der wahrscheinlich heißeste Sommer gefolgt, den Derbyshire jemals gesehen hatte!

Ich lächelte ein wenig schuldbewußt und errötete bei dem Gedanken daran, ob sich jemand damals die Mühe gemacht hatte, genauer nachzurechnen. Die Zwillinge waren nämlich um einiges zu früh auf die Welt gekommen – ich war – ganz unschicklich und äußerst skandalös – vor meiner Hochzeit schon schwanger gewesen. Außer meiner Schwester Jane wußte niemand davon. Das hoffte ich zumindest.

Der Gedanke daran brachte mich zu meinem ursprünglichen Plan zurück, meinem Ehemann etwas von den Plätzchen abzugeben. Er hatte sich nach dem Frühstück gleich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen – der Ärmste hatte momentan so viel zu tun – also nahm ich den Teller, gönnte mir selbst noch ein Stück dieser köstlichen Leckerei und machte mich auf den Weg.

Fitzwilliam erhob sich lächelnd, als ich eintrat, und kam auf mich zu. „Hallo, mein Schatz," sagte er und beäugte interessiert den Teller in meiner Hand. „Hmmmm... Mrs. Sherwoods Mandelplätzchen. Sind die für mich?" Ich nickte und er nahm mir den Teller ab. Ganze drei Stück hatte ich ihm übriggelassen, wie ich beschämt feststellte. Der Weg vom Frühstücksraum zu seinem Arbeitszimmer war aber auch so schrecklich weit...

Er stellte den Teller ab – außerhalb meiner Reichweite, wohlgemerkt – und umarmte mich zärtlich. Seine Hände lagen auf meinem umfangreichen Bauch und er lächelte, als er die Tritte des Babys in mir spürte. „Fühlst du dich gut, Liebes?" murmelte er und ich spürte seine Lippen an meiner Wange. Ich nickte. „Ja, sehr gut." Ich schielte zum Teller hinüber. „Meinst du, ich könnte noch eins..." Fitzwilliam lachte und schüttelte den Kopf. „Wie viele davon hast du heute schon gegessen? Ich glaube, ich muß ein ernstes Wort mit Mrs. Sherwood reden, sie soll nicht mehr so viele Mandelplätzchen machen."

Bevor ich antworten beziehungsweise doch noch eins der Plätzchen ergattern konnte, hörten wir Lärm auf dem Gang. „Miss Victoria! Miss Victoria, bleiben sie stehen! Miss Victoria! Nein!" Lautes Lachen gemischt mit einem ausgelassenen Quieken ertönte, die Tür zum Arbeitszimmer flog auf und herein stürmte ein Wirbelwind mit wild zerzausten, dunklen Locken, roten Wangen, leuchtenden braunen Augen und sehr, sehr blauen Tintenfingern. Hinterher folgte das Kindermädchen, atemlos und ebenso gerötet, mit einer Puppe in der Hand.

Ich warf Fitzwilliam einen Blick zu. Er hatte Mühe, sich das Lachen zu verkneifen, aber selbstverständlich durfte er sich seine Autorität nicht von seiner kleinen Tochter untergraben lassen und sah sie entsprechend streng an, so schwer es ihm auch fiel. Vicky war sofort strahlend auf ihn losgestürmt, erstarrte aber, als sie seine ernste Miene sah. Hannah, das Kindermädchen, holte tief Luft. „Entschuldigen sie bitte, Sir, ich bringe sie sofort wieder zurück." Fitzwilliam winkte ab. „Es ist gut, Hannah. Sie können gehen." Ich nickte ihr beruhigend zu um ihr klarzumachen, daß sie keine Schuld traf. Wir kannten unsere wilde Tochter gut genug, um das jedenfalls anzunehmen. Hannah verließ leise das Zimmer.

Fitzwilliam nahm wieder hinter seinem Schreibtisch platz und wandte sich seiner Tochter zu, die – mittlerweile lammfromm – an seiner Seite stehengeblieben war. „Also? Was hast du angestellt?" fragte er mit ernster Miene. Vicky kaute auf ihrer Unterlippe herum – eine dumme Angewohnheit, die sie offenbar von mir geerbt hatte – und blickte schweigend auf ihre Schuhe. „Ich warte!" sagte ihr Vater bemüht streng. Vicky richtete schließlich ihre großen, dunklen Augen, die den seinen so ähnlich waren, auf ihn und blickte trotzig zurück. „Alexander hat mich geärgert," murmelte sie dann. Fitzwilliam sah sie zweifelnd an. Er vermutete, ebenso wie ich, eher das Gegenteil, unser Sohn war im Vergleich zu seiner Zwillingsschwester der ruhige Pol und ließ sich nicht leicht provozieren. „Was hast du mit Alexander gemacht, Vicky?" fragte ich und warf einen Blick auf ihre Hände. „Deine Hände sind voller Tintenflecken!"

Langsam bekamen wir die ganze Geschichte aus ihr heraus. Die beiden Geschwister hatten zweimal die Woche Unterricht und Alexander nahm die Sache sehr ernst. Er liebte es, schreiben und lesen zu lernen, während Vicky nicht gerne stillsaß, jeden Augenblick nutzte, zu entwischen, sich draußen im Freien aufzuhalten (woher sie das wohl hatte) oder ihn zu irgendeinem Unsinn anstiften wollte. Ihr ernsthafter, verantwortungsvoller Bruder (leider auch nicht mein Erbteil), hatte es offenbar abgelehnt, mit ihr vor dem Unterricht nach draußen zu gehen, um sich einen Wurf Katzen im Stall anzuschauen. Aus lauter Wut darüber, daß er nicht mitkommen wollte, hatte Vicky das Tintenfaß umgeworfen und war aus dem Zimmer gerannt. Hannah war ihr gefolgt, was Vicky als Wettrennen aufgefaßt hatte, bis sie schließlich vor ihrem Vater stand.

Ich wußte, wie schwer es Fitzwilliam fiel, seine Kinder zu bestrafen. Alexander gab sowieso im seltensten Fall Grund dazu (er war das bravste Kind, das ich je gesehen hatte – von mir hatte er in dieser Beziehung rein gar nichts geerbt, Gott sei Dank!), aber Vicky war ein ungezähmter Wildfang. Auch etwas, das sie von mir geerbt hatte, wie ich eingestehen mußte. Manchmal glaubte ich wirklich, meine Tochter hatte nur meine negativen Seiten von mir mitbekommen. Aber sie war Papas Sonnenschein – und Fitzwilliams ‚Strafen', wenn man sie denn überhaupt so nennen konnten, fielen meist sehr, sehr milde aus. Ja, Victoria Darcy hatte wirklich keinerlei Probleme, ihren Vater um den kleinen Finger zu wickeln.

Fitzwilliam seufzte und hob seine Tochter auf seinen Schoß. „Vicky, du weißt, daß das nicht richtig war, nicht wahr?" Sie schaute ihn niedergeschlagen an und ich konnte sehen, wie sein Herz schmolz wie Butter in der Sonne. „Es tut mir leid, Papa." „Und daß man nicht einfach Türen aufreißt und in Zimmer rennt, ist dir auch bewußt, ja?" Vicky nickte stumm. „Also gut. Du gehst dir jetzt die Hände waschen und anschließend zurück zum Unterricht. Dann entschuldigst du dich bei deinem Bruder und Mr. Ainsworth." „Jawohl, Papa." „Und für den Rest des Tages bleibst du im Haus, Victoria." Ihr niedergeschlagener Blick verwandelte sich auf der Stelle in Panik. Das war die schlimmste Strafe für sie. Das, und daß er sie Victoria nannte, nicht Vicky. Immer ein untrügliches Zeichen, daß er böse oder unzufrieden mit ihr war. Oder noch schlimmer, enttäuscht.

„Im Haus bleiben, Papa?" flüsterte sie entsetzt. „Darf ich mir nachher nicht die kleinen Kätzchen ansehen?" Fitzwilliam schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Du darfst dir morgen die Katzen ansehen." Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber ihr Vater blieb fest. „Du kannst jetzt gehen, Kind." Sanft hob er sie hoch, stellte sie auf den Boden und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. „Ja, Papa," murmelte sie und schlich bedrückt aus dem Zimmer.

Ich trat hinter seinen Stuhl und legte ihm die Hände auf die Schultern. Fitzwilliam seufzte, legte seine Hände auf meine und schaute zu mir hoch. „Ach Elizabeth, ich kann es nicht ertragen, sie so traurig zu sehen." „Sie wird es überleben, Fitzwilliam. Ein Tag Hausarrest schadet nicht." „Ja, ich weiß. Und es ist ja auch nicht unverdient." Er seufzte wieder, dann lachte er plötzlich auf. „Weißt du, sie erinnert mich so sehr an dich, Liebling."

Er zog mich auf seinen Schoß und legte seine Arme um meinen umfangreichen Leib. Ich hatte Angst, daß ich ihn mit meinem Gewicht erdrücken würde, aber es schien ihm nicht das geringste auszumachen. „Ach Liebster," seufzte ich resigniert, „ich wünsche mir oft, sie käme in dieser Beziehung nicht so sehr nach mir." Fitzwilliam zog meinen Kopf an seine Schulter und streichelte sanft meinen Rücken. „Nein, im Gegenteil. Ich finde es wundervoll, daß sie nach dir kommt. Sie ist genauso hübsch und ungezähmt wie ihre Mama."

„Der arme Mann, der sie einmal heiraten wird!" murmelte ich und Fitzwilliam schmunzelte. „Er wird sie zu bändigen wissen, genau wie ich ihre Mutter gebändigt habe," sagte er und erhielt daraufhin von mir einen schmerzhaften Knuff in die Seite. „Du wirst mir doch hoffentlich rechtgeben, Elizabeth," grinste er, erstickte jedes Widerwort meinerseits mit einem zärtlichen Kuß und wußte genau, ich konnte ihm nicht lange böse sein. Und so unrecht hatte er nicht, zugegeben. Vor allem zu Beginn unserer Ehe hatte ich ihm das Leben sehr schwergemacht. Wir hatten unsere Kämpfe, wenn ich meinen sturen Kopf durchsetzen wollte, aber Fitzwilliam hatte recht, er hatte mich letztendlich gebändigt. Na ja, teilweise jedenfalls. Ich konnte noch immer recht störrisch sein, aber Fitzwilliam hatte nie einen Zweifel daran gelassen, wie ich mich als Herrin von Sandhurst Manor zu verhalten hatte. Als die Zwillinge schließlich auf der Welt waren, war ich auch schon viel, viel ruhiger geworden. Aber wenn ich daran dachte, was wir alles gemeinsam durchgemacht hatten… puh!

„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals zum ersten Mal nach Netherfield kam," sprach er weiter. „wie alt warst du zu der Zeit, zehn?" Ich nickte. „Und du warst achtzehn. Und ein fürchterlich ernsthafter Cambridge-Student." Ich legte meinen Kopf an seine Halsbeuge und erinnerte mich zurück an den Sommer vor vielen Jahren, in dem ich Fitzwilliam und seine Schwester kennengelernt hatte. „Damals waren acht Jahre Altersunterschied eine Menge," sagte ich. Fitzwilliam nickte. „Oh ja. Du warst noch ein Kind. Ein sehr, sehr wildes und furchtbar unerzogenes Kind."

Ich knuffte ihn wieder und revanchierte mich gleich darauf. „Und du warst so ziemlich der arroganteste und langweiligste Bursche, den ich bis zu diesem Zeitpunkt je gesehen hatte," konterte ich und fing gleich darauf an zu quietschen, weil er eine Kitzelattacke startete, die sehr bald in einer leidenschaftlichen Küsserei endete.

Diesen überaus unschicklichen Moment nutzte Mrs. Sherwood, um ins Zimmer zu kommen. Ihr erster Blick galt ihrem sonst so ernsthaften und wohlerzogenen Herrn, der mit verwuschelten Haaren hinter seinem Schreibtisch saß, die Hände im Kleid seiner hochschwangeren Frau vergraben. Die Haushälterin verkniff sich ein amüsiertes Lächeln und tat so, als wäre es das normalste der Welt, ihren Arbeitgeber so zu sehen. Um die Wahrheit zu sagen, es war bei weitem nicht das erste mal, daß sie uns in einer solch intimen Situation überraschte. Auf Sandhurst Manor mußte man ständig damit rechnen, den Hausherrn und seine Ehefrau in liebevollem Umgang miteinander anzutreffen. Die Dienerschaft hatte – vor allem am Anfang – einiges zu staunen gehabt. Weniger über den Hausherrn, als vielmehr über seine skandalöse Ehefrau, die im Teich Frösche fing, ohne Sattel ausritt, keine sittsame Haube trug, mit ihrem Gatten – ganz gegen dessen früheren Gewohnheiten – die Nächte auf den großen Bällen durchtanzte und die Zahl der nachmittäglichen Teestunden mit ehrbaren Nachbarinnen verschwindend klein hielt. Als die Zwillinge auf der Welt waren, steigerte sich das ganze noch etwas. Fitzwilliam war ein liebevoller und engagierter Vater, der so viel Zeit wie möglich mit seinen Kindern verbrachte. Es war eben alles etwas anders bei uns auf Sandhurst Manor.

Ich erhob mich schwerfällig, zog mein Kleid zurecht und verließ mit leicht gerötetem Gesicht das Zimmer, während Mrs. Sherwood einem ebenfalls etwas verlegenen Fitzwilliam die Post überreichte.