Adora saß vor dem Spiegel in ihrem Zimmer und betrachtete ihr Abbild, das ihr aus leeren Augen entgegenblickte. Es war bereits früher Nachmittag, doch die Prinzessin von Eternia hatte ihr Zimmer an diesem Tag noch nicht verlassen.
Prinzessin von Eternia… Überall wurde sie mit diesem Titel angesprochen, und es bereitete ihr Unbehagen. Sie fuhr fort, ihre Reflexion im Spiegel zu betrachten. Weshalb war sie hier? Weshalb hatte sie nicht in der Schlacht um den Königspalast ihr Ende finden können? In den alten Mythen hieß es, die Götter seien rachsüchtige Wesen, die menschliche Fehler nicht leicht vergaben. Wie Adora nun dasaß, war sie geneigt, diesen Geschichten Glauben zu schenken. Sie spürte Tränen aufsteigen, kniff die Lippen zusammen und blinzelte sie weg. Zeig niemals Schwäche. Sie würde nicht weinen. Doch was sollte sie tun? Sie wusste es nicht. Handle niemals ohne Plan. Solange sie nicht wusste, was sie tun sollte, würde sie in ihrem Zimmer bleiben.
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„Adam!"
Königin Marlena kam in einen der Gärten des Palastes hinaus, in dem sich ihr Sohn gerne aufhielt. Sie hoffte, ihn hier vorzufinden, nachdem er nicht in seinem Zimmer oder den anderen Räumen des Palasts gewesen war.
„Mutter?"
Der Prinz von Eternia stand gemeinsam mit seinem treuen Haustiger Cringer an einem Brunnen und hatte sich auf den Ruf seiner Mutter hin umgedreht.
Marlena seufzte. Er sah älter aus als er war, seit die Horde auf Eternia aufgetaucht war, und insbesondere seit der großen Schlacht um den Palast. „Adam, ich habe dich gesucht. Wie geht es dir?"
Es war eine Frage, die sie immer stellte, doch in diesen Tagen waren die Antworten weniger erfreulich als sonst.
„Ich kann nicht sagen, dass es mir besonders gut geht. Doch wie geht es dir? Und Vater?"
Marlena seufzte. „Du kennst deinen Vater. Er hasst es, nicht aus dem Bett zu kommen, aber es wird noch eine Weile dauern, bis er wieder gesund ist, und bis dahin muss er sich schonen."
„Nun, immerhin wird er wieder gesund werden…" Adam sah, wie die Schultern seiner Mutter etwas nach unten sackten. „Verzeih, ich wollte nicht - "
„Es ist schon gut, Adam. Ich weiß, dass die Situation für dich schwieriger ist als für alle anderen."
Adam zog fragend eine Augenbraue hoch.
Marlena zeigte den Hauch eines Lächelns. „Denkst du, ich weiß nicht, wie du für sie empfindest? Und für deine Schwester?" Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. „Du solltest nicht in dieser Lage sein. Ich habe mir immer gewünscht, dass unsere Familie glücklich ist, und es tut mir sehr leid, dass wir so schwere Zeiten durchmachen müssen. Trotzdem bin ich froh, dass wir Adora wieder gefunden haben…"
Adams Augen weiteten sich. „Denkst du denn, ich wäre nicht froh darüber? Sie ist meine Zwillingsschwester, und ich liebe sie, seit ich weiß, dass es sie gibt!"
Marlena lächelte. „Dann solltest du mit ihr sprechen und ihr das sagen."
Adam seufzte und drehte den Kopf zur Seite. „Ich weiß… Aber ich fühle mich, als würde ich Teela damit verraten. Es ist albern, aber…" Er brach ab.
Marlena nickte. „Ich verstehe, Adam." Sie blickte einen Moment schweigsam in die Ferne, bevor sie fortfuhr. „Ich denke, sie brauchen beide deine Hilfe, doch Adora noch mehr als Teela. Du solltest mit ihr sprechen, Adam. Ich würde es selbst tun, doch sie verschließt sich vor mir und verlässt auch nicht ihr Zimmer. Sie versteckt sich seit Tagen vor der Welt, und ich fürchte, sie wird daran zerbrechen, wenn du ihr nicht hilfst."
Er holte tief Luft und nickte dann. „Du hast Recht, Mutter. Ich werde noch heute mit ihr reden."
Marlena umarmte ihren Sohn. „Danke, Adam." Danach kehrte sie in den Palast zurück. Seit Randor in der großen Schlacht verwundet worden war, oblag ihr die Führung des Königreichs, und auch wenn sie in diesem Moment gerne bei Adam geblieben wäre, würde sie ihre Pflichten nicht vernachlässigen. Sie würde für ihre Familie stark sein, bis ihr Mann und ihre Kinder physisch und psychisch genesen sein würden.
