Disclaimer: Alle Figuren gehören Joanne K. Rowling und ich verdiene kein Geld mit diesen Geschichten.

Rechteck

Kapitel 1 – Stille Beobachtungen

Es war Montagmorgen und dementsprechend ruhig beim Frühstück, denn die meisten schliefen noch halb. Auch Ginny hing über ihrer Müslischüssel und unterdrückte ein Gähnen. Langsam aß sie einen Löffel nach dem anderen und wartete darauf, dass ihre Freunde auftauchten, um sie von ihrer Müdigkeit und Langeweile abzulenken. Daher sah sie auch immer wieder zur Eingangstür der Großen Halle – nächstes Mal sollte sie lieber im Gemeinschaftsraum warten oder zumindest Hermine wecken…

Plötzlich betrat jemand die Große Halle, der sofort ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog: Professor Snape.

Sie seufzte leise, als sie ihn sah, und ihr Puls beschleunigte sich rasant. Schon seit einiger Zeit schwärmte sie für ihn, auch wenn das niemand wusste und auch niemals erfahren durfte! Doch sie konnte nichts dafür – seine dunkle, geheimnisvolle Art zog sie geradezu magisch an. Ein Jammer, dass er ihr Lehrer war, sonst hätte sie schon längst etwas versucht, auch wenn sie vermutlich keine großen Chancen bei ihm hatte, aber kampflos aufgeben gehörte eben nicht zu ihren Eigenschaften.

Snape schritt derweilen mit seinen wallenden Roben durch den Mittelgang zum Lehrertisch und die ganze Zeit starrte Ginny ihm mit klopfendem Herzen nach, doch er bemerkte es nicht oder ignorierte sie einfach.

Erst als Harry, Ron und Hermine sich zu ihr setzten und sie ansprachen, konnte Ginny den Blick von Snape lösen und endlich weiterfrühstücken…


Severus hasste es nicht zu unterrichten – aber er mochte es auch nicht besonders. Zu viele Dummköpfe und faule Schüler gab es in den Klassen – das machte auf Dauer einfach keinen Spaß! Und keiner schätzte es, wenn er, Severus, sich die Mühe gab, ihnen auch einfache Sachverhalte geduldig zu erklären; meistens hörte man ihm nicht einmal zu!

Doch da gab es eine Ausnahme. Ein höchst intelligentes Mädchen, mittlerweile eine wunderschöne, junge Frau hing seit ihrem ersten Schultag in jeder Stunde gebannt an seinen Lippen, machte sich Notizen, recherchierte freiwillig in ihrer Freizeit, löcherte ihn mit Fragen und verfasste grandiose Aufsätze.

Heimlich beobachtete Severus sie im Unterricht, wenn die Schüler einen Arbeitsauftrag hatten – so wie jetzt.

Mit konzentrierter Miene stand Hermine vor ihrem Kessel, las im Rezept nach, rührte oder hakte und wartete gespannt auf den richtigen Moment für die nächste Zutat. Sie war so in ihre Aufgabe versunken, dass sie nichts um sich herum mitbekam.

Dies war für Severus von Vorteil, denn würde sie je erfahren, dass er sie regelmäßig beobachtete, würde er vermutlich von der Schule fliegen… Aber sie war ja nicht mehr lange seine Schülerin, nur noch ein paar Wochen…


Als Hermine am Nachmittag aus der Bibliothek in den Gryffindor Gemeinschaftsraum kam, entdeckte sie Harry an einem der Tische und setzte sich zu ihm. „Wo ist Ron?", wollte sie wissen.

„Mit Lavender unterwegs", erwiderte Harry, ohne sie anzusehen. Er schien an seinem Aufsatz für Verwandlung zu sitzen und nicht gut voranzukommen. Konzentriert und mit der Feder am Mund sah er abwechselnd in sein Schulbuch und auf sein erst halbvoll geschriebenes Pergament.

„Brauchst du Hilfe?", fragte Hermine daher freundlich.

Jetzt sah er sie endlich an und in seinen Augen entdeckte sie wahre Dankbarkeit.

Hermine war schon oft gefragt worden, warum sie Harry und Ron noch immer bei den Hausaufgaben half und sie manchmal sogar abschrieben ließ, obwohl sie doch nun schon in ihrem siebten Schuljahr waren. Doch die Antwort war eigentlich ganz einfach: Sie war in Harry verliebt und ertrug es daher nicht, wenn er zu viel Stress hatte, schlechte Noten bekam oder Nachsitzen musste wegen nicht gemachter Hausaufgaben. Da sie aber nicht wollte, dass jemand davon Wind bekam, erhielt Ron die gleichen Privilegien.

„Gib mal her", meinte Hermine nun und nahm Harry die Feder ab, wobei sie genauestens darauf achtete, dass sich ihre Finger quasi zufällig berührten…


Es war schon spät abends, doch Harry ging noch immer nicht zu Bett, obwohl er dank Hermines Hilfe schon seit zwei Stunden mit seinem Aufsatz fertig war. Es war schon dunkel draußen, der Gemeinschaftsraum wurde nur durch das Kaminfeuer und ein paar Kerzen erleuchtet. Doch an einem der Tische mit einer Kerze saß Ginny und las in einem Buch – Harrys Grund, ebenfalls noch ein wenig aufzubleiben.

Die Rothaarige schien sich gar nicht für ihn zu interessieren, sondern las ungestört weiter. Das einzige Geräusch, das sie machte, war ein Seitenumblättern alle paar Minuten.

Harry hatte sich zur Tarnung ebenfalls ein Buch gegriffen, das nun offen auf seinem Schoß lag. Da er jedoch mit Ginny allein im Raum war und diese mit dem Rücken zu ihm saß, musste er nicht einmal so tun, als ob er las, sondern konnte sie ganz in Ruhe anschauen. Er hätte glatt etwas zu ihr gesagt oder sich neben sie gesetzt, aber er hatte einmal aus Versehen mitbekommen, wie sie Ron klipp und klar gesagt hatte, dass sie nichts von ihm, Harry, wollen würde. Er war daraufhin so entmutigt gewesen, dass er sich seitdem gar nichts mehr traute, sondern sie nur noch still aus der Ferne beobachtete.

Plötzlich klappte Ginny ihr Buch zu, stand auf und drehte sich halb zu ihm. „Ich geh ins Bett", sagte sie lächelnd. „Gute Nacht, Harry."

„Gute Nacht", erwiderte er.

Erst als sie die Treppen zu den Mädchenschlafsälen hinaufgegangen war und er ihre Tür hatte zuschlagen hören, stand er auch auf und ging zu Bett, denn nun war sein Sinn, hier zu sein, fort…