Disclaimer: JadaJada, alle Rechte am „Herrn der Ringe" liegen bei den Erben JRR Tolkiens bzw. den Rechteverwertern. Ich habe weder die Absicht -noch die Mittel- mit dieser bescheidenen Geschichte Profit zu machen.
Der Ritter von Angmar
Die Sonne ging unter über dem Auenland und die Schatten krochen langsam hervor. Noch nicht lange war es her, dass in dieser Dunkelheit etwas Böses gehaust und gebrütet hatte, ein namenloser Schrecken, der Verheerung und Sklaverei brachte.
Aber unter der Führung von vier mutigen, weit gereistenn Hobbits war es den Halblingen gelungen, die Diener der Finsternis zu vertreiben.
Ihr Führer, der gebrochene und rachsüchtige Zauberer Saruman zahlte mit seinem Leben für die lange Liste seiner Verbrechen- seine Überreste wurden außerhalb von Hobbingen verscharrt. Endlich schien der Frieden, die alte Gemütlichkeit der Halblinge wieder Einzug zu halten. Das Leben war schön und keiner mehr fürchtete die Nacht...
Daher bemerkte auch niemand die dunkle Gestalt, die sich im Schutz einer verdorrten Eiche an deren Stamm lehnte und unter einer Filzkapuze hervor das abendliche Treiben der Hobbits beobachtete. Der Mann war sehr groß, selbst unter Menschen hätte er als Hüne gegolten. Sein Mantel bestand aus schwarzem Leder, das mit vielen braunen, unsauber gegerbten Stücken geflickt war. Am Gürtel des heimlichen Zuschauers baumelte ein Langschwert, dessen Scheide mit bleich leuchtenden, gewundenen Buchstaben einer vergessenen Schrift beschlagen war.
Die Klinge darin war aus Stahl geschmiedet, doch sorgte ein geringer Anteil von Mithril dafür, das sie niemals brach oder stumpf wurde. Am Schaft waren Flüche eingraviert, und nur die stärksten der Elben und Menschen des Westens hätten ihrer Magie widerstehen können. Kurz vor der Spitze waren in dem tödlichen Eisen drei Zacken eingeschnitten und deshalb trug es den Namen Dukranhold- Dreizahn.
Neben dieser mörderischen Waffe hingen zwei Dolche, deren Griffe aus Menschenknochen geschnitzt waren und die Form von sich ringelnden Schlangen besaßen. Auf dem Rücken trug der Eindringling einen großen Ebenholzbogen, dessen schwarze Pfeile in einem Köcher steckten, welchen er selbst aus der zähen Haut von Gebirgstrollen gefertigt hatte.
Seit 10 Jahren hatte kein Mensch die Gesichtszüge dieses Mannes gesehen und er selbst pflegte sie nur selten zu betrachten. Um seine Mundwinkel spielte fast immer ein Lächeln, das jedoch alles andere als Freude ausdrückte und jedem, der es sah, das Blut in den Adern erstarren ließ. Seine Augen waren braun und blickten unter einer Stirn in die Welt, die von Zornesfalten und einer breiten Narbe gekennzeichnet wurde. Doch trotz dieser Makel und einer Verwitterung der Haut, die nur durch ein Leben unter der Herrschaft von Wind und Wetter entstehen konnte, hatte sein Antlitz etwas edles, geheimnisvolles und auf anziehendes. Sein Kinn wirkte markanter als das der meisten Sterblichen dieses Zeitalters. Seine Nase war groß, doch war sie nicht unförmig, sondern hatte geschwungenen Flügel, die auf seine Abstammung verwiesen.
Nachdem die Sonne endgültig untergegangen war und die Hobbits sich in ihre Höhlen oder das Gasthaus zurückgezogen hatten, begann sich der Mann zu rühren. Ihm gefiel gar nicht, was er gesehen hatte, die Freude und Unbeschwertheit dieses rattenhaften Halblingsvolkes verdüsterte seinen Geist. Sollten sie sich nicht in Angst verstecken und ehrfürchtig auf die Befehle des Weisen hören? Sollten sie nicht dankbar sein, das all die unnützen Bäume und Hecken abgeholzt und durch schmucklose, aber sinnreich eingerichtete Hütten ersetzt worden waren?
Er wusste nicht was, aber Etwas war geschehen, seit er den Ruf vernommen hatte. War er umsonst all die mühe- und gefahrvollen Wegstunden hergekommen, nur um diesen hässlichen Maden bei ihren widerwärtigen Verrichtungen zuzuschauen? Wo war der Meister, dessen Stimme er gefolgt war? Wo waren seine Gefolgsmänner, seine Krieger?
Er gab sich einen Ruck und trat aus dem Schatten des toten Baumes hervor. Selbst wenn sich die Dinge in diesem Land zum „Guten" gewandelt haben sollten, er konnte immer noch die Anwesenheit einer dunklen Macht wahrnehmen, zwar schwach, aber doch vorhanden. Und sie musste Diener unter den Halblingen gehabt haben, die ihm Auskunft geben konnten.
Ohne Zögern wandte sich der große Mann der zweckmäßigen Mühle zu, die am Fluss stand. Man konnte ihr ansehen, dass niemals dieses quiekende Volk, dessen Sinn voller Tand war, es errichtet hatte. Die Steine des Gebäudes waren schwarz und aus einigen Rohren tröpfelte immer noch übelriechende Suppe ins Wasser, obwohl die Mühlräder still standen.
Mit fließenden Bewegungen nährte er sich, dabei jede Deckung und jeden Schatten ausnutzend. Als er die Tür erreichte, klopfte er mit dem Knauf seines linkshändigen Dolchs dagegen. Es gab ein dumpfes Geräusch und zunächst blieb alles still. Dann hörten seine in der Wildnis geschulten Ohren leises Schlurfen aus dem Inneren und schließlich wurde die Tür einen Spalt weit geöffnet. „Was wollt ihr zu dieser späten Stunde von mir? Habt ihr nicht schon genug Jauche über mich ausgeschüttet?" fragte eine nörgelnde Stimme. Ohne ein Wort stieß der Mann die Tür auf, drang in den nur durch eine Kerze erleuchteten Wohnraum ein und drückte dem völlig überraschten Bewohner seinen Dolch an die Kehle. „Ein Schrei und ihr seid tot!" stieß er gepresst hervor, doch reichte schon der eisige Klang seiner Stimme, den Hobbit erstarren zu lassen. Er warf die Tür hinter sich zu und drängte den ihm kaum bis zur Hüfte reichenden Halbling an die nächste Wand.
„Ich bin einem Ruf gefolgt" erklärte er dem regungslosen Müller mit schneidender Stimme „doch scheint der Meister, der meine Dienste wünschte, nicht mehr hier zu sein. Welche Erklärung hast du dafür, Wurm?" Zunächst antwortete der Hobbit, dessen Gesicht selbst im Schein der Kerze schmutzig und verschlagen wirkte, nichts. Er schien fieberhaft zu überlegen. Auf seiner niedrigen Stirn brach Schweiß aus und seine langen, lehmbraunen Haare stanken, als habe er sie noch nie im Leben gewaschen. „Herr, ich kann und werde euch alles erklären, doch bitte nehmt zuvor" er deutete auf den Dolch „dieses gefräßige Messer von meinem Hals. Es ist nicht nötig, denn auch ich war ein Diener der neuen Ordnung, bis sie von Dummköpfen und Selbstsüchtigen zerstört wurde" Vorsichtig ließ der Mann die Hand mit der Klinge etwas sinken, doch hielt er sie weiter stoßbereit. „Wenn du etwas zu sagen habt, so spreche rasch!" forderte er.
„Ja Herr!" stammelte der schmutzige Hobbit. „Es war vor kaum vier Wochen, da kamen diese Verschollenen aus dem Süden zurück, sie wiegelten alles Volk auf, entfachten einen Aufstand. Und die Menschen des Baas" – „nein, die Diener Scharrers" – berichtigte er sich- „wurden alle getötet oder vertrieben." Ungläubig schüttelte der Eindringling den Kopf und dabei fiel zum ersten Mal ein wenig Licht auf seine harten Züge. „Was du erzählst ist unglaublich. Ein Meister der schwarzen Magie und des vergessenen Wissens soll von ein paar Bauerntrotteln geschlagen worden sein? Und doch sehe ich, das an diesem Ort die Macht schwindet und der unbedeutende Alltag deines wühlenden Volkes wieder Einzug hält."
Nun ließ der Mensch den Müller los und zog sich einen Schemel heran, auf dem er sich niederließ. Lange Zeit schwieg er und schien nachzudenken. „Wie heißt du eigentlich, Halbling?" fragte er, nachdem die Kerze schon zur Hälfte herunter gebrannt war. „Timm Sandigmann werde ich gerufen, Herr!" antwortete dieser eifrig. „Solange hier das neue Recht herrschte, war ich ein Diener unseres Baas, obwohl ich damals nicht wusste, das ein wahrhaft Krosser wie Herr Scharrer hinter den Veränderungen stand." Der Mann nickte und erstmals wurde sein beunruhigendes Lächeln tatsächlich etwas milder: „Tatsächlich, Herr Sandigmann, war der den du Scharrer nennst ein gewaltiger Fürst. Ich hörte seine Stimme über hunderte Meilen und kam an diesen Ort, ihm zu dienen. Doch scheint er nicht mehr hier zu sein- was ist ihm widerfahren, nachdem die Aufrührer herkamen?"
Jetzt wurde Sandigmann wieder unruhig, er schien nicht gerne der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein. „Es ist schrecklich, Herr. Diese Querköpfe von Beutlins, Tucks und Brandybocks wollten Scharrer vertreiben und drohten ihn zu töten. Er ging, doch durch eine Teufelei dieser widerlichen Elbenfreunde"- er spuckte das Wort aus wie einen Fluch- „wurde sein letzter Diener wahnsinnig und schnitt ihm von hinten die Kehle durch." Niedergeschlagen sah der Müller zu Boden und für einige scheinbar unendliche Momente sagte auch der Mensch nichts. „Dies ist fürwahr schlimme Kunde" sagte er dann „aber wir dürfen nicht verzweifeln. Denn noch leuchtet das Auge des Südens und er wird Rache nehmen für den Tod dieses mächtigen Herren der Dunkelheit."
Timm Sandigmann schwieg, unangenehm berührt, dann fragte er: „Herr, woher seid ihr gekommen, das ihr die Neuigkeit vom Fall des schwarzen Landes noch nicht gehört habt? Schon vor einem halben Jahr wurde das Auge vernichtet und all seine Streiter in die vier Winde zerstreut. Der Westen hat einen neuen König ausgerufen, hörte ich..."
Wie vor den Kopf geschlagen saß der Mann da und schien nicht in der Lage, etwas zu sagen. Dann stand er auf, griff den am nächsten stehenden Gegenstand, eine Bierflasche aus Steingut und warf sie mit solcher Wucht an die Wand, das der Inhalt durch den ganzen Raum verteilt wurde. Eine fliegende Scherbe riss Sandigmann einen Kratzer auf die Wange. „So wahrr ich Tarzûpol von Angmar bin, dies ist die verfluchte Nacht unter allen in meinem Leben. Mordor ist gestürzt, der große Zauberer tot, der Westen im Glanz eines neuen Königs!" Schwer schlug er sich die Hand auf die Brust und ließ sich kraftlos wieder auf den Schemel fallen. Er schien so in hasserfüllte Gedanken gehüllt, das der Müller sich nicht traute ihn zu stören und sich schließlich zurückzog.
Die Nacht war still und lange währte es, bis der große Mann von seinem Schemel rutschte und den Lehmboden zu seiner Schlafstatt machte. Bis ihn der Schlaf umfing, kochte sein Herz voller Wut und Verzweiflung- denn der Mund von Sauron von Mordor, Arzupol der schwarze Dunedain, war sein Bruder.
