TITEL: The Escapist – Von Eskapaden und Ausflüchten
GENRE: Drama
CHARAKTERE: House, Wilson, Cuddy, Kutner, Taub, Thirteen
PAIRING: Gen, House/Wilson Freundschaft
RATING: PG-13
SPOILER: keine
WÖRTER: 20.100
ZUSAMMENFASSUNG: Jahre sind es, die zwischen ihnen liegen, doch als sich mitten in der indischen Provinz ein Plan in House's Kopf formt, der einfach nicht mehr verstummen will, macht er sich auf, um Wilson zurückzugewinnen. Nach diversen Eskapaden, dessen Auslöser er Wilson nie genannt hatte, hat sein Leben auf der Flucht vor sich selbst und der Wahrheit nun ein Ende. Doch auch Wilsons Leben ist inzwischen weitergegangen.
They Say Start as You Mean to Go On
Er schlug die Augen auf und starrte hinauf zum Deckenventilator, der träge seine Runden über ihm drehte. Immer und immer wieder. Es gab nichts anderes, das er tat. Sein Leben war eine Kreisbewegung, stetig und immer im gleichen Tempo, nie von der selben Bahn abkommend. Und genauso hielt er nie an, denn die andauernde Hitze in dem kleinen stickigen Zimmer mitten in der indischen Provinz ließ es nicht zu.
House dachte an sein eigenes Leben. Wäre er ein Ventilator, gliche seine Bahn einer verworrenen Acht. Ausschlagen und abweichen um jeden Preis, und am Ende doch immer wieder zu dem gleichen Punkt zurückkehren, egal wie falsch und dumm, wie ausweglos und einsam dieser auch sein möge. Der Wind, den er dabei verursachen würde, würde alles um ihn herum wegwehen. Alles, was sich nicht festhält. Alles, was sich nicht mehr festhalten will.
Sein Wind hatte bereits alles weggeweht.
Und auch wenn sonst für House alles anders war, so hatte er mit dem antiken Haufen Blech an der Decke dieses spartanischen Zimmers doch eines gemeinsam: Noch hatte er nicht angehalten.
Er schob das Bettlaken, das ihm als Decke diente, ein Stück nach unten und entblößte seine nackte Brust der warmen Morgenluft. Die Kühlung des Ventilators war kaum spürbar und so hatte sich bereits zu dieser frühen Tageszeit ein dünner Film von Schweiß auf seiner Haut gebildet, den er von oben herab begutachtete.
Heute waren es nicht mehr Schmerzen, die ihn weckten. Jedenfalls nicht mehr dieselben wie noch vor ein paar Jahren. Heute war es vor allem die Hitze, die schwüle Luft, die überall zu stur schien, um sich zu bewegen und alles ein bisschen erträglicher zu machen. Sie drückte auf seinen Körper und immer wenn er allein war, machte sie ihm nur bewusst, wie viel da noch auf ihn drückte. Lasten, die er nie loswerden würde, egal wie weit er auch davonläuft.
Es war noch nicht mal sieben, doch das Sonnenlicht fiel bereits gleißend und rücksichtlos durch das Fenster direkt hinter ihm. In Kürze würde es hier unerträglich sein und er hatte keine Lust darauf mit Schweißperlen auf der Stirn gegen ein Bündel von Bettlaken anzukämpfen.
Doch genauso viel hielt ihn davon ab aufzustehen. Es bedeutete, dass er etwas mit seinem Tag anfangen müsste. Das war nicht generell das Problem, denn in den letzten Jahren hatte er doch immer noch etwas gefunden, das ihm die Zeit vertrieb, doch es war ein Plan, der sich still und leise bereits seit Tagen in seinem Hinterkopf geformt hatte, der ihm Angst machte und ihn jetzt gerade lieber an das langsam zu sieden beginnende Bett fesselte.
Irgendwann musste er sich diesem Plan stellen. Bald, sonst war es vielleicht zu spät.
Erschöpft von seinen eigenen Gedankengängen fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Wie konnte man nur so gegen etwas kämpfen, das seinem eigenen Kopf entsprang? Es ergab keinen Sinn. Aber hier hatte schon lange alles aufgehört irgendeinem Sinn zu gehorchen. Wahrscheinlich, weil er den Sinn selbst längst eliminiert hatte.
Mit einem tiefen Grunzen richtete House sich auf und sah mit zusammengekniffenen Augen zum Fenster hinaus. Ein paar Leute waren bereits auf den Beinen, aber der Anblick dessen, was draußen vor sich ging, war ansonsten wie fast immer im vergangenen Jahr. Nur in den letzten Monaten war er meist von Regen begleitet. Heftigem Regen, Monsunregen. Diese Zeiten mochte er besonders gern, denn auch wenn der stete Regen bedeutete, dass er seine Zeit drinnen verbringen musste, so hatte er doch nie aufgehört das Geräusch von Regen, der mal sanft, mal wild gegen Fensterscheiben prasselt, zu mögen.
Er stieg aus dem klapprigen Bus, der ihn in mehr als vier Stunden zum Flughafen in Bangalore gebracht hatte, aus und fühlte, wie sein Stock unter ihm weggeschlagen wurde. Inzwischen war er geschickt genug, um nicht gleich umzufallen, aber er geriet trotzdem etwas aus dem Gleichgewicht. Der Junge, der dafür verantwortlich war, sah ihn kurz an und rannte dann ohne ein Wort weiter.
"Hey!", rief House ihm mit der autoritär-klingendsten Stimme hinterher, die er hervorbringen konnte, und schwang seinen Stock durch die Luft. "Beim nächsten Mal schlage ich zurück."
Um ihn herum gab es ein paar merkwürdige Blicke, doch die Leuten fanden schnell wieder andere Sachen, die ihre Aufmerksamkeit erregten. Vielleicht waren sie Verrückte wie ihn in ihrem Land auch einfach nur gewohnt.
House sah sich ein paar Sekunden lang um und blinzelte gegen die Hitze an, die sich nach den Monsunmonaten eigentlich in Grenzen hielt, doch für ihn immer noch schlimm genug war. Besonders nach vier Stunden in einem nicht-klimatisierten Bus, zusammengepfercht zwischen Fremden und Unnahbaren, auf dem kleinsten persönlichen Raum denkbar. Er war jedoch immer noch der König der Unnahbarkeit inmitten all seiner Adjutanten.
Er drängte sich schließlich mitten durch eine Reisegruppe aus mit traditionellen Saris und Dhotis gekleideten Senioren. Sein Weg führte zum modern aussehenden Hauptterminal, dessen Glastüren sich direkt vor ihm von selbst öffneten. Die Luft drinnen war angenehm klimatisiert und House fühlte nun den kühlen Schweiß, der seine Haut benetzte.
Die Schalter der verschiedenen Fluggesellschaften und Reiseveranstalter reihten sich aneinander und alles unterschied sich nicht sonderlich von Flughäfen im Rest der Welt. House ließ den Schalter von Air India und seine hohen Preise hinter sich und ging weiter zur nächsten Flugesellschaft.
Es gab keine Warteschlange und so positionierte er sich sogleich direkt vor der jungen Dame im engen Kostüm, die eifrig etwas in den Computer eintippte. Sie sah nur kurz zu ihm auf und ignorierte ihn dann wieder.
House grunzte leise vor sich hin. "Hallo? Reicher Ami hier, der sein Geld loswerden will."
"Hallo? Beschäftigte Mitarbeiterin hier, die wegen dem reichen Ami auch nicht mehr verdient", erwiderte sie mit tiefer Stimme, die von einem starken indischen Akzent geprägt war. House hatte sich inzwischen daran gewöhnt.
"Gutes Argument", bestätigte er. "Ich werde mich gedulden und bis zehn zählen." Er trat einen Schritt nach hinten und fing an laut von eins bis zehn zu zählen.
Mit einem milden Grinsen auf dem Gesicht, sah die Dame wieder zu ihm auf. "Was kann ich für sie tun, Sir?" Eine besonders unnötige Betonung lag auf dem letzten Wort.
House hörte schlagartig bei drei auf und grinste. "Ich brauche einen Flug nach New York."
Sie nickte und wandte sich wieder dem Computer zu. "Ich weiß, dass diese Woche schon alles ausgebucht ist, aber ab Dienstag sollten wir wieder freie Plätze haben. Oder wollen Sie an einem bestimmten Tag fliegen?"
"Nein. Dienstag dann."
"Dienstag, neun Uhr vierzig zum Newark Liberty International Aiport." Sie sah ihn kurz fragend an und wartete sein bestätigendes Nicken ab. "Fenster, Mitte oder Gang?"
"Gang", antwortete House leicht abwesend. Der Klang des vertrauten Flughafens in seinen Ohren hatte etwas in ihm ausgelöst, etwas das ihm sagte, dass er gerade dabei war den Plan nicht mehr zu ignorieren. Etwas, das ihm Angst machte.
"Ich brauche Ihre Personendaten. Haben Sie Ihren Reisepass dabei?"
Schweigend holte House den Pass aus seinem Rucksack und reichte ihn über den Schalter. Sein verlorener Blick entging der Mitarbeiterin nicht und sie sah ihn einen Moment lang mit neugierig zusammengezogenen Augenbrauen an. Dann gab sie seine Daten in das System ein.
House starrte auf ein leeres Fleckchen unweit des Schalters. Die Menschen um ihn herum schienen sich in Zeitlupe zu bewegen und leichtfüßig über den blankpolierten Steinfußboden zu schweben.
Der Plan war gar kein Plan. Er war nichts weiter als eine Idee und das wurde ihm jetzt erst klar.
"Kreditkarte?", fragte die Frau.
House schüttelte sich aus seiner Lethargie. "Fliegen Sie auch nach Seattle?", fragte er unvermittelt.
"Seattle?" Sie sah ihn verwirrt an und zuckte kurz mit den Schultern. "Nicht von hier, aber ich glaube von Mumbai aus fliegen wir."
"Buchen Sie mich nach Seattle."
Sie legte ihren Kopf leicht zur Seite. "Seattle?", fragte sie ein weiteres Mal ungläubig nach. "Ich habe gerade alles für New York eingegeben."
"Pläne ändern sich." Zumindest war die Idee immer noch die gleiche, auch wenn sie jetzt einen kleinen Umweg nahm.
"Okay." Sie tat seinen plötzlichen Sinneswandel achselzuckend ab und änderte die Buchung. "Montag, sechs Uhr fünfundzwanzig über Mumbai." House legte ihr in der Zwischenzeit eine seiner Kreditkarten auf den Tresen, die sie schließlich nahm. "Immer noch Seattle? Nicht Honolulu und auch nicht Tokio?"
House sah sie kurz ernsthaft überlegend an, aber verfiel dann doch in einen spöttischen Ton. "In Tokio war ich schon, danke. Seattle ist es", sagte er und nickte.
Als er das Flugticket schließlich in der Hand hielt, wusste er nicht, ob die Last jetzt weniger oder mehr geworden war. Er fühlte es nicht mehr. Wahrscheinlich würde es erst die Zeit zeigen. Oder seine ersten Schritte auf amerikanischem Boden.
Es gab noch ein paar Sachen, die er in Bangalore zu erledigen hatte, doch abends nahm ihn der alte, klapprige Bus wieder mit zurück in die Provinz, über sanfte Hügel und sandige Wege. Denn dort gab es noch jemanden, von dem er sich verabschieden musste.
