Der vierte Teil hat leider eine Weile gedauert, aber jetzt ist er da. Der fünfte wird nicht so lange brauchen.
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Alle Charaktere und sämtliche Rechte an ‚NCIS: Los Angeles' gehören CBS und Shane Brennan Productions. Die folgende Geschichte dient keinerlei kommerziellen Zwecken, sondern wurde nur zum Vergnügen für Fans geschrieben. Eine Verletzung des Copyrights ist nicht beabsichtigt. Alle weiteren Personen gehören der Autorin.
Ich bin keine Fachfrau in Bereichen wie Medizin, Drogen, Flugzeugtechnik, Waffen oder Undercoverarbeit. Sollten Euch also Fehler auffallen, lasse ich mich gerne korrigieren.
Hallo Zusammen!
Viel Spaß beim Lesen und ich freue mich auf Eure Rückmeldungen.
Kapitel 1 - Erdbeben
Die Welt um die OPS war wieder in Ordnung. Marty und Joann hatten ihren Dienst wieder aufgenommen, die Witze über seine Kündigung hatte Deeks mannhaft weggesteckt und ansonsten herrschte die Meinung, dass es mit ihm und Kensi auch mal langsam Zeit geworden war - wie Kensi es angekündigt hatte. Und wie Joann es vorhergesagt hatte, funktionierte die Trennung zwischen Privat- und Berufsleben ebenfalls. Zumindest neckten sie sich weder mehr noch weniger, wie Sam irgendwann ziemlich trocken feststellte. Als Deeks kam, um sich bei Joann und G zu entschuldigen, hatten ihn beide nicht lange zappeln lassen.
„Gib mir bei Gelegenheit ein Bier aus.", damit war für Callen die Sache erledigt.
Joann hatte ihn mitten in seiner Entschuldigung umarmt und gefragt: „Bis Du glücklich?"
Verblüfft hatte er nur genickt.
„Gut."
Freundschaft war schon etwas besonderes, wie Deeks feststellen konnte.
…
„Ich habe doch gesagt, wir müssen nicht immer ausgehen, wenn wir als Team was machen wollen. Meine Küche ist groß genug, dass wir hier zusammen kochen und essen können. Das wird garantiert lustig!" Joann grinste Kensi breit an.
„Na, ob Deine Küche das überlebt… Ich kann mir Nate und Eric so gar nicht kochlöffelschwingend vorstellen."
„Ich bin immer noch verblüfft, dass Hetty einverstanden war. Ich meine, wir haben uns ja schon mehr als einmal hier getroffen, aber noch nie alle zusammen und noch nie mit Hetty. Das wird bestimmt interessant."
Kensi lachte. „Hast Du deswegen hier alles auf Hochglanz poliert?"
Joann wurde rot. Kensi hatte sie voll erwischt.
„Na ja, man hat nicht jeden Tag seine Chefin bei sich zu Hause zu Gast…"
Kensi lachte noch mehr. „Keine Sorge, ich verrate Dich nicht. Sag mir lieber, wo die anderen bleiben."
„Kens, niemand fährt wie Du. Den anderen fehlt das Rennfahrergen. Dementsprechend brauchen die noch ein paar Minuten."
Diesmal wurde Kensi rot und gab Joann einen Grund zum Lachen.
„Lass nur, ist schon okay, dann kann ich mich noch schnell umziehen. Du weißt ja, wo alles ist, nimmt Dir in der Zwischenzeit etwas zu trinken." Immer noch vor sich hingrinsend verschwand Joann in ihrem Schlafzimmer.
Dann bebte der Boden. Joann verlor das Gleichgewicht und stürzte. Schnell rappelte sie sich wieder hoch. „Kensi? Alles klar?" Das Beben wurde immer heftiger und Joann stolperte Richtung Küche. „Kensi? Antworte mir!" Dann bekam sie einen heftigen Schlag ins Kreuz und fiel zu Boden. Sie schützte ihren Kopf mit den Armen.
Irgendwann war das Beben und Poltern vorbei. Joann stellte fest, dass sie unter einem ihrer Bücherregale begraben lag. Bei dem Gewicht konnten es auch mehrere sein, da war sie sich nicht so sicher. Staub lag in der Luft und sie musste heftig husten.
„Kensi? Kensi!" Panik kam in Joann auf. Warum reagierte ihre Freundin nicht? „Kensi, sag doch was!"
Dann konnte sie ein Stöhnen hören. „Mist, warum hast Du so viele Bücher, Joann? Die tun verdammt weh, wenn man mit denen beworfen wird!" Ein Husten folgte dem Ausbruch.
„Kensi, bist Du verletzt?"
„Nein, Jo, nur unter Büchern begraben! Was ist mit Dir?"
„Ich auch! Was machst Du im Wohnzimmer? Ich dachte, Du warst in der Küche?"
„Ich wollte mich nicht von Deinen Kochtöpfen erschlagen lassen. Die Bücher hatte ich vergessen."
Joann versuchte verzweifelt, sich zu befreien, aber das Gewicht war zu groß. Sie konnte hören, wie Kensi sich bewegte. Wenigstens ging es ihnen beiden gut.
…
„Jo? Kens? Wo seid Ihr? Geht es Euch gut?" Die Männer kamen endlich!
„Kensi ist im Wohnzimmer, irgendwo unter den Büchern!"
G tauchte neben Joann auf und sie sah Sam und Marty über die Trümmer in Richtung Wohnzimmer klettern. „Bist Du unverletzt, Kleines, geht es Dir gut?" Die Angst in G's Stimme war nicht zu überhören.
„Ja, ich komme nur nicht unter den Büchern vor. Sie sind zu schwer!"
Sein besorgter Blick wanderte über sie hinweg, doch da Joann sich nicht bewegen konnte, wusste sie nicht, was los war.
„G?"
„Bleib ruhig liegen, Ray und ich holen Dich da raus."
„Ray?"
„Ich bin hier." Die Stimme kam von hinter ihr.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Gewicht auf ihrem Rücken leichter wurde und Joann wieder richtig atmen konnte.
„Was ist mit Kensi? Geht es ihr gut?"
G musste trotz der Situation lachen. „Sie kommandiert Deeks und Sam herum, also scheint ihr nichts passier zu sein. Kannst Du Dich bewegen, Kleine, ganz vorsichtig?"
„Nenn mich nicht ‚Kleine', verdammt noch mal, und ja, ich kann mich bewegen!"
Langsam kroch Joann unter dem Regal hervor und ließ sich von G auf die Füße helfen. In diesem Moment kam eine verdreckte und ziemlich grantige Kensi aus dem Wohnzimmer, gefolgt von einem grinsenden Sam und einem erleichterten Marty.
„Wir sollten machen, dass wir hier raus kommen, bevor noch mehr von der Decke herunter kommt."
Callen drängte alle Richtung Tür. Es dauerte einen Augenblick, bis Joann klar wurde, dass nicht nur die Bücher für das Gewicht auf ihrem Rücken gesorgt hatten. Einen Teil der Decke hatte auch dazu beigetragen.
…
Nate leistete bei einigen Verletzten erste Hilfe und Eric unterstütze ihn. Hetty hing am Telefon und versuchte, sich über die Situation einen Überblick zu verschaffen. Nate sah Joann und Kensi an.
„Geht es Euch gut, braucht Ihr Hilfe?"
Beide schüttelten den Kopf.
„Alles in Ordnung, Nate, wir sind in Ordnung. Mach Dir keine Gedanken." Kensi lächelte ihm beruhigend zu.
Als Joann einen Blick auf ihr Appartementhaus warf, verlor sie schlagartig ihre Gelassenheit. Die Beine sackten unter ihr weg und sie setzte sich abrupt auf die Straße, kreidebleich im Gesicht.
„Joann?" Sam war als erster bei ihr.
„Sieh Dir das an, Sam! Da habe ich gewohnt… Was ist mit meinen Nachbarn?"
Das Dach über ihrer Nachbarwohnung war komplett eingestürzt, nicht nur in Teilen, wie in ihrem Appartement.
„Joann, Dir und Kensi ist nichts passiert. Alles andere sind nur Dinge, die man ersetzten kann. Mach Dir keine Sorgen, okay?"
„Was ist mit meinen Nachbarn?" Joann ließ noch locker.
Sam seufzte. „Ich versuche, es rauszufinden." Ein paar Minuten später kam er zurück. „Sie waren nicht zu Hause. Die Wohnung war leer."
„Gut. Danke, Sam."
Er legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
Callen trat auf die beiden zu. „Komm, Jo, wir fahren zu mir. Hier können wir nichts mehr machen."
„Aber was ist mit meinen Sachen? Ich kann doch nicht einfach alles hier zurück lassen…"
Callen warf Sam einen besorgten Blick zu und kniete sich dann zu ihr. Joann zitterte trotz der warmen Temperaturen.
„Liebes, Deinen Sachen passiert nichts. Niemand geht in das Haus, es ist viel zu gefährlich. Du kommst mit zu mir, kannst duschen und Dir frische Sachen anziehen. Okay?"
„Ich kann meine Sachen nicht zurück lassen, in dem Appartement steckt mein Leben…"
Nate war herangekommen und warf einen genaueren Blick auf Joann.
„Callen, sie hat einen leichten Schock. Bring Joann weg von hier, halte sie warm und rede mit ihr. Wenn sich ihr Zustand nicht bessert, ruf mich an."
„Alles klar, Doc."
Widerwillig ließ sich Joann von Callen hochziehen und zu seinem Auto bringen. Sam begleitete sie.
„Wir kümmern uns um alles. Viel machen können wir sowieso nicht."
„Deeks soll Kensi nach Haus bringen. Außerdem soll er mit dem L.A.P.D. sprechen und denen klar machen, dass eine von uns hier gewohnt hat. Eric soll prüfen, ob unsere Tarnung gewahrt bleibt."
Sam nickte. „Ich kümmere mich darum. Was ist mir ihrem Laptop?"
„Ich weiß nicht, ob Joann ihn im Büro gelassen oder mitgenommen hat. Frag Kensi. Wenn er da oben ist, haben wir ein Problem."
„Okay, G, kümmere Dich um Joann, ich kläre den Rest."
Callen nickte. „Danke, Sam."
…
Frisch geduscht und in eine warme Decke gehüllt saß Joann auf der Couch und starrte blicklos ins Leere.
„Hier, Jo, trink etwas Tee."
Verwirrt blickte sie hoch und sah, wie G ihr eine Tasse reichte. „Danke." Sie nahm den Becher entgegen, starrte aber wieder nur vor sich hin. „Ich glaube, jetzt verstehe ich Dich endlich."
G setzte sich neben sie. „Wie meinst Du das?"
„Warum Du keinen Besitz haben willst. Was man nicht hat, kann man nicht verlieren."
„Du hast nichts verloren, Jo. Du und Kensi, Ihr seid unverletzt da raus gekommen. Wir anderen waren direkt vor dem Haus, als das Beben losging und auch uns ist nichts geschehen. Bücher, Kleidung, Fotos, das zählt alles nicht, das sind nur leblose Gegenstände. Du kannst neue Bücher und Kleidung kaufen und neue Fotos machen. Die Erinnerungen, die Du mit diesen Gegenständen verbindest, sind in Deinem Kopf und Deinem Herzen. Dort nimmt sie Dir niemand weg." G zog Joann in seine Arme.
„Es ist mehr als dass. Ich habe inzwischen so oft neu angefangen, jedes Mal bei Null, das letzte Mal hier in Los Angeles. Ich kann einfach nicht mehr."
„Natürlich kannst Du das, Jo. Und wenn es je notwendig sein sollte, kannst es auch wieder." Er küsste sie sanft. „Ich weiß nichts von den anderen Malen, aber beim letzten Mal warst Du ganz alleine bei Deinem Neuanfang. Niemand, der Dir geholfen hat, der für Dich da war. Diesmal ist es anders. Du hast mich. Und das Team, Deine Freunde. Du bist nicht alleine."
Joann schmiegte sich an ihn. „Ja, Du hast Recht, G." Sie seufzte leise. „Es ist ein gutes Gefühl, nicht alleine zu sein."
…
Einige Tage später bekamen die Anwohner die Möglichkeit, kurz in die Wohnungen zurückzukehren, um ihre Sachen zu holen. Die Feuerwehr hatte das Gebäude notdürftig stabilisiert. Hetty hatte ein paar Helfer organisiert, so dass die meisten Sachen aus Joanns Wohnung geborgen werden konnten. Den Transporter mit ihrem Hab und Gut stellte sie in einem Lager des NCIS ab.
…
Langsam spazierte Joann am Strand entlang. Sie hatte eine Menge Dinge, über die sie nachdenken musste und hier ging es immer am Besten. Eine Wohnung am Strand oder in Strandnähe wäre toll. Hier in Venice wäre sie auch nah am Job und könnte bei Bedarf zu Fuß gehen. G hatte eine Weile hier gewohnt, bevor Hetty ihm das Haus beschafft hatte. Warum also nicht auch sie?
…
Callen hatte keine Mühe, sie zu finden. Wenn Joann schwere Probleme wälzen musste, ging sie immer zum Strand, meistens nach Venice Beach. Obwohl es immer laut und turbulent war, fand Joann dort die notwendige innere Ruhe.
…
„Hallo, Liebes." Er gab ihr einen Kuss, bevor er sich neben sie in den Sand setzte. „Worüber grübelst Du nach?"
„Wo ich nach einer neuen Wohnung suchen soll. Venice würde mir gefallen. Nah am Strand, nah am Job, leider nicht so nah bei Dir. Und wahrscheinlich teuer."
„Ich wollte Dir einen anderen Vorschlag machen." G zögerte. Er hatte gründlich darüber nachgedacht, war sich aber nicht sicher, ob Joann schon so weit war. „Zieh bei mir ein."
Ausdruckslos sah Joann ihn an. „Ich wohne doch schon bei Dir, schon seit dem Erdbeben."
„Ich meine auf Dauer. Du und ich zusammen in meinem Haus."
Joann erstarrte. G hatte mit ihrem Widerstreben gerechnet, aber nicht damit, Angst, ja schon fast Panik in ihren Augen zu sehen. Er hatte eine Vermutung, woher das kam.
„Ich bin nicht wie er."
Seine Stimme war ruhig, aber eine gewisse Mischung aus Wut und Enttäuschung konnte er nicht ganz unterdrücken. Diesmal war Joann ehrlich erschrocken.
„Natürlich nicht, G! Das habe ich niemals gedacht!" Sie sah ihn feste an. „Nicht eine Sekunde. Sonst wäre ich nicht mit Dir zusammen." Joann holte tief Luft. „Ich liebe Dich und will mit Dir zusammen sein. Aber zusammen leben? Darüber habe ich bisher nicht nachgedacht. Gib mir einfach etwas Zeit, okay?" Sie seufzte. „Das ist fast wie ein weiteres Erdbeben. Dein Vorschlag hat mich ziemlich überrascht, sonst nichts."
G nickte. „Gut, natürlich kannst Du Zeit zum Nachdenken haben." Er stand auf. „Soll ich etwas zu Essen mitbringen?"
„Nein, danke, G. Ich habe keinen Hunger."
Er küsste Joann sachte auf ihren Scheitel, dann ging er.
…
Der nächste Tag war für Joann ein Bürotag. Sie kam einfach nicht in den Außendienst, musste sich mit Recherche beschäftigen und zusätzliche Berichte für erledigte Fälle erstellen. Sam hatte das selbe Los getroffen, so dass Ray und Callen gemeinsam unterwegs waren.
„Ich hasse das!"
Sam lachte leise vor sich hin. „Da müssen wir alle durch, Joann, dass weißt Du doch. Ist schließlich nicht das erste Mal."
„Und nicht das letzte Mal, ich weiß." Joann war wirklich genervt. „Die dummen Sprüche bekomme ich jedes Mal zu hören, Ihr solltet Euch mal was Neues einfallen lassen!"
„Nun, wie wäre es damit: Geht Joann an Bürotagen aus dem Weg, wenn sie auch noch Krach mit G hatte!"
Sam ging auf Tauchstation, als ein Bleistift geflogen kam.
„Ich hab keinen Krach mit G!"
Sam lugte vorsichtig über die Tischkante, doch Joann hatte den Luftangriff eingestellt. „Was ist es dann, Jo?"
„G will, dass ich feste bei ihm einziehe."
„Na und? Wurde doch auch Zeit. Das mit Deinem Appartement ist bedauerlich, aber wenn nicht jetzt, wann dann?"
„Ich mag meine Unabhängigkeit und dachte eher an eine Wohnung in Venice, irgendwo am Strand oder in Strandnähe."
„Du willst bei G nicht einziehen, weil sein Haus nicht in der Nähe vom Strand ist? Und wieso verlierst Du Deine Unabhängigkeit, wenn Ihr zusammenzieht? Ihr verbringt doch sowieso den größten Teil Eurer Freizeit gemeinsam. Außerdem ist sein Haus so spärlich eingerichtet, dass Du alle Deine Bücher dort problemlos unterbringen kannst."
Bei der letzten Bemerkung erschien ein schwaches Lächeln auf Joanns Gesicht. „Klar, wenn ich mir ein Appartement suche, muss es eine eigene Bibliothek haben."
Sam lachte wieder. „Die meisten von uns lesen, aber Du schlägst uns dabei um Längen. Wobei mich Dein Tempo beim Lesen enorm beeindruckt, immer noch. Aber sag mal, was ist nun der wahre Grund, warum Du nicht mit G zusammen leben willst?"
Joann zuckte mit den Achseln und machte sich an ihren nächsten Bericht. Sam verkniff sich jede weitere Frage.
…
„Nate?"
Er sah von der Akte auf, in der er gerade las. „Joann, was kann ich für Dich tun?"
„G hat mich gebeten, mit ihm zusammenzuziehen."
„Das sind doch gute Neuigkeiten. Oder nicht?"
„Ich weiß es nicht. Es macht mir Angst, Nate."
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Warum?"
Joann seufzte und setzte sich ihm gegenüber hin. „Deswegen bin ich hier. Ich weiß es eben nicht."
Nate nickte. „Wie oft hast Du schon mit jemandem zusammen gewohnt?"
„Zweimal. Auf dem College und in New York mit…ihm."
„Wie war das auf dem College? Ging das gut, hattest Du eine nette Mitbewohnerin?"
„Das erste Jahr ging es gut, dann wurde es schwierig. Sie hatte einen seltsamen Umgang, den ich nicht in meinem Zimmer mochte. Ich hab mir dann was preiswertes außerhalb des Campus gesucht."
„Zwei Versuche, zwei Reinfälle und Du fragst Dich, warum Du Angst hast? Oder befürchtest Du etwas ähnliches wie in New York?"
Joanns Entsetzten war fast zu greifen. „Natürlich nicht! G würde sich niemals so verhalten! Keiner der Männer aus diesem Team würde so etwas tun! Wie kannst Du das nur fragen?"
Nate sah sie ruhig an. „Wenn Du mich um Hilfe bittest, stelle ich die Fragen, die Du Dir nicht selber stellen willst oder kannst."
Joann sackte leicht in sich zusammen. „Bin ich so schlimm?"
Jetzt musste Nate lächeln. „Du bist nicht schlimm, Du verhältst Dich nur menschlich. Jeder von uns hat Ängste, denen er sich nicht stellen will. Oder kann."
Sie seufzte leise. „Dann kannst Du mir also nicht helfen."
„Du hast keine Angst vor Callen, wovor hast Du also Angst?"
„Davor, meine Unabhängigkeit zu verlieren…"
Nate sah sie nur an.
„Okay, nicht wirklich. Das hat mir Sam schon klar gemacht."
„Ein kluger Mann."
Das brachte Joann zum Lächeln. „Meistens, ja."
„Und Du bist eine kluge Frau, Joann. Also, was macht Dir Angst? Wenn Du diese Frage beantworten kannst, weißt Du auch, ob Du mit Callen zusammenziehen kannst."
Joann stand auf. „Danke, Nate."
…
Das Rauschen der Wellen beruhigte sie. Die anderen Umgebungsgeräusche verblassten dagegen. Trotzdem hörte Joann die Schritte, die sich ihr näherten. Schweigend setzte sich G neben sie. Nach einer Weile begann Joann zu sprechen, so leise, das er sie kaum verstehen konnte.
„Ich habe Angst, G. Nicht vor Dir, aber vor dem Zusammenleben mit Dir. Ich bin damals mit R.J. viel zu früh zusammengezogen, habe mich von ihm überreden lassen, obwohl ich es nicht wirklich wollte. Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, es noch einmal zu versuchen. Meine Versuche, eine Wohnung mit jemandem zu teilen, waren nicht sehr erfolgreich. Ich möchte unsere Beziehung nicht aufs Spiel setzen, indem ich mit Dir zusammenziehe, obwohl ich noch nicht so weit bin. Ich will sie aber auch nicht gefährden, weil ich nicht mit Dir zusammenziehe. Ich bin da in einer Zwickmühle."
Schweigend dachte G über das Gehörte nach.
„Es funktioniert doch bisher gut, oder? Mit uns beiden, in meinem Haus. Glaubst Du, es wird sich etwas ändern, wenn es nicht nur vorrübergehend ist? Würdest Du Dich anders verhalten? Wären Deine Gefühle anders?"
Nachdenklich sah Joann vor sich hin, verarbeitete die Fragen, die G ihr gestellt hatte.
„Meine Gefühle für Dich haben nichts mit meinem Wohnort zu tun, ausschließlich mit Dir. Aber ich denke, mein Verhalten würde sich ändern. Bisher habe ich mich als Dein Gast betrachtet, wenn ich bei Dir bin." Als Joann den irritierten Blick von G sah, spielte ein schwaches Lächeln um ihre Lippen. „Na ja, als Gast mit besonderen Rechten. Und mit einem Schubfach in Deiner Kommode. Aber eben ein Gast. Aber wenn ich zu Dir ziehe, möchte ich dort zu Hause sein. Nicht nur Gast. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir das hinbekommen."
G nickte, er hatte Joann verstanden. „Ich habe eine ganze Weile darüber nachgedacht, bevor ich Dir diese Frage gestellt habe. Immerhin war es für mich schon ein großer Schritt, den Vertrag für dieses Haus zu unterschreiben." Ein typisches Callen-Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Auch wenn Hetty mir ein wenig die Pistole auf die Brust gesetzt hat, damit ich das mache." Diese Bemerkung entlockte auch Joann ein Lächeln. „Aber ich will, dass Du mehr als eine Schublade in der Kommode hast. Deswegen war ich heute einkaufen."
Neugierig sah Joann ihn an. „Und was?"
„Bücherregale!"
Joann begann, herzhaft zu lachen. G grinste sie an.
„Okay, G, lass es uns versuchen. Aber eine Bedingung stelle ich." Mit ausdrucksloser Miene sah sie ihn an.
„Welche?"
„Lass uns ein schönes großes Doppelbett kaufen. Auf Dauer ist mir Deine Matratze doch zu unbequem."
Lachend nahm er sie in die Arme und küsste sie.
