Wenn Sterne flüstern…
Azureshipping
Kapitel 1
Die alte Ruhestätte
Ägypten am 02.07.2010 - 13:23 Uhr
"Marik sei vorsichtig. Wir wissen nicht, mit welchen Mächten wir es hier zu tun haben."
Ein verächtliches Schnaube ertönte nur, gefolgt von einem erneuten Laut des Kraftaufwands.
"Das ist nur ein Sarkophag Ishizu. Denkst du die Mumien sind plötzlich wieder lebendig geworden und werden uns anfallen?", fragte der junge Mann seine Schwester amüsiert, während er mit einer Brechstange versuchte, das Grabmahl zu öffnen.
Schweiß rann ihm über die Stirn. Bei nahezu 41 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von lediglich 30 Prozent wurde jede Anstrengung in diesem Brutkasten zur Tortur. Die Schwarzhaarige legte ihre Hand bedächtig auf den Deckel der steinernen Ruhestätte und fuhr die eingemeißelten Hieroglyphen nach.
"Wir sprechen hier von einem Pharao, Marik. Es könnte ein Fluch darauf liegen. Erinnerst du dich an den Sarkophag von Atem's Mutter, Cenna. Die Männer, die versucht haben ihn zu öffnen, bezahlten mit ihrem Leben dafür!"
"Aber Seto war nur der Nachfolger des Pharao."
"Und ein leiblicher Verwandter. In ihm floss ebenfalls Königsblut, oder hast du das schon vergessen?"
Ein Ächzen erklang, ehe ein dumpfer Knall ertönte. Marik war mit der Brechstange abgerutscht und gegen den Sarkophag gefallen.
Wütend warf er das Stück Metal in den Sand, ehe er sich selbst in den Staub warf, um für einen Moment zu verschnaufen.
"Ich geb's auf. Noch nie habe ich länger als eine halbe Stunde gebraucht um so ein Ding zu öffnen. Seto will drin bleiben und wir sollten das respektieren. Wir haben bereits genug Mumien für die Ausstellungen und Museen. Eine mehr oder weniger wird niemanden umbringen. Lass uns nach Hause fahren, Ishizu. Ich bin müde und wir sind seit mehr als 6 Stunden in dieser Pyramide."
Die junge Frau zog einen dicken, alten Ledereinband aus ihrer Tasche. Hektisch blätterte sie durch die vergilbten Seiten und schien nach etwas zu suchen.
"Es geht mir dabei gar nicht um Setos Leichnam, Marik.", stellte Ishizu unmissverständlich fest, ehe die Seiten des Buches plötzlich still standen und sie die gefundenen Schriftstücke ihrem Bruder entgegenhielt.
„Laut den alten Inschriften, soll das Siegel des Amun Ra in seinem Sarkophag liegen. Das würde meine Ausstellung endlich komplettieren. Du weißt wie lange ich gebraucht habe, um alle fehlenden Siegel zu finden und zu bergen. Wir sind so dicht vor unserem Ziel, ich kann jetzt nicht aufgeben. Bitte Marik, versuch es doch noch einmal."
Der Angesprochene seufzte schwer und erhob sich wieder.
Etwas unwillig klopfte er den Staub von seinen Kleidern, bevor er sich hinunterbeugte um die Brechstange erneut zur Hand zu nehmen.
"Aber nur weil du es bist, Schwester. In deinem Buch steht nicht zufälligerweise, wie man den Sarg auch einfacher öffnet? Mit einem Schlüssel? Oder einem Hebel irgendwo an der Wand?"
Ishizu begegnete ihm mit einem tadelnden Blick.
"Ich bitte dich Marik, niemals würde jemand so etwas in ein Buch schreiben. Damit würde man Grabräuber geradezu einladen."
"Einen Versuch war's wert."
Marik holte erneut auf um zuzustoßen, wurde jedoch von Odion zurück gehalten.
"Wartet Meister, seht doch hier."
Er zeigte auf die Inschrift am äußeren Rand des Sarkophags. Sie waren nicht mehr vollständig und der Zahn der Zeit hatte seine Spuren hinterlassen. Trotz des schwachen Lichtes gab die junge Frau ihr Bestes, um die Hieroglyphen zu entziffern.
"Wer die Ruhe des Pharao stört wird eine Macht herauf beschwören, die unser aller Leben auf immer zerstören wird. Der Diener des Pharao…. Die restlichen Worten sind nicht mehr zu erkennen."
Vorsichtig strich die Ägypterin über die steinerne Inschrift, welche zur Bestätigung ihrer Worte immer mehr abbröckelte. Drei Augenpaar sahen sich einen momentlang an und schienen Risiko und Belohnung abzuwägen.
Ishizu war die Enttäuschung deutlich anzumerken. Seit Monaten war sie auf der Suche nach den Siegeln gewesen. Monate lang hatte sie die halbe Welt bereist, um die kostbaren Artefakte zusammen zu tragen. Und mehr als einmal hatte sie dabei Kopf und Kragen riskieren müssen. Das Siegel des Amun Ra wäre das letzte Stück ihres Puzzles gewesen. Und nun, wo sie nur einen Steinwurf von ihrem Ziel entfernt zu sein schien, sollte alles um sonst gewesen sein? Sollte sie einfach aufgeben? Nach Hause zurückkehren mit einer unvollständigen Sammlung für ihre Ausstellung und sich der Lächerlichkeit preisgeben? Nein. Ishizu würde an dieser Stelle nicht aufgeben. Tief durchatmend und die Schultern straffend, blickte sie ihre Begleiter mit festem Blick an.
"Ich würde sagen wir machen den Sarkophag transportfertig und bringen ihn vorerst ins Museum. Wir kommen hier ohnehin nicht weiter. Dort könnten wir ihn professioneller und wesentlich sanfter öffnen. Ich will nicht schon wieder dem Kurator eine durch brachiale Gewalt zerstörte Ruhestätte erklären müssen."
"Und an welches Museum hattest du dabei gedacht?", fragte Marik, während er einen unsicheren Blick mit Orion austauschte.
Ishizu verbarg ein Grinsen.
"Ich dachte da an die ägyptische Ausstellung in Domino."
Fortsetzung folgt…
