Kapitel 1: Die Visionen des GRAUENS ("Mehr...oder weniger...")
Die Atmosphäre im Esszimmer war sowieso schon sehr angespannt gewesen, seit Kyo und Ayame hereingekommen waren. Hätten jetzt alle einfach geschwiegen, wäre sie wahrscheinlich auch nicht besser geworden, aber zumindest, dachte Kyo sich, hätte man nicht mehr darüber reden müssen. Doch im selben Augenblick, in dem Kyo diesen Gedanken fasste, brach Ayame die Stille. "Du bist selbst Schuld." belehrte er seinen Cousin. "Das kommt davon, wenn man seine Schlafzimmertür nicht abschließt."
Eigentlich hatte Kyo sich nicht auf eine Diskussion mit diesem merkwürdigen Fatzke einlassen wollen, aber nun konnte er sich nicht beherrschen: "Wieso schläfst du nicht bei Shigure wie vorige Nacht?!" schnaubte er in den Raum rein, woraufhin Toru ihn etwas erschrocken ansah. Was wohl da nur los war, fragte sie sich. Aber lange konnte sie nicht nachdenken, denn Ayame, der nun etwas errötet wegblickte, antwortete zögernd: "Aber...Gure-san lässt mich die ganze Nacht nicht schlafen...!"
Mit einem zufriedenen, aber auch etwas beschämten Lächeln, sagte Shigure daraufhin mahnend: "Na na, nicht vor den Kindern!"
Kyo platzte der Kragen. Mussten sie denn so etwas unbedingt jetzt am Frühstückstisch detaillieren? "Hört! Auf! Damit!!" knurrte er entsetzt, wobei die Hoffnung, dass dieses Gespräch so schnell abbrechen würde, sehr gering in seinen Augen schien. In Kyos Kopf begannen sich Gedanken zu vermischen, von denen er eigentlich nichts wissen wollte, die sich aber auch nicht verdrängen ließen...
+++Kyos Gedanken über die Aktivitäten im Schlafzimmer+++
Das schwarze Leder auf Ayames Haut ließ ihn kaum atmen, so eng
war es ihm um die Brust gebunden. Hilflos lag er auf dem Boden, die
Arme gefesselt, die Beine gespreizt, bereit auf das, was wohl kommen
würde. Als sich langsam die Tür des Zimmers öffnete,
stöhnte er auf. Mit jedem Schritt, den Shigure in das
Schlafzimmer tat, wurde Ayame nur williger. Sein Körper brannte
und er konnte nicht länger warten. Sein Unterleib presste sich
nach oben. Er wusste, er wollte Shigure spüren. Shigures nackte
Haut auf seiner reichte ihm nicht.
"Ayame...du böses
Kind..." kicherte der Schwarzhaarige vor ihm boshaft. Er kannte
das Verlangen seines Freundes immer sehr genau. Und doch ließ
er sich Zeit. Zu viel Zeit. Erneut stöhnte Ayame auf.
"Gure-san!! Bitte!!" keuchte er, schon jetzt vollkommen
erschöpft von den Erwartungen, die er sich erhoffte.
+++Ende+++
Kyo schüttelte hastig den Kopf, um diese abartigen Gedanken, die ihn fast zum Würgen brachten, aus seinem Kopf zu bekommen. Damit dieser Versuch noch besser funktionierte, brauchte er Ablenkung. Allerdings sah das im Moment schlecht aus, denn alles war auf Ayame und Shigure fixiert.
Und während Kyo seine Fantasien bereits verdrängt hatte, begannen Yukis erst. Verzweifelt versuchte er an etwas anderes zu denken...
+++Yukis Gedanken über die Aktivitäten im Schlafzimmer+++
Eine Blumenwiese. Es war herrliches Wetter. Ja, wunderschönes
Wetter, blauer Himmel, strahlend weiße Wolken. Und durch die
Blumenwiese, die endlos zu sein schien, hüpfte fröhlich ein
kleines Mädchen, das ein rotes Kleidchen trug und eine niedlich
klingende Melodie summte. Auf einmal jedoch wirkte das Mädchen
gar nicht mehr so klein und lieb, im Gegenteil. Sie wuchs über
Yukis Kopf hinaus und wurde größer als er. Die Haare
wurden länger und wechselten von einem hellen Blond zu einem
dreckigen Weiß. Außerdem wirkte das Mädchen gar
nicht mehr wie ein Mädchen, eher wie ein erwachsener Mann mit
starken femininen Zügen. Es trug kein Kleidchen mehr, sondern
einen Kimono. Und auch die Blumenwiese schien nicht mehr ganz so
endlos und im nächsten Moment auch nicht mehr wie eine
Blumenwiese. Es bildete sich plötzlich ein Zimmer. Ja, ein
Schlafzimmer. Shigures Zimmer!!
In selbes trat nun ein großer,
schwarzhaariger Mann, dem der Kimono etwas zu groß zu sein
schien. Er rutschte ihm hinunter.
+++Ende+++
"UAH!!" Yuki schrie kurz auf und klatschte sich gegen die Wangen, um von diesen Gesichtern und dem Zimmer mit allem drum und dran wegzukommen.
Kyo fragte entnervt: "Wie lange will er denn noch bleiben?"
Auf diese Frage hatte er sich eine Antwort erhofft, wie "Keine Angst, er geht heute!" oder "DU hast die Erlaubnis, wieder abzuhauen!"
Aber nichts dergleichen kam. Stattdessen lachte sein Cousin nur kurz und pfiff fröhlich: "Keine Angst! Heute Nacht schlafe ich in Toru-kuns Zimmer."
Das brachte das Fass zum überlaufen und Yuki und Kyo waren sich - wie so selten in ihrem jungen Leben - einig: "Hau endlich ab!!"
Noch während die Männer darüber diskutierten, was nun erwähnt werden sollte und was nicht und wer nun gehen sollte und wer nicht, dachte Toru über ganz andere Dinge nach...
+++Torus Gedanken über die Aktivitäten im Schlafzimmer+++
Es war ein lauwarmer Sommerabend. Nichts Außergewöhnliches war an diesem Tag passiert. Shigure und Ayame schien beiden langweilig zu sein, so beschlossen sie, eine Runde Karten zu spielen. Gerade jetzt, wo sie von Toru doch die Regeln des lustigen Spiels "Armer Teufel" ("Rich Man - Poor Man") erklärt bekommen hatten, wollten sie diese gleich einmal in die Tat umsetzen. So begannen sie und es wurde ein langer, gemütlicher Abend.
Letzten Endes verlor Ayame, der das Spiel noch nie zuvor gespielt
hatte und musste löhnen:
Er würde am nächsten Tag
den Abwasch machen müssen.
Noch nie hatten sie so viel Spaß zusammen gehabt, dennoch
hatten sie die ganze Nacht durchgemacht und waren nun sehr müde.
Nach diesem herrlichen Tag gingen beide in Ruhe
schlafen.
+++Ende+++
Toru konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen. Sie wusste gar nicht, wieso die anderen sich alles so aufregten, SIE fand diese Gedanken recht amüsant. Oder konnte in dem Schlafzimmer etwa noch etwas andere passieren?
