Nachts im Schlafsaal der Gryffindors
„NEEEIN!"
Harrys Schrei durchdrang die nächtliche Stille und hallte gellend an den dicken Mauern des Gyffindorturms wieder.
Schweißgebadet und zitternd saß er aufrecht im Bett. Noch hatte er nicht registriert, dass die Vorhänge seines Bettes zurück geschoben worden waren und Ron, Neville, Seamus und Dean um sein Bett herum standen. Ron musterte ihn väterlich besorgt und in Nevilles Gesicht war deutlich Ängstlichkeit zu lesen. Auch Dean und Seamus wirkten ungewohnt ernst.
Harry atmete heftig und presste seine Hände auf seine Stirn.
„Harry? Harry! " Deans Stimme drang nur langsam zu ihm durch. Dann nahm er auch die Gesichter wahr, die fragend auf ihn herabblickten.
„Alles okay, Harry? Geht's wieder?"
Langsam ebbte der Schmerz ab und er ließ die Hände sinken. Stumm nickte er, schaute dabei aber auf seine Hände, die sich nun im Saum der Bettdecke verkrampft hatten.
„Hier, trink erst mal etwas." Neville hielt ihm ein Wasserglas hin und noch immer schweigend stürzte Harry den Inhalt hinunter.
„Hey, nicht so hastig", mahnte Seamus.
Nachdem Harry sich noch einmal über das Gesicht gewischt hatte, hob er den Blick und sah die Jungs an.
„Harry, was war los? Hattest du einen Albtraum?", fragte Dean nun sanft.
Harry holte tief Luft, bevor er antwortete: „Ja, aber jetzt ist ja wieder alles in Ordnung. Macht euch keine Sorgen."
Er hatte sich sichtlich gefangen und wieder die Kontrolle über sich. Die vier Freunde um sein Bett sahen sich bedeutungsschwer an. Ihnen war durchaus bewusst, dass nicht alles in Ordnung war.
„Es tut mir leid, dass ich euch geweckt habe", entschuldigte sich Harry. „Schon wieder...", fügte er etwas leiser hinzu.
Ihm aufmunternd zunickend meinte Dean: „Mach dir keine Gedanken, Kumpel."
Dann drehten er und Seamus sich um und machten sich zurück auf den Weg in ihre Betten. Sie wussten, dass es so für Harry am angenehmsten war, da er sich Vorwürfe machte, sie geweckt zu haben. Und auch, wenn sie es ihm in keinster Weise übel nahmen, so wussten sie doch, dass der kommende Tag ein langer werden würde. Nach einem gemurmelten „Gute Nacht" zogen sie ihre Bettvorhänge zu.
Harry hatte sich inzwischen an sein Kopfende angelehnt. Sein Herzschlag hatte sich wieder beruhigt. Doch die Bilder, die ihn im Schlaf übermannt hatten, waren nach wie vor gestochen scharf in seinem Kopf.
Ron und Neville hatten auf den Seiten seines Bettes Platz genommen. Auch wenn Harry Seamus und besonders Dean mochte, so standen ihm Ron und Neville doch wesentlich näher. Die beiden hatten im Ministerium unerschütterlich an seiner Seite gestanden. Ohne zu zögern hatten sie gekämpft, wohl wissend, dass dies ihren Tod bedeuten konnte.
Während Neville in Gedanken mit der Hand über Harrys Bettlaken fuhr, ergriff Ron das Wort. Er war bisher auffallend still gewesen.
„Harry, bist du dir sicher, dass es bloß ein Traum war?", fragte er Harry geradeheraus und sah diesem fest in die Augen. Harry blickte seinen besten Freund an.
„Wir können jederzeit zu Dumbeldore gehen."
Ron wusste, ebenso, wie Neville, um die Visionen, die Harry quälten und was es mit ihnen auf sich hatte.
Über seine Visionen sprach Harry nicht viel. Oder zu mindestens nicht genug, wie Hermine und Ron fanden. Harry war sich darüber im Klaren. Oft schmerzte es ihn, wenn er seinen Freunden bewusst verschwieg, was ihn bedrückte. Dennoch hielt er es für den besseren Weg, sie nicht zu sehr damit zu belasten. Er wusste, dass sie sich nur noch mehr um ihn sorgen würden, schließlich waren sie seine Freunde. Und aus dem gleichen Grund wollte er nicht, dass sie sich unnötig, wie er fand, sorgten.
Doch anlügen würde Harry seine Freunde nie.
„Ich weiß nicht so genau... Ehrlich gesagt, ich bin mir manchmal gar nicht so sicher, was meinem Gehirn und was dem von Voldemort entspringt."
In letzter Zeit wusste Harry vieles nicht mehr.
„Aber ich denke, dass es ein Traum war", fuhr er fort, als seine Freunde schwiegen.
„Käme es von Voldemort, wäre es wohl schlimmer gewesen", fügte er mit einem traurigen Lächeln hinzu.
Harry spürte, wie die Anspannung von Ron und Neville abfiel.
Er ließ seinen Blick aus dem Fenster gleiten. Er würde nie eine Information verschweigen, die Leben retten oder Schaden lindern konnte. Nichts von dem, was noch durch seine Gehirnwindungen geisterte hätte irgendwem helfen können. Und so schwieg er. Auch wenn er einen Druck auf der Brust spürte und sich sein Hals schmerzhaft verengte.
In diesem Moment fing Ron Harrys Blick auf.
Neville sah auf die Uhr. Die Nacht war vorangeschritten. Am nächsten Morgen würden sie früh hoch müssen. Harry ein letztes Lächeln zuwerfend stand er auf. Auch Ron erhob sich, nachdem er Harry noch mal die Schulter gedrückt hatte. Die beiden zogen die schweren roten Vorhänge um Harrys Bett wieder zu.
Sobald dieser sich unbeobachtet fühlte, drehte er sich zur Seite weg und zurrte die Decke fest um sich. So versuchte er verzweifelt, Voldemorts Stimme aus seinen Gedanken zu verdrängen. Er spürte, wie sein Körper sich bei diesem Kampf gegen sich selbst verspannte.
Leise hörte er die Schritte seiner Freunde zurück zu ihren eigenen Betten. Die Vorhänge raschelten leise.
Er vergrub den Kopf im Kissen.
Plötzlich spürte er, wie sich die Matratze hinter ihm senkte. Jemand bettete sich hinter ihm und drückte seine Brust an Harrys Rücken. Sofort breitete sich die Ruhe, die zunächst von außen kam, auch in Harry aus. Er atmete tief aus und ein kleines Lächeln erschien in seinem Gesicht.
Er liebte dieses vertraute Gefühl, als sich ein Arm um seine Taille schlang und er spürte wie ein Paar Lippen ihm kurz beruhigend sanft den Nacken streifte.
tbc
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