Titel: Überlebenskunst
Disclaimer: Die Rechte für die Charaktere liegen nicht bei mir. Aber das wisst ihr ja eh alle
Warnings: dark, angsty, selbstverletzendes Verhalten und etwas fluff
Author's Note:
Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht recht erklären, wie diese Story entstanden ist. Ich hatte nicht bewusst geplant, etwas so Düsteres zu fabrizieren, aber plötzlich hatte ich dieses erste Kapitel fertig und der Rest folgte auch relativ prompt...
Es ist gewiss kein Guide über SVV und es beschreibt eher Romanos Versuch, sich davon endgültig loszueisen und gewissermaßen ‚reinen Tisch' zu machen (wenn man das so sagen kann). Stilistisch ist es etwas anders geschrieben als meine sonstigen FFs, aber wer sich trotz all dem auf die Story einlassen möchte, ist herzlich willkommen ^^
Wenn's euch gefällt, könnt ihr mir ja gerne ein Review da lassen und/oder die FF favorisieren.
Viel Spaß!
ÜBERLEBENSKUNST
„Ich wusste ja gar nicht, dass du manchmal noch malst, Romano."
Eigentlich ist es ein einfacher Satz – ohne große Hintergedanken daher gesagt und mit einem solch enthusiastischen Lächeln versehen, dass er an melancholische Romantik grenzt. Aber dieser eine Satz aus Spaniens Mund reicht. Er reicht aus, damit Romano an Ort und Stelle schockgefriert. Weder fluchen noch fauchen, sondern bloß noch erbleichen und Spanien fassungslos anstarren kann.
Er malt nicht. Er kann nicht malen.
Veneziano malt. Aber Veneziano kann das auch.
Romano kann sich nur wehtun.
Sich innerlich ohrfeigend, hält er den Besenstiel mit beiden Händen schraubstockartig umklammert, sodass er entzwei zu brechen droht. So viel Kraft wirkt auf ihn ein.
Nichts an diesem Tag ist ungewöhnlich. Nichts hat darauf hingewiesen, dass er so was wie Spaniens Frage in Petto haben würde. Dieser heutige Tag, er riecht nach einer braven Frühlingssonne, nach reichlich bepflanzten Feldern, nach viel guter Meeresluft und etwas kultivierter Stadtluft. Draußen jagt die steigende Temperatur dem noch nicht aus seinem Versteck kriechen wollenden Sommer hinterher, als sei dieser ein verschüchtertes Mädchen, welchem er den Hof macht.
Romano steht, in Arbeitsschürze und mit dem Besen in den Händen, im Flur des viel zu großen Hauses und möchte sich übergeben. Ihm ist schlecht geworden. Die Situation und die unschuldige Frage reißen an seinem Magen, strangulieren seine Nerven und machen ihn gläsern. Dünnhäutig. Durchsichtig. Er hat Angst, zu verschwinden und nur einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.
Er malt nicht. Er kann doch gar nicht malen.
Spanien, der eben auf den Flur getreten ist und mit dieser einen Frage Romanos gesamte Welt zum Stillstand gebracht hat, ist sich keiner Schuld bewusst. Das Lächeln auf seinem Gesicht verrutscht nicht einmal. Das tut es erst, als die stillen Sekunden sich eng aneinander zu reihen beginnen. Kein Ton, keine Antwort und keine Geste sich zwischen sie drängt, weil Romano bewegungsunfähig ist. Nicht blinzelt und nicht winselt, nicht schreit und nicht knurrt, obwohl er es will. Doch alles, was in ihm ist, sind aufwallende Angst und expandierender Hass, die sein Herz überschnellt anschwellen lassen. Er möchte atmen, aber er scheint vergessen zu haben, wie man Luft holt.
Er kann nicht malen, verdammt noch mal!
Unter dem Gewicht der Stille beginnt Antonios Lächeln allmählich zu schwinden. Die Schweigesekunden lasten zu schwer auf seinen Mundwinkeln und drücken sie langsam herab. Romano verfolgt es wie in Zeitlupe. Während er mit eiskalten, verschwitzten Händen da steht, blinzelt Spanien. Die Fröhlichkeit tropft wie überflüssiges Wasser von seinem Gesicht und lässt einen bedrückten Schatten zurück. Es ist das Realisieren, etwas Falsches getan zu haben.
„Ich..hör zu, ich war vorhin nur ganz kurz in deinem Zimmer, um-" Er klingt, als sei er derjenige, der sich entschuldigen müsse, weil es den Eindruck erweckt, als habe er in einem fremden Zimmer geschnüffelt. Dabei ist es sein eigenes Heim und er ist eigentlich der ‚Boss', wenngleich die Rollenverteilung nie sonderlich strikt aufrecht gehalten worden ist; von keinen von ihnen. Romano ist zu dickköpfig und Spanien war mit diesem dickköpfigen Kind einfach seit je her überfordert. So auch jetzt, als er schluckend fortfährt.
„Na jedenfalls, ich hab die kleine Kiste unter deinem Bett rausragen sehen. Die mit-"
„Ich weiß, was in der beschissenen Kiste ist!" Und wie er das weiß. Romano weiß nur nicht, ob Spanien zusammenzuckt, weil ihn das plötzliche Geschrei wie ein gut platzierter Kinnhaken trifft oder weil Romano den Besen mit solcher Wucht zu Boden schmettert, dass das Holz ein gespenstisches Kreischen ausstößt. Das einzige, was Romano definitiv sonst noch weiß, ist, dass er am ganzen Leibe zittert. Mit Händen, deren Fingernägel sich in die Handflächen graben, weil er die Fäuste so fest ballt. Seine Knöchel springen, weißen Knospen gleich, unter der sonnenverwöhnten Haut hervor. Ihm ist immer noch schlecht, wirklich speiübel.
Er kann nicht malen. Wie kann Spanien, dieser Idiot, das bitte immer noch nicht kapiert haben nach all den Jahren?
„Ich hab nicht reingesehen. Ehrlich nicht!", will Antonio Romanos Aufbrausen entgegenwirken und hebt verteidigend die Hände. Weist die Schuld von sich. Es war ein Versehen, nur ein Versehen! beteuert seine Miene dabei.
„Reg dich also nicht gleich so auf, ja? Es ist doch schön, wenn–"
„Nichts ist schön! Ich kann nicht malen, du dämlicher Bastard!" Romano will nichts hören und noch viel weniger etwas fühlen. Er prescht vorwärts, den Blickkontakt abrupt abbrechend und mit so viel Wut im Blut, das dieses zu schäumen droht. Obwohl er Spanien nur knapp bis zur Schulter reicht, rempelt er ihn so stark an, dass dieser eine halbe Drehung macht und nur mit Mühe an seinem Gleichgewicht festhalten kann. Die Wand ist ihm dabei eine willkommene Hilfe.
„Au! Hey, Romano! Was in drei Teufels Namen-?"
Die Worte verfolgen den Jüngeren wie ein Schatten auf seiner Flucht über den Flur, schwingen sich in sein Gehör hinauf, fressen sich durch sein Trommelfell und kriechen letztlich bis in seinen Kopf. Sogar als Romano schon längst aus dem Haus auf die Terrasse gestürzt ist, hört er sie noch. Sie drehen sich klickend, klappernd und klirrend in seinem Hirn wie kleine Metallteile in einer runden Trommel, die fortwährend gedreht wird.
Es ist nicht körperliche Anstrengung, deretwegen er sich kurz vorbeugen und die Hände auf die Knie stützen muss. Luft an sich reißt und die Augen gewaltsam zupresst. Es ist etwas in ihm. Wut oder Angst, Furcht oder Zorn, Scham oder Schuld. Es lässt sich nicht mit Gewissheit definieren, aber er fühlt diese enormen Gegensätze ständig.
Gelegentlich ist es dann einfach zu viel...
Er ist ein Idiot, denkt er dann bloß noch im Stillen. Vermutlich der einzige in diesem Haus, in diesem Land, auf dieser Welt. Auch wenn er immer anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben versucht.
Er hätte die verfluchte Kiste einfach wieder weit unters Bett verbannen sollen, bis in diese tiefschwarze Ecke zwischen Gestell und Wand, wo sie nur existiert, weil er um sie weiß. Lieber wäre es ihm noch, sie wegwerfen zu können. Doch dann wird Spanien sie garantiert aus dem Müll fischen. Er oder sonst jemand und das kann kein gutes Ende nehmen. In der Kiste ist nichts Erfreuliches, sondern nur sehr viel Hässliches.
Romano ist in ihr.
Und er kann nicht malen.
tbc
