Hier ist meine erste Castle-FF. Zeit der Handlung: 4. Staffel, nach der Episode "Der Brite" ("The Limey")

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und würde mich über FB freuen.

Disclaimer:

Alle Rechte an der Fernsehserie Castle und ihren Charakteren gehören Andrew W. Marlowe und ABC.

Die Zitate zu Beginn stammen aus „Wenn du geredet hättest, Desdemona - Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen" von Christine Brückner, erschienen im Ullstein Verlag.


„… Warum fragst du nicht frei heraus? Man spricht nicht über jemanden, man spricht mit ihm! ..."

Richard Castle starrte vor sich hin. Die soeben gehörten Worte erreichten ihn überhaupt nicht, viel zu sehr waren seine Gedanken mit dem Thema beschäftigt, das ihn schon seit Wochen kaum schlafen ließ: Beckett. Beckett, die ihn seit fast einem Jahr belog. Beckett, die sich, wie er mittlerweile wusste, sehr wohl daran erinnerte, dass er ihr nach dem beinahe tödlichen Schuss auf sie seine Liebe gestanden hatte. Die aber fest entschlossen war, diese Liebeserklärung zu ignorieren und stattdessen lieber vorgab, unter Amnesie zu leiden.

„… Besitzt du keine Menschenkenntnis? …"

Wie hatte er nur annehmen können, dass Kate Beckett seine Gefühle erwidern würde? Und beinahe hätte er sich völlig zum Narren gemacht und das Thema erneut zur Sprache gebracht, als ihm vor wenigen Wochen durch den schweren Bombenanschlag bei den Takeover-Protesten bewusst geworden war, wie schnell das Leben und damit alle Pläne für immer vorbei sein konnten. Na ja, mit seinen Plänen war es so auch vorbei, zumindest soweit es seine Pläne von einer gemeinsamen Zukunft mit Beckett betraf. Mittlerweile hatte er den Kontakt zu ihr auf eine rein professionelle Beziehung reduziert, was sich bedauerlicherweise negativ auf Kreativität auswirkte.

„…Man sagt, dass der, der mehr liebt, auch mehr leidet. …"

Er musste um jede Zeile kämpfen, die er über Nikki Heat zu Papier brachte. Insgeheim dachte er schon daran, auch diese Serie zu beenden und mit einer anderen Hauptfigur neu anzufangen. Doch vermutlich würde ihn Gina umbringen, was sie schon beim Tod seines letzten Protagonisten Derrick Storm angedroht hatte – und ihn außerdem knallhart an seinen Vertrag mit Black Pawn erinnern, nach welchem er dem Verlag noch zwei weitere Nikki-Heat-Bücher schuldete. Und die Vertragsstrafe war eine nicht unerhebliche Summe…

Ein schmerzhafter Stoß in die Rippen ließ Castle hochschrecken, gleichzeitig brandete um ihn herum Applaus auf. Vorsichtig betastete er die Stelle, an der Alexis ihn getroffen hatte, und kassierte dafür gleich noch einen strafenden Blick von ihr. Schuldbewusst fiel er in den Beifall ein, den die junge Schauspielerin vorne mit einer Verbeugung entgegennahm, um dann die Bühne für den Conférencier freizugeben.

„Das war Sarah Callahan mit dem Monolog Wenn du geredet hättest, Desdemona. Und jetzt darf ich Ihnen mit besonderer Freude den Star unserer Veranstaltung Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen präsentieren. Begrüßen Sie mit mir Miss Martha Rodgers als Klytämnestra!"

Richard Castle setzte sich noch etwas aufrechter hin und bemühte sich ernsthaft um Konzentration. Seine Mutter würde es ihm nie verzeihen, wenn er ihren Auftritt nicht aufmerksam verfolgen würde. Schon betrat Martha mit einem Lächeln die Bühne, begrüßte ihr begeistertes Publikum und begann ihren Monolog.

Nachdem seine Mutter diesen Text in den letzten Tagen wieder und wieder in seinem Loft geprobt hatte, und das von frühmorgens bis spätabends, hätte Castle ihn problemlos mitsprechen können. Ein schneller Seitenblick auf seine Tochter zeigte ihm, dass es ihr offenbar genauso ging: lautlos bewegten sich ihre Lippen mit. Oder doch nicht ganz so lautlos, denn hörte er sie wispern. Gerade im Begriff, sich für den Rippenstoß von eben zu revanchieren, bemerkte er, dass nicht Alexis dafür verantwortlich war und dass es sich auch gar nicht mehr um ein leises Wispern handelte. Ganz im Gegenteil: etwas weiter hinten im Theater unterhielt sich jemand und das nicht gerade leise. Castle warf einen Blick nach hinten, konnte den - der Stimme nach weiblichen - Störenfried aber nicht entdecken. Er wandte sich wieder der Bühne zu, wo sich seine Mutter scheinbar nicht aus der Ruhe bringen ließ; nur jemand, der sie wirklich gut kannte, konnte erkennen, dass sie irritiert war. Er nickte ihr beruhigend zu, wofür sie sich mit einem fast unmerklichen Lächeln bedankte.

Noch fast eine Minute hielt das Gerede im Hintergrund an, dann war es endlich wieder ruhig im Publikum. Einen Moment später vernahm Castle ein leises Klicken, so als ob eine Tür geschlossen worden wäre. Wer auch immer diese unmögliche Frau gewesen war, offenbar hatte sie den Saal verlassen. Mit einem Aufatmen lehnte er sich zurück und genoss die weitere Darbietung seiner Mutter.

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„Ob Oma sich sehr aufgeregt hat?" Alexis folgte ihrem Vater, der gerade durch eine unauffällige Tür den Backstagebereich betrat und den jungen Security-Mitarbeiter grüßte, der dafür zuständig war, dass sich kein Unbefugter hinter der Bühne aufhielt. Durch das Gewusel von Künstlern und Bühnenarbeitern bahnten sich die beiden den Weg zu Marthas Garderobe.

„Du kennst doch deine Großmutter. Sie wird verlangen, dass man ihr den Kopf dieser Frau auf einem Silbertablett bringt." Castle kannte die Fähigkeit seiner Mutter, aus allem ein Drama zu machen, nur zu gut.

In der Tat war Marthas ausgebildete Stimme schon von weitem zu hören: „Was bildet sich diese Person eigentlich ein? Benimmt sich, als ob das hier ein Kaffeekränzchen wäre." Wie eine gereizte Löwin lief sie in dem kleinen Raum auf und ab, gestikulierte wild mit beiden Armen. Beim Anblick ihres Sohnes und ihrer Enkelin unterbrach sie ihren Marsch. „Was sagt ihr zu dieser Unverfrorenheit? Solchen Kulturbanausen sollte man den Zutritt in ein Theater auf Lebenszeit untersagen!"

Beschwichtigend nahm Castle seine Mutter in den Arm. „Ich bin sicher, dass es für Leute, die im Theater reden, eine spezielle Höllenebene gibt. Aber du bist doch viel zu sehr Profi, als dass dir so eine Kleinigkeit was anhaben könnte. Du warst einfach großartig!"

Seine Worte hatten den gewünschten ablenkenden Effekt: Geschmeichelt strich sich Martha übers Haar. „Nichts wahr? Ich hatte auch das Gefühl, dass ich heute Klytämnestra nicht nur spielte, sondern sie wirklich in mir spürte."

„Und dieses Ereignis feiern wir jetzt", erklärte Castle und schob Alexis rasch zum Ausgang, bevor seine Mutter erneut anfangen konnte zu lamentieren. „Ich habe für uns einen Tisch im Le Cirque reserviert. Mach dich fertig, wir warten am Bühneneingang auf dich."

Erleichtert verließ er mit Alexis die Garderobe. „Puh, das war weniger dramatisch, als ich es mir ausgemalt habe."

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Auf dem Weg nach draußen kamen sie beim Bühnenportier vorbei. „Hallo Jimmy, ist alles in Ordnung?", begrüßte Castle den Mann verwundert, denn Jimmy, sonst die Ruhe in Person, hatte einen hochroten Kopf und spähte immer wieder hinaus auf die Straße.

„Rick, hallo, nein, wir – wir haben ein kleines Problem hier. Eigentlich sogar ein größeres", gab Jimmy zu und zog nervös an seinem Ohrläppchen. „Es gab während der Vorstellung einen Todesfall im Publikum."

„Oha, das ist wirklich ein größeres Problem", gab Castle zu. „Ein Herzinfarkt oder ähnliches?"

„Den bekam die Platzanweiserin fast, als sie de Tür zur Loge öffnete und die Leiche fand", rutschte es Jimmy heraus. „Da ist die Polizei ja endlich!" Er trat erleichtert vor die Tür und winkte den vorfahrenden Streifenwagen zu sich. Direkt dahinter erkannte Castle den Wagen von Ryan und Esposito und danach den von – Detective Kate Beckett.

„Alexis, ich erkundige mich nur mal kurz, was da los ist. Ich bin sofort wieder zurück." Und schon stürmte er nach draußen.

„Hey, Ryan, Espo, haben wir einen Fall?", fragte er die beiden Detectives, kaum, dass sie das Auto verlassen hatten.

„Castle?" Esposito nahm seine Sonnenbrille ab und musterte ihn verblüfft. "Was tun Sie denn schon hier? Beckett konnte Sie doch telefonisch nicht erreichen."

Automatisch griff Castle nach seinem Smartphone und kontrollierte es. „Ah, ich habe das Handy noch nicht wieder eingeschaltet. Meine Mutter hatte eben bei der Matinee einen Auftritt", erklärte er dann und drehte sich um, als er das Klackern von High Heels auf dem Asphalt hinter sich vernahm. „Hallo Beckett." Er lächelte sie zur Begrüßung an, doch vermied es, ihr dabei wirklich in die Augen zu sehen.

„Hallo Castle, wissen Sie schon Bescheid?" Gut sah sie aus, wie eigentlich immer, auch wenn sie seiner Meinung nach in letzter Zeit hin und wieder bedrückt wirkte. Doch das ging ihn ja nichts an.

„Nicht wirklich. Jimmy, das ist der Portier hier am Bühneneingang, hat nur etwas von einer Leiche gesagt, und nachdem Sie hier sind, gehe ich mal davon aus, dass es sich um Mord handelt."

„Sie haben also während der Aufführung nichts Ungewöhnliches bemerkt?", forschte Beckett nach, während sie ihren Kollegen in das Theater folgte. Castle winkte Alexis und Martha entschuldigend zu, die kopfschüttelnd zuschauten, wie er Beckett hinterherlief.

„Nein, nichts. Zumindest nichts, was mit einem Mord zusammenhängen könnte", korrigierte er sich dann. „Nur eine Zuschauerin, die sich lautstark unterhalten hat, während meine Mutter auf der Bühne stand. Was diese ihr entsprechend übel nimmt."

„So ähnlich wie dieser eine Krimiautor, der sich damals wochenlang darüber aufgeregt hat, als jemand während einer seiner Lesungen nebenbei auf dem iPhone Ninja Ropes spielte?", versuchte Beckett einen Scherz zu machen.

„So ähnlich", bestätigte Castle kurz.

Er erinnerte sich daran, wie Esposito und Ryan ihn noch lange Zeit damit aufgezogen hatten. Beckett hatte den jungen Mann auf der Präsentation des vorletzten Nikki Heat-Buches entdeckt, als dieser sich lieber mit dem Computerspiel beschäftigte, als zuzuhören, wie der stolze (und später sehr gekränkte!) Autor aus seinem neuesten Werk vorlas.

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In der Zwischenzeit hatten sie sich einer Zuschauerloge genähert, die von Uniformierten bewacht wurde. Dr. Lanie Parish kam soeben aus der offenstehenden Tür. Sie zog sich die blauen Latexhandschuhe von den Händen und entsorgte sie in einem Plastikbeutel.
„Hi Lanie, was haben wir hier?" Beckett warf einen raschen Blick in die Loge, auf dem Sitz saß zusammengesackt eine Frau mittleren Alters, die kurzen blonden Haare am Hinterkopf waren blutverklebt.

„Das Opfer ist eine Weiße, laut dem Führerschein in ihrer Handtasche 42 Jahre alt, und soviel ich auf den ersten Blick sehen kann, handelt es sich bei der Todesursache um einen Schuss in den Hinterkopf. Keine Austrittswunde. Sehr wahrscheinlich ein aufgesetzter Schuss, neun Millimeter. Genaueres erfährst du, wenn ich die Autopsie beendet habe."

„Und der Todeszeitpunkt?" „Maximal vor einer dreiviertel Stunde, schätze ich."

Hier mischte sich Detective Kevin Ryan in das Gespräch ein, der zuvor wenige Meter entfernt ein älteres, sichtlich erschüttertes Ehepaar befragt hatte. „Mr. und Mrs. van Houten sind Touristen aus Kansas und saßen eine Loge weiter. Sie sagen aus, dass sie gegen 11.50 Uhr eine weibliche Person, vermutlich unser Opfer, Mrs. Stamberg, telefonieren hörten. Mr. van Houten wollte schon rübergehen und um Ruhe bitten, als es plötzlich ruhig wurde und sie hörten, wie eine Tür ins Schloss gezogen wurde. Sie gingen davon aus, dass die Frau rausgegangen war, um dort weiterzutelefonieren."

„Ach, die war das?" platzte Castle ungläubig heraus und fing sich deswegen einen missbilligenden Blick von Beckett ein.

„Was wissen wir über das Opfer?", fragte sie weiter.

Javier Esposito hatte sich diesbezüglich erkundigt: „Vanessa Stamberg, 42 Jahre, verheiratet mit James Stamberg, Besitzer der Waschsalonkette Stamberg's Wash and Go. Sie war allein hier. Und das" – er hielt einen Beweismittelbeutel hoch, in dem sich ein hochwertiges Smartphone befand - „haben wir auf dem Fußboden gefunden."

Castle pfiff leise. „Wow, sieht ganz so aus, als hätte noch jemand was gegen Leute, die im Theater reden…"