Summary: Neville Longbottom, ordentlicher Professor für Kräuterkunde an der Hogwarts-Schule für Hexenkunst und Zauberei, besucht mit einem seiner größten Zuchterfolge die alle acht Jahre stattfindende »Magisch-Botanische Pflanzenschau« der Internationalen Herbologischen Gesellschaft, die dieses Mal auf Irland, der grünen Insel, abgehalten wird. Dort trifft er unverhofft auf einen ehemaligen Mitschüler, den er seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Ob er und Seamus Finnigan sich nach all der Zeit etwas zu sagen haben werden? Oneshot. Slash. [Neville/Seamus].
Warning: Voluntarily misinterpreting information given by Ms Rowling in some 2007 interviews (Open Book Tour, Pottercast) concerning Neville's life between last chapter and epilogue of "Deathly Hallows", insofar could be seen as slightly AU. :P
Rating: M. No joke! You have been warned!
Disclaimer: Alles meins! Außer: den Namen der handelnden Personen und den Kulissen, in denen sie es tun. Handeln, mein' ich natürlich! Nöh, ernsthaft, alles JKRs, alles nur geklaut. Sie ist ja bekannt für ihre slashige Ader, und ich bin nur so 'ne Pseudo-Nymphe von ihr. Erato, mein Name. Oder war's Erro? Griechisch und Latein verwechsel ich immer.
Die Schwarze Orchidee
1. Me Blood, It Flows Green
(Kiss Me, I'm Irish – Gaelic Storm)
Der blutige Fleischbrocken zuckte. Innerlich hielt ich den Atem an, während ich meinen Zauberstab durch das komplizierte Muster der Verwandlung führte. Ich war noch nie gut in Verwandlungen gewesen, hatte das Fach immer gehasst. Oder umgekehrt? Hatte ich das Fach so gehasst, weil ich nie gut genug darin gewesen war? Unwichtig. Es spielte heute keine Rolle mehr. Ich sollte mich besser voll auf die Aufgabe konzentrieren, wenn ich mich nicht vor meinem versammelten NEWT-Kurs lächerlich machen wollte. Man stelle sich vor, ein Professor, der an einer einfachen Verwandlung scheiterte! Als hätte ich nicht schon genug Autoritätsprobleme, wie mir Iduna immer wieder mit typisch slytherinscher, scheinheiliger Freundlichkeit bescheinigte.
Ich brachte die letzten Bahnen des Musters erfolgreich hinter mich und richtet mit hoffentlich nicht allzu ungeschickt wirkendem Schwung meinen Zauberstab gebieterisch auf das Fleischstück, dem mittlerweile ein Fell, zwei kurze Vorderbeine und zwei lange Hinterläufe, ein Schwanzpuschel und ein Schnäuzchen mit langen Schnurrhaaren gewachsen waren. Es war kein allzu verunglücktes Exemplar eines Hasen. Mein lautes »Animatus!« hatte ebenfalls die gewünschte Wirkung und haucht dem verwandelten Fleischbrocken das letzte noch fehlende Fünkchen Scheinleben ein – das nur von kurzer Dauer sein würde.
»Professor?« Miss Yaxley sah mich fragend an, wartete offensichtlich auf ein Zeichen von mir. Sie war die einzige Slytherin in meinem NEWT-Kurs, aber eine außerordentlich begabte Studentin. Einen vollen Kopf größer als ich und, schlimmer noch, Idunas Großnichte. Ich nickte ihr bestätigend zu, während ich gleichzeitig versuchte, den falschen Hasen vor meinem geistigen Auge ruhig zu halten. Ich hörte, wie sie die Aufhebungszauber sprach, und so eine temporäre Lücke im Bannkreis um die Pflanze erzeugte. Jetzt war ich wieder an der Reihe. Ich begann mir mit aller Kraft vorzustellen, wie mein falscher Hase loshoppelte und durch die Lücke zur scheinbar freien Erdschicht unter den meterhohen Blättern hüpfte. Wie löchrige Sonnenschirme saßen die gelappten Blattflächen auf ihren langen Stielen und besprenkelten den Boden unter sich mit einem Gepardenmuster aus Lichtflecken.
Als das Häschen durch den Bannkreis gehoppelt war, wollte ich Miss Yaxley wieder ein Zeichen geben. Aber wie es sich für eine Vorzeigestudentin gehörte, hatte sie mitgedacht und war bereits dabei, den Bannkreis wieder zu schließen. Unterdessen ließ ich den Fleischbrocken in Hasengestalt weiter auf den zentralen Spross zuhoppeln.
Als der erste Dornenrücken aus der lockeren Erde auftauchte, ließ ich den Hasen stillstehen. Vermutlich hätte auch ein echter Hase gezögert, wenn er so etwas gesehen hätte. Wie die Rückenflossen eines Schwarms kleiner Haie auf dem Ozean schienen die rasiermesserscharfen Dornen durchs Erdreich um ihre Beute herum ihre Kreise zu ziehen.
Als sie zuschlugen, war ich so überrascht, dass ich meine Animatus-Kontrolle über den Pseudohasen verlor. Dabei kannte ich das Schauspiel – im Prinzip. Aber ein scheinbar lebender Hase, auch wenn er nur verwandelt war und in Wirklichkeit aus bereits totem Fleisch bestand, war eben etwas anderes als die übliche Futterration.
Die Dornenrücken zerfetzten zuerst die Beine. Mir schien es sogar, als ob sie gezielt die Sehnen der Fersen und die Waden attackiert hätten, aber es ging so schnell, dass ich mir nicht sicher sein konnte. Bereits wenige Sekunden später waren die Läufe des falschen Hasen nur noch blutige Fleischklumpen, und das Weiß von Knochen blitzte in der roten Masse auf. Als sich die reißenden Ranken mit ihren rasiermesserscharfen Dornen dann aus der Erde hoben und sich über den Hasen legten, war die Sache schnell vorbei. Die Gewalt, mit der die Schlingen an ihrer Beute rissen, ließ Fleischbrocken und Fellreste fast einen Meter weit durch die Luft fliegen, und Blut spritzte beinahe bis an den Schutzkreis.
Nach einer Minute war nichts mehr zu erkennen, was auch nur entfernt an einen Hasen erinnert hätte. Ein paar Blutspritzer hatten die Unterseiten der Blätter benetzt, tropften aber bereits ab, ohne Spuren zu hinterlassen. Mir wurde leicht übel, als ich auf die Überreste des blutigen Gemetzels blickte, die nunmehr als Nahrung für ihren Pilzsymbionten von den Dornenranken der Orchidee untergepflügt wurden. Aber ich ließ mir vor meinen Schülern natürlich nichts anmerken.
»Das ist definitiv beeindruckender als die normale Fütterung«, meinte Miss Yaxley und erntete reihum Zustimmung von den restlichen Mitgliedern meines NEWT-Kurses.
»Aber ist es nicht ein bisschen zu grausam?«, warf Mr. McKeown ein – wofür ich ihm dankbar war. »Immerhin werden wahrscheinlich auch Kinder und Schulklassen unter den Zuschauern sein, oder?«
Meine liebenswerte Miss Yaxley zog überlegen eine Augenbraue hoch, eine Geste, die sie sich von ihrer Großtante abgeschaut hatte. Jedenfalls erinnerte sie mich kaum jemals so sehr an Iduna, wie in diesen Augenblicken, wenn sie der Welt ihre arrogante Seite zeigte.
»Kinder lachen doch über so etwas höchstens. Die sind viel härter, als sie aussehen. Außerdem: So ist die Natur eben. Verdauen und verdaut werden. Und was zu groß zum Verdauen ist, muss man eben klein machen. Was soll daran schlimm sein? Ich dachte, der ganze Zweck der Vorführung wäre, dass die Besucher erfahren, wie sich Totengräberschlingen in der freien Wildbahn verhalten.«
In gewisser Weise hatte sie recht. Vom pädagogischen Standpunkt aus machte es recht wenig Sinn, die Orchidee – oder vielmehr ihren symbiontischen Pilz – mit dem üblichen frischen Rinderhack-Blut-Gemisch abzuspeisen. Die Fütterung würde dann nicht nur sehr unspektakulär verlaufen, botanische Laien würden auch gar nicht begreifen, womit sich Amaphylia aterrima überhaupt den unwissenschaftlichen Beinamen »Totengräberschlinge« verdient hatte.
»Außerdem wird der Anblick von ein paar Überresten die Leute vielleicht auf Abstand halten«, fügte Miss Miller, eine Studentin aus meinem Haus hinzu. »Sie wird bald in voller Blüte stehen.«
Darüber hatte ich auch schon nachgedacht. Die Scheinpheromone der Blüten würden einen Menschen zwar nicht um den Verstand bringen, aber sie vermochten doch gewisse … Begehrlichkeiten zu wecken. Ein bisschen Verwesungsgeruch und blutige Fleischreste hatten dagegen eine eher ernüchternde Wirkung, zumindest ging es mir immer so. Meine Orchidee würde dieses Jahr zwar erst zum dritten Mal blühen, aber der Duft der Blüten war jedes Mal anders. Dieses Jahr war erst eine Knospe halb geöffnet, und die handtellergroßen Blütenblätter waren noch eher dunkelblau als schwarz, aber schon jetzt durchdrang ein stechender, jedoch keineswegs nur unangenehmer, manchmal fast anregender Geruch das Gewächshaus neun. Nicht umsonst gehörten die Blüten dieser Orchidee zu den teuersten und gesuchtesten Zutaten für Liebestränke, die es überhaupt gab. Iduna hatte mir letztes Jahr drei voll geöffnete Blüten abgeschwatzt. Ich wusste bis heute nicht, was sie mit ihnen angestellt hatte – und ich wollte es auch gar nicht wissen. So genau sollte man sich nie in die Angelegenheiten von Zaubertrankmeistern einmischen. Diese Lektion hatte ich gelernt wie keine andere – Snape sei Dank.
»Professor Longbottom?«, meldete sich Miss Yaxley wieder. »Darf ich noch etwas anderes fragen?«
So viel Höflichkeit passte gar nicht zu ihr, aber es war auch nicht schwer zu erraten, was sie wissen wollte. Ich wandte mich von meiner Amaphylia ab und ließ den Blick über meinen NEWT-Kurs schweifen. Sie waren nicht mein erster NEWT-Kurs, aber die Ersten, die ich von der ersten bis zur siebten Klasse allein unterrichtet hatte. Ich war so stolz auf sie, auf jeden Einzelnen von ihnen. Und selbstverständlich hatte ich bei den Prüfern des Ministeriums keine Ruhe gegeben, bis sie mir ein paar Hinweise auf ihre Prüfungsergebnisse verraten hatten; inoffiziell natürlich. Offiziell wurden die Ergebnisse erst in drei Tagen bekanntgegeben.
Ich seufzte und log drauflos: »Nein, ich weiß noch nicht, wie die Prüfungen ausgefallen sind, Miss Yaxley.« Ich blickte in die Runde meiner Studenten und erinnerte mich, wie ich mich gefühlt hatte, vor über zwanzig Jahren, als in jeder einzelnen Stunde mindestens einer aus unserem Kurs Professor Sprout nach den Ergebnissen gefragt hatte. Ich versuchte mich in verschwörerischem Zwinkern, aber darin war ich nie besonders gut gewesen. »Aber ich bin sehr sicher, dass keiner von Ihnen durchgefallen ist. Ich möchte sogar darauf wetten, dass keiner von Ihnen schlechter als mit einem E abgeschlossen hat.«
Anscheinend war ich doch ein wenig überdeutlich gewesen, denn verhaltener Jubel brach aus. Hände wurden geschüttelt, man klatschte sich gegenseitig ab oder klopfte sich gratulierend auf die Schultern, nur meine Miss Yaxley schien nicht zufrieden mit der Antwort. Sie war ehrgeizig genug, um auf eine bessere Note als ein gutes E zu hoffen. Und tatsächlich brillant genug, um mit einem O rechnen zu können. Aber, selbst wenn ich ihre genaue Note gekannt hätte, was nicht der Fall war, ich hätte sie ihr nicht verraten. Sollte sie ruhig noch die drei Tage schmoren. Zu viel Ehrgeiz war nicht gut für den Charakter, das galt auch und ganz besonders für eine Slytherin. Und ganz speziell noch einmal, wenn die Großtante Iduna Yaxley hieß. Ich schenkte ihr ein freundliches Lächeln, aber sie erwiderte es nur sehr säuerlich.
»Professor Longbottom!«
Ich zog schuldbewusst den Kopf zwischen die Schultern und drehte mich langsam um, als ich Minervas Stimme in meinem Rücken hörte. In solchen Situationen war sie wieder »Professor McGonagall«, der gestrenge Schrecken meiner Verwandlungsstunden. Hoffentlich hatte sie nicht mitbekommen, wie ich meinem NEWT-Kurs praktisch ihre Prüfungsergebnisse verraten hatte – drei Tage vor der offiziellen Verkündigung.
»Entschuldigen Sie die Störung, Professor«, fuhr sie fort und klang dabei so verbindlich, dass ich keine Zweifel mehr daran hatte, dass ich bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. So nett war unsere Frau Direktorin nur, wenn sie wirklich geladen war. »Ich wusste nicht, dass Sie noch Unterricht abhalten. Sollte ich vielleicht später wiederkommen, oder hätten Sie ein paar Minuten Zeit?«
»Nein, nein«, erwiderte ich hastig. »Das war keine Unterrichtsstunde mehr, nur ein kleines Experiment außerhalb des Lehrplans, Professor McGonagall. Und wir sind auch schon fertig.« Ich drehte mich schnell wieder zu meinen Studenten um. »Sie können jetzt gehen. Und vielen Dank für Ihre Mithilfe. Wir sehen uns ja noch vor der Verabschiedung.« Ich bemühte abermals meine dilettantischen Zwinkerkünste, aber sie suchten auch so ohne weitere Verzögerungen das Weite, entweder aus Mitleid mit mir oder um selbst nicht in die Schusslinie von Minervas Zorn zu geraten – die Schüler entwickeln in den sieben Jahren ihrer Hogwarts-Ausbildung ein bemerkenswertes Gespür für die Stimmungen unserer lieben Direktorin.
»So dringend wäre es aber nicht gewesen, Professor«, sagte Minerva. »Sie hätten auch später in meinem Büro vorbeikommen können.«
»Gar kein Problem, Professor McGonagall«, beeilte ich mich ihr zu versichern, während die letzten Schüler meines Kurses sich an uns vorbei aus dem Gewächshaus drängten. »Wir haben lediglich ausprobiert, ob man die Fütterung der Amaphylia aterrima mittels einer Tierattrappe ein bisschen realistischer gestalten könnte. Wir sind wirklich schon fertig.«
Minerva trat bis an die Linie des Bannkreises, während Miss Yaxley gerade als Letzte aus der Gewächshaustür verschwand, nicht ohne mir einen eindeutig schadenfrohen Blick mit spöttisch hochgezogener Augenbraue zuzuwerfen. Dieses Früchtchen wurde Iduna wirklich immer ähnlicher; vor allem, seit sie ihre letzten Prüfungen abgelegt und von mir nichts mehr zu befürchten hatte – nicht dass das vorher der Fall gewesen wäre. Iduna hatte wohl doch recht damit, dass ich viel zu weich und gutmütig war und meinen Schülern und Studenten zu viel durchgehen ließ.
Ich hörte mehr, als dass ich sah, wie Minerva tief einatmete und den noch schwachen Duft der ersten Blüte einsog. Ich war ein wenig verwundert, sagte aber nichts. Eine Weile stand sie schweigend vor der Orchidee, die in ihrem höchsten Punkt doppelte so groß war wie sie.
»Gehen wir nach draußen?«, fragte sie plötzlich. »Es ist mir hier drinnen zu schwül.«
»Natürlich, Minerva.« Ich vermied es, zu ihr hochzusehen, und ging voraus, um ihr die Tür aufzuhalten. »Nach dir.«
Die Luft draußen war nicht viel kühler, aber wesentlich trockener als in Gewächshaus neun. Die Junisonne brannte an diesem Nachmittag mit derselben ungebrochenen Kraft vom azurblauen Himmel herunter, wie sie es schon seit Wochen tat.
Ich biss wohl besser gleich in den sauren Apfel und entschuldigte mich für meine Indiskretion, die Ergebnisse der NEWT-Prüfungen betreffend, bevor sie es zur Sprache bringen konnte. »Minerva, es tut mir leid, dass ich –«
Minerva fiel mir mit der Nennung eines einzigen Namens ins Wort: »Albus.«
Ich hob meine rechte Hand an die Stirn, als hätte mich ein plötzlicher Migräneanfall überrascht – was nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war – und stöhnte auf. Bei der Göttin! Müde rieb ich mir die Augen. Anfangs war ich so stolz gewesen, dass Harrys Jüngster für mein Haus und nicht Gryffindor gewählt worden war, aber inzwischen hatte ich eine andere Theorie. Eine Theorie, die eher zu einem wahnsinnigen Paranoiker gepasst hätte, aber für die bei genauerer Betrachtung von Tag zu Tag mehr Indizien sprachen: Der Sprechende Hut hasste mich und setzte seit unserem Streit bei meiner Hauswahl alles daran, mich in den Selbstmord zu treiben. Wenn man diese – zugegeben auf den ersten Blick etwas abwegig klingende – Hypothese einmal ernsthaft in Erwägung zog, dann ergab vieles in meinem Leben Sinn, das sich ansonsten nur unter »grauenhafte Laune der Schicksalsgötter« verbuchen ließ.
Ich war ziemlich sicher, dass ich es nicht nur Professor Sprouts Fürsprache, sondern auch dem Sprechenden Hut zu verdanken hatte, dass ich Hauslehrer von Hufflepuff geworden war. Der Hut hatte es nie verwunden, dass ich mich seinem Ratschlag nicht gefügt hatte, und es schien mir nicht unwahrscheinlich, dass sich Minerva von diesem alten mottenzerfressenen Stofffetzen hatte beraten lassen, als sie die Hauslehrerposition nach Professor Sprouts Emeritierung wieder zu besetzen hatte. Und eigentlich war ich gern Hauslehrer von Hufflepuff gewesen – bis zu dem Tag, an dem diese rachsüchtige, mottenzerfressene Laberkappe mir Albus Severus Potter aufs Auge gedrückt hatte. Seither erwartete ich bei jedem morgendlichen Blick in den Spiegel, über Nacht ergraut zu sein.
»Was hat er diesmal angestellt?« Ich hörte mich wahrscheinlich noch weinerlicher an, als ich mich fühlte, denn Minerva lachte auf.
»Allmählich lauft ihr sogar Gryffindor den Rang ab … zumindest was den Ruf als Haus der Unruhestifter und Tunichtgute anbelangt, nicht war, Neville?«, bemerkte Minerva gut gelaunt und viel zu süffisant für eine Direktorin, die eigentlich unparteiisch sein sollte.
»Ich bring Harry um. Irgendwann bring ich Harry um.« Meine geflüsterten Drohungen führten nur zu erneuten Heiterkeitsausbrüchen bei Minerva. Dabei war es mir durchaus ernst – gewissermaßen. Ich war praktisch sicher, dass Harry seinem Jüngsten die Karte der Marodeure und seinen Unsichtbarkeitsumhang überlassen hatte. Und in die Hände eines kriminellen Genies vom Schlage eines Albus Severus Potter hätte beides niemals gelangen dürfen.
»Freut mich, zu deiner Erheiterung beitragen zu können«, sagte ich giftig, wenn auch resignierend zu Minerva, die immer noch über mein Elend lächeln konnte. »Was hat er diesmal angestellt?«
»Er hat sich aus Idunas persönlichen Vorräten bedient. Selbstverständlich unerlaubt. Aus ihrem privaten Schrank ist Re'em-Blut verschwunden, in der letzten Unterrichtsstunde des Jahres, und nur die Hufflepuffs und die Ravenclaws kommen als Täter infrage. Es gibt keinen schlüssigen Beweis, dass es Albus war, wie immer, aber …«
»Ja, ja«, gab ich mich geschlagen, »schon gut!« Kampflos. Es war eigentlich eine Schande, aber ich würde nicht dagegen argumentieren. Drei Jahre Erfahrung mit Albus Severus Potters »Eskapaden« ließen mich daran zweifeln, dass es sich lohnte, gegen eine Tatbeteiligung seinerseits zu wetten. Der Zeitpunkt für einen solchen Diebstahl war jedenfalls gut gewählt. Selbst wenn er erwischt wurde, es war nicht mehr genug Zeit, ihn wochenlang nachsitzen zu lassen. Das Schuljahr war ja praktisch schon zu Ende.
Ich seufzte abermals. »Ich filze nachher die Schlafsäle. Und ich rede mit Iduna. Und versuche – schon wieder –, Albus ins Gewissen zu reden. Und ich führe ein ernsthaftes Gespräch mit Harry. Bei nächster Gelegenheit.« Oder wann auch immer ich dafür Zeit finden würde. Möglichst noch vor meiner Abreise nach Irland, auch wenn das ziemlich knapp werden würde.
Minerva legte tröstend einen Arm um meine Schulter. »Mein armer Neville. Aber das sind die Freuden eines Hauslehrers. Ich musste mich schließlich auch lange genug mit euch Rackern herumschlagen.« Ich fand das keinen großen Trost. Schließlich hatte ich ihr damals kaum Probleme gemacht – im Gegensatz zum Rest meiner ehemaligen Mitgryffindors – womit sollte also gerade ich jenes monströs-drakonische Strafgericht in Form Albus Severus Potters verdient haben?
»Oh, und noch eines«, bemerkte Minerva und musterte mich von oben herab über den Rand ihrer Brille mit ihrem strengsten Lehrerinnenblick; ein Blick, der mich auch nach all den Jahren immer noch schuldbewusst zusammenzucken ließ. »Das nächste Mal warten wir hübsch mit der Verkündung der Prüfungsergebnisse wie alle anderen auch! Sonst könnte ich ein wenig ungehalten werden, und das wollen wir doch alle tunlichst vermeiden, nicht wahr, Neville?«
Das Panorama übertraf all meine Erwartungen. Ich hatte gerade den Ring der Illusions- und Muggelabwehrzauber durchquert und sah nun erstmals das Ausstellungsgelände der »Magisch-Botanischen Pflanzenschau« in all seiner Pracht. Natürlich konnte ich nicht das gesamte Gelände überblicken, dazu war es zu groß. Aber das Markenzeichen der Ausstellung hob sich unübersehbar vor dem Horizont ab. Es war ein seltsam surreales Gefühl, aber gleichzeitig lief mir ein Schauer der Ehrfurcht über den Rücken, als ich zum ersten Mal ein Exemplar ihrer Art sah: eine Weltenesche.
Sie hatten tatsächlich eine Fraxinus yggdrasilia aus ihrem nordamerikanischen Reservat nach Irland geschafft. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wie ein lebender, atmender grüner Berg ragte der Baum vor mir auf. Seine Krone schien die bis in die Wolken zu reichen, und vielleicht tat sie das auch. Hoch genug, die tiefen Cumuluswolken zu kratzen, die gemächlich über den blauen Himmel dahinzogen, war die gewaltige Esche bestimmt. Der Anblick des gewaltigen Baumriesen hatte etwas Unerhörtes und Verstörendes. Noch nie hatte ich ein einzelnes Lebewesen dieser Größe gesehen. Mein Verstand hatte Schwierigkeiten, wirklich zu erfassen, was ihm meine Augen da zeigten. Er wollte den Baum in nur wenigen Hundert Metern Entfernung verorten, während ich doch genau wusste, dass er viel weiter weg sein musst. Schon der winzigen Gewächshäuser darunter wegen – und der Bäume, die unter diesem Baumberg wuchsen. Aber mein Verstand bestand darauf, dass da irgendetwas mit der Perspektive nicht stimmen konnte. Es war wie das Gegenteil einer optischen Täuschung: Man sah nicht etwas, das gar nicht da war, sondern man wusste, dass da etwas war, sah es aber nicht. Jedenfalls nicht so, wie man es eigentlich hätte sehen müssen.
Ich wandte schließlich den Blick ab, damit mir nicht schwindelig wurde. Ich würde in den nächsten vier Wochen genug Zeit haben, mich an den Anblick zu gewöhnen und die Weltenesche ganz aus der Nähe zu bestaunen. Erst einmal sollte ich aber meinen eigenen Ausstellungsbeitrag an seinen Bestimmungsort bringen. Ich sah kurz in den Ausstellungsführer, den der Einweiser mir gegeben hatte, und setzte meinen Weg fort. Meine schlafende Amaphylia schwebte gehorsam hinter mir her.
Bereits auf dem Weg zu »meinem« Gewächshaus hätte ich an ein paar Dutzend Stellen anhalten mögen und den Rest des Tages mit der Betrachtung der dort ausgestellten Schönheiten verbringen können. Ich redete mir aber immer wieder gut zu, dass ich in den nächsten Wochen wahrlich genug Zeit finden würde, um mich in aller Ruhe umzusehen. Es waren Schulferien, ich hatte bereits einen Gutteil der Vorbereitungen für das nächste Schuljahr abgeschlossen und auch alles andere erledigt, was zu erledigen war. Oma besucht, dann mit Oma zusammen Mum und Dad besucht, bei ein paar alten Freunden vorbeigeschaut und Hallo gesagt, Albus bei seinem Vater angeschwärzt und versucht, Harry dazu zu überreden, dass er seinem Sohn die Karte und den Umhang wieder wegnehmen sollte. Ich hatte alles getan, was man von dem pflichtbewussten Enkel, Sohn, Freund, Professor und Hauslehrer Neville Longbottom nur erwarten konnte. Die nächsten vier Wochen gehörten mir und mir ganz allein!
Ich folgte dem Kiesweg immer weiter, während die Weltenesche ganz langsam größer und größer wurde. Gelegentlich warf ich einen Blick auf die Schilder und in meinen Ausstellungsführer, um mich zu vergewissern, dass ich noch auf dem richtigen Weg war. Das Gelände war wirklich riesig. Ich machte nach einer weiteren Viertelstunde Fußmarsch Pause, setzte mich zum Verschnaufen auf eine Bank am Wegesrand und ließ meine Orchidee einen Moment zu Boden. Ich blätterte ein bisschen in meinem Führer. Dort stand, dass das eigentliche Ausstellungsgelände über dreißig Quadratkilometer umfasste, die Nebengebäude, Besucherunterkünfte und der Muggelschutzring ringsherum jedoch die Fläche fast verdoppelten. Aber allein schon die Weltenesche bedeckte mehr als einen halben Quadratkilometer, einen Großteil der Restflächen nahmen die vielen Landschafts- und Themengärten ein. Die vierunddreißig Gewächshäuser fielen dagegen kaum ins Gewicht. Ich hatte das erhebende Gefühl, die nächsten Wochen im Paradies auf Erden verbringen zu dürfen.
Ich erhob mich mit neuem Elan und marschierte weiter. Es fiel mir schon nach wenigen Schritten auf, aber trotzdem hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt: Ich hatte meine Orchidee neben der Bank stehenlassen. Es war fast, als könnte ich meine Oma den Kopf schütteln sehen und wieder das Lachen der gesamten Großen Halle hören, als ich mit dem Sprechenden Hut auf dem Kopf zum Gryffindortisch gerannt war. Warum musste so etwas immer mir passieren? Wenigstens hatte mich diesmal keiner gesehen.
Ich kehrte schnurstracks um, ließ meine Orchidee jetzt vor mir herschweben und machte keine Pause mehr, bis ich an meinem Gewächshaus angekommen war. »Magische Orchideen II« informierte ein schlichtes Schild über dessen Eingang die Besucher. Allerdings war die Tür bisher noch verschlossen, was einerseits kein Wunder war, sollte die Eröffnungsfeier doch erst morgen Mittag stattfinden, mich andererseits jedoch vor ein ziemliches Problem stellte. Wo sollte ich jetzt mit meiner wohlverpackten Amaphylia hin?
Ich ging ein Mal um das gesamte Gewächshaus herum, aber fand keine offene Tür. Im Innern war auch niemand zu sehen; soweit man das durch das Blättergewirr hinter den Glasscheiben sagen konnte. Auf mein Klopfen erfolgte ebenfalls keine Reaktion. Ich lungerte ein bisschen in der Nähe des Gewächshauses herum, in der Hoffnung, dass doch noch jemand auftauchen würde, aber vergebens. Ich wollte mich gerade wieder zum Gehen wenden und nach dem nächsten Verwaltungsbau suchen, um jemand Zuständiges aufzutreiben, als sich das Schicksal meiner erbarmte. Das kam selten genug vor, aber ich wollte mich im Moment nicht beschweren.
»Hey, Sie!«, rief eine unfreundliche Stimme, und ich nahm mir dann doch das Recht, mich zu beschweren. »Was machen Sie hier? Das Gelände ist für Besucher noch gesperrt!«, wurde ich von einem kräftigen Kerl in schlichten Arbeitsroben und ohne Hut angeschnauzt.
»Äh«, versuchte ich mich nicht sehr erfolgreich zu wehren. Wie überaus eloquent, Professor Longbottom, hörte ich eine kleine spöttische Stimme in meinem Kopf sagen, besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können.
»Worauf warten Sie noch! Verschwinden Sie!« Sein Schnurrbart zitterte gebieterisch, als er mich mit einer Handbewegung wegscheuchen wollte.
»Ich bin ein Aussteller«, quetschte ich schließlich heraus, was den Mann innehalten ließ. Er sah mich misstrauisch an, als habe er gewisse Zweifel an meiner Aussage, sah aber dann wohl die schlafende Orchidee hinter mir. »Longbottom, Neville Longbottom«, stellte ich mich vor. Meine Stimme zitterte kaum dabei, hoffte ich.
Das abweisende Verhalten des Mannes schlug sofort ins völlige Gegenteil um. Ein freudiges Grinsen erschien auf seinem Gesicht, und er ergriff meine Hand und schüttelte sie, als hinge sein Leben davon ab.
»Mr. Longbottom. Selbstverständlich. Entschuldigen Sie vielmals, Sir, aber wir haben seit Tagen mit ungebetenen Gästen und Schaulustigen zu kämpfen. Es ist mir eine Ehre. Eine Freude! Und das muss die berühmte ›Schwarze Orchidee‹ sein!«
Er ließ endlich wieder meine Hand los, um sich meinem schlafenden Liebling zuzuwenden. Er warf mir einen fragenden Blick zu, und auf mein Nicken hin, näherte er sich der Pflanze. Er nahm einen tiefen Atemzug von ihrem Duft, der im Moment jedoch nur sehr schwach war, da die Blüten geschlossen waren. Trotzdem schien er zufrieden.
»Wundervoll! Einfach großartig! Eine echte Schönheit! Ein Wunder der Natur! Sie sind zu beneiden, Sir!« Nun, das war natürlich alles richtig. Ich war zu beneiden. Und dass mein Name in Orchideenzüchterkreisen heute wegen meiner »Schwarzen Orchidee« berühmter war, als Neville Longbottom vor zwanzig Jahren wegen anderer Vorfälle in der restlichen Zaubererwelt jemals gewesen war, freute mich mehr, als ich jemals jemandem hatte begreiflich machen können. Vielleicht verstand es Professor Sprout, aber nicht einmal Iduna, die mich wirklich besser kannte als die meisten, sah ein, wie ich auf die Kultivierung und Vermehrung von »Grünzeug« – so kostbar und selten es auch sein mochte – stolzer sein konnte als auf die Kämpfe und Taten in meiner Vergangenheit. Es gab überhaupt nur wenige, die meine Leidenschaft für Pflanzen verstanden. Pflanzen waren im Kern nur eines: lebendig. In vieler Hinsicht sogar lebendiger als alle Tiere, Menschen und magischen Kreaturen es jemals sein konnten. Wegen meiner Orchidee bekannt zu sein, bereitete mir eine größere Genugtuung als alles, was ich im Krieg getan hatte – tun hatte müssen.
»… mir unendlich leid, dass Sie warten mussten, aber niemand hat mir gesagt, dass Sie angekommen sind. Es geht ziemlich drunter und drüber, Sir. Die letzten Vorbereitungen vor der Eröffnung und so weiter.« Der Mann suchte unterdessen in einem großen Schlüsselbund, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hatte. »So, sperren wir mal auf! Rinn in die gute Stube!«
Ich ließ meine Amaphylia hinter ihm her durch den Eingang schweben. Ich musste sie gar nicht weit nach hinten kippen lassen, so groß und hoch war der Durchgang. Drinnen erwartete mich das perfekte subtropische Gewächshausklima für meine Orchidee. Eigentlich hatte ich mir schon eine herausgehobene Position für meine Schöne erwartet, aber dass sie im Mittelpunkt des Gewächshauses stehen sollte, als Hauptattraktion sozusagen, damit hatte ich nun nicht gerechnet.
Ein rundes Becken mit einem Durchmesser von vier Metern sollte meine Amaphylia beheimaten. Eine zwanzig Zentimeter dicke nährstoffarme Humusschicht mit einer ganz geringen Sandbeimengung, alles auf einem grobkörnigen Kiesbett. Das Beet meiner Orchidee war perfekt vorbereitet.
»Sehr schön«, sagte ich anerkennend, was den Mann, der mich hereingelassen hatte, sehr zu freuen schien. Vermutlich war er der zuständige Gärtner für dieses Gewächshaus.
»Das Passwort für den äußeren Bannkreis ist ›Periculosa‹, aber es ist ein reiner Standard-Diebstahlschutz«, informierte er mich. »Sie wollen bestimmt noch einen eigenen anlegen, nicht wahr, Sir?«
»Nur einen Schutzkreis, damit die Ranken nicht herauskommen und ihnen niemand versehentlich zu nahe kommt«, sagte ich, während ich die Amaphylia bereits mittels eines Kompasszaubers und der Markierung am Wurzelballen ausrichtete. Schließlich musste sie wieder in dieselbe Stellung gedreht werden, die sie in Hogwarts gewohnt war.
»Accio Portseil!« Auf meinen Befehl hin wickelte sich das netzartige Gespinst des Portschlüsselseils von der Pflanze und dem Wurzelballen ab und flog aufgerollt in meine ausgestreckte Hand. Dann zog ich erst einmal meinen eigenen Bannkreis. Vorher konnte ich die Orchidee keinesfalls wieder aufwecken. Der Gärtner schaute mir interessiert zu, aber ich hatte diese Zauberformeln schon so oft gesprochen, dass sie mir in Fleisch und Blut übergegangen waren. Selbst unter noch so kritischer Beobachtung gelangen sie mir immer.
»Wollen Sie wirklich keinen zusätzlichen Schutzzauber gegen Diebstahl verhängen«, fragte mich der Mann noch einmal. »Sie wissen, was ein Orchideenzüchter für einen Samen dieser Schönheit anstellen würde?«
»Ja«, sagte ich. So naiv war ich dann auch wieder nicht. »Aber ich werde die Samenkapseln rechtzeitig abnehmen. Aber selbst wenn jemand an einen Samen herankäme, er bräuchte immer noch eine Handvoll Erde mit dem Myzel. Und Amaphylia aterrima ist recht eifersüchtig, wenn es um ihr Myzel geht.« Das war mal eine Untertreibung, die den Namen verdiente. Die diamantharten Dornenranken konnten selbst Stahlstäbe zerkleinern, wie ich bei meinen ersten Kultivierungsversuchen hatte erfahren müssen.
Ich wickelte die Stoffbahnen ab, mit denen ich den Wurzelballen und ein wenig Muttererde mit Myzel umwickelt hatte. Vorsichtig natürlich, schließlich wollte ich keinen Finger verlieren. Schließlich war alles erledigt, die Orchidee bereit, der Schutzkreis geschlossen, jetzt musste ich sie nur noch aufwecken. Was mit einer gewissen Peinlichkeit verbunden war. Ich konnte nicht wirklich singen, und vor Publikum, selbst wenn es nur ein Gärtner war, erst recht nicht.
Aber mir blieb wohl keine Wahl. Ich räusperte mich laut und begann erst einmal mit leisem Summen. Als ich sah, wie meine Orchidee zu zittern anfing, war der Gärtner jedoch bald vergessen, und ich sang einfach drauflos, ohne mich um meine Umgebung zu kümmern.
Es klang selbst in meinen Ohren eher wie Bellen als nach Gesang. Aber das war immer so und lag ausnahmsweise nicht an mir, sondern am Gesang und der Sprache, in der er gehalten war. Die Silben und Wörter des Lieds sagten mir nichts. Sie sagten keinem etwas. Es war irgendeine uralte Form des Gälischen, die niemand mehr sprach oder verstand. Es hatte mich Monate gekostet, die sechszehn Gesänge auswendig zu lernen, von der schwierigen Intonation gar nicht zu reden, aber sie gehörten zum unverzichtbaren Repertoire eines jeden Kräuterkundigen, und Professor Sprout hatte natürlich darauf bestanden, dass ihre NEWT-Kurse sie beherrschte. Eine Tradition, die ich natürlich fortsetzte.
Als die harten unbeholfenen Laute der letzten Strophe über meine Lippen gekommen waren, erwachte meine Amaphylia aterrima wieder zu vollem Leben. Die Dornenranken peitschten zuerst wild um sich und gruben sich dann in den lockeren Humus ein. Die Blätter zitterten, schienen sich kurz zu recken und zu strecken, wie es wohl auch ein Mensch nach einem langen Schlaf getan hätte, und wurden dann wieder ruhig. Nur die Dornenranken schlängelten sich noch eine Weile durch die lockere Erde, schienen sie zu durchkämmen und nochmals aufzulockern, bis auch sie sich endlich mit ihrer neuen Umgebung zufriedengaben und zur Ruhe kamen.
Der Gärtner war irgendwann hinter mich getreten und hatte das Schauspiel anscheinend fasziniert verfolgt. »Einfach wundervoll«, war das Einzige, was er eine ganze Weile lang von sich gab. Und mehr war auch nicht zu sagen. Er hatte mir aus der Seele gesprochen.
»War das gerade der Zwölfte, Sir? Maths Ruf?«, fragte er aber dann zu meiner Überraschung. Ein einfacher Gärtnergehilfe hätte wohl kaum aus der meiner Darbietung den richtigen Weckgesang erraten können.
»Ja«, bestätigte ich seine Vermutung. »Man kann sie nur mit Kältezaubern oder ›Gwydions Klage‹ verlässlich ruhigstellen. Feuer macht ihr nichts und die meisten anderen Zauber wirken kaum oder gar nicht.«
Der Gärtner nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Und wollen Sie sie heute noch … düngen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Morgen früh erst. Sie soll sich erst einmal akklimatisieren.«
»Ich sperr das Gewächshaus immer um acht auf und mach meine erste Gieß- und Sprührunde, wenn Ihnen das reicht, Mr. Longbottom?«
»Natürlich. Aber Sie brauchen meine Orchidee nicht wässern, weder sprühen noch gießen«, stellte ich klar, obwohl ich vermutete, dass er das wusste, wenn er auch nur halb so kompetent war, wie er auf mich wirkte. »Die Luftfeuchtigkeit reicht ihr völlig – mit dem Blut.«
»Mit dem Blut, Sir«, stimmte der Mann mir zu, aber ich war nicht sicher, ob er das tatsächlich verstanden hatte.
Ich ließ meinen Blick noch einmal über meinen Liebling schweifen, aber alles war in bester Ordnung. Mehr konnte ich im Moment wirklich nicht tun. Ich schüttelte dem Gärtner zum Abschied die Hand, ließ mir danach dann doch noch den schnellsten Weg zu meiner Herberge erklären und verabschiedete mich noch einmal von ihm.
Später, als ich mein Zimmer im Goldtopf betreten hatte und gerade dabei war, meine Truhe, die ich tags zuvor über das Kaminnetz vorausgeschickt hatte, auszupacken, fiel mir ein, dass ich den Mann nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte.
Ich war gestorben und auf direktem Weg in die elysischen Gefilde versetzt worden. Die letzten drei Wochen waren ein einziger, nichtendenwollender Traum gewesen, und mir tat es jetzt schon leid, dass ich irgendwann nächste Woche wieder würde aufwachen müssen. Die Ausstellung war noch viel phantastischer, als ich anfangs gedacht hatte. Wie die Mehrzahl der Besucher sich nur ein oder zwei Tage Zeit nehmen konnten, um durch die Pflanzenschau zu hasten, war mir unverständlich. Ich war schon wochenlang hier, hatte mir jede Menge Zeit genommen und doch das Gefühl, höchstens die Hälfte gesehen zu haben. Praktisch jeden Tag entdeckte ich etwas Neues, selbst jetzt, nach drei Wochen noch. Und ich hatte noch immer nicht alle Gewächshäuser besucht und auch ein paar der Themengärten nur sehr oberflächlich studiert. Dabei ließ mir mein Zeitplan genug Spielraum, um mich den größten Teil des Tages nach Lust und Laune auf dem Gelände herumtreiben zu können.
Morgens stand ich bei Sonnenaufgang auf. Ich hatte ein gemütliches kleines Ein-Bett-Zimmer über dem Goldtopf, mit Bad und Dusche und einem kleinen Balkon, der nach Osten ging. Und zu meinem unendlichen und tagtäglich wiederkehrenden Vergnügen stand meine Herberge ziemlich genau westlich der Weltenesche. Der Anblick des feuerroten Flammenballs, wie er über dem gigantischen Geäst des Riesenbaumes auftauchte und die ersten orangegelben Strahlen durch das Gewirr der Zweige und Blätter schickte, ließ mich jeden Morgen aufs Neue in ehrfürchtigem, sprachlosem Staunen zurück. Es war, als würde ich mich jeden Tag neu verlieben, als wäre jeder Tag der Erste und als wäre die Sonne genauso wie ich für die Yggdrasil-Esche entflammt und ginge jeden Tag allein sie auf, nur um mit ihren ersten Strahlen wieder über die gefiederten Blätter und die Rinde des gewaltigen Stamms streicheln zu können.
Der Ausblick von meinem Balkon hatte nur einen einzigen Fehler: Ich konnte nicht sehen, wie die Sonne über der Weltenesche wieder unterging. Aber es wäre wohl zu viel verlangt gewesen, beides haben zu wollen. Schließlich konnten sie meinetwegen das Gasthaus nicht jeden Morgen und Abend versetzen. Andererseits, wenn man bedachte, was mich diese Kammer kostete … Meine Räume in Hogwarts waren um einiges großzügiger gehalten, trotzdem hätte ich selbst für sie nicht freiwillig achtzig Galleonen pro Nacht bezahlt. Der Preis war nicht nur Wucher, er war geradezu obszön. Anscheinend wollten meine Wirtsleute die ursprüngliche Ironie, ein Gasthaus mitten im Nirgendwo »Zum Goldtopf« zu nennen, nun buchstäblich wahr machen und in einen Witz auf Kosten ihrer Gäste verwandeln. Sie würden sich nach den vier Ausstellungswochen zur Ruhe setzen können. Zu einem Gutteil auch von den über zweitausend Galleonen, die sie bis dahin mir abgeknöpft hätten.
Aber ich sollte mich nicht beschweren, schließlich war es meine Wahl gewesen. Die Veranstalter hatten mir natürlich eine angemessene Unterbringungsmöglichkeit angeboten, aber ich hatte abgelehnt. Ich hatte es vorgezogen, näher an den Gewächshäusern und privat zu wohnen. In diesen großen Hotels gab es einfach zu viele Menschen. Ich war sogar froh gewesen, als ich auf den Goldtopf gestoßen war. Ich hatte sofort für die gesamten vier Wochen reserviert und das Geld für die erste Woche gleich angezahlt, damit ich das Zimmer auch ganz sicher bekam. Und außerdem: Wann gab ich schon einmal Geld aus? Der größte Teil meines Gehalts als ordentlicher Professor landete sowieso in einem Verlies in Gringotts und sah das Tageslicht vermutlich nie wieder. Dazu kam mein »Erbe«, auch wenn die Konten noch offiziell auf Mums und Dads Namen liefen, schließlich lebten sie noch. Und wenn Oma starb – was die Göttin verhüten möge –, dann würde ich in mehr Geld schwimmen, als man selbst bei unvernünftigster Lebensführung ausgeben konnte. Die gut zweitausend Galleonen waren die größte Ausgabe, die ich jemals gemacht hatte – wenn man einmal von den zehntausend absah, die ich Hannah geliehen hatte, als sie den Tropfenden Kessel übernommen hatte; und das Geld hatte sie mir schon vor sieben Jahren auf Sickel und Knut wieder zurückgezahlt. Nein, mir waren diese vier Wochen jede einzelne Galleone wert. Außerdem war wenigstens das Frühstück inklusive.
Nachdem ich selbiges auf meinem Balkon eingenommen hatte, machte ich mich jeden Tag in aller Frühe auf den Weg. Apparieren war auf dem Ausstellungsgelände verboten. Die vielen Schutz- und Muggelabwehrzauber ringsherum ließen ein sicheres Apparieren leider nicht zu. Trotzdem stand ich pünktlich um acht vor dem Gewächshaus, um nach meiner Amaphylia zu sehen. Dort unterhielt ich mich meistens ein paar Minuten mit einem der Gärtner; meistens hatte Kiernan, der Mann, den ich am Tag vor der Eröffnung kennengelernt hatte, manchmal auch Taylor oder Matthews Frühdienst. Wir redeten über Orchideen, über die Ausstellung, manchmal gaben sie mir Tipps, welche Exponate ich mir noch unbedingt ansehen sollte, und wir erzählten uns gegenseitig Anekdoten, was wir den Tag zuvor wieder mit den lästigen Besucherscharen hatten erleben müssen.
Danach marschierte ich für gewöhnlich zur Weltenesche. Die Gärtner dort kannten mich nach ein paar Tagen alle, und so wurde noch ein Schwätzchen abgehalten. Dann badete ich eine Weile in der gigantomanischen Großartigkeit des über mir aufragenden Baumberges, wie eine Ameise, die am Stamm einer uralten, riesigen, knorrigen Eiche hinaufsieht und doch nicht begreifen kann, was da über ihr aufragt. Sehen heißt glauben, so sagt man. Aber die Weltenesche war ein Beweis dafür, dass »man« nicht wusste, wovon »man« da redete. Ich sah diesen Baum nun seit drei Wochen, aber ich glaubte noch immer nicht. Ich musste unbedingt ein Exemplar für Hogwarts haben, soviel stand fest.
Meistens machte ich auch noch die erste Probefahrt des Tages mit dem Besucheraufzug mit, hoch hinauf in die Baumkrone. Ich stieg normalerweise nicht aus, um mich auf die Aussichtsplattform zu setzen, sondern fuhr nach einem kurzen Rundumblick über das einen Kilometer unter mir liegende Ausstellungsgelände wieder mit nach unten, um den Rest meines Besichtigungspensums in Angriff zu nehmen.
Vormittags besuchte ich gern die Gewächshäuser, da es dann etwas weniger Gedränge gab als Nachmittags, wenn die großen Besucherströme kamen. Alle Klimazonen der Erde, vom ewigen Eis bis zum tropischen Regenwald, von der trockenen Felswüste bis zum Hochmoor, und unzählige Exemplare seltener magischer und nichtmagischer Vegetation waren ausgestellte. Die Zeit bis zum nächsten Pflichtpunkt auf meiner Tagesordnung war meistens viel zu kurz.
Schon um zehn fand nämlich die Vormittagsfütterung meiner Amaphylia statt, was jedes Mal wahre Zuschauermassen in das Gewächshaus lockte. Meistens fanden gar nicht alle Platz, und ich hatte Schwierigkeiten, mich bis zu meiner Schönheit durchzukämpfen. Der aphrodisierende Geruch der inzwischen voll geöffneten Blütenstände führte darüber hinaus fast jeden Tag zu mehr oder weniger peinlichen Szenen, obwohl wir genügend Schilder mit eindringlichen Warnungen aufgestellt hatten. Ich war jedes Mal froh, und der diensthabende Gärtner ebenfalls, wenn die Vorstellung wieder vorbei war. Wenigstens bis zur Nachmittagsfütterung um vier.
Zu Mittag kaufte ich mir oft nur eine Kleinigkeit an einem der Imbissstände. Natürlich zu einem Wucherpreis, aber wozu sparen? Der Nachmittag gehörte den Themen- und Landschaftsgärten. Es gab alles, vom Lava- und Feuergarten bis hin zum klassischen englischen Landschaftsgarten. Eine Unterwasseranlage, in der Selkies sich um Riesenschlingtang und ein buntes, phantastisch anzusehendes Korallenriff kümmerten, fehlte genauso wenig, wie eine künstlich angelegte Miniaturwüste, in der Staubteufel durch die Sanddünen tanzten. Es gab eine japanisch anmutende Gartenanlage, die fast ausschließlich aus Moosen, Farnen und Felsen bestand, aber auch ein ganzes Feld mit vielen einzeln angelegten, sehr guten Beispielen für alle möglichen Varianten eines traditionellen Bauerngartens; sauber, gepflegt und so schön und praktisch, wie ihn sich jeder Kräuterkundige nur wünschen konnte. Das Beste für Topf und Kessel auf kleinstem Raum.
Die Tage waren allesamt zu kurz. Nach meiner Nachmittagsvorstellung blieben mir nur noch ein paar Stunden. Ich hatte meist nur noch Zeit, einem einzigen Gewächshaus einen Besuch abzustatten, bevor ich der Weltenesche, die mich auf meinen Streifzügen nie verließ und den ganzen Tag mit unübersehbarer Majestät über dem Ausstellungsgelände thronte, einen letzten Besuch abstattete.
Abends ging ich wieder in den Goldtopf, wo ich ein überraschend billiges Abendessen mit einem Glas Bier hinunterspülte. Es war wohl so, dass die Wirtsleute trotz des unverhofften Galleonenregens durch ihre Gästezimmer nicht auf die Einnahmen aus dem normalen Bierausschank verzichten wollten. Viele Gärtner, Hilfsarbeiter und Angestellte der Ausstellung trafen sich im Goldtopf zu ihrem Feierabendbier – und Wucherpreise, wie man sie von Besuchern verlangen konnte, hätten sie wohl nicht bezahlt.
So vergingen die ersten drei Wochen meines kleinen privaten Paradieses auf Erden. In der ersten Woche sank ich oft völlig erschöpft ins Bett und erwachte mit schrecklichem Muskelkater, aber nicht einmal das konnte mir die Laune verderben. Und inzwischen hatte ich mich so an die täglichen kilometerlangen Wanderungen gewöhnt, dass es mir fast nichts mehr ausmachte. Wenn das der Preis für ein Leben in Arkadien war, dann würde ich ihn mit Freuden für den Rest meines Lebens zahlen.
Am Dienstag der vierten und letzten Woche wurde mein Glück noch perfekter, wenn das überhaupt möglich war. Professor Sprout kam! Sie besuchte mich und meine Amaphylia hier in Irland! Ich hatte sie fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen und fiel ihr in die Arme, als sie aus dem Ankunftskamin im Besucherzentrum trat. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich war über irgendein Gepäckstück gestolpert und hätte sie fast umgerissen. Aber sie hat mich gehalten, wie sie es immer getan hat. Keine große Kunst vielleicht, da ich ziemlich klein bin und Professor Sprout sehr stabil gebaut ist, aber trotzdem hätte ich vor Rührung beinahe losgeheult, als sie mich wiederaufgerichtet hatte und mir mit den Worten »Neville, Neville« durchs Haar strich. Ich liebe diese alte Kräuterhexe einfach. Fast noch mehr als Oma.
Ohne Professor Sprout hätte ich meine Schulzeit nicht überlebt. Und das ist keine Metapher. Selbst heute noch, wo ich nun wirklich kein Kind mehr bin, verwandle ich mich in ihrer Gegenwart wieder in den ungeschickten kleinen dicklichen Jungen mit den schmutzig-blonden Haaren und den naiven, wässrigen blauen Augen. Und ich liebe sie immer noch genau so, wie ich sie in der ersten Kräuterkundestunde geliebt hatte, als sie, als erste Person in Hogwarts überhaupt, ein freundliches Wort für mich übrig gehabt und mich für meine sauber umgetopften Rosmarinpflanzen gelobt hatte. Vielleicht liebe ich sie heute sogar noch mehr.
Ich veranstaltete erst einmal für sie eine außerplanmäßige Privatvorstellung und zeigte ihr die neue Fütterungsmethode für meine Amaphylia. Sie war angemessen beeindruckt von der naturgetreuen Darstellung. Aber natürlich kannte sie meine Orchidee schon, und ich zog sie schnell weiter, um ihr meinen neuesten Schatz vorzustellen: Fraxinus yggdrasilia, die Weltenesche.
Ich wanderte mit ihr um den achtzig Meter durchmessenden Stamm, fuhr mit ihr im Besucheraufzug in die Krone hinauf, während ich ihr aufgeregt erklärte, wie die Esche mit Hilfe von Magie das Wasser von den Wurzeln bis in einen Kilometer Höhe pumpte, hinauf bis zu den obersten Blattspitzen. Natürlich erzählte ich ihr vermutlich nicht viel Neues, aber sie hatte noch nie meinen Enthusiasmus gebremst. Höchstens gelacht oder mit dem Kopf geschüttelt und »Neville, Neville« gesagt, wenn ich es allzu bunt trieb. Das tat sie auch, als ich ihr erzählte, dass ich einen Antrag beim Ministerium stellen und auch Minerva so lange auf die Nerven gehen würde, bis man mir gestattete, eine Weltenesche im Verbotenen Wald von Hogwarts anzupflanzen.
Sie lachte noch lauter, als ich ihr die Landschaftsgärten zeigte, die ich als Vorbilder für eine Umgestaltung des Schlossgeländes in Erwägung zog. »Weiß Minerva schon von ihrem Glück?«, fragte sie mich und lachte noch lauter, als ich, statt zu antworten, nur herumstotterte. Aber wie immer machte es mir nichts aus, das Professor Sprout über mich lachte. Sie war nicht wie andere Menschen, es war etwas völlig anderes bei ihr. Es war einfach nicht vorstellbar, dass sie jemanden – irgendjemanden – auslachte. Ich hatte genug Erfahrung damit, ausgelacht zu werden, und kannte den Unterschied. Bei ihr fühlte es sich nie so an. Sie lachte über meine Begeisterung, aber nur weil sie mich verstand und sich über meinen Enthusiasmus freute, nicht weil sie mich für eine lächerliche Gestalt hielt.
Wir machten dann eine längere Mittagspause. Professor Sprout hatte schließlich den angenehmen Teil ihres achten Lebensjahrzehnts nun auch schon hinter sich. Wir unterhielten uns über Hogwarts, meine Hufflepuffs, die letzten Abenteuer eines gewissen Albus Severus Potter, der meine braven Hufflepuffs korrumpiert hatte und dem Haus, dem auch sie einmal als Hauslehrerin vorgestanden hatte, mittlerweile einen Ruf wie Donnerhall unter den Professoren verschafft hatte. Sie lachte Tränen über meine schlecht erzählten Räuberpistolen, sogar wenn ich die Pointe vermasselte. Und sie sagte mir zum Schluss, wie unendlich stolz sie auf mich sei. Wie immer, wenn sie mich lobte, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken, aber stattdessen wechselte ich schnell das Thema und schlug vor, das Feld der Bauerngärten als Nächstes zu besuchen. Ich wusste, dass sie die ordentlichen, sauberen Beetreihen mit einfachen Kräutern und Pflanzen lieben würde. Und das tat sie auch.
Den Rest des Nachmittags verbrachten wir bei den Bauerngärten, bis es Zeit für meine zweite Vorstellung wurde. Als ich diese hinter mich gebracht hatte, zeigte ich ihr noch ein besonders interessantes Biotop mit blühenden Seerosen, Sumpf- und Wasserpflanzen in allen Farben und Formen, aber ich bemerkte, dass sie müde wurde. Ich begleitete Professor Sprout zum Besucherzentrum zurück und verabschiedete mich von ihr. Vorher musste ich ihr jedoch hoch und heilig versprechen, sie in den Weihnachtsferien zu besuchen, wozu ich letztes Jahr leider nicht gekommen war. Als ich sie umarmte, begann ich doch noch loszuheulen. Sie küsste mich zum Abschied auf die Stirn, und noch immer konnte sie das, ohne sich auf die Zehenspitzen stellen zu müssen, als wäre ich immer noch der kleine untersetzte Junge, der ich vor einem Vierteljahrhundert gewesen war.
Der Tag hätte eigentlich gute Aussichten gehabt, zu den besten meines Lebens zu zählen, aber man soll einen Tag nicht vor seinem Abend loben. Und dann kam dieser Abend … und mit ihm mein Wiedersehen mit Seamus Finnigan.
