Disclaimer: Für dieses Kapitel sowie für alle folgenden gilt: Keine der Figuren, die aus den Büchern bekannt sind, gehört mir, und ich beabsichtige nicht, damit Geld zu machen. Schön wär's...
Anmerkung: Das hier ist ein Versuch, so viele Klischees und Absurditäten wie möglich aneinanderzureihen. Es gibt zwar sehr gut geschriebene klischeehafte Situationen - und es gibt ja auch nur eine begrenzte Anzahl möglicher Szenarios - aber lustig ist es eben häufig trotzdem.
– Kapitel 1 –
Alle Jahre wieder
Es war September. Wieder einmal. Es war einer der letzten warmen Tage des Jahres. Dieses scheinbar nebensächliche Faktum kann zwar für den Moment vernachlässigt werden, wird aber später noch von einiger Bedeutung sein. Die Vögel segelten am wolkenfreien Himmel und die noch grünen Bäume wiegten sich leicht in einer seichten, erfrischenden Brise.
Während in der Muggelhälfte des uns wohlbekannten Bahnhofs in London alles seinen gewohnten Gang ging - abgesehen von einer Familie, die unangemessenerweise in denkbar schlechter Stimmung zu sein schien … ein hochroter, fettleibiger Mann, der wutschnaubend über Eulen wetterte, was einige verwunderte Blicke auf sich zog und ihn nur noch zorniger machte, ein sehr stämmiger, lauthals kreischender Junge, der eine Hand gegen seine rechte Gesichtshälfte preßte, eine knochige, panisch wirkende Frau im Gefolge - aber das ist eine andere Geschichte …
Nun, wie auch immer, nichts war ungewöhnlich an diesem friedlichen Tag. Bienen summten, Vögel zwitscherten, und ein Junge war dabei, mitsamt seinem riesigen Koffer und einem abgedeckten Käfig, unter dem äußerst suspekte Raschellaute hervordrangen, zwischen den Gleisen neun und zehn durch eine Wand zu gehen. Dieser Junge hatte nicht nur eine Narbe, sondern auch ein breites Grinsen im Gesicht.
„Gut gemacht, Hedwig", flüsterte er liebevoll und tätschelte der Schneeule den Kopf. Der Junge lächelte versonnen, als er an den in nicht allzu ferner Vergangenheit liegenden Wutanfall seines Haustieres dachte.
Als er schon fast durch die Mauer verschwunden war und sich in Sicherheit wiegte, löste er eine unheilvolle Kette von Ereignissen aus, beginnend mit einem gelösten Schnürsenkel, der in einem Stolpern resultierte, woraufhin der Junge versuchte, sich an der Abdeckung des Käfigs festzuhalten. Dies gelang auch, allerdings konnte er sogleich wie in Zeitlupe beobachten, wie sich das Tuch in den Rollen des Gepäckwagens verhedderte und ihn abrupt stoppte, was den Jungen veranlaßte, ausgesprochen unelegant mit besagtem Gepäckwagen zusammenzustoßen, was wiederum den Koffer und den Käfig scheppernd zu Fall brachte. Er versuchte, das Schlimmste zu verhindern, gab dem Wagen einen verzweifelten Ruck und stürzte sich ungraziös mit einem Hechtsprung vorwärts, um wenigstens schnell außer Sicht zu sein. Mit einer Bauchlandung erreichte er Gleis Neundreiviertel. Plötzlich wußte er, wie sich Onkel Vernon fühlen mußte, ständig kurz vor einem Herzinfarkt aus Angst, in einer "unnormalen" Situation gesehen zu werden. Andererseits … nein, es war ausgeschlossen, daß er mit seinem Onkel etwas gemein hatte.
Zuerst sollte er sich lieber über das aktuelle Problem den Kopf zerbrechen. Was, wenn ihn jemand gesehen hatte? Es würde Tumult entstehen, die anderen Schüler würden die Barriere nicht durchqueren können, der Zug würde nicht abfahren können, sie würden nicht rechtzeitig zum Schulbeginn in Hogwarts ankommen … Langsam breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht aus. Er würde ein ein Held sein. Sie würden ihn auf Händen tragen. Ooohh jaa. Sein Lächeln verblaßte. Oh ja. Er würde ein Held sein. Und dann würden sie ihn von der Schule werfen. Und er hatte nicht mal eine gute Entschuldigung.
‚Oh, Verzeihung, ich hab leider ein klitzekleines bißchen Aufmerksamkeit auf mich gezogen, als ich über meine eigenen Füße gestolpert und durch eine Wand gefallen bin?' Sehr gut. Es reichte nicht, daß man ihn für einen halluzinierenden Egomanen hielt. Harry Potter: der Junge, der unkoordiniert war. Er konnte schon die Schlagzeilen der Skeeter vor sich sehen. Er lauschte. Und ihm blieb das Herz stehen. Durch die Absperrung drangen gedämpfte Schreie, das Kind mußte direkt auf der anderen Seite sein, nicht mehr als drei Schritte entfernt.
„MAAMMMMIIIII! GUCK MAL! DA AN DER WAND!"
Er hielt den Atem an. Und atmete wieder aus.
„DA WAR EINE EULE!" „Ja, ja, Schatz", kam die beiläufige Erwiderung.
Er runzelte die Stirn. Fast war er ein wenig beleidigt. Da bot er eine bühnenreife Show mit seinem Stunt und was fiel diesem Kind auf? "Da war eine Eule", imitierte er das kleine Mädchen mürrisch. Mißmutig rappelte er sich wieder auf und blickte um sich.
Nach der vor Menschen wimmelnden Halle war die Stille nun überwältigend. Nur gedämpftes Gemurmel war durch die Barriere zu vernehmen. Der Kontrast war beeindruckend. Er seufzte und setzte sich auf eine Bank. Er hatte ja unbedingt eineinhalb Stunden zu früh kommen müssen. Nicht, daß er nicht dankbar war, die Dursleys erstmal wieder los zu sein, und sie hatten ebenso eifrig zugestimmt, ihn zum Bahnhof zu bringen, wie er darum gebeten hatte. Aber eineinhalb Stunden! Er war noch kaum mit dem Reinigen von Hedwigs Käfig fertig gewesen, als Dudley gegrunzt hatte, sie müßten gehen. Ehrlich. Manchmal fragte er sich, ob Dudley wirklich zur Gattung Mensch gehörte oder ob er in Wirklichkeit ein schrecklich schiefgegangenes Experiment war, das irgendwie dem Verbot experimenteller Züchtungen entgangen war.
Harry verzog das Gesicht. Trotz dieser verstörenden Vorstellung war er entschlossen, sich seinen Appetit auf Kesselkuchen nicht verderben zu lassen.
Er legte die Stirn in Falten, als ihm ein anderer Gedanke kam. Wenn er es recht bedachte, war dieses Grunzen von Dudley das einzige gewesen, was er in diesen Ferien überhaupt zu ihm gesagt hatte. Harry konnte zwar nicht behaupten, daß er sich neuerdings von seinem Cousin in seiner Privatsphäre respektiert fühlte, aber wenigstens schien er ihm seit der Sache mit dem Dementor Angst einzujagen. Er wäre nie so vermessen gewesen zu vermuten, daß Dudley ihm womöglich dankbar sein könnte. Einen Vorteil hatte dieser Zwischenfall immerhin gehabt: Er hatte seine Ruhe. Harry gab sich alle Mühe, trübe Erinnerungen zu verdrängen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
Der Zug stand schon da, die Türen waren aber noch geschlossen. Dennoch ließ er es auf einen Versuch ankommen und probierte aus, ob man schon einsteigen konnte. Er sah sich vorsichtig um, bevor er an einer der Türen zog. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß er etwas Verbotenes tat, obwohl ihm das ziemlich absurd erschien. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Anscheinend waren die Türen schon offen.
Vorsichtig trat er ein und wollte gerade um die Ecke zu den Abteilen biegen, als er unerwartet auf ein Hindernis traf. Er prallte schmerzhaft auf und fand sich Sekunden später auf dem Boden wieder. Während er sich bemühte, wenigstens einen Rest seiner Würde zu wahren und aufzustehen, rieselte ein im Licht schimmerndes Pulver um ihn herum zu Boden. Bevor er es verhindern konnte, hatte er es schon in der Nase. Er nieste mehrfach, während er sich das Hindernis im Gang genauer ansah.
Er war mit einem untersetzten, kahlköpfigen Mann in Uniform zusammengestoßen. Verwirrt starrte er in das Gesicht des ebenso überraschten Mannes. Es mußte wohl der Lokführer sein. Harry hatte ihn noch nie gesehen, und er hatte sich schon einige Male gefragt, ob der Hogwarts-Expreß vielleicht selbsttätig fuhr.
„Bist wohl einer von den ganz Ungeduldigen, was?" Stirnrunzelnd schüttelte der Mann den Kopf. „Niemand kann hier rein, bevor ich nich fertig bin. Warte draußen, bis ich das Signal zum Einsteigen geb." Seine weiteren Äußerungen beschränkten sich auf undeutliches Gemurmel. „Sinnlos verschwendet … übereifrig … hinterherputzen …"
Ohne ein weiteres Wort an Harry drehte sich Mann um und fuhr fort, das zu tun, was er vorher getan hatte. Was immer das auch sein mochte.
Harry stand sprachlos da und blinzelte. Schließlich fügte er sich in sein Schicksal und stieg wieder aus.
Nachdem er eine Weile unschlüssig herumgestanden und einen Blick auf die Bahnhofsuhr geworfen hatte, entschied er sich, sich erst mal auf eine Bank zu setzen. Die Sonne sengte wirklich unerträglich, langsam fühlte er sich etwas schwindelig.
Er wünschte nur, Ron und Hermine würden bald hier sein. Er hatte sie die gesamten Ferien über nicht sehen können, weil Dumbledore darauf bestanden hatte, daß er bei seinen Verwandten trotz allem am sichersten war. Harry konnte dazu nur schnauben. Allein die Ereignisse des letzten Sommers hätten den Direktor eines besseren belehren sollen … Ron und Hermine waren währenddessen am Grimmauld-Platz gewesen. Aus ihren Briefen schloß er, daß irgend etwas sehr Wichtiges vorgefallen sein mußte. Genaueres hatten sie ihm aber aus den üblichen Gründen nicht sagen dürfen. Er brannte darauf, endlich eingeweiht zu werden. Im Moment sah es allerdings so aus, als könnte er nicht viel tun, außer zu warten. Aber wenn er ehrlich war, hätte er im Augenblick sowieso nicht aufstehen können, er begann sich plötzlich wirklich sehr ausgelaugt zu fühlen.
Er holte tief Luft und ließ sich die Herbstsonne ins Gesicht scheinen …
Schneller als er erwartet hatte tauchten die übrigen Schüler nach und nach auf. Es ging auf Mittag zu, und die Temperatur wurde immer unerträglicher. Plötzlich fiel ein Schatten über ihn. Er blickte auf.
„Harry!" quietschte Hermine und fiel ihm um den Hals. Er glaubte jedenfalls, daß es Hermine war. Er hatte gedacht, er hätte ihre Stimme erkannt. Aber das konnte sie unmöglich sein! Auf einmal schien ihn etwas zu überkommen. Je länger er sie ansah, desto sicherer war er, daß sämtliche höheren Hirnfunktionen kurz davor waren, ihn zu verlassen. Er fühlte sich etwas benebelt, als würde er auf Watte gehen, und seine niedersten Instinkte übernahmen die Kontrolle. Er setzte ein selbstsicheres, verführerisches Lächeln auf, wobei er nicht umhin konnte, sich zu fragen, woher er die Fähigkeit zu dieser Reaktion plötzlich hatte, während er sie von den Haarspitzen über die endlosen Beine bis zu den Zehen mit den lackierten Nägeln musterte.
Hermine kicherte und wurde leicht rot. Kichern war allem Anschein das einzige, wozu Hermine heute in der Lage war.
Sie hatte sich über die Sommerferien erstaunlich verändert. Ihr ehemals buschiges, braunes, schulterlanges Haar war seidig und glatt und reichte ihr bis zur Taille. Und sie war blond. Harry entschied sich, daß ihm die Veränderung durchaus gefiel. Aber das war längst nicht alles. Hermine hatte sich offensichtlich entschlossen, mit ihrem Charakter auch die Kleidung zu wechseln und die beeindruckende Figur, die sie vor den Sommerferien noch nicht gehabt hatte, gebührend zur Geltung zu bringen. Er hatte weder einen so kurzen Rock noch ein so enges Oberteil je zuvor gesehen. Sie lächelte zuckersüß.
„Na, Harry? Gefällt's dir?"
„Hermine, bist du das?"
Hermine kicherte. „Natürlich, Dummchen." Sie kicherte aufs Neue.
„Ich dachte, du wärst ein langweiliger Bücherwurm. Was ist passiert?" fragte Harry. Die eigentlich offensichtliche Unhöflichkeit, die dieser Satz beinhaltete, schien ihr nicht weiter aufzufallen.
„Erinnerst du dich an meine Cousine? Die aus Amerika? Nein? Oh, ich hab sie wohl nie erwähnt. Ach richtig", sie kicherte wieder, „konnte ich gar nicht, ich hab auch erst vor zwei Wochen von ihr erfahren, als sie überraschend zu Besuch gekommen ist. Nun, sie hat mich im Sommer darauf gebracht, daß mein Leben deshalb so langweilig ist, weil ich so oft in der Bibliothek bin. Aber das wird sich jetzt alles ändern, ich werde die verlorene Zeit gutmachen und richtig Spaß haben. Mir ist so viel entgangen. Mir ist jetzt erst aufgefallen, wie viele süße Jungs eigentlich in Hogwarts rumlaufen."
Hier blickte sie träumerisch hinter Seamus Finnigan her, der zufällig in der Nähe vorbeiging.
„Jedenfalls hat mich meine Cousine darüber aufgeklärt, daß solche Sachen wie Persönlichkeit und Intelligenz unwichtig sind. Um Erfolg zu haben, brauchte ich erst mal was Gewagteres zum Anziehen, deshalb hat sie mich zum Shopping mitgenommen. Zum Glück ist es so warm, daß ich was Bauchfreies tragen kann, sonst wär mein neues Piercing ja ganz umsonst."
Sie warf ihm ein strahlendes Lächeln zu und zupfte an ihrem Oberteil, bis es exakt so saß, wie es haben wollte, was bedeutete, daß der Ausschnitt ein bedeutendes Stück weiter nach unten rutschte.
„Und? Was sagst du?" Sie sah ihn erwartungsvoll an.
Harry wischte sich unauffällig etwas Sabber vom Mundwinkel. „Siehst gut aus, Hermi", entgegnete er mit aalglattem Charme und wunderte sich dabei kaum mehr, wieso ihm seine extrem männliche, rauchige Stimme nicht eher aufgefallen war. Er war immer der Meinung gewesen, den Stimmbruch bereits hinter sich zu haben, aber das hier war nicht das Ergebnis gewesen …
Und seit wann hatte er für seine beste Freundin einen Spitznamen … Auf der anderen Seite … seine Zunge hatte ihretwegen schließlich auch noch nie auf dem Boden gehangen. Genau. Diese Gedanken schienen in seiner derzeitigen Verfassung ohnehin zu kompliziert für ihn zu sein, und er fühlte sich wieder irgendwie leicht und beschwingt, als sein Gehirn sich erneut abschaltete. Seltsam …
Hermine war selbstverständlich unterdessen nicht untätig und ließ ihren Blick anerkennend über Harry gleiten. Harry konnte ihr ansehen, was sie dachte. Sie schien zu bemerken, daß er im Sommer gewachsen war. Aus dem vor den Sommermonaten noch hageren Schuljungen war ein muskulöser, männlicher … nun … Mann geworden. Besonders stolz war er allerdings auf seine wie immer unordentlichen, rabenschwarzen Haare, die ihm heute besonders lässig in die Stirn fielen. Wieder lächelte er selbstzufrieden (und fragte sich, seit wann er das so gut konnte). Hermine blickte tief in seine smaragdgrünen, glitzernden Augen; sie sah aus als wollte sie darin versinken.
„Du siehst auch nicht schlecht aus", flötete sie.
Wie aus dem Nichts tauchte Draco Malfoy auf. Er marschierte schnurstracks auf Hermine zu, nachdem er Crabbe und Goyle befohlen hatte, sich in Luft aufzulösen, und säuselte in seinem verführerischsten Tonfall:
„Hey Süße, neu hier? Ich hab dich hier noch nie gesehen. Ein heißes Teil wie du sollte sich wirklich nicht mit solchen Verlierern abgeben."
Damit legte er ihr einen Arm um die Schultern, was auch sehr gut so war, denn Hermine hatte auf einmal Schwierigkeiten beim Atmen und lief dunkelrot an. Auch Harry war verblüfft. Wow, DAS war Draco Malfoy? Das Frettchen hatte sich gemausert. Das heißt, er hätte, würden Nager sich tatsächlich … Wie auch immer.
Draco Malfoy war der Inbegriff eines griechischen Gottes. Sein einst spitzes Gesicht war einem markanten, sehr viel erwachsener wirkenden Äußeren gewichen. Sein seidig glänzendes, lose fallendes, engelsgleiches Haar (nie hätte Harry es für möglich gehalten, einmal solche Adjektive in Verbindung mit Malfoy zu erdenken), schimmerte in der Sonne, und durch sein enges T-Shirt zeichneten sich deutlich seine beeindruckenden Oberarme ab.
Er hatte sich offensichtlich in den Ferien spontan entschieden, daß Muggelkleidung seiner neu erworbenen Figur schmeichelte und trug dieser Erkenntnis nun Rechnung. Sehr zum Leidwesen seines Vaters, der es seinen Flüchen vom Rande der Szene her nach zu urteilen noch nicht verwunden hatte, daß sein einziger Sohn und Erbe nicht in Robe zur Abreise erschienen war, sondern es vorzog, seine Familie zu entehren und seinen gesamten Stammbaum zu beschmutzen. – Dracos Vater …? Es mußte ihm wohl auf irgendeine mysteriöse Weise doch noch in letzter Sekunde gelungen sein, sich dem Justizvollzug zu entziehen.
Harry schluckte. Zurecht. Denn Hermine schien ebenfalls mit ihrer Musterung dieser veelaähnlichen Erscheinung fertig zu sein sein und lächelte nun. Während Harry noch verwirrt und eifersüchtig auf den hungrigen Blick reagierte, den Hermine Draco Malfoy schenkte, war der bereits einen Schritt weiter. Er hakte sich bei Hermine ein und führte sie in den Zug.
„Was hast du im Sommer so gemacht?" begann Hermine in lockerem Plauderton eine Konversation mit ihrem Erzfeind.
„Ich hab natürlich Quidditch trainiert. Wo sonst, glaubst du, hab ich diese Muskeln her, wenn nicht vom Sitzen auf einem Stück Holz? So, also wer bist du?"
Hermine kicherte, zur großen Überraschung der Anwesenden. „Aber Malfoy, ich bin's, Hermine Granger."
Malfoys Kinnlade klappte herunter. „Unmöglich!" Er erlangte seine Fassung jedoch schnell wieder. „Na, macht nichts. Gegen rein physische Beziehungen zu Minderwertigen hat die Gemeinschaft der Reinblüter nichts einzuwenden. Wird auch Zeit, daß du dein Potential nutzt." Und Malfoy schaute Hermine genüßlich in den Ausschnitt und bewunderte ihr Potential, während er weiter über sich redete.
Harry schüttelte sich. Es half. Er schien tatsächlich wieder in ganzen Sätzen denken zu können, jetzt da er allein war.
„HARRY!"
Harry drehte sich um. Ron rannte schnaufend auf ihn zu. Endlich.
„Bastard! Komm! In die Fresse!"
Harry runzelte die Stirn. Ron hatte mit diesem Ganzer–Satz–Ding offenbar noch Probleme. Dann erkannte er, hinter wem Ron her rannte.
„Ron! Warte doch!"
Doch es war schon zu spät.
Ein völlig veränderter Ron hastete an ihm vorbei. Die Blicke, die ihm die weibliche Schülerschaft von Hogwarts nachwarf, waren bezeichnend. Doch diese Veränderungen hatten auch Nachteile, wie Ron buchstäblich am eigenen Leib feststellen mußte, als er mit seinen breiten, männlichen Schultern gegen die Kanten der Zugtür stieß und fluchte, bevor er sich von Neuem positionierte und den Zug seitwärts enterte.
Als Harry sich beeilte ihm zu folgen, sah er als erstes Hermine, in inniger Umarmung mit Malfoy. Ron schien paralysiert.
„Kluge Wahl, dich für mich zu entscheiden. Du kommst gerade Recht, Pansy geht mir ohnehin auf die Nerven. Ich fand ihr Mopsgesicht noch nie wirklich attraktiv. Nicht nachdem ich DICH in der vierten Klasse beim Weihnachtsball gesehen hab."
„Oh Draco …" Hermine kicherte. „Du warst immer so gemein zu mir, wie soll ich dir je glauben können, daß du mich nicht nur benutzt, um dich an deinem Vater zu rächen? Immerhin bin ich nur ein niederes Schlammblut …", gab sie zu bedenken.
„Hermine, Liebste, wie kannst du das denken?" rief er dramatisch, und in starkem Kontrast zu seinem eben noch selbstsicheren, vor Arroganz triefenden Ton.
Während Malfoy vor Hermine auf die Knie sank und ihre Hände ergriff, stellte sich bei Harry langsam ein surreales Gefühl ein. Irgend etwas hier war sehr merkwürdig. Er blickte an sich hinunter. Warum war ihm sein enorm muskulöser Oberkörper heute morgen eigentlich nicht aufgefallen, als er in den Spiegel gesehen hatte? Hätte er das gewußt, hätte er Onkel Vernon gewiß einen besonderen Abschied bereitet.
Malfoy seufzte tief und zog damit wieder Harrys Aufmerksamkeit auf sich.
„Ich hab dich schon lange nicht mehr nur als Schlammblut gesehen. Ich hab dich schon immer bewundert!" Er kratzte sich am Kopf. „Na ja, aber jedenfalls seit du du dich in der dritten Klasse gegen meine Tyrannei aufgelehnt und mich geohrfeigt hast. Das hat vor dir noch nie jemand gewagt."
Harry keuchte. Er hatte Malfoy nie für den masochistischen Typ gehalten.
Gerade als Hermine seufzte: „Oh, Draco, ich hab mich schon immer von dir angezogen gefühlt. Du bist der einzige, der sich intellektuell mit mir messen kann, Ron ist im Vergleich so … so … simpel gestrickt …", gab es einen Ruck, und der Zug setzte sich in Bewegung. Hermine stolperte in Malfoys praktischerweise ausgestreckte, kräftige, überaus männliche, quidditchgestählte Arme und gemeinsam gaben sie den Worten „leidenschaftlicher Kuß" eine neue Bedeutung, während Ron, plötzlich wieder in Rage, in die liebliche Szene platzte und Draco Malfoy zum Duell forderte. Hermine schien ihre soeben wiedererlangte Eloquenz schon wieder verloren zu haben, denn sie giggelte nur vor sich hin. Der Zug begann immer stärker zu ruckeln. Trotz des unwirklichen Gefühls, von dem Harry beherrscht wurde, schien das Rütteln sehr real zu sein.
„Harry! Malfoy … in die Fresse …", hörte er Ron wie durch ein Rauschen hindurch grunzen, als Ron sich wie ein Berserker auf Draco Malfoy stürzte. Komisch, er hatte Ron gar nicht als so animalisch in Erinnerung …
Harry fühlte sich plötzlich benommen, alles um ihn herum wurde dumpf und verschwommen.
„Harry! … Harry … (kicher) … (grunz) … Harry …"
Das Ruckeln verwandelte sich in ein heftiges Schütteln und Hermines Gesicht sah plötzlich besorgt aus.
„Harry?" fragte sie und legte die Stirn in Falten.
„Harry!"
Harry schrak plötzlich hoch und sprang von der Bank auf. Und schrie.
„Hermine? Du hast braune Haare!"
Hermine sah ihn mit einer Mischung aus Verwirrung und Besorgnis an.
„Wie schön, daß du dich noch erinnerst, ich war immerhin zwei Monate weg. Sag mal, was ist denn mit dir passiert? Du siehst ja aus …"
„Ich weiß", erwiderte Harry verwirrt, „komisch, oder? Diese Veränderung ist mir heute morgen auch nicht aufgefallen."
Hermine blickte ihn fragend an. „Ich meinte eigentlich nur deine Hose, die ist am Knie ganz zerrissen. Ist dir was zugestoßen?"
Ron schaltete sich ein: „Hat Malfoy damit zu tun? Dieser Bastard, wenn ich den …!"
Harry erlebte ein sonderbares Déjà-vu. Er antwortete Ron jedoch nicht sofort, da ihn etwas anderes gerade stärker beschäftigte.
„Hast du dich eigentlich umgezogen, Hermine? Du hattest doch gerade noch dieses enge …" Harry ließ den Satz in der Luft hängen, als ihm etwas klar wurde. Hermine errötete unter seinem prüfenden Blick, und Ron, den er gerade zum ersten Mal bemerkte, sah etwas mißgestimmt aus. Seine roten Ohren sprachen Bände.
„Ist was, Harry? Hör mal, geht's dir wirklich gut?" bohrte Hermine nach.
Sie schüttelte ihre braunen Locken aus ihrem Gesicht. Braun. Im Gegensatz zu ihrer Haut, die nicht sonnengebräunt war, wie gerade eben noch. Hermine räusperte sich, als sein Blick deutlich unterhalb ihres Gesichts verweilte.
Harry schluckte, schüttelte den Kopf und lächelte verlegen.
„Ähhmmm. Doch. Alles bestens, nur … nichts."
Ron und Hermine sahen irritiert aus.
Jetzt da ihm alles einleuchtete, fühlte Harry sich verpflichtet, unnötigen Ärger zu vermeiden. „Nein, Ron, Malfoy hat nichts mit meiner Hose gemacht. Ich meine …" Kaum hatte er das gesagt, verzog er das Gesicht, aber Ron schien nichts zu bemerken. Um so besser. „Ich hatte wohl nur einen Albtraum", erklärte er. „Einen sehr anstrengenden …", fügte er hinzu, als ihn seine beiden besten Freunde noch immer mißtrauisch ansahen. Nach einem weiteren Kopfschütteln raffte er sich auf. Etwas schwindlig fühlte er sich immer noch.
„Ich erzähl euch das alles später. Jetzt kommt schon, wir sind fast die Letzten. Wir müssen ein Abteil suchen."
„Ja, bitte schnell. Ich will hier nur weg. Da hinten kommen meine Eltern", stöhnte Ron. „Meine Mutter verpaßt dir garantiert auch noch einen Abschiedskuß, wenn du dich nicht sehr beeilst. Sie hätte mich fast nicht gehen lassen, sie hat darauf bestanden, sich persönlich von deinem Wohlbefinden zu überzeugen. Da kommt sie, los, in den Zug! Ehrlich, ich bin sechzehn, und sie hat immer noch Angst, daß ich den Weg vom Bahnsteig ins Abteil nicht finde!" Ron grummelte weiterhin mißgestimmt vor sich hin, als er sich an die peinliche Szene von vorhin erinnerte.
Hermine, die das Geschehen zwischen Ron und seiner Mutter aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. Harry zuckte kurz zusammen. Hoffentlich würde er dieses unangenehme Gefühl bald loswerden.
Als Ron schließlich Hermines mühsam unterdrücktes Glucksen bemerkte, wechselte sie schleunigst das Thema. „Laßt uns da vorne einsteigen, da scheint was frei zu sein."
Und genau das taten sie dann auch. Dies sollte sich jedoch bald als Fehlentscheidungen herausstellen, was allerdings die kommende Zugfahrt nicht weniger spektakulär machen sollte …
