Hier bin ich wieder. Mit einer Fortsetzung, die ich eigentlich nicht schreiben wollte. (Und einer Einleitung, die offensichtlich nicht ideal ist, wenn ich Menschen dazu animieren möchte, meine Geschichte zu lesen ^^) Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Abschluss von „Fünf Nächte" schlüssig und richtig war, verstehe aber auch euren Wunsch nach einer Alternative. Und weil mir danach war, habe ich irgendwann einfach mal damit angefangen ;-)
Ich muss zugeben, dass mir insbesondere der Anfang nicht leicht gefallen ist. Mein Word-Dokument mit den verworfenen Versatzstücken wird immer länger, während ich noch auf der Suche nach der perfekten Szene bin, in der unsere beiden Lieblingscharaktere wieder miteinander agieren können. Viele Situation habe ich geschrieben, gelesen und für gut befunden, aber sie boten keine Perspektive, also mussten sie habe ich zumindest den Ersten Akt fertiggestellt und dachte mir, ich lade ihn schon mal hoch. Allerdings wird es mit dem nächsten Update nicht ganz so schnell gehen, zum einen, weil ich zunächst „Porzellan" beenden möchte, und zum anderen, weil ich noch nicht viel mehr habe als diese drei Kapitel. Aus diesem Grund bin ich auch besonders auf eure Meinungen und Reviews gespannt. Vielleicht habt ihr ja die ein oder andere Idee, die ich einbringen kann.
So, genug geredet. Viel Spaß mit der Geschichte!
Euer HonigHuhn
ERSTER AKT
Schlaf ist eine dunkle Reise
„Miss Granger, was habe ich ihnen zuvor über die Verwendung von Einhornhaar in Tränken erzählt?" Seine Worte umkreisten sie wie eine glitschige schwarze Schlange. Hermine blickte panisch auf und sah Severus Snape in voller Größe direkt vor ihrem Kessel aufragen. Ihr Trank hatte soeben begonnen dunkelgrüne Blasen gefüllt mit gelblichem Schleim zu produzieren, die nach und nach in den Kerker aufstiegen und über den Köpfen ihrer Mitschüler mit einem schmatzenden Geräusch zerplatzten. Sie schluckte schwer und bettelte ihren Verstand um einen Hinweis an. Was hatte sie nur falsch gemacht? Aber sie bekam nur summende Leere, ihr Gehirn hatte seine Arbeit eingestellt.
„Nach vorne, Miss Granger! Zum Pult!" zischte seine Stimme gefährlich nah an ihrem Ohr. Wieder schwankte sie zwischen seinen gnadenlosen Augen und dem grützeartigen Inhalt ihres Kessels, der noch immer blubberte und spuckte. Einhornhaar, hätte sie es nicht schneiden dürfen? Nicht erhitzen? Nicht umrühren? Reflexartig griff sie nach ihrem Zauberstab um den Kessel zu leeren, aber Snape war schneller und schnappte ihr den Stab vor der Nase weg. Ein Schwung und der Schleim war verschwunden.
„Ich werde sie kein zweites Mal auffordern."
Hermine zuckte leicht, er verstand nicht! Sie wollte sich ja bewegen, am liebsten sogar ganz hinaus aus diesem Raum, aber ihre Beine rührten sich einfach nicht. Noch immer dachte sie über das Einhornhaar nach, als läge dort die Lösung für all ihre Probleme. Lange Finger umschlossen ihren Arm und zogen sie nach vorne, schwarze Rabenaugen schossen ihr einen belustigten Blick zu, ehe er sie zur Klasse drehte. Sie schluckte wieder. Zwanzig verschmierte und überaus wütende Gesichter starrten sie an. Harry rieb sich eine gelbe Schicht von seiner Brille, sein Haar über und über bedeckt von dem Sekret. Er sah sie mitleidlos an.
„Ich habe das nicht gewollt", hauchte Hermine, aber ihre Stimme wollte nicht recht funktionieren. Die Hand auf ihrer Schulter schob sie ein Stück nach vorne, näher zu den empörten Blicken.
„Habe ich oder habe ich ihnen nicht genau dieses Ergebnis vorhergesagt, Miss Granger?" erklangen dunkle und seidige Laute von hinten. Ihr Instinkt wollte sich umdrehen, der größten Gefahr in diesem Raum nicht den Rücken zukehren, aber sein Griff war unnachgiebig. Sie hatte keine Ahnung, was er gesagt hatte, sie wusste ja nicht mal mehr, was genau sie zusammen gerührt hatte. Trotzdem senkte sie den Kopf und presste ein zittriges „Ja, Sir" hervor.
„Wenn ich mich recht erinnere, habe ich sie vor dem Geruch dieses speziellen Gebräus gewarnt. Und ich erwähnte sicherlich, dass es dafür kein Gegenmittel gibt. Richtig, Miss Granger?"
Hatte er das? Unwichtig, sie wagte es nicht, zu widersprechen. „Ja, Sir."
„Heißt das, dass wir wegen diesem Schlammblut jetzt für immer so riechen müssen?" spie Draco Malfoy aus und schnüffelte sichtbar angeekelt an seiner verklebten Kleidung.
„Solche Worte dulde ich nicht in meinem Klassenzimmer, Mr. Malfoy", erwiderte Snape ruhig. „Und hätten sie zugehört, wüssten sie, dass der Geruch in der nächsten Woche verflogen sein sollte."
„Eine Woche!" empörte sich Malfoy noch lauter als zuvor. Aufgeregtes Gemurmel erhob sich um ihn herum.
„Sie hat selber nichts abbekommen!" kreischte Pansy Parkinson von hinten, mit den Zeigefinger auf Hermine deutend. „Ich bin dafür wir schütten einen ganzen Kessel über ihr aus!" Hermine beobachtete entsetzt, wie sie zustimmende Rufe sowohl von den Slytherins als auch von einigen Gryffindors erhielt. Mehr als je zuvor wollte sie sich umdrehen, bei ihrem Feind Schutz suchen, ihn verstehen machen, dass er das nicht gestatten durfte. Aber Snape stand noch immer hinter ihr, sein Griff fest und unverändert. Sie spürte es, er wartete ab, ließ sie im Spott und Zorn ihrer Mitschüler baden.
„Ich stimme ihnen zu, eine Strafe ist unerlässlich für Miss Granger. Diese liegt jedoch allein in meinem Ermessen. Gehen sie in ihre Schlafsäle, verbrennen sie die beschmutzten Roben und waschen sie sich gründlich. Je länger die Substanz einwirkt, desto heftiger wird der Gestank. Ich würde heute Abend nur ungern nicht in der Großen Halle essen." Hermine hörte das süffisante Grinsen förmlich, aber ihre Mitschüler schienen es zu ignorieren. Stattdessen packten sie ihre Sachen und strömten aus der Tür in den dunklen Gang. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie allein sein würde – mit ihm. Das Atmen fiel ihr plötzlich schwer, panisch suchte sie in der Menge nach Harry oder Ron und entdeckte den Rotschopf tatsächlich. Er erwiderte ihr stummes Flehen allerdings nur mit einem missbilligenden Kopfschütteln. Neville ging als letzter und schloss die Tür hinter sich. Nein.
„Endlich allein." Oh, wie anders er plötzlich klang, weich, warm und voller Vorfreude. Hermine machte dieser Gefühlsumschwung nur noch mehr Angst. Ihre freie Hand tastete nach ihrem Zauberstab, bis ihr einfiel, dass er ihn bereits an sich genommen hatte. Endlich ließ er sie los und sie wirbelte geradezu herum, panisch vor Angst.
„Lass mich in Ruhe! Du darfst mich nicht anfassen!" Sie drohte ihm. Bei Merlin, war das der richtige Weg? Snape lächelte nur, er lehnte gelassen am Pult und musterte sie mit funkelnden Augen.
„Komm her", schnurrte er beinahe, sich seiner Sache absolut sicher.
„Nein." Versuchsweise ging sie einen Schritt rückwärts. Würde sie es bis zur Tür schaffen? Sie suchte seine Hände, wollte wissen ob er seinen Zauberstab bereit hielt. Wie Spinnenbeine schlangen sich seine langen Finger um die Tischplatte. Verschaffte ihr das genug Zeit zur Flucht? Aber zu wem sollte sie laufen? Und noch viel wichtiger, was sollte sie erzählen?
„Hermine!" Aus dem Schnurren war ein tiefes Knurren geworden. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie brauchte eine Entscheidung, sofort.
„Ich habe Angst." Ihre Worte waren kaum ein Flüstern, er hörte sie trotzdem.
„Ich weiß." Snapes breites Lächeln entblößte seine Zähne. Beinahe rechnete Hermine damit, spitze Fangzähne zu sehen. Was für eine absurde Idee. „Komm her. Du weißt, dass du es nicht bereuen wirst."
Wusste sie das?
„Du willst zu mir kommen." Er klang so sanft, seine Worte ein Streicheln auf ihrer Haut.
Wollte sie das? Versuchsweise trat sie einen Schritt auf ihn zu. Auf den großen, dunkel gekleideten Mann, der sie mit einem wölfischen Grinsen ansah. Es fühlte sich besser an als der Schritt zurück. Ein letzter Blick zur Tür. Es gab kein Entkommen. Ihre Füße trugen sie ohne ihr Zutun bis zum Pult hinüber. Snape sah an seiner krummen Nase vorbei zu ihr hinab, sein Ausdruck änderte sich. Federleichte Fingerkuppen liebkosten ihre Wange. Hermine schloss die Augen, atmete den Duft des Kerkers gemischt mit einem gewissen holzigen Aroma. Ihre Hände fanden seine Brust, strichen über den weichen Stoff seiner Robe. Und als sie ihre Augen öffnete, war die Angst verflogen. Severus Snapes Blick fühlte sich nicht länger kalt an, als er sich zur ihr hinab beugte und seine Lippen die ihren berührten. Nein, das war Wärme. Das war Feuer. Und sie wollte mehr.
Severus Snape wachte auf und fluchte aufs Übelste. Genau jetzt! Er knurrte und warf sein Kissen zur Seite. Verdammt, er wollte diesen Traum. Und er schämte sich dafür, dass er von ihr träumte wie ein zwölfjähriger Schuljunge. Entnervt schlug er die Bettdecke zurück und bemerkte seine Erektion. Das würde eine verdammt kalte Dusche werden. Und Snape hasste kalte Duschen.
Die Hände gegen die Kacheln seines Badezimmers gestützt, dachte er über die Absurdität seiner Situation nach, während ihm das Wasser über den Rücken rann.
Du kannst sie nicht haben, du kennst die Konsequenzen.
Noch nie war eine Frau so begehrenswert, ich will sie!
Du liebst sie!
Ja! Und ich will sie. Auf meinem Bett, dem Schreibtisch, dem Astronomieturm, überall!
Du liebst sie!
Ich liebe den Sex mit ihr. Sie will mich!
Nicht mehr, du hast sie verletzt.
Weil ich sie liebe!
Es ist besser so.
Dass ich sie verletze anstatt sie zu lieben?
Ja.
Wie macht das Sinn?
Du liebst sie...
Unfassbar! Snape hatte das dringende Bedürfnis etwas kaputt zu machen und zerschmetterte die Phiole mit seinem selbstgebrauten Duschgel an der Badezimmerwand. Er dachte an später. An die Doppelstunde Zaubertränke, die er wieder damit verbringen würde, irgendetwas anzustarren, nur damit er sie nicht ansehen musste. Es tat weh, immer noch. Inzwischen hatte sie aufgehört, sich zu melden, das machte es einfacher. Aber nicht weniger schmerzhaft. Er brauchte Ablenkung. Etwas Gutes, etwas an das er sich klammern würde. In Gedanken ging er eine lange Liste an Tränken durch und suchte sich etwas besonders Ekliges heraus. Spinnenbeine, Schweinegrunzen anstelle der eigenen Stimme, hunderte Warzen, verfaulende Körperteile... nein, das würde der Schulleiter unmöglich gutheißen. Während er sich abtrocknete, entschied er sich für etwas viel simpleres: Haarausfall. Ein Plan begann sich in seinem Kopf zu formen, etwas, an dem er sich festhalten konnte, das Spaß machte. Die Vorstellung von Potter ganz ohne seinen krausen Haarschopf entlockte ihm ein kurzes bellendes Lachen. Pilo Perquam war endgültig, es entfernte sämtliche Haare am ganzen Körper und verhinderte das Wachstum neuer Haare, je nach Dosis für bis zu drei Wochen.
„Hermine, bist du krank?" Ron stupste sie besorgt an, den Mund ausnahmsweise nicht bis zum Bersten gefüllt mit Essen. Sie gähnte und griff nach ihrer zweiten Tasse Kaffee diesen Morgen.
„Ich hab nur schlecht geträumt..." Harry hatte schon wieder diesen wissenden Blick, als er kopfschüttelnd seine leere Müslischale zur Seite schob.
„Vielleicht solltest du in den Krankenflügel gehen. Ich bin mir sicher, Madam Pomfrey hat einen Trank gegen Alpträume."
„Ein Alptraum, Harry, nicht mehrere. Sie würde mich auslachen, wenn ich deshalb bei ihr auftauche." Harry zuckte mit den Schultern. Entweder wurde er leichtgläubiger oder ihre Lügen wurden besser.
„Außerdem will ich Snape nicht erklären, warum ich zu spät zu seiner Stunde komme."
Ron schnitt eine Grimasse, als sie den Tränkemeister erwähnte. „Ich glaube nicht, dass ihn das interessiert, Mine. Er scheint dich zu ignorieren, du Glückliche. Meinetwegen könnte er mich auch mal übersehen."
„Dich?" warf Harry ärgerlich ein. „Ich sollte unsichtbar sein, auf mich hat er es jede einzelne Stunde abgesehen! Schleimiger Mistkerl." Er warf Hermine einen Blick zu, der nicht schwer zu deuten war. Sie hatten beide so eine Vermutung, warum er Harry noch schlechter behandelte als sonst.
„Vielleicht verrätst du uns deinen Trick, Hermine? Was hast du mit der Fledermaus gemacht, damit sie dich in Ruhe lässt? Hast du" - „Ron!" zischte Harry scharf. Ron sah verwirrt aus.
„Ich mach doch nur Spaß! Jeder weiß, warum er Hermine ignoriert..." Hermine entfuhr ein entsetztes Keuchen, aber sie überdeckte es schnell mit einem Hustenanfall.
„Ach ja? Und warum ist das so?" Sie schaffte es nicht, sehr gleichgültig zu klingen, aber Ron bemerkte es nicht.
„Weil du die einzige bist, die ihm seine verrückten Fragen tatsächlich beantworten könnte? Ich meine, so schwer waren seine Aufgaben noch nie. Aber jetzt hat keiner mehr eine Idee, was er überhaupt von uns will. Niemand außer dir." Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Essen zu und leerte seinen Teller zum dritten Mal, bevor er ihn von sich schob und zu einem Glas Kürbissaft griff. „Ich dachte das sei offensichtlich?"
Hermine nickte etwas unbeholfen. „Das wird es wohl sein", murmelte sie vor sich hin und fand Snape am Lehrertisch sitzend. Auch er sah nicht sehr ausgeschlafen aus.
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Bis hier hin...
Was bei Merlin war sexy daran, etwas an die Tafel zu schreiben? Nichts! Und doch klebten Hermines Augen auf ihrem Professor, der seiner Klasse den Rücken zu wandte, um die Zutaten für den Trank in dem großen Kessel aufzuschreiben. Wie schaffte er es nur, mit einem Stück Kreide derart perfekt verschnörkelte Buchstaben zu produzieren? Und warum konnte sie selbst durch seine Robe seinen Körper sehen? Erahnen, wie seine Muskeln sich streckten, wie fest die feingliedrigen Finger die Kreide umschlossen? Zu ihrem Glück drehte sich Snape in diesem Moment um und sein Gesicht holte Hermine zurück in die Realität. Bereits ein schadenfrohes Grinsen auf den Lippen sah er erwartungsvoll in die Klasse, nahm einzelne Schüler mit seinem Blick gefangen und wartete, bis sie wegsahen, ehe er fortfuhr. Hermine übersah er, wie immer. Und Anfangs war sie sogar froh darüber gewesen. Sie hatte sich in die letzte Ecke gesetzt, sich auf keine Frage mehr gemeldet und einfach nur gehofft, dass er sie ignorieren würde. Die Vorstellung, dass Snape sie aufziehen würde, schnippische Bemerkungen in Bezug auf ihren Sex in ihr Ohr zischen würde, wenn gerade niemand hin hörte, hatte ihr viele schlaflose Nächte bereitet. Aber nichts dergleichen war geschehen. Stattdessen ging er ihr aus dem Weg, zumindest vermutete Hermine das. Seit ihrem Streit in seinem Büro hatte sie ihn kein einziges Mal mehr auf dem Gang gesehen. Kam sie in die große Halle, saß er bereits am Lehrertisch. Betrat sie den Klassenraum im Kerker, war er bereits da. Und kaum war die Stunde beendet, verschwand er so plötzlich, dass Hermine ihn inzwischen im Besitz eines Tarnumhangs vermutete.
Die Merkwürdigkeit dieses Verhaltens hatte ihre Neugier erweckt. Snape hatte keinen Grund, sie nicht sehen zu wollen, immerhin war er als Sieger aus ihrem Streit hervorgegangen. Er war es, der ihr versichert hatte, dass da nichts war – außer gutem Sex. Aber die Demütigung über ihre eigene Verliebtheit – die eigene Gutgläubigkeit – hielt Hermine sehr effektiv davon ab, weiter über Severus Snape nachzudenken. Es tat weh. Und für jede Sekunde des Schmerzes wollte sie ihn mehr hassen. Wenn es doch nur so einfach wäre...
Ruhig bleiben. Tief Luft holen. Harry atmete langsam aus und öffnete die Augen wieder. Zumindest ein bisschen seiner Wut war verschwunden. Er schlug sein Schulbuch auf, überflog einige Zeilen Theorie, um nur nicht aufblicken zu müssen.
„Wer kann mir die Wirkung dieses Trankes vorhersagen?" hörte er die schneidende Stimme durch den Kerker peitschen. Auch ohne aufzusehen wusste Harry, dass sich niemand melden würde. Ob es Unwissenheit war oder die simple Angst davor, die Aufmerksamkeit des Tränkemeisters auf sich zu ziehen, war ihm nicht ganz klar.
„Niemand?" Er dehnte das Wort bis zur Unkenntlichkeit, kostete jeden einzelnen Laut wie eine reife Frucht auf seiner Zunge. Harry blätterte vorsichtig eine Seite um. Das Problem war, dass er wirklich keine Idee hatte, was dieser Trank vor dem Lehrerpult bewirken würde. Dabei standen alle Zutaten fein säuberlich aufgelistet vor ihm. Er hatte so eine Ahnung, dass ihn das noch teuer zu stehen kommen würde.
„Nun, das ist enttäuschend. Vielleicht fehlt es auch nur am richtigen Anreiz? Sie alle werden mir ein Gegenmittel brauen und ich rate ihnen zur Sorgfalt, denn ein Glücklicher wird nach der Stunde die Gelegenheit bekommen, zuerst den Trank zu kosten und anschließend sein Gegenmittel zu testen." Langsam klang der Satz aus, das letzte Wort noch immer wie eine Drohung im Raum stehend. Harry wurde das Gefühl nicht los, das Snape in seine Richtung starrte. Es kostete ihn alles, nicht aufzusehen. Mit feuchten Fingern schlug er eine weitere Seite um, fieberhaft auf der Suche nach einer Antwort.
Hermine beobachtete, wie Snape sich hinter seinem Tisch verschanzte und einen dicken Wälzer aufhob, in dem er langsam blätterte. Um sich herum vernahm sie die Zeichen hektischer Betriebsamkeit: Harry durchforstete sein Buch, schlug Seite um Seite um, ohne eine Antwort zu finden. Ron zu ihrer linken hatte die Suche bereits aufgegeben und begonnen auf gut Glück einige Dinge wahllos in seinen Kessel zu werfen. Andere taten es seinem Vorbild gleich. Ein Trank war immer noch besser als kein Trank. Eigentlich sollte auch sie anfangen zu arbeiten, aber wo lag der Sinn darin einen Trank zu brauen, den niemand bewerten würde? Der unbeachtet wieder im Waschbecken verschwinden würde? Resigniert kramte sie in ihrer Tasche nach ihrem Arithmantikbuch. Ebenso gut konnte sie die Zeit sinnvoll nutzen.
Warum hatte er sich so ein verdammt schweres Buch ausgesucht? Hätte es ein leichteres nicht auch getan? Wieder und wieder schlug Snape eine Seite um, ohne auch nur ein Wort zu lesen. Er hätte nicht mal den Titel des Buches benennen können. Das war auch völlig gleichgültig, wichtig war nur, dass es groß genug war, um sich dahinter verstecken zu können. Und wenn er nur lange genug auf die schwarzen Buchstaben starrte, konnte er beinahe vergessen. Ignorieren, dass sie sich so nah bei ihm, hier im selben verdammten Raum mit ihm befand. Es störte ihn, dass er Hermine noch immer nicht ansehen konnte, ohne diesen Stich zu spüren. Ohne sich die „was-wäre-wenn"-Frage zu stellen, die ihn so sehr quälte. Das Problem war nur, dass er sie ebenso wenig nicht ansehen konnte. In einem unbemerkten Augenblick senkte er das Buch und sah sie an. Er erwartete das immer gleiche Bild: Hermine verbissen aber in ihre Arbeit versunken, einen Trank am brauen, der vermutlich perfekt sein würde. Aber nicht heute. Heute saß sie nur dort, einen besiegten Ausdruck auf dem Gesicht und vor sich ein Buch, in dem es unmöglich um Zaubertränke gehen konnte. Hastig blickte er wieder auf seine eigenen Buchstaben. Was hatte das zu bedeuten? Hatte sie aufgegeben?
„Die Zeit ist um", verkündete er mit weniger Vorfreude als von ihm selbst erwartet. Aus dem Augenwinkel sah Snape, wie Hermine ihr Buch unter dem Tisch verschwinden ließ. Ihr Blick schweifte nach vorn, streifte ihn und begann die Tafel zu lesen als sei es das erste Mal.
„Gibt es einen unter ihnen, der sein Gegenmittel freiwillig testen möchte?" Natürlich hob sich keine Hand. „Nun, dann werde ich einen Freiwilligen auswählen." Ein Blick durch den Klassenraum verschaffte jedem den Eindruck, gleich sein wehrloses Opfer zu werden, aber er wusste, wen er wollte. Und Harry wusste es auch. „Mr. Potter, füllen sie eine Portion ab und kommen sie nach vorne."
Harry beäugte den schlammbraunen Trank in der gläsernen Phiole mit wachsendem Misstrauen. Er hatte Rons Strategie gewählt und einfach irgendetwas zusammen gerührt, doch jetzt zweifelte er stark an der Brillianz dieser Idee. Wenn Snapes Trank ihn nicht umbrachte, dieses Gebräu würde ihm mit Sicherheit den Rest geben. Er hätte einfach Wasser mit Tee aufkochen sollen, das wäre wenigstens ungefährlich gewesen. Ihm blieb keine Wahl. Auf dem Weg nach vorn sah er Hermine, die ihm einen alarmierten Blick zuwarf.
„Haben sie den Trank identifiziert, Mr. Potter?" Snape postierte ihn gut sichtbar vor allen anderen.
„Nein, Sir", presste er hervor, fest entschlossen, sich keine Angst anmerken zu lassen. Snape konnte ihn quälen, aber würde ihn nicht fürchten.
„Was bei Merlin befindet sich dann in ihrem Trank?" Er beäugte die Flüssigkeit mit mindestens ebenso viel Misstrauen wie Harry zuvor. Mit spitzen Fingern stellte er sie auf den Tisch und deutete auf den Kessel. „Was auch immer es ist, wir werden herausfinden, ob es wirkt." Mit einer Schöpfkelle füllte er einen Kelch und reichte ihn Harry, der ihn unwillig entgegen nahm. In der letzten Reihe sah er Hermine, die heftig mit dem Kopf schüttelte. Auch Harry schien sie bemerkt zu haben und zögerte.
„Auf ihr Wohl, Mr. Potter", zischte Snape und funkelte ihn böse an.
„Nicht, Harry." Snape konnte nicht anders, reflexartig drehte er sich um und sah sie an. Zum ersten Mal seit Wochen erwiderten die honigbraunen Augen seinen Blick. Sie sah entschlossen aus.
„Harry, trink das nicht!" rief Hermine nochmal und sprang von ihrem Platz auf, um Harry den Becher aus der Hand zu schlagen. „Das ist Pilo Perquam, ich erkenne das Rezept. Ein Haarentfernungsmittel."
„Miss Granger, setzen sie sich! Zehn Punkte Abzug für ihr unmögliches Verhalten!" Die Worte rollten über seine Zunge, bevor er etwas dagegen tun konnte. Hermine ignorierte seine Drohung und sah ihn herausfordernd an.
„Nein! Niemand wird diesen Trank probieren!" Überraschtes Keuchen hallte durch die Klasse, doch Snape brachte sie alle mit einem Blick zum Schweigen.
„Seien sie sicher, Miss Granger, irgendjemand wird diesen Trank versuchen. Wenn Potter sich nicht traut, können sie es ja tun?" Für einen Moment geriet ihre Sicherheit ins Schwanken. Dann hob sie den Kelch vom Boden auf, Snape niemals aus den Augen lassend. Atemlos beobachtete er, wie sie das Gefäß in den Kessel tauchte. Wie hatte diese Stunde so verdammt schief laufen können?
Hermine traf Snapes Blick, der sie fassungslos anstarrte. Doch die Panik in ihm konnte sie nicht erkennen. Snape fühlte sich machtlos, gefangen wie Wild im Scheinwerferkegel – das Unausweichliche raste immer schneller auf ihn zu und er stand nur da, unfähig etwas zu unternehmen. Er sah nur noch den Kelch, der sich langsam ihren rosigen Lippen näherte, verlor sich in der farblosen Flüssigkeit, die sanft hin und her wog. Es kostete ihn alles, sich von diesem Bild loszureißen. Stattdessen tat er etwas, das er noch nie zuvor getan hatte: Er fixierte Harry Potter, suchte seine Aufmerksamkeit. Und er bat, flehte ihn stumm um Hilfe an. Ein kurzer Ausdruck von Verwirrung huschte über sein Gesicht, dann begriff Harry und schlug Hermine den Becher aus der Hand.
„Bist du wahnsinnig?" bellte er sie an und der leere Kelch rollte über den Steinboden bis der vor Snapes Tisch zum liegen kam.
„Das reicht!" Snapes Stimme war so scharf und schneidend, dass Harry zuckte wie unter einem Peitschenhieb. „Potter und Granger, sie bleiben hier. Der Rest der Klasse ist entlassen!" Niemand rührte sich. „Raus! Sofort!" Selbst Harry und Hermine wichen erschrocken zurück, als er den Befehl durch den Kerker bellte. Hastig wurden Taschen gepackt und innerhalb von einer Minute waren sie alleine.
Snape hatte sich hinter die Sicherheit seines Tisches zurückgezogen und lief beständig auf und ab, die Augen starr nach vorne gerichtet, die Lippen fest geschlossen. Hermine bemerkte seine geballten Fäuste und zog Harry mit sich, um etwas Abstand zu bekommen, bevor Severus Snape explodierte. Sie musste nicht lange warten, da blieb er abrupt stehen und drehte sich zu ihnen herum.
„Was hast du dir dabei gedacht?" Er klang ruhig, so gefasst, dass es unheimlich war.
„Ich?" empörte sich Hermine und ignorierte Harrys Stoß in ihre Seite. „Wenn hier jemand die Linie übertreten hat, warst das wohl du!" Ihre Stimme war alles andere als ruhig, im Gegenteil: Sie zitterte vor Zorn.
„Was soll das heißen?" Snape war bis zu dem massiven Tisch vorgerückt und hatte sich mit beiden Händen darauf gestützt.
„Dass ich weiß, was du hier versuchst! Du wolltest mich provozieren! Mich dazu bringen", sie verstummte jäh, sich Harrys Anwesenheit plötzlich sehr bewusst.
„Was ist los, Hermine? Was hat er getan?"
„Nichts." Snape warf ihr einen warnenden Blick zu. „Es ist nichts, Harry", wiederholte sie und machte die Sache nicht glaubwürdiger. Aber Hermine würde eher in dem Kessel Pilo Perquam baden, bevor sie ihr Sexleben vor Harry erläuterte.
„Hermine!" Er drehte sie herum, seine besorgten grünen Augen suchten die ihren.
„Geh." Sie wandte sich ab, wollte ihn nicht länger ansehen. „Bitte Harry, ich habe die Situation unter Kontrolle. Lass mich das regeln." Snape hob überrascht eine Augenbraue. Sie wollte mit ihm allein sein? Wollte er mit ihr allein sein?
„Er ist unberechenbar! Ich lass dich auf keinen Fall mit ihm alleine!" Harrys hasserfüllter Blick sprach Bände. Hermine seufzte, sie würde zu härteren Mitteln greifen müssen, um ihn loszuwerden.
„Das hier ist zur Abwechslung mal nicht dein Kampf, Harry. Hör auf den Helden zu spielen und lass mich mein Leben alleine bestimmen!" Sie spürte seine Entschlossenheit schwanken. „Ich bin nicht deine kleine Schwester, die du vor allem Bösen in der Welt beschützen musst! Verschwinde!" Noch während sie ihm das letzte Wort entgegen schleuderte, packte Harry seine Tasche, stürmte aus dem Kerker und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Erleichtert sah Hermine auf und fand Snape jetzt auf der anderen Seite des Tisches stehen, auf den Lippen ein schmutziges Grinsen. Die Situation unter Kontrolle? – Aber sicher!
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… und nicht weiter.
Es war so einfach, wieder in sein altes Muster zu rutschen, dass es geschah, bevor es Snape auch nur bewusst wurde.
„Du schmeißt Potter raus, um mit mir allein zu sein?"
„Harry war ein sehr verständnisvoller Freund. Ich bin nicht sicher, ob er das noch ist, wenn er von den abartigen Dingen erfährt, die du mit mir gemacht hast."
„Abartige Dinge?" Sein Lächeln war wie weggeblasen.
„Und als wäre das nicht genug! Glaub nicht, ich weiß nicht, was du hier tust! Die Demütigung, die Quälerei! Es ist erbärmlich. Nicht mal von dir hätte ich etwas derart niederträchtiges erwartet!" Snape fand sich plötzlich in der Defensive und wich unwillkürlich einen Schritt zurück, aber Hermine folgte sogleich. Angetrieben von ihrer Wut schritt sie auf den Tränkemeister zu. „Sag mir, was du damit bezweckst! Folterst du die anderen, weil du es bei mir nicht mehr tun kannst? Ist das eine kranke Art von Befriedigung für dich? Zu sehen, wie deine Schüler vor Angst zittern, wenn du deine seelenlosen Krähenaugen auf sie richtest? Oder willst du mir ein schlechtes Gewissen machen? Leiden sie, damit ich irgendwann wieder Nachts vor deine Tür stehe, nur um dem Spiel endlich ein Ende zu bereiten?" Hitzig und schwer atmend sah sie Snape an.
„Es ist ist nicht das, wonach es aussieht", erwiderte Snape mit seltsam schaler Stimme, die Hermine bisher nur einmal von ihm gehört hatte. Seine Veränderung hob sie aus ihrer Wut, misstrauisch betrachtete sie ihn. Aus seiner großen Gestalt war jede Körperspannung gewichen, all die Energie, seine ganze Autorität waren so plötzlich verschwunden wie sein Lächeln zuvor. Stattdessen blickte er mit leeren Augen ins Nichts, eindeutig mehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt als mit ihren Anschuldigungen.
„Was ist es dann?" Hermine hörte auf ihren Instinkt und verbannte den Zorn aus ihren Worten. Die Sanftheit klang tatsächlich an. Snape hob den Kopf und sah sie erschrocken an. War es wirklich Furcht, die sie bei ihm lesen konnte?
„Sag es mir", hauchte sie ihm vorsichtig entgegen, ihre Hand auf einmal auf seiner liegend. Snape reagierte mit einem Kopfschütteln. Das konnte keine Realität sein, er konnte den Duft ihrer Haare wahrnehmen, so nah war sie schlagartig bei ihm. Sein Arm schloss sich um ihre Hüfte, zog sie noch näher an sich heran, bis sie Auge in Auge voreinander standen.
„Es ist Ablenkung", erklärte er ihr, flüsternd wie im Traum. Eine Hand an ihrer Wange, eine in ihrer Lockenmähne vergraben beugte er sich zu ihr hinab. „Wie soll ich es sonst ertragen, so nah bei dir zu sein ohne dich berühren zu dürfen?" Bei Merlin, das musste seine Phantasie sein. Hermine stand noch immer dort, angeschmiegt an seinen Körper, Erstaunen und Verwirrung in ihren Augen. Er war ihr so nah, dass er ihren Atem auf seinen eigenen Lippen spüren konnte und es war noch nicht annähernd nahe genug. Wie in Zeitlupe durchbrach er die letzte Grenze, beugte sich weiter nach vorn, bis ihre Lippen aufeinander trafen. Und sie erwiderte seinen Kuss, fuhr mit ihrer Hand durch sein seidig schwarzes Haar.
Snape seufzte erleichtert. So musste sich Schwerelosigkeit anfühlen. Ohne den Kuss zu unterbrechen hob er Hermine hoch und setzte sie auf seinen Tisch. Es war dumm, leichtsinnig, idiotisch. Aber es geschah nur in seinen Gedanken, in seiner Traumwelt. Seine Finger schälten Hermine aus ihrem Umhang. Eine Hand. Sie trug wieder diese verdammten Jeans. Eine Hand. Egal, er nahm sich ihren Pullover vor und schob ihn nach oben, entblößte ihren flachen Bauch, dann ihre Brüste. Sie trug einen BH in dunklem Mitternachtsblau, verziert mit schwarzer Spitze, der ihre helle Haut leuchten ließ wie das Mondlicht selbst. Die Hand presste fester gegen seine Brust. Er hielt inne, sah Hermine an, die ihn langsam aber bestimmt zurück schob. Seine Arme gaben sie frei, er trat zurück. Grazil rutschte sie vom Tisch und richtete ihre Kleidung. Dann nahm sie ihre Tasche und ging zur Tür.
Snape wollte sie aufhalten, sie gegen die Wand pressen und seinen Körper wieder gegen ihren schmiegen. Aber er schaffte es nicht. Er sah nur zu, wie Hermine die schwere Tür aufstieß und in den dunklen Gang verschwand.
Hermine ging ruhig, beinahe gemächlich brachten sie ihre Schritte zurück, die Treppen nach oben an die Oberfläche. Aber innerlich war sie alles andere als gelassen. Sie war wütend, aufgeregt, enttäuscht und vor allem verwirrt. All diese widersprüchlichen Emotionen machten ihr Kopfschmerzen. Die Geschichte ergab keinen Sinn. Snape, der ihr genau das entgegen schleuderte, was sie am wenigsten hören wollte und gehässig seine emotionale Distanz verkündete, ihr dann aber aus dem Weg ging und sich standhaft weigerte, sie anzusehen? Ablenkung, von ihrer Gegenwart? Hermine hatte seinen Blick gesehen, die Sorge darin, die Zuneigung, kurz bevor er alles zerbrochen hatte. Sonst hätte sie die fünf Minuten eben für ein schlechtes Spiel von ihm gehalten. Nein, wenn hier mit jemandem gespielt wurde, dann mit ihr. Sie war der Ball, der hin und her geworfen wurde. Und Harry hatte genauso Hand angelegt wie Snape. Wenn Hermine eins nicht ausstehen konnte, dann war es bevormundet zu werden. Wieso bei Merlin glaubte jeder besser über ihr Leben Bescheid zu wissen als sie selbst?
„Komm mit!" Sie packte Harry am Kragen seines Umhangs und zerrte ihn mit sich den Gang hinunter. Ron blieb zurück, überrascht und ärgerlich. Was ging zwischen den beiden vor? Und warum weihten sie ihn nicht ein?
„Was soll das Hermine? Hat er dir etwas angetan?" Harry kam stolpernd zum Stehen, nachdem Hermine ihn in ein leeres Klassenzimmer gestoßen hatte.
„Nein." Sie holte tief Luft, es war Zeit, die Wahrheit zu erfahren. „Du hast mit ihm gesprochen – damals. Er hat zugestimmt, das Verhältnis zu beenden." Harry sah noch verwirrter aus. „Stimmt das?"
„Das weißt du doch schon, Her" – „Wie hast du ihn dazu gebracht? Was hast du gesagt?" Ähnlich wie Snape zuvor war Hermine in einen schnellen Laufschritt verfallen. Ihr Nacken prickelte, sie konnte es spüren. Harry konnte Licht in die Angelegenheit bringen. Sie wartete gar nicht auf seine Antwort, sondern redete einfach weiter.
„Es muss Erpressung gewesen sein. Wenn du von dem Verhältnis wusstest, war das dein Druckmittel. Vielleicht hast du gedroht, ihn zu verraten, zum Schulleiter zu gehen? Das hätte er nicht akzeptieren können. Zu viel stand auf dem Spiel... Aber die Reaktion – wie …?" An diesem Punkt hielt sie inne. Betont langsam wandte sie sich in Harry Richtung, die Haare zerzaust von ihren hektischen Bewegungen.
„Sei ehrlich mit mir, Harry. Ich muss es wissen." Harry wartete nervös. Diese aufgewühlte und scheinbar völlig besessene Hermine machte ihm Angst. Und sie kam näher, näher als sie es je getan hatte. Ihr Gesicht war plötzlich viel zu dicht, in ihren Augen eine eiserne Entschlossenheit, die bei ihm Gänsehaut verursachte.
„Wie hat er auf deine Drohung reagiert?"
„Warum", setzte er an, aber ihr langsames Kopfschütteln ließ ihn verstummen.
„Nur die Antwort, Harry." Klang ihre Stimme höher als sonst? Harry zwang sich zur Konzentration, dachte an die Nacht in Snapes Büro zurück, als er ihm das Ultimatum gestellt hatte, bis er die Szene vor Augen hatte.
„Legilimens", hauchte ihm Hermine entgegen, dann zersplitterte sein Geist. Die runde Einheit zerbrach, lange Schlitze zogen sich durch seine Erinnerung und er fühlte sie, konnte Hermines Anwesenheit spüren, die langsam durch die Lücken sickerte. Er wollte sie nicht herein lassen, konzentrierte sich und versagte kläglich. Die Szene begann von vorn. Harry wusste, was geschehen würde. Aber er hatte niemals gewollt, dass Hermine es auch sah.
„Ich weiß, dass sie mit Hermine geschlafen haben. Und ja, ich kann es beweisen. Und so sehr ich es auch genießen würde, sie bloßzustellen, Hermine wiegt stärker. Deshalb werden sie mir jetzt zuhören. Sie werden diese Sache mit ihr beenden, bevor jemand anderes etwas davon erfährt. Augenblicklich", hörte er seine eigene Stimme. Snape antwortete.
„Du scheinst deine Freundin nicht sehr genau zu kennen. Sie davon zu überzeugen, dass sie etwas, was sie so sehr begehrt nicht haben kann, wird nicht einfach sein."
„Hermine weiß immer, was sie will. Und sie bekommt es. Aber sie sieht die Konsequenzen nicht. Und deshalb kommen sie ins Spiel: Verletzen sie sie."
„Bitte?"
„Sie werden ihr weh tun. Nicht körperlich. Enttäuschen sie sie, seien sie unfreundlich, böse, gemein, so lange, bis sie geht. Seien sie sie selbst..."
Hermines Anwesenheit verschwand und hinterließ eine schmerzende Leere in Harrys Kopf. Er brauchte einen Moment, ehe er wieder klar denken konnte. Mit den Fingerknöcheln massierte er seine Stirn und rieb über die Narbe, die zur Abwechslung mal nicht die Quelle seines Schmerzes war. Als er es wagte, die Augen wieder zu öffnen, war Hermine bereits auf dem Weg zur Tür.
„Warte!" Er erwischte sie gerade noch am Arm, bevor sie aus dem Raum stürmen konnte. Harry drehte sie herum und wünschte sich sogleich, er hätte es nicht getan. Ihre sonst so funkelnden Augen waren gerötet, die Wangen verschmiert mit Tränen.
„Gott, Hermine, es tut mir Leid. Ich wollte doch nur dein Bestes." Harry kämpfte gegen einen schnell wachsenden Kloß in seinem Hals an. „Es konnte unmöglich etwas Gutes aus eurer Beziehung werden! Er hätte dich verletzt..." Er bemühte sich redlich, doch kein Wort, das seinen Mund verließ, konnte seine Gedanken wirklich deutlich machen. Sie hatte mit dem Feuer gespielt! Sollte er daneben stehen und zusehen, wie Hermine zum gebrannten Kind wurde? Mit einem Ruck wand sie ihren Arm aus seinem Griff.
„Von ihm hätte ich erwartet, dass er mich verletzt. Aber Harry, von dir niemals. Wie hast du das zu ihm sagen können? Du hast ihm befohlen, mir weh zu tun!"
Er setzte zu einer Antwort an, aber Hermine erwartete keine Erklärung mehr von ihm. Im Laufschritt stieß sie die angelehnte Tür auf und lief nach draußen. Harry hörte den gedämpften Schlag nicht, als sie mit Ron zusammenstieß, der auf sie beide gewartet hatte. Schon zum zweiten Mal kamen ihm Zweifel an seinem Plan. Aber wie konnte er sich jetzt so schlecht fühlen, wo er sie doch nur hatte beschützen wollen?
Ich bin sehr gespannt auf eure Reviews! Wie bei "Sehnsucht" werde ich auch diesmal jeden Kommentar einzeln beantworten! =)
