Besuch von Magda

Wieder einmal war Harry bei den Dursleys gelandet. Nach dem Tod des von allen angesehenen Schulleiter Dumbledore, brauchte er Zeit zum Nachdenken. Ruhe bekam er dafür von den Dursleys zur genüge. Er saß wie üblich oben in seinem Zimmer, aufgerichtet in seinem Bett und starrte hinaus in die Ferne. Trotz des hellen Lichtes, welches die Sonne in sein Zimmer brachte, fühlte er eine unangenehme Leere in sich und sein Zimmer erschien ihm immer drückender und dunkler.

Sein Blick schweifte hinüber auf den leeren Eulenkäfig Hedwigs und er fragte sich wie so häufig, wo diese sich nun aufhielt.

Er fühlte sich einsam und fragte sich, warum er so lange nichts von seinen Freunden aus Hogwarts gehört hatte. Er wartete seit nunmehr drei Wochen auf einen Brief von ihnen. Sie hatten sich am Tag von Dumbledores Beerdigung das letzte Mal gesehen, als sie sich alle nur kurz am Bahnhof Kings Cross verabschiedet hatten. Von Ginny verabschiedete er sich mit einem letzten Blick und verschwand sofort darauf durch die Absperrung. Der Gedanke an Ginny versetzte seinem Herzen einen Stich und ließ ihn an seiner Entscheidung, Ginny zu verlassen zweifeln. Hatte er sich damals richtig entschieden, sich von ihr zu trennen um sie zu beschützen, oder war es ein Fehler gewesen? Er wusste, dass auch sie in höchster Gefahr sein würde, wenn sie weiterhin zusammen sein würden. Denn Voldemort würde wissen, dass sie ein Mittel wäre um an ihn heran zukommen und ihn zu beeinflussen. Er hatte Angst, er könnte sie genauso verlieren, wie er damals zuerst seine Eltern, dann Sirius und jetzt auch noch Dumbledore verloren hatte. Deshalb versuchte er sie aus seinem Kopf zu verdrängen.

Er beugte sich über die Bettkante und griff in seiner Tasche nach dem Medaillon, was er damals zusammen mit Dumbledore in der Höhle gestohlen und nach dem Tod seines Mentors an sich genommen hatte. Er drehte es in seiner Hand und las erneut die Nachricht, die R.A.B. dem Lord hinterlassen hatte. Nun war Harry es, der diese Botschaft zu lesen bekam. Mit solch einer Wut schmiss er das Medaillon in die Ecke, weil es ihm wieder in den Sinn kam, wie sinnlos die Suche nach diesem falschen Ding war und Dumbledore dafür sein Leben lassen musste.

Plötzlich ertönte von unten die Stimme seines Onkels Vernon.

„Freak, komm runter!"

Langsam setzt sich Harry in Bewegung ohne wirklich dieser Aufforderung Folgeleisten zu wollen. An der letzten Stufe angekommen, hastete sein Onkel sofort mit einer Standpauke auf ihn zu.

"Bursche, hör mir mal zu! Tante Magda wird uns wieder einmal besuchen und du wirst dich benehmen! Du wirst nur das sagen, was wir dir eingetrichtert haben, wenn du gefragt wirst. Ansonsten hältst du deine Klappe! Und lass dein Stock oben! Setz dich ins Wohnzimmer und warte, und mach kein Unfug! Dudders und ich fahren zum Bahnhof und holen Magda ab und deine Tante lässt du in Ruhe Kuchen backen!" Harry ging ohne ein Wort des Widerspruchs ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa, als er auch schon die Autotüren vom Wagen seines Onkels knallen hörte und das in wenigen Sekunden aus der Einfahrt brauste. Harry saß alleine da, das erste Mal, dass er sich unbeobachtet in dem Haus aufhalten durfte und schaute sich interessiert in diesem Raum um. Sein Blick fiel auf ein gelbliches Stück Papier, das aus einer Schublade ragte und ihn verwunderte, weil er dieses Pergament nur aus der Welt der Zauberer kannte. Neugierig ging er auf die Schublade zu und entnahm das Stück Papier. Er erkannte sofort, dass es sich um einen Brief an seine Tante handelte. Als er jedoch den Absender sah, wurde er noch begieriger darauf den Brief zu lesen.

Plötzlich ertönte der grellende Schrei seiner Tante.

„HARRY!"

Erschrocken zuckte er zusammen und zerknüllte versehentlich den Brief in seiner Hand. Vorsichtig schaute er sich um, ob Petunia ihn entdeckt hatte.

„HA-RRY! Hilf mir gefälligst beim Tischdecken, du nutzloser Bengel!"

Erleichtert darüber, dass seine Tante ihn nicht erwischt hatte, sondern noch in der Küche war, steckte er den Brief schnell in seine Hosentasche und schloss die Schublade wieder. Immer noch aufgewühlt ging er in die Küche, um der Aufforderung seiner Tante nachzugehen. Kurz bevor er fertig geworden war, den Tisch zu decken, hörte er von oben aus seinem Zimmer einen Eulenschrei, gefolgt von einem kurzen Kreisch seiner Tante.

„Sperr dieses Vieh ein! Aber sofort! Und beeil dich, Magda kommt gleich. Ich will keinen Ärger."

Auf dem Weg nach oben merkte er ein drückendes Gefühl in seiner Hosentasche und sofort fiel ihm wieder der Brief ein.

In seinem Zimmer angekommen, wartete Hedwig schon mit einem Brief im Schnabel auf ihn. Schnell überflog er den Brief.

Hallo Harry,

ich hoffe nachdem, was Ende des letzten Schuljahres passiert ist, geht es dir einigermaßen gut. Hermine hat mir erzählt, dass du beabsichtigst, das letzte Schuljahr nicht mehr in Hogwarts zu verbringen. Überdenke deine Entscheidung bitte noch einmal.

Anbei schicke ich dir ein Buch über Verteidigung gegen die dunklen Künste. Du wirst es sicher brauchen können. Ich hoffe ich höre von dir.

Dein Moony

Harry legte den Brief und das Buch von Lupin in seinen Koffer und kraulte Hedwig noch einmal kurz bevor er sie in ihren Käfig schloss. Schnell holte er den anderen Brief aus seiner Hosentasche und begann ihn hastig zu lesen.

Liebe Petunia,

nachdem wir erfahren haben, dass ihr in finanziellen Schwierigkeiten steckt, hat James…

Harry hörte vor dem Haus das Auto in den Ligusterweg fahren und beeilte sich den Brief noch schnell zu Ende zu lesen.

sich mit einem ehemaligen Freund in Verbindung gesetzt und konnte somit einen Job für Vernon in der Firma Grunnings besorgen. Es ist nicht viel, aber ein Anfang.

Deine Schwester Lily

Die Haustür knallte unten zu und Harry hörte die laute, aufbrausende Stimme von Tante Magda.

„Meine liiiiieeeebe Petunia, schön wieder hier zu sein"

Harry kam mit trägen Schritten die Treppe hinunter und blieb neben Magda stehen. Diese konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen und sagte abwertend:

„Ach, dieser Kriminelle wohnt wohl auch noch hier?"

Daraufhin schaute Harry sie zornig an.

„Ich bin auch nicht krimineller als ihr."

Onkel Vernon ging dazwischen und sagte streng zu Harry:

„Junge, benimm dich! Trag Magdas Koffer in das Gästezimmer!

Dann wandte er sich freundlich zu Magda:

„Komm Magda Kuchen ist fertig. Du hast doch bestimmt auch Hunger!"

Zusammen gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich um den Tisch. Harry dagegen schmiss die Koffer ins Gästezimmer, knallte die Tür zu und folgte ihnen anschließend ins Wohnzimmer. Dort angekommen verflog die freudige Stimmung und eine angespannte Stille trat ein.

„Sag mal Vernon, schickst du DIESEN Jungen eigentlich immer noch auf die St. Brutus Sicherheitsinstitut für unheilbar Kriminelle?

„Ja, aber sicher doch."

„Dann zeigt die Schule aber nicht sehr viel Erfolg"

Harry merkte wie die Wut begann in ihm aufzusteigen und versuchte sie krampfhaft zu unterdrücken.

Doch Magda hörte nicht auf mit ihren Sticheleien gegen ihn zu hetzen.

„Na ja, den seine Eltern waren ja auch schon immer so. Die waren doch auch so kriminell?

Petunia und Vernon warfen sich bei diesem Einwurf erschrockene Blicke zu.

„Vernon, du bist doch ein angesehener Geschäftsmann. Wie kannst du da diesen missratenen Jungen bei dir haben, wo du dich doch vor anderen damit nur schlecht machst?"

Harrys Hand ballte sich zu einer zitternden Faust zusammen. Sein Blick war auf den Teller vor ihm gerichtet und er konnte seine Wut kaum noch unter Kontrolle halten.

„Du hast doch so hart für diesen Job gearbeitet und dieser Idiot von Potter hat nie was gemacht und deswegen ist diese Familie so missraten…"

„ES REICHT…HÖR AUF…!"

Harry sprang von seinem Stuhl auf, der mit einem Ruck umfiel und haute mit der Faust auf den Tisch, so dass das Geschirr wackelte. Sein Blick war immer noch starr auf den Teller gerichtet. Petunia und Vernon konnten nichts sagen, sondern schauten ihn nur besinnungslos an.

„DU HAST DOCH KEINE AHNUNG. WENN MEINE ELTERN NICHT GEWESEN WÄREN, DANN HÄTTE VERNON GAR KEINEN JOB!"

Erstaunt fragt Petunia woher er das weiß.

„Wovon redet der Junge überhaupt?" wollte auch Vernon wissen.

Harry zog den Brief seiner Mutter aus der Tasche und antwortete:

„MEIN VATER HAT DIR DIESEN JOB BESORGT UND IHR REDET ÜBER MICH UND MEINE FAMILIE ALS WÄRT IHR WAS BESSERES…"

Harry zögerte.

„IHR MUGGEL…"

„Petunia, was erzählt der Junge da? Ich dachte du hättest das für mich getan?"

Magda fällt ihm ins Wort und richtet sich fragend an Petunia.

„Was sind M U C K E L?"

Vernons kopf glühte rot auf und antwortete.

„Ach Magda, das ist jetzt unwichtig."

Er richtete seinen Blick zornig auf Harry.

„Bengel, hör endlich auf mit diesem Scheiß und verzieh dich auf dein Zimmer!"

„NEIN, ich werde mich nicht mehr unterkriegen lassen. Ich werde jetzt die Wahrheit erzählen."

„Harry… bitte…" Petunia schaute ängstlich zu ihm.

Harry richtete seinen Blick wütend auf Petunia.

„Die ganzen Jahre habt ihr mich behandelt wie einen Sklaven, meine Eltern beleidigt, sogar du Petunia hast deine eigene Schwester missachtet. Sie sind gestorben, weil sie mich beschützt haben und euch ist das egal. Ich bin nur immer wieder hierher gekommen, weil ich mich verstecken musste. Aber es war eine Qual für mich. Ich bin für euch ein NIEMAND, aber in meiner Welt, in der Welt der Zauberer…"

Ein Quieken aus Magdas Richtung ertönte.

„…dort bin ich ein Held, der ich gar nicht sein will." Sagte er bedrückt.

„Wie kommst du darauf, dass du Taugenichts ein Held sein sollst?" warf Magda ein.

Harry jedoch überhörte diese Frage und sprach weiter.

„Und dorthin werde ich jetzt auch zurückkehren. Und zwar für immer."

„Aber dieser Dumbledore hat doch gesagt, du musst bis zu deinem 17. Geburtstag hier bleiben?" sagte Petunie ängstlich.

„DUMBLEDORE IST TOT!"

Bei der Erwähnung Dumbledores stiegen Harry Tränen in die Augen und noch mehr Wut stieg in ihm auf.

„ ICH MUSS MEINE ENTSCHEIDUNGEN NUN ALLEINE TREFFEN…!"

Harry wandte sich ab und rannte übereilt in sein Zimmer. Durch das plötzliche Aufspringen der Tür flatterte Hedwig erschrocken in ihrem Käfig umher.

„Wir müssen gehen!"

Harry packte seine Sachen in den Koffer und schnappte sich den Käfig. Beim Verlassen des Zimmers entdeckte er das glänzende Medaillon, was er vorhin noch wütend in die Ecke geschmissen hatte und steckte es nun wieder in seinen Koffer.

Eilig rannte er die Treppe runter und öffnete die Haustür. Keiner der Dursleys schien ihn aufhalten zu wollen und so verließ er noch leicht aufgewühlt den Ligusterweg Nr. 4.Von der Nachmittagssonne geblendet lief er, ohne ein Ziel zu haben, die Straße entlang, bis er zum Magnolienring gelang.

Als er plötzlich eine kalte Hand auf seiner Schulter fühlte….