Zusammenfassung: Der letzte Schritt zur Meisterschaft führt Ranma über den steinigen Pfad des Vergessens und Vergessenwerdens...
Ich besitze Ranma ½ nicht. Alle Rechte gehören den Personen/Institutionen, die diese gekauft haben; ich schreibe lediglich eine Geschichte, mit der ich kein Geld verdiene.
Verzweifelt beobachtete der junge Mann seinen alten, aber gefährlichen Gegner, der mit geschlossenen Augen vor ihm stand und allem Anschein nach seine Kraft für einen letzten, grausamen Angriff sammelte, der ihm den entscheidenden Vorteil bringen sollte. Doch als die Dauer und Härte des Kampfes ihren Tribut forderte, konnte sich Ranma nicht länger auf seinen großen, kleinen Meister konzentrieren. Taumelnd vor Erschöpfung musste er einige Schritte rückwärts nehmen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und für eine winzige, unendlich lange Sekunde verschwamm sein Blickfeld. Die Furcht vor der bevorstehenden Niederlage schnürte ihm die Luft ab und fraß an seinen Eingeweiden.
Schwer atmend kniff Ranma die Augen zusammen, um wieder klar sehen zu können, doch die Schmerzen in seinem Körper vertilgten jeden klaren Gedanken. Seine sonst eine eisenharte Verteidigung bildenden Arme hatten zahlreiche Schnittwunden und Prellungen und hingen bewegungslos an seiner Seite. Das dumpfe, schmerzhafte Pochen erinnerte Ranma an einen besonders harten Tritt auf seine Rippen. Doch im Moment setzte ihm die hochsommerliche Hitze am meisten zu. Erbarmungslos verbrannte die helle Sonne seinen Nacken. Schweiß rann von seiner Stirn und floss in eine Platzwunde an seiner Wange, sodass ein anhaltender, stechender Schmerz durch seinen Körper fuhr.
Der junge, aber erfahrene Kampfsportler atmete ein weiteres Mal tief durch und suchte seinem Gegner aufrecht entgegenzutreten. Entschlossen nahm Ranma einen Schritt nach vorne. Doch plötzlich versagten seine Knie und er fiel mit einem dumpfen Schlag auf das von der mitleidlosen Sonne versengte Gras, sodass kleine Staubwölkchen mit einem hämischen Grinsen von seiner Niederlage kündend um ihn tanzten. Sein Blickfeld verschwamm. Auf seine Arme gestützt und die Augen schließend erbrach Ranma unter sich und rollte sich mit allerletzter Kraft auf seinen Rücken. Während er in das gleißende Licht der Sonne blickte, schwanden seine Sinne. Er konnte nichts mehr hören, nicht mehr sprechen, doch schien jede Pore seines Wesens die Niederlage in die Welt herauszuschreien und die nunmehr dunkle Sonne schien tadelnd auf ihn herab. Erst spät bemerkte er, dass Akane sich über ihn beugte und mit ihm sprach. Er konnte sie nicht verstehen, aber als er ihr wunderschönes Lächeln in ihrem tränenüberströmten Gesicht erblickte, lächelte auch er. Dann umfing ihn die alles durchdringende, wohltuende, sanfte Schwärze und führte ihn in ein weiches Bett aus Blüten...
Ranma erwachte aus seinen unruhigen Träumen. Leise stöhnend öffnete er seine Augen, schaute an sich hinab und seufzte schwer. Selbst im spärlichen, vom Mond reflektierten Licht zeichneten sich die Bandagen an seinen Armen und seinem Oberkörper deutlich ab. Schwer lag der noch nasse Waschlappen auf seiner Stirn und kühlte seinen geschundenen Körper.
Dankbar für die liebevolle Behandlung, die er erhalten hatte, und zugleich bitter enttäuscht über seine Niederlage, starrte der junge Mann ausdruckslos auf die Decke, während der Schmerz langsam in seine noch müden Glieder zurückkehrte. Doch das Pochen seiner zahlreichen Wunden war ihm angenehm, denn es trieb die trüben, bedrohlichen Gedanken über seine Zukunft zurück. Ranma schloss seine Augen wieder und gähnte herzhaft, als er ein leises Rascheln an seiner Seite vernahm. Hastig setzte er sich auf.
„Ranma?"
Schlaftrunken setzte sich Akane auf, versuchte für kurze Zeit ihre Träume festzuhalten, ohne zu Wissen, warum sie dies tat, gab schließlich das aussichtslose Unterfangen auf, sah sich nach dem Grund ihres plötzlichen Erwachens um, legte ihren Kopf schief, blinzelte wenige Male, um sich an das dunkle Licht zu gewöhnen, rieb sich den verbleibenden Schlaf aus den Augen. Sie erkannte die schemenhaften, schattenartigen Umrisse ihres auf dem Boden sitzenden Verlobten, nicht erkennend, ob er sie anschaute oder an ihr vorbeistarrte. Doch ihr Blick suchte nichtsdestoweniger den seinigen.
„Ranma? Bist du wach?", flüsterte sie lautlos.
Die folgende, unerträgliche Stille breitete sich unaufhaltsam im dunklen Zimmer aus. Sie erfüllte jede Ecke, jeden Winkel und schob eine unsichtbare, undurchdringliche Wand in das Zimmer. Als Akane die Hoffnung auf eine Antwort beinahe aufgeben wollte, vernahm sie leise, fragende Worte.
„Warst du das? Hast du mir die Verbände angelegt?"
„Stimmt, stimmt irgendwas.... ich meine, ist alles.... hab' ich es falsch gemacht?", antwortete sie nervös und fügte befürchtend hinzu: „Ich hätte es Kasumi machen lassen sollen..."
„Nein! Nein, es ist alles in Ordnung." Der junge Mann sprach tonlos und drehte seinen Kopf leicht. „Ich wollte nur wissen, bei wem ich mich zu bedanken habe. Was machst du eigentlich hier?"
Akane strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und rutschte ein wenig näher zu Ranma, während sie ihm antwortete: „Du warst ziemlich zugerichtet nach dem Kampf. Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht doch schlimmer verletzt bist. Und außerdem wollte ich die erste sein, die dir gratuliert", fügte sie leise hinzu.
„Gratulieren?" Der Kampfsportler lachte bitter; ein Geräusch, das die junge Frau noch nie von ihm gehört hatte und auch nie wieder hören wollte. „Wozu? Zum guten Kampf? Oder vielleicht zur Niederlage?"
„Nein, du Vollidiot!", fauchte sie wutentbrannt und sprang auf. „Zu deinem Sieg! Aber wenn du schon wieder so kommst, nachdem du einfach zwei Monate weg warst, ohne einen Ton zu sagen, dann kannst du dich alleine freuen!"
„Was kann ich denn dafür? Ich musste eben trainieren", antwortete er und versuchte sich ebenso aufzustellen, was ihm allerdings aufgrund seiner zahlreichen Verletzungen nur schwerlich gelang. „Und du könntest auch mal ein bisschen netter sein, du...."
„Machoweib vielleicht? Und ich habe mir auch noch Sorgen gemacht, du Trottel! Was starrst du mich eigentlich so an?!"
Ranma stand mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund in dem dunklen Zimmer, die junge Frau ungläubig anstarrend. Ihre Worte gingen in einem lauten Rauschen in seinen Ohren unter, als sein rasendes Herz das Blut frenetisch in seinen Kopf pumpte. Zum ersten Mal in dieser Nacht wurde ihm das volle Ausmaß seiner Verletzungen bewusst und doch fühlte er sie nicht, denn zaghaft strömten erste Glücksgefühle durch seinen Körper und vertrieben alles Leid.
„Was? Was meinst du mit Sieg?"
„Hör' auf, mich abzulenken, wenn ich dich anschreie! Und stell' dich gefälligst nicht dumm! Du hast gewonnen, weil du eben ungefähr eine halbe Minute länger bei Bewusstsein warst als Happossai. Wenn du denkst, dass ich mit dir fertig bin, dann..."
Doch Akane sollte ihre Schimpftirade nie fortsetzen können, da sich Ranma in diesem Moment, überwältigt von seinen Gefühlen, entschloss, ihnen freien Lauf zu lassen. Seine Arme umschlossen ihren Körper zärtlich. Seine Hände, die auf ihrem Rücken lagen, pressten ihren Körper gegen seinen. Der junge Mann spürte den heißen Atem auf seiner nackten Schulter und nahm den süßen, vanilleartigen Geruch ihrer Haare wahr. In diesem Moment der Freude wurde ihm bewusst, wie sehr diese Frau ihn beeinflussen konnte und peinlich berührt ließ er von ihr ab.
Die junge Frau konnte sich nicht rühren. Ihre Stimme versagte und ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper herunter, als sie die Umarmung des Kampfsportlers fühlte. Nicht die Wut über sein Verhalten oder die Berührung waren es, die sie zum Erstarren brachten – schließlich hatte sie sich in der gemeinsamen Zeit so sehr an den arroganten Jungsporn gewöhnt und vertraute ihm so sehr, dass er sie, ganz im Gegensatz zu allen anderen Männern, in den Arm nehmen durfte. Es war die offenkundige Zuneigung, die sie so sehr erstaunte. Die Flut ihrer Wut verebbte im Sturm der neu aufwallenden Gefühle; ihr Herz raste, als sie seinen Körper an ihrem spürte, doch das Gefühl der Geborgenheit, in das sie sich erst gerade hatte einbetten lassen, verschwand viel zu schnell, als der junge Mann die Umarmung löste. Ohne nachzudenken fasste sie all ihren Mut zusammen, trat einen Schritt auf ihn zu, schloss ihre Arme um seinen geschundenen Körper und flüsterte ganz leise:
„Willkommen zu Hause!"
Die folgenden Stunden verflogen in einem Taumel aus Freude wie im Fluge. Keiner der beiden Erwachsenen schien Müdigkeit zu verspüren. So redeten sie über das Training, über die Schule und über andere Dinge, lachten gemeinsam und erfreuten sich an der Gegenwart des anderen. Schließlich erlosch der nächtliche Himmel und die funkelnden Sterne wichen dem von der warmen Sonne kündenden Morgengrauen. Plötzlich stand Ranma auf und streckte und dehnte sich ausgiebig. Trotz der zahlreichen Verletzungen zuckte er nur selten und bewegte sich geschmeidig wie immer, wie Akane erstaunt und beeindruckt beobachtete.
„Ich habe Hunger," sagte er schließlich und reichte der jungen Frau eine Hand. „Willst du auch was?"
„Ich könnte uns ja was machen", schlug sie vor, während sie sich an seiner Hand hochzog.
Ranma, der ihre Kochkünste noch in bester Erinnerung hatte, erblasste sichtlich. Schweiß rann ihm von der Stirn und er öffnete zögerlich den Mund, als ihn ein harter Schlag gegen seine Schulter traf. Akane stand wütend vor ihm, die Hände nach ihrem Schlag auf ihre Hüften gestemmt.
„Probiere es, bevor du es beleidigst! Ich habe geübt!"
„Ja, das kann ich mir vorstellen", schnaubte er verächtlich und duckte sich in Erwartung eines erneuten Schlages.
„Vollidiot! Aber wenn du es nicht willst, dann eben nicht. Zum Glück wissen manche Menschen meine Bemühungen zu schätzen!"
„Wer denn zum Beispiel?"
„Vielleicht mache ich ja dann Frühstück für Ryouga", sagte sie und drehte sich mit einem Grinsen, das der junge Mann nicht sehen konnte, von ihm weg und ging langsam auf die Türe zu. Sie vernahm ein leises Knurren und grinste nur noch breiter.
„Vielleicht...."
„Vielleicht was, Ranma?"
„Vielleicht", brummte er und seufzte dann schwer. „Vielleicht können wir ja das Frühstück gemeinsam machen? Schließlich kann ich dir ja nicht die ganze Arbeit zumuten!"
Lächelnd drehte sich Akane zu ihm um und wurde vom ersten Sonnenstrahl geblendet.
„Gut, können wir machen. Und, wie geht es deiner Schulter?"
„Machoweib!"
Über den Enthusiasmus der jungen Frau lächelnd, schaltete Ranma das Radio an und lehnte sich kurz an den Tisch in der Küche, um seine steifen, schmerzenden Beine zu entlasten. Immer wieder stieß sie gegen den Tisch, verschüttete Saft, Milch oder Wasser, versuchte, den angerührten Waffelteig im Toaster zu Waffeln zu backen oder eine ganze Eierpackung in der Mikrowelle zuzubereiten, ließ die Pfanne, in der bereits Fett war, unbeobachtet viel zu lange auf der heißen Herdplatte stehen und wollte die Rühreier mit Koriander, Chili und Zimt verfeinern. Kopfschüttelnd griff er korrigierend ein und versuchte dabei nicht zu lachen. Währenddessen spielte das Radio verschiedene Lieder leise im Hintergrund.
„I'm an new soul, I came to this strange world hoping I could learn a bit 'bout how to give and take..."
„Warum versuchst du es denn nicht einfach mal mit Salz und Pfeffer?"
„... but since I came here, felt the joy and the fear, finding myself making every possible mistake..."
„Verdammt! Warum kann das denn nicht einmal klappen wie ich es will?" Die junge Frau fluchte laut, verstummte aber, als Ranma dicht hinter sie trat und die Pfanne für sie in die Hand nahm.
„... but why all this hate? Try to communicate. Finding trust and love is not always easy to make..."
„Das wird schon werden, nur Mut! Übung macht den Meister; bis jetzt ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – außer vielleicht Happossai."
Akane kicherte und kam sich dabei äußerst kindisch vor. Sie wusste nicht, was mit ihr geschah. Ein angenehmes, seltsames Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus und jede noch so leichte Berührung mit Ranma schien sie geradezu elektrisch aufzuladen. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich umzudrehen, um ihm zu danken und ihn zu umarmen, verdrängte diesen Gedanken aber so schnell wie möglich aus ihrem Kopf und konzentrierte sich stattdessen auf das Kochen.
Nur wenige Minuten später trugen die beiden ihre Teller mit Rührei, Brot, Waffeln, Toast und ein Glas Saft aus der Küche in den Wohnraum und setzten sich nebeneinander an den Tisch, um ihr Frühstück einzunehmen.
„Mhh, schmeckt doch gut", sagte Ranma über das Rührei und Biss vom Toast ab. „Siehst du, du kannst es doch!"
„Danke", antwortete sie stolz zwischen zwei Bissen Butterbrot. „Sag mal, wo sind eigentlich die anderen?"
„Keine Ahnung. Aber jetzt, wo du es sagst... es ist immerhin schon halb elf. Komisch... vielleicht sind sie alle weg?"
„Glaube ich eher nicht", sagte sie und blickte auf den kleinen Teich im Garten. „Und bevor ich es vergesse: Happossai hat gestern, als er wieder zu Bewusstsein gekommen ist, gemeint, du sollst, sobald du aufgewacht bist, in die Trainingshalle kommen. Er hat irgendetwas mit dir zu besprechen."
Heftig keuchend, weil er sich an einem Stück Toast verschluckt hatte, versuchte er, einen Satz hervorzuwürgen: „Was? W-warum – kannst du mir bitte den Saft geben? Danke! – warum hast du mir das nicht schon vorher gesagt?"
„Weil du heute früh noch ziemlich zugerichtet warst und Happossai weiß Gott was von dir will", antwortete sie und schenkte ihm Saft nach. „Und du hast heute noch genug Zeit, mit ihm zu reden!"
Das restliche Frühstück verbrachten die beiden in Schweigen, obwohl Akane gerne weiter mit ihm gesprochen hätte. Sie genoss die Tatsache, dass sie sich nicht mit Ranma stritt und auch, dass sich niemand einmischte. Doch der junge Mann schien nachzudenken und sie wollte ihn nicht stören. Deshalb räumten sie ihr Geschirr ebenso schweigend in die Küche und gingen schließlich getrennte Wege, da sie nach ihrer Familie sehen wollte, während er in die Trainingshalle zu seinem Meister gehen wollte...
Vorsichtig trat der junge Mann ein und sah sich um. Die sonst von hellem Sonnenlicht durchflutete Trainingshalle lag im Halbdunkel, da die vielen Fenster sorgfältig mit roten, seidenen Vorhängen verhangen waren, den bezaubernden Ausblick auf den Garten verbergend. In der Mitte der Halle stand ein steinerner Altar mit zwei Räucherkerzen und einem mit fremdartigen Runen verzierten Tongefäß, aus dem weißlicher Nebel hervortrat.
Hinter dem Altar saß Cologne. Einen düsteren, unverständlichen Gesang intonierend, legte sie ihren hölzernen Stab ab und schloss ihre Augen. Ihre Stimme hallte tausendfach von den Wänden wider, was das schaurige Summen übernatürlich mächtig erscheinen ließ. Plötzlich breitete sich der Nebel wie von Zauberhand aus und umschloss die gesamte Halle. Der starke Geruch nach Moschus und anderen exotischen, ihm unbekannten Gewürzen betäubte Ranmas Sinne. Ihm wurde schwindelig. Schaudernd, doch zugleich erleichtert setzte sich der Kampsportler auf den harten, kalten Boden und beobachtete die alte Frau fasziniert.
Nach einiger Zeit wurde das Summen schließlich leiser und verebbte. Die Räucherkerzen verströmten einen nunmehr leichten Duft nach Vanille. Als das letzte Echo ihres Gesangs verstummte, schlug Cologne schlagartig die Augen auf, sodass sich Ranma erschrocken und in Erwatung eines plötzlichen Angriffs umblickte. Doch er konnte nicht durch die solide Wand aus weißem Nebel blicken.
„Meinen Glückwunsch, Ranma..." erklang eine mächtige, volle Stimme aus den Weiten des Nebels. „Und vielen Dank, Cologne."
Die alte Frau nickte nur und stand schließlich auf. „Diese Prozedur hat mich viel Kraft gekostet, Happi. Aber ich stimme mit dir überein. Sie ist notwendig."
„Was ist hier los?" fragte der junge Mann leise, doch es genügte, um die Aufmerksamkeit der beiden auf sich zu lenken. „Warum habt ihr mich hier her geholt? Was soll das Ganze?"
„270 Jahre..." antwortete Happossai auf seine Frage und trat aus dem Nebel hervor. Die Spuren des harten Kampfes waren noch deutlich zu erkennen. „...so lange war ich unbesiegt, habe jedem Wesen im Kampf getrotzt und mich den stärksten Kämpfer der Welt genannt. Nie hätte ich gedacht, dass ein Rotzlöffel wie du mich besiegen könnte; und doch ist es passiert. Ja, ich habe dich zunächst unterschätzt, aber als ich gemerkt habe, wie stark und schnell du geworden bist, habe ich richtig gekämpft und doch verloren."
„Und deshalb haben wir beschlossen, dir diese letzte, schwerste Prüfung aufzuerlegen." Sagte Cologne und setzte sich neben Happossai auf den Boden. „Nachdem du sie bestanden hast, wirst du der neue Meister deiner Schule."
„Ich bin bereit!" unterbrach der Jungspund Cologne mit einem breiten Grinsen. „Worin besteht meine Prüfung? Und was muss ich machen? Kommt schon! Je länger ich hier sitze, desto länger dauert es! Und ich kann es kaum erwarten, diesen alten Lustmolch hier abzulösen."
„Ich befürchte, diese wenigen Sekunden werden keine Rolle spielen." Seufzte Happossai. „Ich habe damals zwei volle Jahre für diese Prüfung gebraucht und Cologne war fünf Jahre auf Reisen."
„Was? Was soll denn das für eine Prüfung sein?"
"Eine Prüfung, die nur den besten Schülern der stärksten Meister gestellt werden darf, also höre genau zu, Ranma! Happi und ich werden noch heute verschwinden. Deine Prüfung wird darin bestehen, dass du eine neue Technik auf deiner Reise erlernst, uns findest, die Technik ausführst und uns schließlich in einem Kampf besiegst. Allerdings gibt es einen kleinen Hacken: wir sagen dir nicht, wo wir sind. Du musst viel reisen und genau auf deine Umwelt achten, um uns zu finden."
„Was?!" Ranma blickte die beiden Altmeister ungläubig an und lachte nach einigen Sekunden des Schweigens laut auf. „Ihr wollt also, dass ich mit euch verstecken auf der ganzen Welt spiele? Und wer von euch beiden ist auf diese schwachsinnige Idee gekommen? Und habt ihr wirklich gedacht, dass ich dabei mitmachen würde?"
„Das ist kein Schwachsinn", sagte die alte Frau wütend und berührte den jungen Mann ganz leicht mit ihrem Stock. Sie bewegte sich dabei so schnell, dass er nicht mehr reagieren konnte und mit einem heftigen Ruck, der ihm durch Mark und Bein ging, einige Meter nach hinten geschleudert wurde, wo er unsanft auf dem harten Boden aufkam. Stöhnend rappelte er sich auf und versuchte nicht auf seine ihn quälenden Schmerzen zu achten. Bereit, den nächsten Angriff der Hexe mehr schlecht als recht abzuwehren, war er erstaunt, dass sie ruhig an ihrem Platz saß und ihn anblickte.
„Ranma, es gibt nur noch fünf lebende Meister, die diese Prüfung selbst durchgestanden haben und sich deshalb das Recht verdient haben, diese auch stellen zu können – und zwei davon siehst du in diesem Raum. Du solltest dich geehrt fühlen, dass wir dich in unseren Kreis aufnehmen! Sollte dir das nicht genug Ansporn sein, dann lass dir sagen, dass du am Ende deiner Reise ein Geheimnis erfahren wirst, dass nur wir fünf Meister kennen."
„Wenn das ein Witz sein sollte", sagte der junge Mann und kam vorsichtig näher. „Dann ist das der schlechteste Witz aller Zeiten. Ich fühle mich geehrt, dass ihr mich in diesen Kreis aufnehmen wollt, aber wie kommt ihr darauf, dass ich hier einfach alles stehen und liegen lassen werde? Was soll ich meinem alten Herrn oder den anderen sagen?"
„Dafür", antwortete Happossai und sah Cologne an. „ hat sie bereits gesorgt. Siehst du den weißen Rauch? Das war ein ganz spezielles, altes Ritual, das nur sehr wenige Menschen beherrschen und ich denke, du kennst es bereits."
Verwirrt blickte der jüngere Kampfsportler von Happossai zu Cologne und schüttelte seinen Kopf leicht, als ihm plötzlich der Geruch der verbrannten Kräuter in die Nase stieg. Irgendwo, das wusste er genau, hatte er diesen Geruch schon einmal wahrgenommen, doch er konnte die Kräuter nirgends einordnen, denn sie waren zu exotisch. Und während er so konzentriert nachdachte, wanderten seine Gedanken immer weiter und er erinnerte sich an Akane. Ihr heißer Atem auf seiner Schulter, der Geruch nach Vanille; und plötzlich wusste er es. Entsetzt schlug er die Augen, von denen er nicht einmal wusste, dass er sie geschlossen hatte, schlagartig wieder auf und starrte die beiden an.
„Nein!" Die Panik in seiner Stimme ließ das Wort gefährlicher klingen als er es gewollt hatte. Er atmete ruckartig ein und aus und versuchte sich zu versichern, dass es nicht das war, was er befürchtete. „Nein! Das könnt ihr unmöglich gemacht haben! Nein!"
„Ich sehe, du kannst dich noch an den Kräutergeruch der Shiatsu Kampftechnik erinnern." Cologne antwortete mit einem Lächeln. „Wir müssen sichergehen, dass du die Prüfung auch annimmst. Jeder von uns hat einen Teil der Lösung, die das Ritual aufhebt. Es tut mir leid..."
„Wer? Wen habt ihr ausgewählt?" Der junge Mann fühlte sich auf einmal seltsam leer. Mit ausdruckslosem Blick betrachtete er seufzend die Decke.
„Was meinst du?"
„Wer kann sich nicht mehr an mich erinnern?" Eine kochende, rasende Wut überkam Ranma, als er den kleinen Meistern seine Worte entgegenschleuderte wie den schlimmsten Fluch.
„Die ganze Welt, Ranma", antwortete der alte Mann sanft. „Das wird dir helfen, dich auf deine Aufgabe zu konzentrieren und außerdem sicherstellen, dass du uns jagst. Jeder, Ranma, absolut jeder Mensch, der sich nicht in dieser Halle befindet, wird dich in wenigen Sekunden nicht mehr kennen, dich vergessen haben. Also hält dich an diesem Ort auch nichts mehr."
Ein leises Knarren einer der Dielen beendete das Gespräch abrupt, bevor Ranma antworten konnte. Er riss den Kopf herum und blickte in die erstaunten Augen von Akane, die ihre Hände über den Mund geschlagen hatte. Der so schnell erschienene Rauch verschwand plötzlich wieder und gab den Blick auf die geöffnete Türe der Trainingshalle frei.
„Ranma?"
Eine böse Vorahnung überkam den jungen Mann, als er seine Verlobte sah. Schnell drehte er sich wieder um und erkannte, dass Cologne und Happossai die Ablenkung genutzt hatten, um unterzutauchen. Verzweifelt hieb er so fest er konnte gegen den Boden, sodass die Haut über seinen Knöcheln platzte und warmes Blut langsam über seine Finger auf den Boden tropfte.
„Verdammt! Kommt zurück!" Er wusste, dass sie seinen Schrei nicht hören konnten und trotzdem benutzte er ihn als ein Ventil für seine unbeschreibliche Wut.
„Ranma?"
„Was?" Er wollte sie nicht anschreien und doch fuhr er sie ungehalten an, sodass sie vorsichtig einen Schritt zurücktrat. „Moment! Du kannst dich an mich erinnern?"
„Ja... ich habe mich in die Halle geschlichen, weil ich wissen wollte, was los ist." Ihre Worte leuchteten in seinen Gedanken wie ein heller Sonnenstrahl in der dunkelsten aller Nächte. „Es tut mir so leid, Ranma!"
Der Mann blickte sich hoffnungsvoll zu ihr um und sagte: „Und was soll ich jetzt machen?"
„Nicht du, Ranma, wir", antwortete sie aufmunternd lächelnd. „Was du jetzt am allermeisten brauchst, ist ein guter Freund, der dich kennt und an deiner Seite steht. Und ich habe auch schon eine Idee, also komm!"
Als Akane ihm ihre Hand entgegenstreckte, blickte er sie dankbar an und umarmte sie so fest er konnte. Er versuchte all seine Dankbarkeit für ihre Worte, für ihre Taten in diese kurze Berührung zu bringen; nicht nur spürte Akane dies, sondern sie war auch nicht überrascht wie beim ersten Mal. Sie schloss ihre Arme um seinen Oberkörper und drückte ihn fest an sich, um ihren Beistand auszudrücken.
„Danke...", flüsterte er leise.
Schweigend traten die beiden vom Garten in den Wohnbereich ein und blieben stehen. Am Tisch saßen wie jeden normalen Morgen ihr Vater Soun, ihre Schwestern Kasumi und Nabiki sowie sein Vater Genma, doch blickten sie an diesem ungewöhnlichen Morgen alle neugierig auf Ranma und Akane. Anstelle des üblichen Guten-Morgen-Grußes legte ihr Vater die Zeitung beiseite und lächelte die beiden aufmunternd an.
„Wir haben uns schon gefragt, wo du heute bleibst, Akane." Er sprach freundlich zu ihr und blickte dann zu Ranma. „Und wie ich sehe, hast du Besuch. Ich bin Soun Tendo, Akanes Vater. Guten Morgen!"
Ranma konnte nicht antworten, er konnte nicht sprechen. Er kannte die Worte, er formte sie in seinem Mund und doch blieben sie in seinem Halse stecken, drohten ihn zu ersticken. Das Atmen fiel im schwer, als ob die Laute tatsächlich in seinem Hals stecken würden. Seine letzte Hoffnung, dass Cologne einen Fehler gemacht haben könnte, verpuffte wie eine Seifenblase bei einer Berührung. Und doch half ihm eine Berührung, wieder zu sprechen, denn als Akane ihm ihre Hand auf den Arm legte, beruhigte er sich, zwang sich, die Kontrolle über seine Wut wiederzuerlangen, sie zu beherrschen, seine Seele auf Eis zu legen.
„G-guten Morgen."
„Entschuldige, Paps, er ist ein wenig schüchtern! Ranma, das ist mein Vater Soun, Paps, das ist Ranma." In dem kleinen Moment, den sie wartete, während sich die beiden Männer begrüßten, schlug sie ihre Augen auf den Boden, um das Rot auf ihren Wangen und ihr Lächeln zu verbergen. „Er ist mein Freund und auch er trainiert die Kunst."
„Wie schön, Akane!" Der überraschende, erfreute Ausruf kam aus Kasumis Mund, während sie mit einem Lächeln aufstand. „Ich hole gleich ein weiteres Gedeck!"
„Nein, das brauchst du nicht, Kasumi, wir wollten gerade hoch gehen und reden."
„Nein, nein, Akane, lass sie ruhig machen, dann können wir uns hier unterhalten", schlug Nabiki vor, die Ranma neugierig und fasziniert beäugte. „Und vielleicht hat er ja Lust, uns vorzuführen, wie gut er ist."
„Ja, warum nicht? Genma, alter Freund, du könntest doch ein wenig gegen ihn kämpfen?"
Ranma blickte verwirrt von Soun zu Akane. Das letzte, was er jetzt wollte, war Menschen, die er seit Jahren genau kannte, wie ein Tier einer schaulustigen Meute vorgestellt zu werden oder gegen seinen eigenen Vater, der ihn nicht erkannte, vergessen hatte, zu kämpfen. Hilfe suchend sah er seine Verlobte an, die sofort verstand und eingriff.
„Nein! Ich werde ganz kurz gegen ihn kämpfen und dann müssen wir unbedingt reden! Bitte, Paps, versteh' das. Wir können irgendwann anders reden so viel du willst."
„Na gut, wenn du meinst, Akane", sagte Soun, der wie die ganze Familie enttäuscht aussah, und betrachtete, wie die beiden in der Garten gingen und sich ein paar Meter voneinander entfernt hinstellten.
Ohne lange zu zögern, griff sie ihn an, schloss die Lücke zwischen den beiden in wenigen Sekunden und schlug mit ihrer rechten Faust zu. Doch Ranma wich den Schlag vorrausahnend blitzschnell aus, indem er seinen Oberkörper nach links drehte. Als Akane ihren Arm wieder zurückzog und erneut ausholte, stand er bereits wieder mit seinem üblichen Grinsen vor ihr. Auch ihrem nächsten Schlag wich er geschickt aus und ebenso dem dritten. Dann versuchte sie ihn mit einem schnellen, harten Tritt in die Kniekehle aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch er wich auch ihrem Tritt aus, indem er hoch in die Luft und damit über ihren Fuß sprang. Akane, die sich sehr an ihren ersten Kampf mit Ranma erinnert fühlte, drehte sich schnell um, als sie einen leichten Druck auf ihrem Kopf spürte, doch hinter ihr stand kein grinsender junger Mann. Stattdessen spürte sie, wie er sein Kinn auf ihren Kopf legte.
„Hab' dich. Aber du bist viel besser geworden; schneller, stärker."
Die ganze Familie starrte den beiden erstaunt nach, als sie sich verabschiedeten.
„Er war schnell, viel zu schnell! Viel schneller als ich", rief Genma aufgeregt.
„Genma, denkst du auch, was ich denke?"
„Aber natürlich! Die beiden müssen heiraten, je schneller desto besser."
„Genau! Er ist der einzige, der Happossai vielleicht besiegen könnte und außerdem kann er unsere Kampfschule zu großem Ruhm führen", erklärte Soun und fügte traurig hinzu, während sich die beiden Männer zu ihrem Schachbrett begaben. „Schade, mein alter Freund, dass du keinen Sohn hast. Ich bin mir sicher, dass er genauso gut wie dieser junge Mann wäre."
„Mich interessiert nur, woher sie ihn hat und was er an ihr findet", sagte Nabiki, ihren Kopf auf ihre Hände stützend. „Ich könnte ein Vermögen mit ihm verdienen. Denkst du, ich sollte..."
„Wage es bloß nicht, Nabiki Tendo! Du solltest froh sein, dass unsere kleine Schwester endlich einen Freund hat und Männer nicht mehr hasst!"
„Na gut, Kasumi, na gut..."
Der Tag neigte sich rasch dem Ende zu, als Ranma und Akane in ihrem Zimmer fieberhaft nachdachten, wie sie weiter vorgehen sollten. Doch außer Akanes Vorschlag, einfach zu erklären, was passiert war, fiel keinem von beiden etwas ein. Und dieser eine Vorschlag war nicht realisierbar, wie Ranma meinte:
„Oder würdest du glauben, dass du eine Tochter hast, an die du nicht erinnern kannst?", fragte er und sah wie Akane ihren Kopf hilflos schüttelte. Er blickte hinaus auf die untergehende Sonne und seufzte schwer. „Ich denke, ich habe keine andere Möglichkeit, als auf diese Reise zu gehen... Shampoo!"
„Was?"
„Shampoo! Jetzt hab' ich's! Ich muss zu Shampoo! Oder in ihr Dorf!"
„Was?!", rief Akane wütend aus und durchbohrte Ranma mit ihren Blicken. „Wie kannst du an Shampoo denken, wenn ich hier sitze und dir helfe? Wie kannst du es wagen?"
„Du musst nicht eifersüchtig sein, Akane. Es geht nicht um Shampoo," sagte er, doch er konnte seine Erklärung nicht weiterführen, da ihm Akane eine schallende Ohrfeige verpasste.
„Ich und eifersüchtig? Pah! Sieh doch selbst, wie du zurecht kommst mit deiner ach so tollen Shampoo!"
„Kannst du mir nicht einmal zuhören, du Machoweib!"
„Ach, jetzt bin ich wieder Schuld, huh? Du Vollidiot! Ich hasse dich! Verschwinde!"
„Wer ist hier ein Vollidiot?" Entgegnete er wütend und stampfte zur Türe, öffnete sie und blickte zurück. „Du musst mich nicht zweimal bitten zu gehen, du Machoweib!"
„Ach ja, und warum bist du dann noch hier, du arroganter Trottel?"
Erschöpft legte Ranma seinen riesigen Reiserucksack auf den weichen Boden der Lichtung. Um ihn herum standen hohe, schützende Bäume und der Mond schien auf ihn herab zu lächeln. Der Marsch war anstrengend gewesen und so machte er sich nicht die Mühe, ein Zelt aufzubauen; schließlich war es auch warm genug, nur mit dem Schlafsack bedeckt, die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Eine Decke unter sich ausbreitend, legte er sich hin und blickte zum Mond.
„Was lohnt es sich, in einer Welt zu leben, in der dein Albtraum zur Realität geworden ist?", fragte er laut in die Nacht hinein, doch niemand antwortete ihm. Er gähnte, verschränkte seine Hände und legte seinen Kopf auf sie. Die Geräusche der Nacht, der Waldes und der Tiere, die hier in dieser einsamen Gegend übernatürlich laut erschienen, verwandelten sich vor seinen geschlossenen Augen in wunderschöne Bilder, die sich stetig wandelten. Doch alle zeigten ihm dasselbe: Akane.
„Wo immer du jetzt auch sein magst," sagte er in die Nacht hinein. „Wo immer du auch sein magst, was immer du auch tun magst, sehen wir doch die gleichen Sterne und die kann uns auch unsere Dummheit nicht wegnehmen..."
„Da hast du recht..."
So, das war das erste Kapitel; ich hoffe, es hat euch so weit gefallen. Ich würde mich sehr über einen Kommentar, über Verbesserungsvorschläge, über Anregungen und dergleichen freuen.
Ihr könnt ja auch tippen, wer ihm auf der Lichtung begegnet; diese Geschichte wird noch voller Überraschungen für euch stecken! J
